Quelle

Quelle

Quelle, 1) ein aus dem Innern der Erde hervorfließendes Wasser. Die Q-n geben, nebst den bei höherer Temperatur schmelzenden Schnee- u. Eismassen der Alpengebirge, so wie dem frei abfließenden Regen- u. Schneewasser, den fließenden Wassern der Erde ihren ersten Anfang. Sie entspringen vorzugsweise an höher gelegenen, jedoch nicht an den höchsten Orten der Erdoberfläche (so liegt der Hexenbrunnen auf dem Brocken doch noch 18 Fuß tiefer, als der höchste Gipfel des Berges, u. die darüber liegende Bergkuppe empfängt im Laufe des Jahres so viel Regen, daß sie eine viermal reichere Q. speisen könnte). Sie erscheinen fast überall, wo ein mehr od. weniger höher liegendes Erdlager hinlänglich porös ist, um die Aufnahme u. den Zusammenfluß des auf dasselbe niederfallenden atmosphärischen Wassers zu begünstigen. Dieses dringt nämlich in die Erdritzen u. Spalten ein, fließt darin, oft bis zu sehr bedeutenden Tiefen, fort, bis es einen Widerstand findet (z.B. Granit- od. Thonlager), wird nun hydrostatisch gehoben u. kommt an Stellen zum Vorschein, wo es die Beschaffenheit des [758] Bodens gestattet. Bei den höheren Bergspitzen kommt zu dem in die Felsspalten eindringenden Regen- u. aufthauenden Schneewasser noch der Umstand hinzu, daß sie auch für das dunstförmig in der Atmosphäre verbreitete Wasser als Condensations- u. Einsaugungsapparate wirken, indem sie nicht, wie man gewöhnlich sagt, durch eine eigenthümliche Anziehungskraft gegen die Wolken, sondern vermöge der im freien Raume u. in der dünnen Luft stärkeren Wärmeausstrahlung u. folglich niedrigeren Temperatur die in der Atmosphäre schwebenden Wasserdünste auf sich fortwährend niederschlagen u. in sich einsaugen, worauf dann das Wasser in tropfbarer Form den Gesetzen des hydrostratischen Drucks, der Capillarität etc. gehorchend, weiter geführt wird, um endlich als Q. zu Tage zu kommen. Sie brechen dann entweder als strömendes Wasser hervor, od. bilden in Vertiefungen durch Hervorsickern sumpfige Wasseranhäufungen, durch deren Überfließen an abhängigen Stellen Anfangs Bäche entstehen, welche im Fortgang durch Einströmen anderer auf gleiche Weise entstandener immer mehr Verstärkung erhalten. Daß das aus der Atmosphäre niedergeschlagene od. niedergefallene Wasser zur Ernährung aller Q-n mehr als hinreichend sei, erhellt aus den zahlreichen, sicheren Versuchen Daltons, welche ergaben, daß das Regen- u. Schneewasser wenigstens dreimal das an Menge übertrifft, welches durch die Flüsse in das Meer geführt wird. Die in vorstehender Darstellung befolgte Theorie findet sich unvollkommen schon bei Aristoteles u. Vitruv angedeutet, wurde aber mit Bestimmtheit zuerst von Mariotte (Traité du mouvement des eaux 1717) aufgestellt u. von Halley ergänzt, als dieser dem als Regen od. Schnee niederfallenden Wasser auch die an den Bergen condensirte Dunstmenge hinzurechnete. Alle anderen Quellentheorien, welche man aufgestellt hat, beweisen sich als unhaltbar, so die Kirchers, welcher behauptet, das Wasser sickre vom Meere aus in den Boden ein u. steige anderwärts durch Capillarität gehoben empor; od. die des Cartesius, nach welcher das vom Meer aus einsickernde Wasser in großen Tiefen durch die Hitze des Erdinnern verdampfen u. die wässerigen Dünste sich dann in höher gelegenen kühlen Höhlungen niederschlagen sollen.

Einige Q-n, bes. die aus bedeutender Tiefe kommenden, namentlich auch die gebohrten (artesischen) Springquellen fließen ununterbrochen u. immer in gleicher Stärke; die meisten Q-n ändern jedoch ihren Wassergehalt nach der Beschaffenheit des Betrags des atmosphärischen Niederschlags. Oberflächlich entspringende Q-n, welche nur vom Nebel u. Regen sich nähren, versiegen im Sommer allmälig u. fließen nur während der feuchten Jahreszeit lebhaft. Solche dagegen, welche aus geschmolzenem Gletschereis sich nähren, sind im Sommer, wo das Eis schmilzt, am wasserreichsten. Manche Q-n fließen periodisch, wie die sogen. Hungerquellen od. Maibrunnen im nördlichen Deutschland, vom Mai bis Juni od. Juli (aus deren Reichhaltigkeit auf bevorstehenden Mißwachs geschlossen wird); sie brechen hervor, wenn sich der Boden im Anfang des Frühlings schon so mit Wasser gesättigt hat, daß das auf den nächsten Höhen schmelzende Schneewasser nicht mehr aufgenommen werden kann. Andere fließen nur während der Sommermonate (Frühlingsquellen), andere nur im Winter; der sogen. Engstlerbrunnen im schweizerischen Canton Bern fließt vom Mai bis zum August, aber nur (doch nicht mit völliger Regelmäßigkeit), von 4 Uhr Nachmittags bis 8 Uhr Morgens. Einen täglichen Wechsel haben noch mehre Q-n, so in Peru, in den Pyrenäen, bei Nismes u.a.m. Manche Q-n zeigen Veränderungen, wenn das Wetter sich ändert, sie heißen wetterlaunige Q-n, sie trüben sich bei schlechtem Wetter, geben einen Geruch von sich od. verursachen durch aufsteigende Luftblasen ein Poltern etc., so der Polterbrunn in Paderborn, der Tambour in Auvergne. Die Erscheinung der intermittirenden, d.h. unterbrochen fließenden Q-n kann einen dreifachen Grund haben: Aus dem Wasser entbinden sich fortwährend Gase, welche sich zu Blasen ansammeln u. ein stoßweises Ausfließen herbeiführen. Anhaltender werden die Unterbrechungen, wenn man sich am Grunde des Quellenkanals ein größeres Wasserreservoir denkt, in welchem sich oberhalb des Wassers die entbundene Luft ansammelt. Die Spannung derselben wird bald soweit wachsen, daß der weitere Zufluß zum Reservoir, mithin auch der Ausfluß nach oben, aufhört; nun sinkt das Wasser im Kanale, bis die gespannte Luft durch denselben in Blasen aufsteigt. Darauf sammelt sich wieder neues Wasser, welches aufs neue durch den wachsenden Luftdruck bis zu einer gewissen Grenze der Verdichtung durch den Kanal emporgepreßt wird. Drittens kann der Fall sein, daß von dem tiefen Wasserreservoir außerdem Quellkanäle andere heberförmig gebogene Kanäle ausgehen, welche plötzlich nach Art des Tantalusbechers (s. u. Heber) das ganze Reservoir entleeren, wenn ihr höchster Punkt mit Wasser erfüllt ist. Über das Intermittiren des Geisers auf Island, s. Geifsr. Die Temperatur der Q-n richtet sich im Allgemeinen nach den Gebirgsschichten, aus denen sie emporsteigen, d.h. nach der Temperatur der Quellstätte. Liegt diese in solcher Tiefe, daß sie von der wechselnden atmosphärischen Temperatur nicht mehr u. von der Wärme des Erdinnern noch nicht afficirt wird, so besitzen die Q-n eine zu allen Jahreszeiten gleiche, mit der mittleren Jahrestemperatur des Orts fast übereinstimmende Temperatur; liegt die Quellenstätte der Erdoberfläche näher, etwa 20 bis 19 Fuß unter derselben, so ändert sich die Temperatur der Q. mit der der Atmosphäre, wobei jedoch die schlechte Leitungsfähigkeit der Erde in Anschlag kommen muß. Strömt das Wasser, wie z.B. in gebirgigen Gegenden, zu der Quellstätte aus höher liegenden Punkten, so ist ihre Temperatur niedriger als die des Ortes. Liegt die Quellstätte endlich so tief, daß sie von der Centralwärme beeinflußt werden muß, so ist ihre Temperatur um so höher, je näher die Quellstätte dem Centrum der Erde sich befindet. Allerdings wird in der Regel die Wärme des Wassers der Quellstätte auf seinem Wege bis zur Q. selbst etwas abgekühlt, doch um so weniger, von je schlechteren Wärmeleitern dieser nach außen führende Kanal umschlossen ist u. je rascher der Ausfluß der Q. überhaupt geschieht. Umgekehrt erwärmen sich oft kalte Q-n etwas, wenn sie im Sommer der wärmern Erdoberfläche sich nähern. Theilt man also die Q-n nach ihrer Temperatur ein, so schließt man alle mit veränderlicher Temperatur aus u. unterscheidet dann kalte, d.h. solche, deren Temperatur gleich der mittleren Temperatur des Ortes ist od. niedriger, u. warme, d.h. solche, deren Temperatur höher ist. Für das nördliche Deutschland ist 9 bis 10°, für das südliche 10 bis[759] 11° als mittlere Temperatur anzunehmen. Eine der kältesten Q-n ist auf dem Berge Pila in Frankreich. Die Q. Medevi am Wettersee in Schweden zeigt unveränderlich eine Temperatur von 61/2°. Laue Q-n sind z.B. Wiesenbad u. Wolkenstein in Sachsen. Bekannte warme Q-n sind, Landeck, Teplitz, Aachen, Karlsbad, Abano, Ölve in Island. Der tägliche Einfluß der Sonnenwärme bedingt auch einen Temperaturwechsel mancher Q-n nach den Tageszeiten. So floß die Q. im Tempel des Jupiter Ammon in Ägypten Mittags kalt, Abends lau, Nachts warm. Die anscheinenden Mißverhältnisse zu der Temperatur der Tageszeit erklären sich aus der langsamen Wärmeleitungsfähigkeit des Wassers. Da das Wasser in der Erde, bevor es zur eigentlichen Q. gelangt, durch manche Gebirgsarten fließen muß, von denen es einen Theil aufzulösen fähig ist, so muß es immer mit verschiedenen mineralischen Substanzen geschwängert hervortreten. Im strengen Sinne ist daher jede Q. eine Mineralquelle; gewöhnlich nennt man aber so nur diejenigen Q-n, welche einen durch Geruch od. Geschmack deutlich merkbaren Gehalt solcher mineralischen Theile aufgelöst enthalten. Das gewöhnliche, sogenannte reine Quellwasser enthält immer etwas schwefel-, salz- u. kohlensaure Alkalien u. Erden in sehr geringer Quantität, u. zwar die einzelnen dieser Bestandtheile nach der Beschaffenheit der von der Q. durchflossenen Erd- u. Gebirgsarten in sehr verschiedenem, oft nach verschiedenen äußeren Umständen wechselndem Verhältniß. Ein Quellwasser, welches verhältnißmäßig mehr Erdarten (bes. kohlensauren Kalk), als Salze aufgelöst enthält, nennt man hart. Zu den Mineralquellen gehören auch die Cement- u. die incrustirenden Q-n. Erstere enthalten so viel schwefelsaures Kupfer (Kupfervitriol in Auflösung), daß sie in sie gelegtes Eisen in Kupfer verwandeln, indem die Schwefelsäure bei ihrer größeren Verwandtschaft zum Eisen sich vom Kupfer trennt, das Eisen auflöst u. an dessen Stelle das Kupfer zurückläßt. Letztere führen viel Kalk u. Kieselerde aufgelöst, aber ziemlich lose gebunden, so daß sich diese Bestandtheile leicht an feste, eingelegte Körper absetzen u. dieselben mit einer harten Rinde überziehen, welche, wenn das Wasser außerdem Eisen enthielt, von diesem Metall (als Oxyd) braun od. röthlich gefärbt ist. Manche Stoffe, bes. organische, reißt das der Erde entquellende Wasser mechanisch mit sich in die Höhe, mengt sich mit ihnen, um sie, nachdem es in Ruhe gekommen ist, wieder abzusetzen, unter diesen Q-n sind bes. die Steinöl- od. Naphthaquellen bekannt; s. Naphtha. 2) Der Ort, wo Wasser aus der Erde zu Tage fließt. 3) Dieses herausfließende Wasser bis zu einer Entfernung, wo es durch Vereinigung mehrer Q-n so stark wird, daß es den Namen Bach bekommt. 4) Alles, was als Grund des Daseins od. der Erkenntniß angesehen wird; bes. geschichtliche Q, s. u. Geschichte VI.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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