Kotzebue

Kotzebue

Kotzebue, 1) Aug. Friedrich Ferdinand von K., geb. den 3. Mai 1761 in Weimar, wo sein Vater herzoglicher Legationsrath war; studirte in Jena u. bis 1779 in Duisburg, wurde 1780 in Jena Advocat, ging 1781 auf Veranlassung des preußischen Gesandten am russischen Hofe, Grafen Görz, nach Petersburg, wurde Secretär bei dem Generalgouverneur von Bawr, 1783 Assessor bei dem Oberappellationstribunal in Reval, 1785 Präsident des Gouvernementsmagistrats der Provinz Esthland u. zugleich geadelt. Kränklichkeit nöthigte ihn 1790 zu einer Badereise nach Pyrmont, wo er durch seine Schrift Dr. Bahrdt mit der eisernen Stirn, welche er unter Knigges Namen erscheinen ließ, einen großen Theil der öffentlichen Achtung verscherzte. Er lebte darauf in Paris, Mainz u. seit 1795 auf seinem Landsitze Friedenthal bei Reval, wurde 1798 Hoftheaterdichter in Wien, dann aber nach zwei Jahren in Weimar; auf der Reise nach Petersburg, im April 1800, wurde er verhaftet, ohne zu wissen warum, u. nach Sibirien gebracht. Seinem Drama: Der Leibkutscher Peters des Großen, verdankte K. seine Zurückberufung von da u. beschrieb sein Exil als: Das merkwürdigste Jahr meines Lebens (Berl. 1801, 2 Bde., 3. Aufl. 1803). Nach dem Tode Pauls I., welcher K. das Krongut Woroküll in Livland geschenkt u. die Direction des Theaters übertragen hatte, bat er um seine Entlassung, welche er mit dem Titel eines Collegienraths erhielt. Er begab sich nun nach Jena u. von da, wegen Verdrießlichkeiten mit Goethe, 1802 nach Berlin. Der Freimüthige, welchen er dort mit G. Merkel, später mit A. Kuhn herausgab, enthielt eine lebhafte literarische Fehde gegen Goethe u. die Romantische Schule (s. Deutsche Literatur VI.), bes. gegen die Gebrüder Schlegel, gegen welche er den Hyperboräischen Esel schrieb. 1803 u. 1804 reiste er nach Frankreich u. Italien (welche Reise er in seinen Erinnerungen aus Paris, Rom u. Neapel beschrieb), 1806 ging er nach Rußland, wo er, seit 1807 auf seinem Gute Schwarze in Esthland lebend, die Franzosen u. Napoleon bekämpfte, namentlich in den Zeitschriften: Die Biene, Königsb. 1808, u. Die Ameise, Lpz. 1814–18. Als Staatsrath folgte K dem russischen Hauptquartier u. gab in Berlin ein russisch-deutsches Volksblatt heraus. 1814 ging er als russischer Generalconsul nach Königsberg, wurde 1816 Staatsrath beim Departement des Auswärtigen in Petersburg u. ging 1817 nach Deutschland, um über die Literatur u. die öffentliche Meinung dem russischen Kaiser von Weimar, später von Manheim aus, Nachricht zu ertheilen; zugleich schrieb er das Literarische Wochenblatt, Weim. 1818–19, 3 Bde., in welchem er durch seine Urtheile über Politik u. Zeitgeist, bes. aber durch seinen Spott über liberale Ideen u. seine Verhöhnung der Burschenschaft den Haß aller Träger jener Ideen erregte, so daß der jenaische Student L. Sand (s.d.) ihn am 23. März 1819 in Manheim erstach. Er schr.: Schauspiele, 1797, 5 Bde. (Menschenhaß u. Reue, Die Indianer in England etc.); Neue Schauspiele, Lpz. 1798–1819, 23 Bde. (darunter die Hussiten vor Naumburg); Almanach dramatischer Spiele, ebd. 1803_–20, 18 Jahrg.; Sämmtliche dramatische Werke, ebd. 1827–29, 44 Bdchn, u. Aufl. als: Theater von K., ebd. 1840–41; Erzählungen, ebd. 1781; Leiden der Ortenbergischen Familie, Petersb. 1785, 2 Bde., 2. Aufl., Lpz. 1787 f.; Die jüngsten Kinder meiner Laune, ebd. 1793–96, 6 Bde.; Almanach der Chroniken ebd. 1803; Preußens ältere Geschichte, Riga 1808, 4 Bde.; Geschichte des Deutschen Reichs, Lpz. 1814 f., 2 Bde., fortgesetzt von Rüder, 3. u. 4. Bd., 1832. In seinen dramatischen Schriften sind Sentimentalität u. laxe Moral vorherrschend, doch besaß er namentlich als Lustspieldichter eine große Erfindungsgabe, beißenden Witz u. Bühnengewandtheit; seine historischen Schriften haben keinen Werth Vgl. (die aus seinen Schriften zusammengestellte) Selbstbiographie K-s, Wien 1811; K. aus seinen eigenen schriftlichen Mittheilungen dargestellt von einem Jugendfreunde, Weimar 1819; Skizze seines Lebens u. Wirkens, Lpz. 1819; Fr. Cramer, Leben A. v. K-s, ebd. 1820; Heinrich Döring, K-s Leben, Weimar 1830. 2) Wilhelm von K., ältester Sohn des Vorigen, geb. 1785 in Reval, trat in österreichische Militärdienste, später in russische, stieg in kurzer Zeit zum Oberstlieutenant, wurde schwer verwundet unweit Poloezk u. st. dort 1812; er schr.: Beschreibung der Schlacht bei Dürnstein am 21. Nov. 1805, Königsb. 1807. 3) Otto von K, Bruder des Vorigen, geb. den 19. Dec. 1787 in Reval, umsegelte 1803 als Seecadet mit Krusenstern die Erde, wurde 1814 Befehlshaber des vom Grafen Romanzow für Entdeckungsreisen ausgerüsteten Schiffes Rurik, in welchem er am 30. Juli 1815 nach der Südsee abfuhr; entdeckte mehre Inseln u. 1816 den nach ihm benannten Kotzebuesund (s.d.) u. kehrte 1818 eines Brustleidens wegen nach Petersburg zurück; er trat 1823 als Capitänlieutenant der russischen Gardemarine auf Befehl des Kaisers Alexander eine dritte Reise um die Welt an, begleitet von den Lieutenants Bellingshausen u. Kordulow u. mehreren ausgezeichneten Naturforschern u. Ärzten, wie Eschholz, Lang, Hoffmann, Preuß u. Andern; ging mit dem kaiserl. Schiffe die »Unternehmung,« wieder nach der Südsee u. kehrte 1826 mit einer reichen wissenschaftlichen Ausbeute heim 1829 trat er aus dem Staatsdienste[750] u. st. den 15. Febr. 1846 in Reval; er schr.: Entdeckungsreisen in die Südsee in den Jahren 1814–15, Weimar 1821, 3 Bde.; Neue Reise um die Welt in den Jahren 1823–26, ebd. 1830, 2 Bde.; 4) Moritz von K. Bruder der Vorigen, geb. den 30. April 1789 in Reval, umsegelte 1805 mit seinem Bruder Otto unter Krusenstern die Erde, trat 1806 in die russische Landarmee, gerieth 1812 in französische Gefangenschaft (beschrieb seine Schicksale selbst in der Schrift: Der russische Kriegs gefangene unter den Franzosen, Lpz. 1815), wurde erst 1814 wieder freigegeben, reiste 1817 mit der kaiserlich russischen Gesandtschaft nach Persien (die Beschreibung dieser Reise herausgegeben von seinem Vater, Weimar 1819), diente später als Oberst im Generalstabe u. nachher einige Jahre in der russischen Kaukasusarmee.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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