Stanhope

Stanhope

Stanhope (spr. Stänopp), 1) James, erster Graf von S., der Enkel Philipp S-s, des ersten Grafen von Chesterfield, u. Sohn Alexanders S, geb. 1673 in Paris, ging mit seinem Vater, welcher Gesandter in Madrid war, nach Spanien u. bereiste dann Frankreich u. Italien; hierauf zeichnete er sich als Soldat unter dem König Wilhelm in den Niederlanden aus, wurde 1704 Brigadier, 1708 Generalmajor u. bald darauf Generallieutenant u. Befehlshaber der englischen Truppen in Spanien (s. Spanischer Erbfolgekrieg). 1708 eroberte er Port Mahon u. die Insel Menorca, wofür er zum Viscount von Mahon ernannt wurde; am 17. Juli 1710 siegte er bei Almenara u. am 20. Aug. bei Saragossa, wurde aber 1710 von den Franzosen bei Brighuera gefangen u. erst 1712 wieder ausgewechselt. Nach England zurückgekehrt nahm er unter der Königin Anna im Parlament als Whig eine hervorragende Stelle ein, wurde dann unter Georg I. Staatssecretär u. Mitglied des Geheimen Raths, 1714 Gesandter in Wien, 1717 zum Viscount u. 1718 zum Grafen S. ernannt u. st. 4. Febr. 1721 in London. 2) Philipp Dormer S., Graf von Chesterfield, s. Chesterfield. 3) Charles, Viscount von Mahon, Baron von Elvasten, dritter Graf von S., Enkel des Vor., geb. 3. Aug. 1753 in Genf, wo seine Eltern wohnten, erhielt schon im 18. Jahre den Preis der Stockholmer Akademie für seine Abhandlung über die Pendelschwingungen, erfand eine verbesserte Druckerpresse (Stanhopepresse, s.u. Buchdruckerpresse), verbesserte die Stereotypie u. schr. mehre Abhandlungen über Gegenstände, welche in die Mathematik u. Mechanik einschlagen. Nach dem Tode seines ältesten Bruders nahm er den Titel eines Viscount von Mahon an, kehrte nach England zurück u. trat als Repräsentant in das Unterhaus, in welchem er schon 1780 auf eine Reform des Parlaments drang. Er hielt sich im Unterhause beständig zur Opposition u. unterstützte damals den jungen William Pitt, seinen Schwager (dessen Schwester Esther er geheirathet hatte). Nach seines Vaters Tode 1786 trat er in das Oberhaus, u. da er seinen Grundsätzen treu blieb, so kam er bald mit Pitt in Opposition, welchen er blos bei den Debatten über die Regentschaft, als König Georg III. zum ersten Male krank war, unterstützte. Mit vielen Sonderbarkeiten behaftet, schwärmte er auch für Rousseaus Ansichten über das sociale Leben u. wurde nach dem Ausbruch der Französischen Revolution nicht allein ein Bewunderer des neuen Systems in Frankreich, sondern vertauschte auch in seinem Hauswesen den aristokratischen Luxus mit der republikanischen Einfachheit u. brachte als Vorsteher eines politischen Clubs, der Constituirenden Versammlung in Paris seine Glückwünsche dar, so wie er auch 1792 Briefe an Condorcet: Über die Unmenschlichkeit des Sklavenhandels herausgab. Als damals die Habeascorpusacte suspendirt wurde, blieb S. aus dem Parlamente weg u. erschien erst 1800 wieder, ohne seine Grundsätze geändert zu haben. Er drang noch in der Sitzung von 1816 auf Vereinfachung der englischen Gesetze u. Sammlung der noch geltenden in einem Codex u. st. am 1. Dec 1816. Er entdeckte u. cultivirte zuerst die Stanhopea. 4) Philipp Henry, vierter Graf von S., Sohn des Vor., geb. 7. Dec. 1781, verließ, da er sich mit den politischen Ansichten seines Vaters nicht vereinigen konnte, das väterliche Haus u. begab sich zu seinem Oheim Pitt, von welchem unterstützt er einen Proceß gegen seinen Vater begann. 1817 kam er in das Oberhaus u. trat als einer der heftigsten Tories mit einer Rede gegen Frankreich auf, in welcher er auf die Theilung dieses Reiches antrug. 1846 widersetzte er sich der von Peel beschlossenen Aufhebung der Korngesetze u. st. 2. März 1855 auf seinem Landsitz Chevening (Grafschaft Kent). Er interessirte sich sehr für Kaspar Hauser (s.d.) u. schr. Materialien zur Geschichte Kaspar Hausers, Heidelb. 1835; auch gab er ein Gebetbuch für Gläubige u. Ungläubige, Dresd. 1800, heraus. 5) Lady Esther S., Schwester des Vor., geb. 12. März 1776 (od. nach ihrer eigenen Angabe 1780), wuchs ohne Bildung auf u. leitete später das Hauswesen ihres unverheiratheten Oheims Pitt, auf welchen sie durch Wahrheitsliebe, Rechtssinn, Scharfblick einen großen Einfluß gewann, wodurch es ihr zugleich gelang ihren französisch gesinnten Vater gegen die Verfolgungen Pitts zu schützen; außerdem führte sie ihres Oheims Briefwechsel u. schrieb mehre diplomatische Noten für denselben. Nach dessen Tode, 1806, zog sie sich mit ihrem mütterlichen Erbe u. einer Staatspension von 1200 Pfd. St. in die Einsamkeit nach Buith in Wales zurück, wo sie den Plan zu einem neuen einflußreichen Wirken machte. Sie verließ 1810 England, u. nachdem sie Griechenland u. Ägypten bereist hatte, kam sie nach Constantinopel. Hier faßte sie den Entschluß sich in Syrien anzusiedeln, litt aber bei der Überfahrt Schiffbruch u. kam durch den englischen Consul von Rhodus geborgen nach England zurück. Hier verkaufte sie einen Theil ihrer Güter u. ging das zweite Mal nach Syrien, lernte in Laodikea Arabisch, durchstreifte das Land, besuchte Jerusalem, Baalbek, Damask, Palmyra, wo die Araber, eingenommen durch ihre Sanftmuth u. Milde, sowie durch ihren Reichthum u. ihr geheimnißvolles Wesen, sie ihre Königin nannten; doch wäre sie von einem räuberischen Stamme beinahe gefangen worden u. entkam mit Mühe nach Damask. Sie wohnte erst in dem Kloster Mar-Elias, welches ihr ihr Freund Abdallah Pascha von Damask geschenkt hatte, baute sich aber dann auf einem Felsen des Libanon bei Dschihun in der Nähe von Saida einen eigenthümlichen Palast, wo sie, umgeben von einem großen Personal u. namentlich unterstützt von einem französischen Abenteurer Loustanneau u. einem arabischen [687] Arzte Metta, Astronomie, Chiromantie u. Wahrsagerei trieb u. die Ankunft des neuen Messias vorbereitete, andererseits aber sehr menschenfreundlich u. wohlthätig für die arme Bevölkerung wirkte. In der Landespolitik vertrat sie die Interessen des Sultan Muhammed gegen Emir Beschir; den Europäern, namentlich den Engländern, verschloß sie ihr Haus, dagegen nahm sie Flüchtlinge gastlich bei sich auf. Reisen, Anbaue, Geschenke u. ihr großer Hausstand hatten sie indessen in solche Umstände gebracht, daß sie, als sie überdies nach einem ungebührlichen Briefe an Lord Palmerston ihre britische Pension verlor, jährlich nur noch 8–10,000 türkische Piaster hatte, welche sie auf Unterstützung Armer u. Bettler verwendete. Alle ihre Diener waren endlich gestorben od. von ihr gegangen u. sie wurde nur von Eingeborenen bedient, verfiel zuletzt durch Entbehrungen u. unbefriedigte Ehrsucht in schwere Krankheit u. starb verarmt u. elend 23. Juni 1839 in ihrem verfallenen Hause zu Dschihun; beerdigt wurde sie in der Gruft von Mar-Elias. Sie trug stets türkische, der männlichen ähnliche Kleidung u. lebte gang nach orientalischer Weise. Vgl. die von ihrem Leibarzt, einem Engländer, herausgegebenen Memoirs of the Lady Hesther S., Lond. 1845, 3 Bde. (deutsch von Birch, Stuttg. 1846, 3 Bde.), 6) Philipp Henry, fünfter Graf von S., Sohn von S. 4), s. Mahon.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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