Reformirte Kirche

Reformirte Kirche

Reformirte Kirche, im Gegensatz zu der Lutherischen Kirche, die ebenfalls im 16. Jahrh. von dem Papstthum getrennte Kirchengemeinschaft Süddeutschlands, der Schweiz, Frankreichs, der Niederlande u. Schottlands. I. Die R. K. als Gesammtkirche. In der Schweiz trat 1519 Huldreich Zwingli in Zürich, welcher schon 1516 wider die Mißbräuche der Katholischen Kirche geeifert hatte, durch die Ablaßpredigten des Franciscaners Bernh. Samson in der Schweiz tief entrüstet, gegen den Ablaß auf, u. der Rath von Zürich verbot Samson den Eintritt in die Stadt. Ermuthigt hierdurch u. durch den Beifall des Bischofs von Constanz ging Zwingli bald zuanderen Reformen über. Zwar traten ihm der Bischof, der päpstliche Nuntius u. die Eidgenossen feindlich entgegen, inzwischen geschützt von dem Rath in Zürich u. unterstützt von mehren gleichgesinnten Freunden, bes. Joh. Öcolompadius, Konrad Bellicanus, Berthold Haller, Ambrosius Blaarer, Burgauer u. A., schritt er vorwärts. Er stellte mehre Mißbräuche ab u. übergab 1523 dem Rath von Zürich 67 deutsche Lehrsätze gegen das Papstthum, in welchen Christus als der einzige Weg zur Seligkeit u. die Schrift als einzige Quelle der Heilswahrheiten bezeichnet wurde. Der Rath von Zürich machte dieselben öffentlich bekannt u. lud auf den 29. Jan. 1523 zu einer allgemeinen Disputation ein, bei welcher Zwingli seine Sache siegreich gegen den bischöflichen Generalvicar vertheidigte. Nun wurde Alles, was nur im Entferntesten den Anstrich des Papismus hatte, aus den Gotteshäusern entfernt, namentlich Taufsteine, Altäre, Bilder, Musik, Orgelspiel etc. Die Drohungen der Eidgenossen auf dem Bundestage 1524, Zürich von dem Bundesrathe auszuschließen, hatten nur eine standhaftere Vertheidigung der Reformation zur Folge. Während dies vorging, schloß sich nicht nur Mühlhausen den Züricher Neuerungen an, sondern es brach auch die Reformation in Basel, wo erst Capito, dann Öcolampadius u. Farel für sie wirkten, in Schaffhausen 1523 durch Hofmeister u. Bern seit 1525 aus. Das Religionsgespräch 1526, in welchem Öcolampadius u. Murner mit einer zahlreichen Versammlung papistischer Theologen, Eck an der Spitze, disputirten, führte zu keinem weiteren Resultat, als daß Zwingli, welcher nicht erschienen war, verdammt wurde. Derselbe setzte inzwischen die Reformation in seinem Kreise ungehindert fort, u. der Canton Bern hielt 1528, gegen die Warnungen der übrigen Cantone u. selbst des Kaisers, zur Ausgleichung der Religionsstreitigkeiten ein neues Religionsgespräch, welchem mehre deutsche Reformatoren beiwohnten. Alle Gegner vermochten der Reformation kein anderes Resultat zu erwirken, als daß auch Bern einen größeren Antheil an derselben nahm, u. als endlich die papistisch gesinnten Cantone Schwyz, Uri, Unterwalden, Zug, Freiburg u. Luzern ernstlichst die Reformation zu unterdrücken suchten, schlossen sich die übrigen Cantone der Reformation an. Da die Reformation in der Schweiz mehr von den humanistischen Bestrebungen der Zeit ausging u. die Wiederherstellung der apostolischen Einfachheit in Lehre u. Cultus beabsichtigte, so entstanden bald bedeutende Differenzen zwischen den schweizerischen u. deutschen Reformatoren, welche sich in dem deshalb gepflogenen Schriftenwechsel in den verschiedenen Ansichten von der Abendmahlslehre u. Prädestination (s. b.) concentrirten. Während Luther die Einsetzungsworte beim Abendmahl wörtlich verstand (das ist mein Leib etc.), beharrten die Schweizer auf einer uneigentlichen Auslegung (das bedeutet etc., s. u. Abendmahl) derselben u. verfochten zugleich die Lehre von der unbedingten Prädestination. Obgleich die dringendsten politischen Interessen Eintracht geboten, so erhitzte man sich doch in den veranstalteten Religionsgesprächen so sehr, daß hauptsächlich durch Luthers entschiedene Vertheidigung seiner Abendmahlstheorie eine völlige Trennung der beiden Kirchen eintrat u. nun jede ihren eigenen Weg ging. Das von Zwingli am 11. Juli 1530 dem Kaiser in Augsburg übergebene Glaubensbekenntniß (Confessio tetrapolitana der Städte Strasburg, Costnitz, Memmingen u. Lindau) wurde zwar nicht angenommen, dessenungeachtet breitete sich die Reformation auch in der Schweiz immer weiter aus, wogegen die katholischen Cantone ein Bündniß schlossen u. bald darauf förmlich die Offensive gegen die evangelischen Cantone ergriffen. Die Züricher, von den übrigen Cantonen verlassen, verloren den 11. Octbr. 1531 bei Cappel eine Schlacht, in welcher Zwingli selbst fiel. Nach dem darauffolgenden Frieden durften die reformirten Cantone bei ihrem Glauben bleiben; doch wurde an vielen Orten der katholische Cultus wieder hergestellt.

Einen neuen Aufschwung erhielt die Reformation in Genf. Hier, wo schon durch Wilhelm Farel u. Peter Viret der Rath 1535 für die Kirchenverbesserung gewonnen war, trat 1536 Johann Calvin auf u. gab durch seine Verfassung, seine sittliche Strenge u. seine tiefe Gelehrsamkeit der R. K. eine feste Gestaltung. Zwar wurde er bald nach seinem Auftreten in der Schweiz, weil er sich den Beschlüssen der Berner Kirche auf der Synode in Lausanne wegen Beibehaltung des ungesäuerten Brodes, der Taufsteine u. der Festtage nicht unterwerfen wollte, exilirt, jedoch 1541 wieder zurückgerufen. Er errichtete ein Consistorium von Geistlichen, welches strenge Sittenzucht übte u. wodurch er seine Gegner niederdrückte. Zwar stiftete er 1558 eine Universität zur Pflanzschule reformirter Geistlicher u. suchte auch 1549 durch den Consensus tigurinus, wegen der Abendmahlslehre, u. 1551 durch den Consensus pastorum, wegen der Prädestinationslehre, eine Vereinigung im Lehrbegriff, aber er machte dadurch nur seinen Lehrbegriff herrschend bis zu seinem Tode, wo 1564 von Frankreich her mildere Vorstellungen sich verbreiteten. Von Genf aus ging die Lehre u. der Geist Calvins, gegen welchen nun Zwirgli's Wirken in den Hintergrund trat, in die reformirten Gemeinden der Schweiz, Italiens, Schottlands, der Niederlande u. Frankreichs über, während sein Einfluß auf Deutschland, trotz seiner Verbindung mit Melanchthon, nur gering war. Theils durch seine Institutionen (1555), theils durch seine kirchlichen Schriften, den Genfer Consens 1552, das Belgische u. Gallicanische Bekenntniß 1559 u. 1561 hat er den reformirten Lehrbegriff wissenschaftlich u. kirchlich begründet; jedoch fand seine Prädestinationslehre auch viel Widerspruch u. im Abendmahl konnten sich die strengen Lutheraner nie mit ihm befreunden. Allein nicht blos in diesen Lehren wichen die Lutheraner u. [916] Reformirten von einander ab, sondern es bestand auch zwischen ihnen ein wichtiger Gegensatz in den äußerlichen kirchlichen Einrichtungen. Hier gingen die Reformirten noch weiter als Luther. Zwingli, welcher die Kirche in allen Stücken auf die christliche Urverfassung reduciren wollte, verbannte Altäre, Gemälde, Orgeln, Lichter bei der Communion, priesterliche Kleidung, Hostien, die Dispension, die Privatbeichte. Während Luther die oberbischöfliche Würde den evangelischen Fürsten übertrug u. die Tonsistorialversassung begünstigte, stellte sich die Schweizer Kirche unter Synoden. Je mehr man sich in dem Streite der beiden Parteien über unwesentliche Punkte ereiferte, um so mehr mußte man später zu der Einsicht kommen, daß beide Parteien in vielen Stücken Recht hatten, u. versuchte eine Vereinigung der beiden Kirchen, s. Union. Auch in den letzten Jahrzehnten hat die R. K. an ihrem presbyterialen Elemente festgehalten, wonach die Kirchengewalt der ganzen Gemeinschaft zugehört u. durch selbstgewählte Organe geübt wird, u. sie hat deshalb eine Vereinigung der verschiedenen Landeskirchen um so weniger angestrebt, da sie den Begriff der Kirche nie so scharf betont, als den der Gemeinde. Ebenso ist sie im Cultus bei ihrer früheren Einfachheit geblieben. Dagegen hielt in dogmatischer Beziehung die conservative Richtung streng an der Kirchenlehre u. gerieth dadurch selbst mit den Staatsbehörden, z.B. in der Schweiz, in Conflict, welche keine Begrenzung der Lehrfreiheit dulden wollten; während die liberale Richtung der dogmatischen Einfachheit u. der Förderung des praktischen Christenthums das Wort redete u. bei Differenzen über Verfassung, Cultus u. Disciplin freiere Grundsätze geltend zu machen suchte. Das Verhältniß der R-n K. zur Lutherischen Kirche, welches bei der Richtung auf die Union im Laufe der Zeit friedlich geworden war, wurde durch die wiedererwachende Confessionalität in der Lutherischen Kirche wesentlich verändert. Man verwarf die Union u. Conföderation von Seiten der strengen Lutheraner u. wollte das Werk der inneren u. äußeren Mission u. des Gustav-Adolfvereins nicht mit den Gliedern der R-n K. treiben u. das Abendmahl nicht mit ihnen feiern, indem man diese Kirche als eine flache, rationalisirende, bekenntnißlose u. der Union aus Indifferentismus zugethane bezeichnete. Die Vorwürfe riefen von reformirter Seite Gegenerklärungen hervor, daß die Reformirten theils auf dem Boden ihrer Bekenntnisse stehen, theils das Hauptbekenntniß der Lutherischen Kirche, die Augsburgische Confession, anerkennen, u. zugleich klagten die Mitglieder der R-n K. in der reformirten Diaspora des östlichen Deutschlands, daß sie, ihres früheren selbständigen synodalen Kirchenregiments beraubt, mit den lutherischen Kirchen unter ein consistoriales Staatskirchenregiment gebracht worden seien, daß sie aber nicht eigentlich am kirchlichen Leben der Landeskirche Theil nehmen könnten, worüber reformirte Conferenzen auf den Kirchentagen sich aussprachen. Für Förderung des christlichen Lebens ist in den letzten Jahrzehnten auch die R. K. thätig gewesen, namentlich durch Vereine für Verbreitung der Bibel, für Missionen, für Evangelisirung katholischer Länder. Übrigens standen in der Reformirten Kirche in allen Fächern der Theologie große Gelehrte auf, als Dogmatiker: Zwingli, Calvin, Beza, Öcolampadius, Vermilly, Hyperius, Gomarus, Maskovius, Maresius, Amyraut, Chamier, Franz Turretin, Burnet etc., als Moralisten: Amesius, Hoornbeek, Amyraut etc., als Kirchenhistoriker: I. H. Hottinger, Hospinian, Fr. Spanheim, Blondel, Daille, Usher, Pearson, Basnage, Heidegger etc., als Philologen u. Exegeten: Bucer, Pellican, Münster, Joh. Buxtorf, Vater u. Sohn, Capelle, Erpenius, Golius, Bochart, Selden, Hottinger, Gataker, Beza, Castellio, Hammond, Walter, Lightfoot, Pococke, Hody, Spencer, Vitringa etc., als Kanzelredner: Tillotson, Zollikofer etc. Unter den neuern Gelehrten sind zu erwähnen Hagenbach, Göbel, Ebrard, Alex. Schweizer u. Lind.

II. Die R. K. in den einzelnen Landeskirchen. A) In den Niederlanden fand die Reformation zwar durch Luthers Schriften Eingang, allein die Verbindung mit der Schweiz u. Frankreich führte sehr bald zum reformirten Lehrbegriff. Nach schweren Bedrückungen unter Karl V. u. nach blutigen Kämpfen mit Philipp II. wurde unter Wilhelm von Oranien u. durch die Utrechter Union 1579 die Stellung der R-n K. gesichert. Die heftigen Streitigkeiten zwischen den Arminianern (Remonstranten) u. Gomaristen (Contraremonstranten, s. u. Arminius) wurden auch durch die Dortrechter Synode 1618 nicht ganz beigelegt. Durch eine 1816 erneuerte Synodalverfassung wurde dem Kirchenwesen, welches unter der französischen Herrschaft ganz umgestaltet worden war, wieder geordnet u. dem Staat der frühere Einfluß auf die Kirche zurückgegeben. Die orthodoxe Richtung wurde seit 1833 von dem Dichter Wilhelm Bilderdyk mit da Costa u. Abraham Capadose vertreten u. von Heinrich de Cock auf das kirchliche Gebiet übergetragen, indem er mit seiner Partei im Dogma wie in der Verfassung zu den Beschlüssen der Synode von Dortrecht zurückzukehren suchte. Er polemisirte gegen anders denkende Geistliche, mißbilligte die Einführung der Kirchenlieder seiner Parochie anstatt der Psalmen u. erlaubte sich Eingriffe in fremde Parochien. Nach vergeblichen Warnungen wurde de Cock im Mai 1834 seines Amtes entsetzt. In Folge davon entstanden in Ulrum Unruhen, gegen welche endlich die Militärgewalt auftreten mußte, u. sechs Geistliche, darunter de Cock u. Scholte, traten mit 4000 Gemeindegliedern aus der herrschenden, von ihnen als ketzerisch bezeichneten Kirche aus. Das Bestreben, die 1835 zusammentretende Synode zu einer strengeren Handhabung der Bekenntnißschriften zu veranlassen, mißlang, dagegen traten nun die Justizbehörden energisch gegen den Separatismus auf, bis endlich die Separatisten 1839 von der Regierung als christlich separirte Gemeinde anerkannt wurden. Eine neue Eingabe bei der Synode, ihrer Richtung Eingang zu verschaffen, war ohne Erfolg (vgl. Gieseler, Die Unruhen in der Niederländischen R-n K. in den Jahren 1833 bis 1839, 1840). Übrigens bildete diese allgemeine niederländische Synode einen geeigneten Mittelpunkt für das gesammte kirchliche Leben u. nahm 1843 das Recht der Selbstregierung sehr bestimmt in Anspruch. Nach einem 1844 gefaßten Synodalbeschluß sollten die Professoren der Theologie an den niederländischen Hochschulen eine schriftliche Erklärung ablegen, daß sie der Kirchenlehre treu sein u. die Synode in allen Glaubenssachen als ihre Richterin anerkennen wollten. Durch die Veränderung des Staatsgrundgesetzes 1849 wurde das Synodalwesen immer mehr ausgebildet; die jährliche Synode im [917] Haag wird von zehn Provinzialsynoden u. den drei theologischen Facultäten beschickt u. hat alle allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten zu besorgen. Ein Streit über den gemischten u. confessionellen Religionsunterricht wurde 1857 durch ein Gesetz erledigt. In Gröningen wird mehr die freisinnige, in Utrecht die symbolische Richtung vertreten.

B) In Frankreich hatte die R. K. im 16. u. 17. Jahrh. große Bedrückungen zu erdulden (s. u. Hugenotten). Der Calvinische Lehrbegriff fand zwar hier Eingang, allein mit den Dortrechter Beschlüssen konnte man sich nie ganz befreunden, u. Gelehrte, wie Cameron, Amyraut, Pajon, Laplace u. And. vertraten dem strengen Calvinismus gegenüber eine freiere Richtung, durch welche sie in viele Kämpfe verwickelt wurden. Durch die Revolution 1789 erhielten die Reformirten gleiche Rechte mit anderen christlichen Religionsparteien u. durch die mit dem Concordat verbundenen Artikel eine Verfassung. Doch hatten sie nach der Rückkehr der Bourbons im Süden, bes. in Nismes u. der Umgegend, 1815 u. 1816 schwere Gewaltthätigkeiten von fanatischen Katholiken zu erleiden, bis sie endlich durch die Charte 1830 der Katholischen Kirche gleichgestellt wurden, obgleich es auch nach dieser Zeit nicht an Beschränkungen fehlte. Lutheraner u. Reformirte verharrten in ihrer früheren Trennung, u. namentlich mißlang der Versuch, die reformirte Universität in Montauban mit der lutherischen in Strasburg zu vereinigen. Auch entbehrte die R. K. in Frankreich eine geeignete Organisation, indem ihre 89 Consistorien in 54 Departements durch kein Generalconsistorium, wie die der Lutheraner, in Verbindung standen, sondern einzeln ihre Correspondenz mit dem Ministerium führten. Der Eifer für praktisches Christenthum, welcher bes. in der Evangelischen Gesellschaft (s.d.) einen wichtigen Mittelpunkt fand, hat durch Vertheilung von Bibeln u. Tractaten, durch Aussendung von Reisepredigern, durch Begründung eines, den katholischen Barmherzigen Schwestern ähnlichen Instituts eine große Anzahl der Protestantischen Kirche zugeführt. In Bezug auf die äußere Organisation der Kirche gingen die Parteirichtungen weit auseinander, indem die Anhänger der Nationalen Kirche an der durch die Napoleonische Gesetzgebung bewirkten kirchlichen Einrichtung, namentlich an der Verbindung mit dem Staat, an der Liturgie u. an der Consistorialverfassung, festhielten, die methodistischen Übertreibungen vermieden u. durch eine große Toleranz eben so wie durch ihre nationale Richtung die Sympathien der Regierung u. der Nation zu behaupten suchten. Dagegen arbeiteten die Dissidenten, welche der methodistischen Richtung angehörten, auf Trennung der Kirche vom Staat u. auf Auflösung der Consistorialverfassung hin, gebrauchten statt der Lieder u. Psalmen der nationalen Kirche besondere christliche Gesänge u. eiferten gegen die Katholische Kirche. Bei den Bewegungen 1848 kam diese innere Spaltung zum Ausbruch. Auf der Synode in Paris den 11. Septbr. 1848 verlangten die Vertreter der streng kirchlichen Richtung, z.B. der Prediger Monod, Graf Gasparin u. A., die Aufstellung eines Glaubensbekenntnisses mit bestimmten Grundprincipien, während die Majorität den Beschluß faßte, dogmatische Fragen von den Berathungen fern zu halten u. den Status quo nicht zu berühren, statt dessen aber durch eine Adresse an die Kirchen den beabsichtigten Organisationsplan einzuleiten. In Folge davon gaben Monod u. seine Partei ihre Entlassung als Abgeordnete ein, stellten ein Glaubensbekenntniß auf u. erklärten alle diejenigen, welche es annehmen würden, für Mitglieder der R-n K. Frankreichs. Am 23. Mai 1849 fand die Eröffnung der (wie sie sich selbst nannte) Evangelisch-Reformirten Kirche von Frankreich (Union des églises évangeliques de France) in Paris statt, u. es wurde hierbei offen ausgesprochen, daß man die alten R-n K-n Frankreichs möglichst nach den Grundsätzen der Reformatoren herzustellen beabsichtige, indeß schon im Aug. 1849 war die nach Paris berufene constituirende Synode von 31 Kirchengemeinden beschickt. Die erste ordentliche Synode trat 1850 in St. Foy (Departement Gironde) zusammen. Sie faßte mehre für das Gemeindeleben wichtige Beschlüsse u. erklärte im Hinblick auf neuere Angriffe gegen die Bibel, daß sie an die Inspiration u. göttliche Autorität des Alten u. Neuen Testamentes (die Apokryphen werden verworfen) fest glaube. Die Evangelische Gesellschaft trat nun auch auf die Seite der freien K., sah aber dadurch ihre Einkünfte vermindert. Die Nationalkirche hat sich ebenfalls organisirt u., eben so wie jene, einen bedeutenden Aufschwung genommen. Einen Mittelpunkt für alle Protestanten bilden die jährlichen Pastoralconferenzen in Paris. Die Lage der R-n K. gegenüber der Katholischen Kirche hat sich seit der Februarrevolution eher verschlimmert, u. die protestantischen Evangelisten, die Colporteure von Tractaten u. die Geistlichen sahen sich Belästigungen u. Verfolgungen ausgesetzt. Gleichwohl sind viele zur Protestantischen Kirche übergetreten u. die Regierung ist dem bis jetzt nicht hindernd entgegengetreten, vielmehr hat sie, sofern die gesetzlichen Vorbedingungen erfüllt waren, die nöthigen Pfarrbesoldungen von 1500 Francs bewilligt. Jedoch ist durch kaiserliches Decret von 1859 die Gründung neuer Kirchen von dem Gutachten des Staatsraths abhängig gemacht. Ein Reformirter Centralrath vermittelt die Verbindung mit der Regierung. Vgl. Gieseler, Die Protestantische Kirche Frankreichs von 1787 bis 1846, 1848, 2 Bde.

C) In der Schweiz, wo es im 17. u. im 18. Jahrh. noch einmal zu Religionskriegen kam, gibt es eine Presbyterial- u. Synodalverfassung, jedoch konnte unter den Landeskirchen der einzelnen Cantone keine Vereinigung erzielt werden, da einige Kirchen mehr den Grundsätzen Zwinglis, andere mehr denen Calvin's folgten. Seit 1858 aber bestehen zu diesem Zweck Conferenzen. In Zürich wurden extreme Parteirichtungen bei der Berufung von Strauß (s.d.) 1839 rege. Einige Unruhe veranlaßte die Secte der Neutäufer (s.d.), welche schon bei ihrem Eintritt in den Canton 1834 die kirchlichbürgerliche Ordnung verwirrt hatten. Da ihre Kinder nicht getauft u. deshalb bürgerlichen Nachtheilen ausgesetzt waren, so suchten die Neutäufer bei der Regierung um Emancipation von der Landeskirche nach, u. die Schweizerische Predigergesellschaft, welche seit 1839 eine engere Verbindung der einzelnen Cantonalkirchen anzubahnen suchte, empfahl mildere Maßregeln. Das Sectenwesen war in Zürich 1846 im Zunehmen, außer den Neutäufern gab es auch Neugläubige, Antonianer (Antonisten), Anhänger der Kirche des heiligen Geistes u.a. 1854 erschien eine neue Liturgie u. 1860 ein Unterrichtsgesetz. Die Flüchtlinge, welche nach den Bewegungen 1848 aus Deutschland u. anderen Gegenden hier[918] einwanderten, suchten auch auf dem religiösen Gebiete den Liberalismus zu fördern. In Basel erhielt sich der frühere kirchlich-conservative Sinn auch in den letzten Jahrzehnten, die Gesellschaften für Missionswesen (1779 durch Urlsperger gegründet u. weit verbreitet), für ähnliche Zwecke wie in Deutschland der Gustav-Adolfsverein, für Bekehrung der Israeliten, für Verbreitung der Bibel etc. entfalteten eine sehr rege Thätigkeit. Unter den neueren Secten fanden die Irvingianer (s.d.) hier Eingang. Den Ultraliberalismus vertrat seit 1857 ein Candidat Rumpf. In Bern erregte 1847 die Berufung Zellers (s.d.) an die Universität große Aufregung, u. seit 1849 fand hier der religiöse Radicalismus seine Stätte u. die 1849 gegründete Freie Gemeinde erklärte in ihren Statuten, daß außer der Vernunft keine Autorität von ihr anerkannt werde, weshalb die Generalsynode der Bernerischen Geistlichkeit sämmtliche Prediger der R-n K. 1849 zur größten Thätigkeit aufforderte. In Genf erregten die außerordentlichen Fortschritte der Römisch-Katholischen Kirche große Besorgnisse, u. die Geistlichkeit hatte nach der Feier des Jubelfestes 1835 die Festbegeisterung benutzt, um vor diesen Gefahren zu warnen, ohne bei dem Volke Anklang zu finden. Dies hatte seinen Grund hauptsächlich darin, daß die Radicalen in der Regel mit der römisch-katholischen Partei stimmten, welche durch das allgemeine Wahlrecht einen großen Einfluß auf die Leitung des Staates gewonnen hatten, während der religiöse Conservatismus mehr unter den Momiers u. in dem Methodismus (s. b.) seine Befriedigung fand. 1842 erfolgte die Gründung der Union protestante, einer Gesellschaft, deren Zweck dahin geht, die R. K. durch Anwendung aller gesetzlichen Mittel im Staate aufrecht zu erhalten. Innerhalb der Kirche gab es neben den Separatisten eine Mittelpartei, welche eine gläubige Theologie u. eine strenge Kirchenzucht herbeizuführen wünschten, ohne sich von der Landeskirche unbedingt loszusagen. Sie hielten religiöse Versammlungen (Oratoires), stifteten eine theologische Lehranstalt für die Orthodoxie u. fanden ihren Mittelpunkt in der Evangelischen Gesellschaft (s.d.). Nachdem durch die Revolution 1846 die zeitherige kirchliche Gewalt beseitigt war, trat ein freigewähltes Consistorium an die Spitze der Nationalkirche. Dagegen beschlossen 1848 die verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften in Genf, welche sich in den letzten Jahrzehnten auf der Basis conservativer Grundsätze gebildet hatten, zu einer neuen Evangelischen Kirche zusammenzutreten, u. am 10. Decbr. schritten die Trinitarierchristen in Genf zur Wahl des Presbyterismus, welchem das Regiment der Evangelischen Kirche übertragen werden sollte. Das Statut enthält ein streng orthodoxes Glaubensbekenntniß u. einen Abschnitt über Kirchenverfassung. Diese freie Kirche wurde bes. von Engländern unterstützt u. zeigte rege Thätigkeit für kirchliche Zwecke. In Waadt wurde die R. K. durch den Radicalismus unter Droney seit 1845 sehr gedrückt. Nachdem schon 1845 die Methodisten zur Einstellung ihrer Versammlungen aufgefordert worden waren, wendete sich die neue Regierung gegen die Staatskirche, untersagte zunächst den Geistlichen die Theilnahme an den erbaulichen Abendversammlungen (Oratoires) u. suspendirte mehre Geistliche, welche dem Befehle keine Folge leisteten. Sodann erließ sie den 29. Juli 1845 eine die politischen Verhältnisse angehende Proclamation, verlangte die Verlesung derselben von der Kanzel durch die Geistlichen u. verklagte die 40 Prediger, welche, gestützt auf frühere Kirchengesetze, die nur die Verkündigung der auf die Religion sich beziehenden Erlasse von der Kanzel gestatteten, jene Handlung verweigerten. Obschon die geistlichen Gerichte die Angeklagten frei sprachen, so verhängte doch die Regierung die Strafe der Suspendirung von einem Monat bis zu einem Jahre über 42 Geistliche, worauf bei einer Generalversammlung der Geistlichkeit in Lausanne den 11. u. 12. Nov. 146 Anwesende in einer Adresse dem Staatsrath ihren Rücktritt vom Amte anzeigten u. zur Bildung einer Freien Evangelischen Kirche schritten. Dieselbe hält nach der am 12. März 1847 von der sie constituirenden Synode angenommenen Kirchenverfassung fest an den in den Symbolischen Büchern, namentlich an den in dem Helvetischen Glaubensbekenntnisse niedergelegten Glaubenssätzen u. an der Inspiration der Bibel, regiert sich durch die allgemeinen Kirchenversammlungen, die Kirchenräthe, die Synode u. die Commissionen derselben, ordnet ihren Gottesdienst nach einer den einzelnen Kirchen von der Synode vorzuschlagenden Liturgie u. bildet ihre Synode aus Geistlichen u. Laien. Den Hauptantheil an dieser Arbeit hatte der Pfarrer Vinet (s.d.). Mittlerweile wurden die Bedrückungen der Freien Kirche u. ihrer Geistlichen fortgesetzt, u. erst seit 1850 erhielt sie mehr Freiheit. Seit 1856 traten die Geistlichen der Freien Kirche u. der Nationalkirche als eine Secte zur Predigergesellschaft der Schweiz (s. oben) zusammen. 1859 hob der Große Rath das Verfolgungsgesetz gegen die Freie Kirche von 1849 auf. D) In Nordamerika hat sich die R. K. in ganz freier Weise entwickelt u. zeigt deshalb sehr verschiedene Richtungen, welche sich jedoch theils um die Presbyterianer, theils um den Methodismus (s.d.) in ziemlich erkennbarer Weise gruppirten. Die größte Zunahme erhielt indeß die R. K. in der Form der protestantischen Episkopalkirche sowohl durch Einwanderungen u. auffallende Anstrengungen, vor allem aber durch ihre vermittelnde Stellung zwischen Protestantismus u. Katholicismus. Das der R-n K. eigenthümliche synodale Element machte sich auch hier geltend, es besteht eine hochdeutsche reformirte Synode von Ohio, mit welcher die Gemeinden in anderen Staaten verbunden sind. Die Vereinigung der reformirten u. lutherischen Gemeinden wurde von den meisten lutherischen u. reformirten Geistlichen gehindert, weil der Zeitpunkt dazu in Berücksichtigung der eigenthümlichen u. religiösen kirchlichen Zustände Amerikas noch nicht gekommen sei. Die Niederländische R. K. in Nordamerika hat ihren Hauptsitz in dem Staate New York, hat sich von der Colonie Neuniederland aus auch in anderen Staaten verbreitet u. besitzt ein theologisches Seminar für angehende Geistliche in New Brunswick. Die praktische Richtung findet sich auch bei den Mitgliedern der R-n K., bes. in den Bestrebungen für Missionswesen, für Tractatenvertheilung, für Bibelverbreitung, für Befreiung der Sklaven etc., u. sie hat in neuester Zeit durch die Anstrengungen der Römisch-Katholischen Kirche eine neue Anregung bekommen. Vgl. Baird, Kirchengeschichte von Nordamerika 1844 ff.

Der Lehrbegriff der R-n K. ist nicht in allgemein gültigen Symbolen ausgesprochen, sondern es gibt für die einzelnen Landeskirchen symbolische Schriften,[919] welche in anderen nicht anerkannt werden (s. Symbolische Bücher). In Deutschland hielt sich die R. K. in der Pfalz bes. an den Heidelberger Katechismus (s.d.), welchen Kurfürst Friedrich III. durch Zach. Ursinus (st. 1583) u. Kaspar Olevianus bearbeiten u. 1663 herausgeben ließ; s. u. Protestantische Kirche. Über die Anglicanische Kirchein England u. die Schottische Kirches b. Vgl. Maimbourg, Hist. du Calvinisme, Paris 1682, 2 Bde.; Bayle, Critiq. générale de l'histoire du Calvin. de Maimbourg, Ville Franche 1684, 2 Bde.; Derselbe, Nouvelles lettres sur l'histoire du Calvinisme de Mr. Maimbourg, ebd. 1685, 2 Bde.; Basnage, Hist. de la religion des églises réform., Rotterd. 1721; Hottinger, Helvetische Kirchengeschichte, Zürich 1708; Ruchat, Hist. de la réformation de la Suisse, Genf 1727; Füßli, Beiträge zur Erläuterung der Kirchengeschichte des Schweizerlandes, Zürich 1741; Al. Schweizer, Die Glaubenslehre der evangelisch-reformirten Kirche, ebd. 1844–47, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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