Annam [1]

Annam [1]

Annam, 1) (Vietnan), Kaiserthum in Hinter-Indien, grenzt an China (davon durch Wüsten, Gebirge u. zugemauerte Pässe getrennt), an das chinesische Meer, Siam u. Birman; 10,200 QM. Gebirge: Vorgebirge Varela (Pagoda u. falsches Cap V.), Punta de Cambodscha (südlich); Flüsse: Cambodscha, Sangkoi (kommt als Hato Kiang aus China, nimmt den Li-Sing-Kiang auf, fällt in den Busen Tonkin); viele Kanäle. Producte: Gold, Elfenbein, Kupfer, Eisen, Zinn, Diamanten, Salz; Gummibäume, Reis, Benzoe, Zucker, Thee, Kaffee, Bataten, Gewürz, Obst u. a.; Elephanten, Tiger, Nashörner, Hirsche, Gazellen, Affen, Moschushirschchen, Hunde, Riesenschlungen, Salanganen, Fische, Seidenraupen; die Wälder sind reich an edlen Hölzern, darunter viel Teakholz; die Flora wird als prächtig geschildert. Eintheilung: in Tonkin (Hptstdt. Ketscho), Cochinchina (Hptstdt. Huch), Cambodscha (Hptstdt. Saigun) u. Laos; jedes mit mehreren Unterabtheilungen. Klima ist tropisch mit 2 Jahreszeiten, oft wüthen Seestürme. Die 7 Mill. Einwohner (Annamesen) sind klein u. breit, starkgliederig, die Frauen schöner als die Männer; die Tonkiner (olivenfarbig) gelten für schöner als die Cochinchinesen (dunkler), sie färben die Zähne schwarz, die Lippen roth, haben viel Anlage zum Fettwerden; Albinos werden häufig unter ihnen gefunden; sie sind heiter, gelehrig, gastfrei, aber fastlich, unruhig, schmutzig, gestohlen wird viel, Mord kommt selten vor. Die Frauen gelten wenig, haben die meisten Arbeiten u. sind, wie die Kinder, verkäuflich. Kleidung, bei beiden Geschlechtern fast gleich, besteht in buntfarbigen, weiten Pantalons, die gegürtet werden, in wollenen, weitärmeligen Röcken, die bis an die Waden reichen; darüber tragen Frauen u. die Männer als Staatskleid noch einen, bis an die Knöchel fallenden seidenen, farbigen, auch schwarzen Rock. Orange ist königliche, weiß die Trauerfarbe. Die Haare werden ungeschoren hinten aufgebunden u. mit einem Turban bedeckt, Ärmere tragen Strohhüte; an den Füßen trägt man Pantoffeln. Die Häuser sind meist einstockig, in Niederungen auf Pfähle gebaut, geradlinig beisammen stehend, bilden sie Dörfer u. Städte. Die Todten werden verbrannt, 3 Jahre betrauert u. die Gebeine dann näher an die Wohnung der Verwandten gebracht. Vergnügungen der Annamesen sind Thier-, bes. Hahnen- u. Heuschreckenkämpfe. Ihre Sprache, s. Annamitische Sprache. Die Wissenschaft u. die Künste sind ganz chinesisch. Religion ist der Buddhismus des Fo; große Tempel gibt es wenige, nur Capellen, auch Klöster mit verachteten Bonzen. Beschäftigung der Einwohner sind Garten- u. Ackerbau. Die Viehzucht ist unbedeutend, man zieht besonders Rindvieh; Geflügel gibt es in Menge; Seidenzucht wird mit Sorgfalt getrieben; Bergbau treiben in Tonkin bes. die Chinesen. Gefertigt werden Baumwollenzeuge, Seidengewebe, Lackwaaren, Feuergewehre. Der Handel, meist in Kleinhandel bestehend u. von Chinesen betrieben, geht besonders nach China, Siam u. in die englischen Häfen der Straße Malakka; zu Lande in das südliche China. Den Fremden ist blos die Hafenstadt Turané geöffnet; aber auch da hat Niemand die Befugniß Handel zu treiben, als die Regierung; sie bestimmt die Preise der eingeführten u. hinausgehenden Waaren. Die Europäer ziehen es daher vor, in Batavia u. Singapur die Erzeugnisse A-s einzutauschen (Zucker, Rohseide, Reis, Salz, Öl, Tabak, Elfenbein, Indigo), welche auf der annamesischen Flotte dorthin gebracht wurden; die Schifffahrt ist bloße Küstenfahrt. Die Regierungsform ist despotisch, an der Spitze ein Kaiser; Thronfolger ist der älteste Sohn, wenn der Kaiser selbst nicht anders verfügt; nur Eine Gemahlin ist Kaiserin; des Kaisers Umgebung bildet eine Leibwache, die als Abzeichen Säbel u. elfenbeinerne Stöcke tragen, der neue Kaiser erhält allemal die Belehnung durch chinesische Commissare in A. Die Regierung versehen ein Staatsrath u. 6 Minister (für Ceremonien u. Religion, Archive, Kriegssachen, Schatz, Justiz, Bau- u. Seewesen) mit 3 Kun, deren 2 Vicekönige von Tonkin u. Cambodscha, der 3. (Mandarin der Elephanten) Premierminister ist. Die verwaltende Behörde ist in 10 Klassen getheilt, deren 2 ersten die Minister u. Staatsräthe bilden. Diese 10 Klassen bilden zugleich den (jedoch nur persönlichen) Adel; sonst sind Bürger u. Sklaven hinsichtlich ihrer Rechte sich gleich. Das Volk liegt unter einem namenlosen Druck; der Handel ist ganz gesunken in Folge des kaiserlichen Monopols u. der Erpressung der Beamten; die Früchte, die Einer baut, werden sofort für den Kaiser mit Beschlag belegt u. er muß dafür haften; fleißige Arbeiter nimmt der Mandarin u. läßt sie um schlechte Kost für sich arbeiten; wer ein gutes Haus hat, wird des Uebermuths gegen die Mandarinen angeklagt u. mit Geld od. am Leben gestraft; daher Armuth, Schmutz, Elend im ganzen [529] Lande. In den Provinzen besteht der Rath aus dem militärischen Gouverneur, der Gewalt über Leben u. Tod im Krieg u. bei Empörungen hat, u. einem Neben- u. Untergouverneur. Jede Provinz zerfällt in 3 Departements (Huyen), diese in 3–4 Districte (Tu); jeder Tu hat einen Mandarin, jedes Dorf seinen vom Volke gewählten Richter. Die Rechtspflege ist willkürlich; sie wird gehandhabt von den Dorfrichtern mit Geschworenen aus der Gemeinde, von den Behörden der Tu u. Huyen. Strafen: Prügel, Gefängniß, Tragen eines hölzernen Halsbandes, Verstümmelungen; Todesstrafen (besonders Köpfen u. Zertreten durch Elephanten) folgen auf Ehebruch, Mord, Raub u. fortgesetzten Diebstahl; auch die Tortur wird angewendet. Die Polizei wird von den Dorfrichtern besorgt. Die Finanzen bestehen in den Einnahmen von der Kopfsteuer (1 Dollar vom Kopf), Grundsteuer (8 pCt.), Frohnen, Handelszoll, Pacht von Kronengütern (18 pCt.), u. bedeutenden Monopolen. Beamte sind von directen Abgaben frei. Militär besteht aus 30,000 M. europäisch geübter Leibwache; aus 5, zusammen 24,000 M. starken Colonnen à 8 Regimentern, das Regiment zu 600 M.; aus 5,15,000 M. starken Legionen à 5 Regimentern. Jedes Regiment wird von Elephanten begleitet. Uniform: roth, langes Wams, Beinkleider, Kegelmütze mit Hahnenfeder, jährlich gegeben; die Offiziere Turban, Talar, Pantalons; Waffen: Musketen mit Bajonnetten u. Spiese; Sold unbestimmt u. in Naturalien gegeben; Festungsbau haben die Franzosen gelehrt. Die Marine bestand aus Kanonenboten (von 16–22 Stücken), Galeeren (zu 50–70 kleinen Stücken) u. kleineren Böten, wurde aber 1847 von den Franzosen zerstört. Geld: die kleinste Münze ist das Sapek von Zink mit dem Bilde des Kaisers, 60 = 1 Maß, 10 = 1 Kwan, deren 11/2 gewöhnlich auf einen spanischen Piaster gerechnet werden; doch schwankt der Kwan sehr im Werth. Sapeks werden gewöhnlich 600 an ein Rohr gesteckt ausgegeben. Auch gibt es Gold- u. Silberklumpen, die geprägt werden, dies geschieht zu Cachar. Gewicht: man rechnet nach Can, deren 10 ein Yen, 50 ein Binh, 100 ein Ta, 500 ein Kwan (6881/5 Pfund) machen; die Elle (Thuoc) zerfällt in 10 Tac u. 100 Phan; Entfernungen mißt man nach Dam, deren 5 = 1 franz. Lieue; Ly ist 1/2 Dam. Das Gemäß wird nach dem Gewicht geschätzt. Vgl. Crawfurd, Tagebuch einer Gesandtschaftsreise nach Siam u. Cochinchina, Weim. 1831. 2) Insel, so v.w. Namoka; 3) Meerbusen von A., Theil des Chinesischen Meeres, s.d.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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