Ausliefern

Ausliefern

Ausliefern, 1) von Commissionären Waaren u. bes. bei Buchhändlern Verlagsbücher auswärtiger Buchhandlungen, ohne vorherige Anfrage anderen Buchhandlungen, die mit jenen in Geschäftsverbindung stehen, auf deren Verlangen senden; 2) A. von Verbrechern, einen, bei einem Gericht verhafteten Verbrecher an ein anderes Gericht auf dessen Verlangen zur Processirung übergeben. Die Frage, ob ein Verbrecher auszuliefern sei, kann sowohl unter Gerichten desselben Staates, als unter Gerichten verschiedener Staaten entstehen. Im ersteren Fall entscheidet das Landesgesetz, ob dem Gericht, welches die Auslieferung verlangt, ein Vorzug vor dem anderen beigelegt ist; sollten aber die beiden Gerichte gleichberechtigt sein, den Verbrecher vor ihre Strafgerichtsbarkeit zu ziehen, so wird in der Regel dann demjenigen Gerichte der Vorzug eingeräumt, welches die Prävention für sich hat, d.h. welches zuerst durch einen gerichtlichen Act seinen Willen, gegen den Verbrecher eine Untersuchung einzuleiten, zu erkennen gegeben hat. Wichtiger wird die Frage der Auslieferung, wenn das Gericht eines fremden Staates den Verbrecher reclamirt, indem hier neben den Rücksichten auf die Vollziehung der Strafjustiz in der Regel staatsrechtliche u. politische Rücksichten in Rede kommen. Der Anspruch auf Auslieferung hat daher im Leben der Staaten schon vielfache Verwickelungen erzeugt, denen für die Zukunft vorzubeugen man in. neuerer Zeit durch den Abschluß einer großen Anzahl wechselseitiger Verträge bemüht gewesen ist. Im Allgemeinen läßt sich eine Auslieferungspflicht an den. fremden Staat weder aus allgemeinen Rechtsgründen, noch aus dem Völkerrechte ableiten; auch war eine solche Verbindlichkeit, sich wechselseitig Verbrecher auszuliefern, unter den europäischen u. selbst, so lange die Reichsverfassung bestand, nicht einmal unter den einzelnen deutschen Staaten anerkannt. Nur soweit besondere Verträge unter den einzelnen Territorien bestanden, wurden daher Auslieferungsgesuche respectirt. Eine allgemeinere Anerkennung der Auslieferungspflicht trat für die deutschen Staaten erst durch mehrere Bundesbeschlüsse (vom 10. Febr. 1831, 17. Mai u. 5. Juli 1832 u. 18. Aug. 1836) ein, welche indessen zunächst nur die Auslieferungspflicht bezüglich politischer Verbrecher, Deserteure u. flüchtiger Conscribirter betrafen. Eine umfassendere Regelung der gegenseitigen Verhältnissetrat aber durch den Bundesbeschluß vom 26. Jan. 1854 ein. Sämmtliche Bundesstaaten haben sich hiernach gegenseitig verpflichtet, Individuen, welche wegen politischer od. anderer Verbrechen u. Vergehen (ausschließlich der Abgabendefraudationen u. der Übertretungen von Polizei- u. Finanzgesetzen) von einem Gerichte des jenigen Staates, in welchem od. gegen welchen das Verbrechen od. Vergehen begangen worden, verurtheilt od. in Anklagestand versetzt sind, od. gegen die ein gerichtlicher Verhaftsbefehl dort erlassen ist, diesem Staate auszuliefern, vorausgesetzt, daß nach den Gesetzen des requirirten Staates die veranlassende Handlung gleichfalls als strafbar angesehen wird u. die Strafe noch nicht verjährt ist. Ausnahmen treten nur ein, wenn das betreffende Individuum ein Unterthan des um die Auslieferung angegangenen Staates ist, od. wenn wegen derselben strafbaren Handlung die Competenz der Gerichte des requirirten Staates nach den Gesetzen desselben begründet ist, od. wenn der Auszuliefernde in dem requirirten Staate wegen anderer Handlungen einer Untersuchung, Strafhaft od. einem Arreste unterliegt, für welchen Fall die Auslieferung erst nach Beseitigung dieses Anstandes zu erfolgen hat. Die Auslieferung erfolgt auf Ansuchen der zuständigen Gerichtsbehörde, von der Justiz- od. Polizeibehörde des Bezirkes, in welchem der Auszuliefernde sich befindet, so daß es einer Correspondenz zwischen den höheren Landesbehörden nicht bedarf. Ist die Auslieferung von mehreren Staaten zugleich nachgesucht worden, so erfolgt dieselbe an den Staat, welcher das bezügliche Ansuchen zuerst gestellt hat. Die Kosten der Auslieferung sind vom Tage der Verhaftung des Auszuliefernden von dem requirirenden Staate zu tragen. Auf außerdeutsche Staaten hat natürlich dieser Bundesbeschluß keine Wirkung haben können; in dem Verhältnisse zu diesen besteht daher noch jetzt grundsätzlich keine Auslieferungspflicht, insofern nicht specielle Verträge ein Anderes bestimmen. Solche Verträge sind jedoch jetzt fast zwischen allen größeren Staaten abgeschlossen, insoweit sie dem europäischen Staatensystem angehören. Regel ist jedoch hierbei, daß politische Verbrecher nicht ausgeliefert werden. Die Erneuerung dieser mit auswärtigen Staaten bestehenden Auslieferungsverträge soll nach dem Bundesbeschlüsse in einer mit dem Inhalte desselben übereinstimmenden Weise erstrebt werden.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Ausliefern — Ausliefern, verb. reg. act. in eines andern Gewalt liefern. Einem eine gekaufte Waare, ein eingelösetes Pfand ausliefern. Einen Ausreißer an das Regiment, einen Verbrecher der Obrigkeit ausliefern. Daher die Auslieferung …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Ausliefern — Ausliefern, im Buchhandel, jemanden einen Artikel übermachen …   Herders Conversations-Lexikon

  • ausliefern — [Network (Rating 5600 9600)] Auch: • liefern • beliefern Bsp.: • Bitte liefern Sie das Essen an diese Adresse …   Deutsch Wörterbuch

  • ausliefern — V. (Mittelstufe) jmdn. in ein anderes Land überstellen Beispiele: Der Attentäter wurde der Polizei ausgeliefert. Der Verräter wird dem Kriegsgericht ausgeliefert …   Extremes Deutsch

  • ausliefern — 1. ans Messer liefern, aussetzen, überantworten, übergeben; (geh.): preisgeben; (geh. veraltend): überliefern; (Amtsspr.): überstellen; (Rechtsspr.): zuliefern. 2. anliefern, beliefern, bringen, liefern, übergeben, zuliefern, zustellen; (geh.):… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • ausliefern — aus·lie·fern (hat) [Vt] 1 etwas ausliefern Waren (im Auftrag einer Firma) liefern 2 jemanden (an jemanden) ausliefern jemanden an die Organe eines anderen Staates übergeben <politische Gefangene, Verbrecher ausliefern>: Die Terroristen… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • ausliefern — (sich) ergeben; (sich) stellen; übergeben; aushändigen * * * aus|lie|fern [ au̮sli:fɐn], lieferte aus, ausgeliefert <tr.; hat: 1. a) einer anderen Instanz überlassen, in die Gewalt einer anderen Macht geben: der Verbrecher wird an die Polizei… …   Universal-Lexikon

  • ausliefern — liefern: Das aus der niederd. Kaufmannssprache ins Hochd. gelangte Verb geht auf mnd. ( mniederl.) lēveren »liefern« zurück, das seinerseits aus frz. livrer »mit etwas ausstatten; liefern« (s. auch das Fremdwort ↑ Livree) stammt. Quelle des… …   Das Herkunftswörterbuch

  • ausliefern — aus|lie|fern …   Die deutsche Rechtschreibung

  • übergeben — aushändigen; überreichen; herüber reichen; widmen; überlassen; zueignen; zuwenden; spendieren; hingeben; gewähren; überantworten; …   Universal-Lexikon

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