Devrient

Devrient

Devrient (spr. Dewriäng), Schauspielerfamilie[96] stammt aus den Niederlanden, wo sie de Vriend heißen; 1) Ludwig, geb. 1784 in Berlin, suchte sich der strengen Zucht seines Vaters durch heimliches Entweichen aus dem väterlichen Hause zu entziehen. Als er darauf zu einem Handwerker in Potsdam in die Lehre gegeben wurde, entwich er 1802 aus Neigung zur Bühne abermals u. trat in die Langesche Schauspielergesellschaft, die damals in Gera spielte, wo er zuerst unter dem Namen Herzberg die Breter betrat. Er ging hierauf mit derselben nach Rudolstadt, Altenburg, Naumburg u. Zeitz, erhielt 1805 bei der Dessauer Gesellschaft festes Engagement, entwickelte hier sein Talent u. kam 1809 nach Breslau u. 1815 nach Berlin, nachdem er mehrmals daselbst gastirt hatte. Hier brachte er sein reiches Talent zur Entwickelung u. Geltung u. nahm bald den ersten Rang unter den deutschen Schauspielern ein. Charakterrollen, wie Franz Moor, Shylock, der Mohr in Fiesco, Richard II., waren seine Hauptrollen. Ungemeine Erfolge erzielte er namentlich in den Rollen, wo das dämonische Element humoristisch od. tragisch gefärbt vorwaltete. Die originale Gestaltung seiner vorzüglichsten Rollen blieb lange das Vorbild jüngerer Bühnenkünstler. Er starb 1832 in Berlin, schon seit Jahren durch Genuß starker Getränke unheilbar geschwächt; vgl. Funk, Aus dem Leben zweier Schauspieler, Lpz. 1838; G. Schmidt, D.-Novellen, Berl. 1852. 2) Karl August, Neffe des Vor., geb. 1798 in Berlin, Anfangs Kaufmann, wurde 1815 freiwilliger Jäger bei einem preußischen Husarenregiment, mit welchem er an der Schlacht von Waterloo theilnahm, kehrte nach dem Frieden zur Handlung zurück, ging aber 1819 zum Theater u. trat zuerst in Braunschweig auf, dann als erster Held u. Liebhaber in Dresden, verheirathete sich 1823 mit der Folgenden, ließ sich aber schon 1828 wieder scheiden, verließ 1834 die Dresdener Bühne, gastirte an mehreren Bühnen u. ward 1836 in Karlsruhe u. 1839 in Hannover engagirt. Er spielt hauptsächlich Charakterrollen. 3) Wilhelmine, Schröder-D., geb. 1805 in Hamburg, Tochter der berühmten Sophie Schröder, betrat schon, 5 Jahre alt, als Amorette die. Hamburger Bühne, kam später, als ihre Mutter nach Wien ging, zum Ballet Horschelt daselbst, trat im 15. Jahr als Schauspielerin auf, spielte hier die Aricia in der Phädra, Louise in Kabale u. Liebe, Beatrice in der Braut von Messina etc.; 1821 debütirte sie (in der Musik von Grünwald u. Mozatti unterrichtet), als Sängerin mit enthusiastischem Beifall. Pamina, Emmeline, Maria im Blaubart, Fidelio waren ihre ersten Rollen. Bald wurde sie eine der beliebtesten deutschen Sängerinnen. 1823 ging sie nach Berlin u. dann nach Dresden, wo sie den Vorigen heirathete. Nach ihrer Trennung von ihm, 1828, machte sie mehrere Kunstreisen, u.a. 1830 u. 1831 nach Paris, 1832 u. 1833 nach London, wo sie überall den größten Beifall erntete, setzte dann ihre Kunstreisen in Deutschland bis 1837 fort, wo sie wieder nach London ging u. sich hierauf in Dresden engagirte. Nach dem Maiaufstand 1849 verließ sie Dresden u. heiratheteteim März 1850 in Gotha den livländischen Gutsbesitzer v. Bock. 4) Philipp Eduard, Bruder von D. 2), geb. 1801 in Berlin, widmete sich als Schüler Zelters der Bühne als Baritonsänger, betrat 1819 die Bühne in Berlin, bildete sich seit 1822 im Besang unter Schelble u. noch mehr in Wien unter Barbaja aus, verlor aber 1834 durch Erkältung an seiner Stimme, weshalb er zum Schauspiel übertrat. Vorzugsweise spielte er Helden- u. Charakterrollen im bürgerlichen Drama. 1839 ging er nach Paris u. übergab seine dortigen Beobachtungen durch seine Briefe aus Paris, Berlin 1840, der Öffentlichkeit. 1844 verließ er Berlin u. ging als Oberregisseur nach Dresden u. 1853 nach Karlsruhe, wo er die technische Oberleitung der Bühne erhielt. Er schrieb mehrere Operntexte, so die Kirmeß, die Zigeuner (beide componirt von Taubert); Haus Heiling (componirt von Marschner); Das graue Männlein (Schauspiel); Die Gunst des Augenblicks (Lustspiel); Die Verirrungen (Charakterbild); Über Theaterschulen, Berl. 1840; Geschichte der deutschen Schauspielkunst, Lpz. 1848 f., 3 Bde.; Werke, Lpz. 1846–49, 7 Bde. 5) Gustav Emil, geb. 1803 in Berlin, Bruder des Vor., Anfangs Kaufmann, betrat 1821 in Braunschweig zuerst die Bühne, ging 1822 zum Bremer Stadttheater, wo er im Schauspiel u. auch in der Oper als Bassist wirkte u. in beiden bald die ersten Rollen erhielt; 1823 engagirte er sich in Leipzig, wo er sich ganz dem Schauspiel widmete. In Leipzig verheirathete er sich mit der Folgenden u. ging mit ihr 1828 zum Magdeburger u. 1829 zum Hamburger Theater. Seit 1831 in Dresden engagirt, trat er auf seinen Kunstreisen an allen größeren Bühnen Deutschlands auf. Unter den 3 Brüdern der genialste feierte er die größten Triumphe in der Schauspielkunst. 6) Dorothea (Doris), geb. Böhler, geb. 1805 in Kassel, spielte schon als Kind in Frankfurt a. M., wo ihre Eltern engagirt waren, u. ging 1816 mit Mutter u. Schwester nach Weimar u. Prag, wo sie Kinderrollen gab; 1818 wurde sie in Leipzig engagirt u. gab jugendlich muntere Rollen u. Soubretten in der Oper. Sie verheirathete sich mit dem Vorigen u. ging mit ihm nach Magdeburg, Hamburg u. Dresden, wo sie überall den größten Beifall fand; 1842 trennte sie sich von ihrem Gatten, verheirathete sich anderweit u. verließ die Bühne.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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