Augurium

Augurium

Augurium (röm. Ant.), Art der Weissagung u. Verkündigung des Willens der Götter aus Zeichen (Signa, Ostenta, Portenta), u. zwar a) (A. im engern Sinne, auch A. coeleste), aus Zeichen am Himmel, bes. aus Donner u. Blitz, auch aus dem Winde; b) (Auspicium), aus dem Flug u. der Stimme der Vögel (Aves), die man eintheilte: aa) in Alites (Praepetes), wenn sie durch den Flug ominös waren, z.B. Adler, Geier, Habichte; bb) in Oscines, wenn man Zeichen aus ihrem Geschrei entnahm, Krähen, Raben, Eulen, Hähne, Spechte. Einzelne heilige, von den Augurn beobachtete Vögel waren der Immussulus, der Sangualis avis (Ossifragus, beide aus dem Geiergeschlecht), die Titiae aves; e) (Tripudium), aus dem Fressen der Vögel, bes. der Hühner (Pulli), die zu diesem Zwecke auf Staatskosten unterhalten u. von einem besondern Wärter (Pullarius) gefüttert wurden; man befragte sie bes. vor einem Krieg od. einer Schlacht, weshalb den Feldherrn stets ein Pullarius begleitete; d) (A. pedestre), aus Zeichen 4füßiger Thiere, wenn Einem z.B. ein Fuchs, Hund, Wiesel etc. über den Weg lief, meist Privataugurien; e) aus den Dirae, d.i. alle andre schlimme zufällige Zeichen, welche nicht zu den vorhergehenden vier gehörten, z.B. Pressen des Schuhriemens, Anstoßen mit dem Fuße, Niesen etc. Diese Weissagung geschah durch das Priestercollegium der Augŭres (Alitispices), wenn für den Staat Zeichen geschaut wurden, od. durch die höhern Magistrate (Consuln, Prätoren, Censoren), wenn solche für eigne Amtsthätigkeit gesucht wurden, z.B. das A. salutis, ob man für das Heil des Staates beten dürfe. Von jenen höhern Magistraten geschaute A-rien hießen Auguria majora, die von andern A. minora. Doch waren auch hier die Auguren dabei, s. unten. Diese Art zu weissagen kam unter Romulus u. Numa von den Etruskern zu den Römern, sie waren bei diesen von hohem politischem Werthe u. wurden von den Staatsoberhäuptern meist zur Erreichung ihrer Zwecke benutzt. Schon unter den Königen mußten 3 Auguren bei der Versammlung der Curien zugegen sein u. konnten durch ihre Aussage die gefaßten Volks- u. Senatsbeschlüsse u. die Wahl von obrigkeitlichen Personen rückgängig machen. Seit 300 v. Chr. ward die Zahl der 4 patricischen Auguren mit 5 plebejischen vermehrt, unter Sulla mit 6 u. unter Cäsar mit noch einem, so daß zuletzt 16 waren. Ihr Oberhaupt hieß Magister collegii (Magister augurum). Unter Theodosius d.i. wurden sie aufgehoben. Auch andre römische Städte hatten Augurische Collegien, z.B. war in Lyon eins, 300 Glieder stark. Die Augurwürde (Auguratas), nur dem Manne von untadelhaftem Leben u. gesundem Körper ertheilt, blieb lebenslänglich u. konnte selbst dem, welcher ein Verbrechen begangen hatte, nicht wieder genommen werden. Die neuen Auguren wurden von dem Magister collegii, später. seit 104 v. Chr. von dem Volk (s. Domitia lex), zuletzt von dem Kaiser gewählt. Die Auguren wurden feierlich eingeweiht, wobei ein großes A. gehalten u. ein glänzendes Gastmahl veranstaltet wurde. Ihre Auszeichnung war ein purpur- u. scharlach gestreiftes Kleid (Trabea) u. ein knotenloser Krummstab (Lituus, Augurāle), Gewisse Tage u. Jahres- u. Tageszeiten galten als weniger passend als andere, z.B. der August, wegen des Maußerns der Vögel, der Tag nach den Idus jedes Monats, wegen des abnehmenden Mondes, auch der Nachmittag. Das Verfahren der Auguren war folgendes: der Augur im Augurenkleid, einen Apex (s.d.) u. einen Zweig auf dem Haupte, theilte auf dem Augurienplatze (Auguracŭlum, Auguratorĭum, Augurāle), das Gesicht nach Süd gewendet, mit dem Augurstab den Himmel (Templum) durch die Mittagslinie (Cardo) u. eine zweite, diese kreuzende (Decumanus) in 4 Theile (Regiones). Durch die Mittagslinie wurde der Himmel nach West (dextra) u. Ost (sinistra) getheilt; durch die Kreuzlinie in die vordre (antica, südl.) u. hintre (postica, nördl.). Die 4 Regionen hießen: antedextra (südwestl.), antesinistra (südöstl.), ponedextra (nordwestl.), ponesinistra (nordöstl.), mit welchen Ausdrücken auch die, in den einzelnen Regionen erscheinenden Vögel bezeichnet werden. Der Morgen war die glückliche Seite; da nun die römischen Auguren, das Gesicht nach Süd gerichtet, die Zeichen erwarteten, so kam ihnen das glückliche Zeichen auf der linken Seite (A. sinistrum); A. dextrum nannten die Römer nur ein glückliches Zeichen, wenn sie die Griechen (denen, das Gesicht gegen Nord gerichtet, Osten zur Rechten war) nachahmen, eigentlich bedeutet es ein unglückliches. Der Augur betete hierauf (meist zum Jupiter) u. beobachtete dann schweigend den Himmel; gut war es, wenn die Erscheinung am reinen Himmel war (A. liquidum), weil dann kein Zweifel war; ein schlimmes Zeichen war es, wenn dem Augur etwas aus der Hand fiel (A. caducum). Bei dem Auspicium hießen Vögel, welche glückliche Vorbedeutungen gaben u. ein Vorhaben bestätigten: Aves albae (A. candidae, A. auspicatae, A. secundae, A. admissivae); dagegen Unglück weissagende Vögel u. deren Erscheinung ein Unternehmen widerrieth, od. es aufzuschieben rieth, hießen: Aves oliviae (A. inauspicatae, A. remores, A. arcivae, A. arculae, A. inebrae, A. inhibae). Überhaupt war die Erscheinung von Adlern u. Tauben glücklich, die von Raubvögeln Habicht, Geier, Eule, auch der Schwalbe unglücklich; doch kam es auch auf die Seite an, woher sie kamen (s. ob.). Glücklich war auch die Erscheinung einer Schaar verschiedner Vögel, od. wenn einem Habicht die Beute entfiel u. er dieselbe nicht wieder fing; unglücklich dagegen, wenn ein Habicht seine Beute entführte; auch konnten glückliche A-en durch darauf folgende (Avesalterae) wieder umgestoßen werden. Beim Tripudium (s. ob. c) war es ein[20] glückliches Zeichen, wenn die Hühner, aus dem Käfig gelassen, von dem vorgeworfenen Futter gierig fraßen u. ihnen von dem Fraße etwas aus dem Schnabel fiel (Tr. solistimum). Unglück bedeutend war das Nichtfressen. Bei den Vorzeichen durch 4füßige Thiere galt es für unglücklich, wenn ein Thier., bes. ein Wiesel, über den Weg lief (A. viale). Das A. aus einem Gespann (A. juge) für, in die Provinz gehende Magistrate war unglücklich, wenn das Gespann still stand od. wenn eins der Thiere stallte; glücklich war es, wenn beide nach verschiedenen Seiten zogen; ein unglückliches Zeichen war, wenn ein Opferthier vom Altar entfloh, od. beim Schlachten brüllte, od. auf die ungehörige Seite fiel, dann mußte ein Sühnopfer gebracht werden, daher A. piaculare. War das A. glücklich, so sprach der Augur: aves addicunt (die Vögel willigen ein, die Zeichen sind gut), od. impetritum est (es ist glücklich zu Stande gebracht), daher A. impetritum od. impetrativum, ein glückliches. A.; war es unglücklich, od. deutete es das Vorhaben als schwer auszuführen an (A. clivium), so sagte er: obnuncio (ich verhindre), od. alio die (an einem andern Tage). Während das Schauen der A-rien (Spectio) auch den Magistraten gestattet war, so war dagegen nur den Auguren die Verkündigung (Nuntiatio, wenn die A-rien günstig waren, Obnuntiatio, wenn sie ungünstig waren) gestattet, daher auch Auguren dabei waren, wenn A-rien von Magistraten geschaut wurden. Die Hauptquelle für die Auguraldisciplin war bis auf die letzte Zeit der Republik herab die Tradition, die sich in dem Collegium augurum fortpflanzte, welches früher zu gegenseitigen Mittheilungen an den Nonen jedes Monats zusammenkam. Doch gab es auch schon im 2. Jahrh. v. Chr. Auguralbücher (Libri augurales od. Commentarii augurum), wahrscheinlich aus Regeln u. Formeln, mit Erklärungen einzelner Mitglieder des Augurencollegiums, bestehend; die Libri reconditi (wahrscheinlich aus dem Tuskischen übersetzt) wurden nur zur Lösung schwieriger Fälle gebraucht.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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