Belgische Landwirthschaft

Belgische Landwirthschaft

Belgische Landwirthschaft, ist seit lange als Musterwirthschaft anerkannt, obwohl die localen Verhältnisse dem Ackerbau nicht ganz günstig sind, s. Belgien. Unter den Ackergeräthen steht der Schwerz'sche od. Brabanter Pflug obenan; eigenthümlich ist dem Lande ferner die Ackerschleife (s.d.) u. der Streichhaken, womit die aufgepflügte Erde 2–3 Fuß dünn über das Land verbreitet wird. Berühmt ist das belgische Düng erwesen; die Ställe sind so eingerichtet, daß in ihnen die Excremente in einer geräumigen Vertiefung hinter dem Stande des Viehes angesammelt u. von da gleich auf das Feld gefahren werden. Reicht der Stall zur Aufbewahrung des Mistes nicht aus, so wird derselbe in große Haufen in die Nähe des zu düngenden Feldes gefahren, u. diese Hansen bedeckt man mit Erde. 1–2 Wochen vor dem Auseinanderfahren der Haufen werden sie umgestoßen u. mit Jauche getränkt. Außer dem Stallmist sammelt u. verwendet man alle düngenden Stoffe, bes. gilt dieses von dem Federviehmist, den menschlichen Excrementen, der Asche, dem Kalk u. dem Straßenkothe; bes. die holländische Asche steht in großem Ansehen. In neuerer Zeit wendet man auch Guano u. Ölkuchen zur Düngung an. Eigenthümlich ist das Misten der Kanten, d.h. das Düngen der Ränder der Beete an den Zwischenfurchen, was bes. nach Klee u. Kartoffeln üblich ist; ferner das Overbuylen od. Mistüberstreichen, bes. zu Wintergerste gebräuchlich u. darin bestehend, daß man alle Beete des Ackers u. Furchen umpflügt u. die übrigen 2 Furchen bis nach der Düngung stehen läßt; ferner das Mistüberstoßen, bes. gebräuchlich im nassen Boden u. darin bestehend, daß der gebreitete Mist mit Erde beworfen wird. Da in Belgien der Acker ununterbrochen Früchte tragen muß, so wendet man eigenthümliche Verfahrungsarten gegen das Verunkrauten an, welche meist in dem Schuffeln u. Schleifen, wohl auch in dem Rajolen bestehen. Das Schuffeln wird in der Art ausgeführt, daß man die Mitte der Beete durch zwei flache Furchen spaltet, eggt, walzt, das Unkraut entfernt, diese Operationen mehrmals wiederholt u. schließlich die Schleife anwendet, Allgemein ist die Einkoppelung der Felder, in der Campine auch der Wiesen. Die Fruchtfolgen sind je nach der Beschaffenheit des Bodens sehr verschieden; auf Marschboden fast ohne alle Düngung: Klee, Weizen, Brache, Wintergerste, Wicken, Hafer; auf festem Klei (Lehmboden): gedüngte Brache, Roggen, Hafer, Klee überdüngt, Weizen, Hafer, Kartoffeln gedüngt, Wicken, Roggen, Roggen, Hafer; auf gutem sandigen Lehmboden: Klee, Weizen, Hafer, Lein, Roggen, Raps, Wintergerste, od. Weizen, Roggen; auf trockenem lehmigen Sandboden: Weizen, Roggen, Hafer, Klee, Wintergerste, Roggen, Buchweizen; auf geringem Sandboden: Kartoffeln od. Lein, Roggen, Hafer, Klee, Roggen. Die Pflege der Saaten ist eine sorgfältige, namentlich ist fast allgemein das Jäten üblich. Das Getreide wird nur theilweise in den kleinen Scheunen, am häufigsten im Freien aufbewahrt, nachher aber über ein tonnenförmiges Gefäß geschlagen, um die besten Körner behufs der Saat zu gewinnen. Unter den Futtergewächsen dominirt der Klee überall, ausgenommen in der Campine, wo dessen Stelle der Sergel vertritt. Unter dem Wurzelwerk spielen die Rüben die Hauptrolle, welche aber meist nur als Nebenfrüchte gebaut werden; dasselbe gilt von den Möhren u. Runkelrüben; ferner Kartoffeln, bes. in den Gegenden mit leichtem Boden. Unter den Handelsgewächsen steht der Flachs obenan, bes. in Flandern u. in dem Waeslande; Hanf um Dendermonde, Raps in Brabant u. an den Ufern der Dender; der Raps wird gewöhnlich verpflanzt. Außerdem baut man sehr viel Hopfen, etwas Mohn u. Tabak, dagegen wenig Wau u. Krapp. Was die Vieh[536] zucht anlangt, so ist das Rindvieh ein Mittelschlag zwischen der größeren Friesischen u. der kleineren Brabanter Race. Ausgenommen im Marschboden, ist die Sommerstallfütterung des Rindviehes fast überall eingeführt. Durchschnittlich liefert eine Kuh im Jahre 200 Pfd. Butter; allgemein ist die eigene Zuzucht; die Kälber werden mit Buttermilch u. Roggenbrod aufgezogen; gemästet wird viel in der Gegend von Tirlemont u. in den Poldern bei Antwerpen. Pferde hält man so wenig als möglich; das ursprüngliche Pferd ist das flamändische, die ausländische Race von friesischen, dänischen u. neapolitanischen Beschälern gefallen. Obgleich die Verhältnisse der B-n L. sich nicht für eine ausgebildete Schafzucht eignen, so ist dieselbe doch nicht vernachlässigt; in der Campine ist sie nicht zu entbehren, aber auch im Süden u. in hochcultivirten Gegenden findet man Schafe u. hier meist nur edles Vieh; außer den Merinos hat man in den Provinzen zerstreute Mittelracen; zu denselben gehört das Ardennenschaf, welches zwar seine u. kurze, aber wenig Wolle trägt; das Luxemburger Schaf, sehr klein, mit seiner Wolle; das Flamändische Schaf (Flandrin), das größte in Europa, trägt sehr seine Wolle; das Campiner Schaf, klein u. feinwollig; das Schaf von Waes, sehr groß, liefert bis 12 Pfd. Wolle. Gepfercht wird mit den Schafen nicht. Schweinezucht wird nur in geringem Umfange betrieben. Große Pachthöfe haben 50–60, mittelgroße 30, kleine 10–15 Bunder; im Waeslande bestehen die meisten Höfe nur aus 6–7 Bundern, in Brabant aus 10–50 Bundern; die größten Höfe sind im Hennegau, die volle 70 Bunder haben u. darüber, u. in Tirlemont, wo sie bis auf 150 Bunder aufsteigen. Auf den Bunder Landes (d.i. eigentlich so viel man mit ein Paar Ochsen im Tage pflügen kann, etwa 240 F. lang, 120 F. breit) werden durchschnittlich gehalten 10 Kühe, 180 Schafe, 12 Mastschweine u. 5 Arbeitspferde. In neuester Zeit hat die Drainage große Fortschritte gemacht, u. dem landwirthschaftlichen Unterricht schenkt man gegenwärtig die gebührende Aufmerksamkeit. Die Regierung wendet die ganze Kraft ihrer Organisationsmittel auf Ackerbauschulen, u. bereits ist eine größere Anzahl derselben ins Leben gerufen. Sorge für einen möglichst großen Vorrath von Dünger u. gartenmäßige Bearbeitung des Landes sind die Hauptpunkte, durch welche sich der belgische Landwirth auszeichnet u. durch welche die B. L. einen Ehrenplatz neben der englischen sich gesichert hat. Vgl. Schwerz, Anleitung zur Kenntniß der B-n L., Halle 1807 f., 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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