Nassau [2]

Nassau [2]

Nassau (Gesch.). In den Ländern zwischen Rhein, Main u. Lahn wohnten zur Römerzeit die Mattiaken, nachher Alemannen; diese überwältigte Chlodwig 496 u. schlug ihr Land zum Fränkischen Reiche; durch die Theilung von Verdun 843 kam dasselbe zum Deutschen Reiche. Unter den Dynasten des Landes waren die seit dem 11. Jahrh. nach der Burg Laurenburg in der Grafschaft Holzappel an der Lahn genannten Grafen von Laurenburg, welche am Rhein, Main, der Sieg u. Lahn begütert waren. Als Stammvater wird Otto von Laurenburg, Bruder des Königs Konrad I. des Saliers, im 10. Jahrh. genannt. Sein Sohn Walram I., Graf von Laurenburg (st. 1020), wurde durch seine Söhne Stifter vonzwei Linien: der ältere Walram II. pflanzte die Hauptlinie Laurenburg fort, welche sich seit 1160 nach dem im 12. Jahrh. erbauten Schlosse Nassau N.- Laurenburg nannte; der jüngere Otto soll sich mit der Erbtochter des Präfecten von Geldern vermählt haben u. erster Graf von Geldern u. so Gründer der Linie Nassau-Geldern geworden sein. Walram III., welcher sich unter Kaiser Konrad IV. im Kriege auszeichnete u. nebst Ruprecht III. mit Kaiser Friedrich I. nach Palästina zog, besaß nach dem Tode seiner Vettern 1195 sämmtliche nassauische Gebiete u. hatte 1185 nach Aussterben der Grafen von Arnstein noch die Reichsvogteien über Arnstein, Ober- u. Niederlahnstein, Coblenz u. Pfaffendorf erhalten. Das Schloß N. trug er von den Erzbischöfen von Trier zur Lehn; er st. 1198. Seine Söhne, Heinrich I. u. Ruprecht V., regierten gemeinschaftlich bis zu des Letzteren Übertritt in den Deutschen Orden um 1230, wo Heinrich I. der Reiche wieder bis zu seinem Tode 1250 die nassauischen Lande vereinigte. Er baute die Burgen Dillenburg u. Ginsberg, trat dem Erzbischof von Köln 1224 die Hälfte von Siegen ab, nahm dagegen in einer Fehde den Erzbischof von Trier gefangen u. begleitete Kaiser Friedrich II. nach Palästina. Seine Söhne, Walram IV. u. Otto, welche bis 1255 gemeinschaftlich regierten, wurden Stifter der zwei Hauptlinien, von denen die Walramische gegenwärtig das Herzogthum N. besitzt, die Ottonische aber in der königlich niederländischen Dynastie fortblüht. Sie theilten ihre Besitzungen so, daß die Lahn Grenze wurde; Walram erhielt, was auf dem linken, Otto, was auf dem rechten Lahnufer lag; doch N. mit dazu gehörigen Orten, die Grafschaft Einrich, das Einlösungsrecht der Pfandschaften u. das Schloß Laurenburg blieben gemeinschaftlich.

I. Die Walramische Hauptlinie, besaß auf dem linken Lahnufer die Länder Idstein, Wiesbaden u. Weilburg. A) Erste Theilung der Walramischen Länder 1255–1605. Adolf, Walrams IV. Sohn u. Nachfolger, wurde 1292 Deutscher König u. fiel 1298 in der Schlacht bei Göllheim gegen den Gegenkönig Albrecht von Österreich, (s. Deutschland, Gesch. X.). Seine Absicht, die Königswürde zur Vergrößerung seiner Hausmacht zu benutzen, mißlang; vortheilhafter für diese war es, daß seine Söhne u. Nachkommen hohe geistliche Würden bekleideten, so sein Sohn Dietrich Erzbischof von Trier u. sein Enkel Gerlach Erzbischof von Mainz, u. daß seine Tochter Mathilde Gemahlin des Kurfürsten Rudolf von der Pfalz war. Jene wandten ihrem Stamme beträchtliche geistliche Lehen zu. Auch trug es zum Wachsthum der Besitzungen dieser Dynastie bei, daß mehre Mitglieder derselben den Kaisern als Feldherren od. Hofrichter dienten u. dafür mit Gütern belehnt wurden. Adolfs Sohn, Gerlach I. (st. 1361), hinterließ außer dem, Geistlicher gewordenen dritten Gerlach, zwei Söhne, Adolf II. u. Johann I., welche die Walramische Hauptlinie 1355 in zwei Linien spalteten: a) Ältere Linie: N.-Idstein-Wiesbaden. Adolf II. hinterließ bei seinem Tode 1370 drei Söhne, von denen Adolf u. Johann den geistlichen Stand wählten u. beide Kurfürsten von Mainz wurden; der dritte, Walram, st. 1393. Ihm folgten Sohn auf Sohn: Adolf III. bis 1426; Johann bis 1480; Adolf IV., welcher Präsident des Reichshofraths, auch einige Jahre Statthalter in Geldern u. Zütphen wurde u. 1511 starb; Philipp, welcher die Lutherische Lehre in seinen Landen einführte u. 1558 starb; Adolf V.; da dieser 1556 ohne Söhne zu hinterlassen starb, folgte ihm sein jüngerer Bruder Balthasar, früher Deutscher Ordensritter, u. st. 1568. Dessen einziger Sohn, Ichann Ludwig I., st. 1596, u. mit dessen minderjährigem Sohn, Johann Ludwig II., erlosch 1605 diese Linie, u. ihre Besitzungen fielen an die Linie Weilburg. b) Jüngere Linie: N.-Weilburg. Johann I., Sohn Gerlachs I. u. Bruder Adolfs II., erwarb mit seiner ersten Gemahlin die Herrschaften Mehrenberg u. Gleiberg, mit seiner zweiten, Johanna, der Tochter Johanns von Saarbrück, die Grafschaft Saarbrück, weshalb sich diese Linie auch Weilburg-Saarbrück nannte. Wegen dieses beträchtlichen Länderzuwachses wurde er 1366 vom Kaiser Karl IV-in den Fürstenstand erhoben, seine Nachkommen machten aber keinen Gebrauch von dieser Würde. Er st. 1371; sein Sohn Philipp I. erwarb Kirchheim-Bolanden, Reichelsheim u. Stauf; als er 1429 starb, stifteten seine beiden Söhne, Johann II. u. Philipp II., durch Ländertheilung die Äste Saarbrück u. Weilburg. aa) Ast N., Saarbrück: Johann II. st. 1472; sein Sohn Johann Ludwig erwarb durch Heirath mit der Pfalzgräfin Isabelle die Herrschaft Lahr u. einen Theil der Grafschaft Saarwenden, über welche sein Haus mit den Herzögen von Lothringen in einen langwierigen Streit gerieth; er st. 1545. Mit Johann III. erlosch 1574 der Ast von Saarbrück, dessen Länder an Weilburg fielen. bb) Ast N.-Weilburg: Philipp II. regierte bis. 1492; ihm folgte sein Enkel Ludwig I. bis 1523; dessen Sohn, Philipp III., bis 1559, führte die Lutherische Lehre ein; seine zwei Söhne, Albrecht u. Philipp IV., theilten, nachdem sie 1574 die Lande von Saarbrück geerbt hatten, u. Albrecht erhielt Weilburg u. Philipp IV. Saarbrück. Albrecht st. 1593 u. sein Sohn Ludwig II. folgte ihm. Da dieser nach dem unbeerbten Tode Philipps IV. 1602 Saarbrück u. nach dem Tode Johann Ludwigs II. 1605 auch Idstein-Wiesbaden erhielt, so vereinigte er alle Besitzungen der Walramischen Linie. Er st. 1525.

B) Zweite Theilung der Länder Walramischer Linie, 1629–1816. Ludwigs II. drei Söhne theilten u. wurden so Stifter der drei jüngeren Aste der Walramischen Hauptlinie. a) Die Linie N.-Idstein: Johann, der zweite Sohn, stiftete sie u. st. 1677; mit seinem Sohne, Georg August Samuel, welcher den fürstlichen Titel[693] annahm u. das alte Schloß in Wiesbaden als Wittwensitz für seine Gemahlin baute, erlosch 1721 diese Linie. b) Linie N.-Saarbrück: Wilhelm Ludwig, der älteste Sohn Ludwigs II. stiftete sie; er hinterließ bei seinem Tode 1640 drei Söhne, welcher wieder theilten. aa) Ast von N.-Otweiler, durch Johann Ludwig gestiftet; er st. 1690, sein Sohn Friedrich Ludwig erbte nach dem Tode Georg August Samuels 1721 Idstein u. nach dem Tode seines Bruders Gustav Adolf 1723 Saarbrück. Mit seinem Tode 1728 erlosch dieser Ast, die Länder fielen an Usingen. bb) Der Ast N.-Saarbrück, gestiftet von Gustav Adolf, dem zweiten Sohn Wilhelm Ludwigs; er st. 1677; sein Sohn u. Nachfolger Ludwig Krato st. 1713 u. dessen Bruder Karl Ludwig st. 1723, mit welchem dieser Ast ausstarb, worauf sein Besitzthum an N.-Otweiler fiel. cc) Ast von N.-Usingen, gestiftet von Vollrad (Walrad), drittem Sohn Wilhelm Ludwigs; er war Feldmarschall in österreichischen u. holländischen Diensten u. ließ sich 1688 die fürstliche Würde seines Hauses vom Kaiser Leopold I. erneuern. Sein Sohn Wilhelm Heinrich, welcher ihm 1702 in der Regierung folgte u. 1718 starb, hinterließ zwei Söhne, Karl u. Wilhelm Heinrich. Als 1728 durch das Erlöschen der Otweitersehen Linie alle Besitzungen der Usingenschen Linie wieder vereinigt waren, überließ Karl seinem jüngeren Bruder Wilhelm Saarbrück u. Otweiler, wodurch wieder, außer dem Hauptzweig N.-Usingen, der Collateralzweig N.-Saarbrück entstand, in welchem Wilhelm Heinrich bis 1768 regierte. Unter dessen Sohn Ludwig wurde das Land 1794 durch die Franzosen besetzt, u. mit dessen Sohn Ludwig Karl starb dieser Nebenzweig 1797 wieder aus, u. die Länder fielen dem Usingenschen Hauptast wieder zu.

Es bestanden also nun die zwei Linien N.-Usingen u. N.-Weilburg. In der Linie N.-Usingen regierte Karl (s. oben) Anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter Charlotte Amalie von N.-Dillenburg, dann allein; er schloß bereits 1738 mit seinem Neffen Wilhelm Heinrich von Saarbrück u. mit seinem Vetter Karl August von N.-Weilburg einen Primogeniturvertrag, dem gemäß, zur Vermeidung fernerer Theilungen der Lande, in allen Walramischen Besitzungen in jeder Linie nur der Älteste folgen u. die einzelnen Linien einander nach dem Aussterben beerben sollten; an diesen Vertrag schloß sich 1783 die Ottonische Linie an. Karl starb 1775; ihm folgte sein ältester Sohn Karl Wilhelm, u. als dieser 1803 starb, dessen Bruder Friedrich August. Letztere verloren in dem Frieden von Luneville 1802 alle ihre Besitzungen auf dem linken Rheinufer u. auf dem rechten Ufer Lahr, welche zusammen 20 QM. mit 60,200 Ew. enthielten. Sie wurden dafür in dem Reichsdeputationshauptschlusse 1803 mit den Mainzischen Ämtern Königstein, Höchst, Kronenburg, Rüdesheim, Oberlahnstein, Eltville, Haarheim u. Kassel, mit den Besitzungen des Mainzischen Domcapitels auf der rechten Mainseite, mit dem pfälzischen Amt Kaub, einem kleinen Theil des Kurfürstenthums Köln, den hessischen Ämtern Katzenellenbogen, Braubach, Ems, Epstein, Kleberg, mit dem Trierschen Capitel u. Abteien, mit Limburg, Romersdorf, Bleidenstadt, Sayn, der Grafschaft Sayn-Altenkirchen u. mit mehren Dörfern, zusammen mit 36 QM. u. 92,000 Ew. entschädigt u. erhielten festen Sitz auf dem Reichstage. 1806 trat Friedrich August dem Rheinbunde bei u. nahm den Titel eines souveränen Herzogs an, welchen jedoch nur der Senior der Walramischen Linie, also für jetzt N.-Usingen, führen sollte, während N.-Weilburg nur den Titel eines Fürsten führte. Der ganze Complex der Walramischen Besitzungen wurde zugleich für ein einziges untheilbares Herzogthum erklärt u. dasselbe noch um 31 QM. u. 84,000 Ew., also um ein Drittheil, vergrößert. Durch ein Decret vom 1. Januar 1808 wurde in diesem vereinigten Staate die Leibeigenschaft aufgehoben u. in ihren letzten Spuren 1812 beseitigt, durch ein anderes vom 29. Octbr. die Conscription, am 10. Februar 1809 Gleichheit der Abgaben u. ein neues directes Steuersystem eingeführt. Die N.-Usinger u. Weilburger Truppen fochten 1807 gegen Preußen, seit 1809 in Spanien u. 1812 in Rußland. Mit den andern deutschen Staaten trat auch N. nach der Schlacht von Leipzig auf die Seite der Alliirten, u. auf dem Wiener Congreß wurde der Walramischen Linie ihr Erbrecht auf Luxemburg, im Fall des Aussterbens der Ottonischen Linie, bestätigt. Durch den Tauschvertrag des 31. Octbr. 1815 trat N. an Preußen Ehrenbreitstein u. einige andere Gebiete ab, erhielt aber dafür Diez, Hadamar, Dillenburg (ohne Burbach) u. einen Theil von Siegen (ohne die Stadt). Mit dem Aussterben der Linie Usingen mit Friedrich August im März 1816 fielen die Länder derselben an Weilburg. Von der Zeit an hat das vereinigte Herzogthum N. nur Einen Regenten. c) N.-Weilburg: der Stifter des Astes u. nachmals der Linie Weilburg war 1629 Ernst Kasimir, der dritte Sohn Ludwigs II.; als er 1655 starb, folgte ihm sein Sohn Friedrich, diesem 1675 Johann Ernst bis 1719; dessen Sohn Karl August nahm 1737 den fürstlichen Titel an u. st. 1753; nach ihm regierte Karl Christian bis 1788 u. darauf Friedrich Wilhelm, welcher im Frieden zu Luneville auf dem linken Rheinufer 1/3 der Grafschaft Saarwenden u. die Herrschaften Stauf u. Kirchheim-Bolanden, zusammen 8 QM. mit 18,000 Ew., verlor. Er wurde dafür mit einem Theil des Kurfürstenthums Trier, Ehrenbreitstein, Montabaur, Limburg, Hersbach, Hammerstein, dem größten Theile der Grafschaft Nieder-Isenburg u. den Abteien Arnstein, Schonau u. Marienstadt, überhaupt mit 16 QM. u. 37,000 Ew. entschädigt. 1806 trat auch Friedrich Wilhelm dem Rheinbunde bei u. st. am 9. Jan. 1816. Ihm folgte sein Sohn Wilhelm, welcher auch am 27. März 1816 die Usingische Linie beerbte u. so alle Länder der Walramischen Hauptlinie vereinigte.

C) Nach der Vereinigung aller Nassauisch-Watramischen Besitzungen von 1816. Schon früher, als das Land noch getheilt war, war am 2. Septbr. 1814 N. eine neue landständische Verfassung im constitutionellen Sinne verliehen worden, bei welcher das Grundeigenthum als Basis der Vertretung angesehen wurde. Herzog Wilhelm organisirte kurz nach Antritt der Regierung die ganze Landesverwaltung anders, setzte 1818 die neue Verfassung ins Leben, u. der erste Landtag trat zusammen. Gleich damals kam der Herzog mit den Ständen über die Staatsdomänen in Conflict; die Regierung hatte nämlich bereits 1817 die Ansicht aufgestellt, daß das ganze Domanialvermögen Eigenthum des herzoglichen Hauses sei, welches hiervon seine Ausgaben bestreite u. keine eigene Civilliste beanspruche. Die Stände sollten[694] weder in die Verwaltung dieses Domanialvermögens Einsicht, noch darüber Beaufsichtigung haben, dagegen übernahm der Herzog alle auf den Domänen lastenden Hypothekarschulden, deren Zinsen etwa 200,000 Fl. jährlich betrugen. Die jährlichen Einnahmen des Domanialvermögens betrugen etwa 1,420,000 Fl., von denen nach Abzug der Zinsen, Steuern, Baukosten u. der sehr ansehnlichen Beiträge zu Kirden u. Schulen etc. angeblich noch ein reines Einkommen von 500,000 rhein. Fl. übrig blieb. Im Gegensatz zu diesem Domanialertrag sollten nun die eigentlichen Staatsausgaben, damals etwa 1,780,000 rhein Fl., durch Steuern, unter Beaufsichtigung der Stände, aufgebracht werden. Es sollte, um Beides zu bewerkstelligen, eine eigene Domänenkasse u. eine Landessteuerkasse gebildet werden, welche letztere in die erstere noch 140,000 Fl. zahlen sollte. Gegen diese Einrichtung regte sich nun gleich in der ersten Sitzung des ersten Landtags ein Widerspruch auf der Herrenbank, doch wurde derselbe zurückgenommen. Auf dem Landtag 1830 kam die Sache wieder zur Sprache, u. die Deputirtenkammer griff überhaupt die Rechte des Herzogs auf die Domänen an, indem sie sich auf Steueredicte vom 10. u. 14. Februar 1809 bezog, worin gesagt war, daß nur die Staatsbedürfnisse, welche aus den übrigen Staatseinkünften, namentlich aus den Domänen, Regalien u. indirecten Auflagen nicht gedeckt werden könnten, durch Besteuerung des reinen Einkommens aufgebracht werden sollten. Die Regierung hielt aber diese Bestimmung dnrch die seitdem ganz veränderten Staatsverhältnisse für aufgehoben (vgl. Der Domänenstreit des Herzogthums N., Frankf. 1831). Da die Deputirtenkammer dagegen wollte, daß die beiden getrennten Kassen in Eine verwandelt u. unter ihre Aufsicht gestellt u. daß der Herzog dann aus ihr eine Civilliste erhalte, u. die in Anspruch genommene Entschädigungssumme verweigerte, so wurde der Landtag deshalb am 2. Mai 1831 auf unbestimmte Zeit vertagt. Beim wieder eröffneten Landtag (October 1831) nun versuchte die Regierung, da verfassungsmäßig bei Differenzen der Kammern die Gesammtstimmen beider zusammengezählt wurden, wo dann die Stimmenmehrheit entschied, die Stimmenmehrheit dadurch zu erhalten, daß sie anordnete, daß auch die zwei Söhne des Königs der Niederlande, als Glieder des Nassauischen Hauses, Sitz u. Stimme, u. zwar durch Bevollmächtigte, auf der Herrenbank haben sollten, u. auch noch drei Deputirte zur Herrenbank ernannte, deren Stimmen dadurch von 12 auf 17 wuchsen u. so den gewählten 18 Deputirten der andern Kammer fast gleichkam. Die Deputirtenkammer protestirte aber hiergegen u. erklärte in einer Adresse an den Herzog, ihre Functionen nicht fortsetzen zu können, so lange die Herrenbank in verfassungswidriger Zahl besetzt sei, die Regierung erklärte aber die Steuern durch 18 Stimmen der Herrenbank u. 4 der Deputirten (Geistlichkeit u. Schulen) für bewilligt u. löste die Versammlung im October auf. Im März 1832 wurde, da der siebenjährige Zeitraum der Wahlen zum bisherigen Landtag ablief, ein zweiter Landtag gewählt, die Wahlen trafen aber fast durchaus die vorigen Deputirten, u. von diesen erklärten 15 ihre Wirksamkeit wieder für suspendirt, so lange die Herrenbank so besetzt sei wie jetzt u. reisten ab. Die Regierung ließ jedoch die Sitzungen der Deputirtenkammer durch die 4 geistlichen u. Schuldeputirten u. 2 für sie stimmende gewählte Deputirten fortsetzen u. die Steuern bewilligen, die 15 protestirenden Deputirten aber ausschließen u. für unfähig erklären, ferner gewählt zu werden, u. im März 1833 neue Wahlen ausschreiben. Der am 16. März eröffnete Landtag bewilligte die Steuern. 1834 starb der dirigirende Minister von Marschall u. der Graf von Walderdorf trat an dessen Stelle. Am 11. Jan. 1836 trat N. dem allgemeinen Deutschen Zollverein bei, dessen Abschluß die Stände von 1834 nach langen Verhandlungen dem Herzog überlassen hatten. 1836 geschah auch die Capitalisirung der Summe von 140,000 Fl., welche die Landeskasse als jährlichen Zuschuß zu der Domänenkasse zu zahlen hatte. Dieses geschah durch Übernahme von 2,400,000 Fl. dreiprocentiger Domänenschulden auf das Land, so daß dieses statt 140,000 Fl. jährlich, nur 72,000 Fl. (die Zinsen jenes Capitals zu 3 Procent) aufzubringen hatte. Zur Tilgung dieser zur Capitalisirung übernommenen Domanialschulden wurden von der Landeskasse jährlich 54,000 Fl. bestimmt. Zugleich wurden die herzoglichen Domänen für unveräußerlich erklärt u. eine Landescreditkasse beantragt, welche auch später zu Stande kam. 1838 wurde der Taunuseisenbahn, soweit sie von Kastel über Wiesbaden nach Frankfurt durch nassauisches Gebiet geht, nassauischer Seits die Concession ertheilt u. bald darauf Wiesbaden anstatt Biberich zur Residenz erklärt. 1839 erfolgten nach Ablauf der siebenjährigen Vollmacht der Deputirten neue Wahlen derselben, u. der Herzog Wilhelm eröffnete diesen dritten Landtag persönlich am 20. März. Am 27. Juni wurde in Haag ein Vertrag wegen Abtretung der agnatischen Ansprüche auf Luxemburg mit dem König der Niederlande geschlossen, vermöge dessen N. hierfür 750,000 Fl. erhielt.

Am 20. August starb der Herzog Wilhelm im Bade zu Kissingen, u. sein Sohn Adolf folgte ihm in der Regierung. Er eröffnete die Ständeversammlung am 24. Februar im Geiste seines Vaters, wie er überhaupt im Sinne desselben zu regieren strebte. Am 1. März 1841 geschah der Versuch der hessen-darmstädtischen Regierung, durch, in einen Rheinarm geschüttete Steine die Rheinschifffahrt vom nassauischen Ufer, bes. von Biberich weg, nach dem Hessen-Darmstädtischen, bes. Mainz, zu leiten. Darmstadt mußte aber die Steine wieder wegschaffen lassen. Im Juli 1842 nahm der dirigirende Minister von Walderdorf seine Entlassung, u. ihm folgte im December 1843 von Dungern. 1844 vermählte sich der Herzog mit der Großfürstin Elisabeth, Tochter des Großfürsten Michael von Rußland, welche indeß bereits am 28. Jan. 1845 starb. Dies Ereigniß führte zu einer kirchlichen Streitfrage, indem der Herzog einen Trauergottesdienst in allen Landeskirchen angeordnet hatte, welchen der Bischof von Limburg jedoch nur des Nachmittags u. ohne Ceremonie abzuhalten befahl, weil die verstorbene Fürstin der Griechischen Kirche angehört hatte. Auch zwischen der Regierung u. dem Bischof von Limburg war eine Spannung entstanden, weil erstere die Errichtung von Erziehungsanstalten für zukünftige Geistliche, die Einführung der Barmherzigen Schwestern u. die Abhaltung von geistlichen Übungen für die Pfarrer des Bisthums durch einen Exercitienmeister aus Münster nicht gestatten wollte. Zu gleicher Zeit fand auch der Deutschkatholicismus in N. einen fruchtbaren Boden, namentlich bildete[695] sich eine Deutsch-katholische Gemeinde in Wiesbaden. Der Landtag von 1846 zeigte eine nur gemäßigte Opposition. Die schon auf dem vorigen Landtage gestellten Anträge auf Revision des bürgerlichen u. Strafrechts wie auf Vermehrung der Landesdeputirten aus dem Gewerbestande wurden wiederholt; als neue traten hinzu der Antrag auf Öffentlichkeit u. Mündlichkeit u. auf Emancipation der Juden. Noch entschiedener machte sich die liberale Richtung auf dem Landtage von 1847 geltend, wo Anträge auf eine zeitgemäßere Gemeindeverfassung, auf Öffentlichkeit der Sitzungen, auf Preßfreiheit, auf ein geeignetes Wildschadengesetz, Einführung eines Wechselrechtes, Vermehrung der Abgeordnetenzahl eingebracht u. der Gesetzentwurf einer allgemeinen Maß- u. Gewichtsordnung, welcher der Decimalfuß zu Grunde lag, angenommen wurde.

Durch die Märzbewegung von 1848 erfuhr das bisher stets conservativ u. loyal gebliebene Land eine schnelle u. gründliche Umgestaltung der alten Ordnung; der Grund davon lag darin, daß dem Bauernstand gerade neuerdings vielfache materielle Benachtheiligungen fühlbar geworden waren, durch die Hegung des Wildstandes, Beschränkung des alten Herkommens der Waldbenutzung zum Streu- u. Leseholzsammeln, durch eine neue, nach bureaukratischem System entworfene Gemeindeordnung; dem Gewerbestand dagegen war der Mangel einer tüchtigen Gewerbeverfassung immer nachtheiliger geworden, während das Berg- u. Hüttenwesen, der bedeutendste Industriezweig, durch die Zollverhältnisse hart bedrückt wurde. Bereits am 1. März begann in Wiesbaden die Agitation; am 2. wurde eine Volksversammlung abgehalten, durch welche die damals gewöhnlichen Forderungen an die Regierungen Deutschlands auch an die in N. gestellt wurden, u. welche der gerade abwesende, aber am 4. März heimgekehrte Herzog am 5. März auch, nach der damaligen Lage der Dinge, bewilligte. Der in Folge dieser Forderungen rasch zusammen gern seine Landtag wurde am 11. März vom Herzog eröffnet, erledigte ein neues Wahlgesetz nach indirectem, aber durch keinen Census beschränkten Wahlmodus, vereinigte sich mit der Regierung über die Auflösung der Herrenbank (1. Kammer) u. löste sich dann selbst auf. Ein Preßgesetz wurde ebenfalls sofort erlassen u. am 16. April an Dungerns Stelle Hergenhahn als Präsident an die Spitze der Verwaltung berufen. Am 22. Mai fand die Eröffnung der nach dem neuen Wahlgesetz gewählten Kammer Statt, die zur Hälfte aus Bauern, zur andern Hälfte aus Staats- u. Kirchendienern bestand. Schon vor Eröffnung des Landtages war es zu ernsten Erörterungen zwischen Regierung u. Ständen gekommen, da letztere sich dahin erklärt hatten, den verfassungsmäßig vorgeschriebenen Eid nicht leisten zu wollen, u. auch wirklich nach einer neuen Eidesformel nur dem Volke Treue gelobte. Inzwischen begannen die Bewegungen im Lande einen bedrohlicheren Charakter anzunehmen, die Bauern erlaubten sich die Tödtung des Wildes in den fürstlichen Waldungen u. die Absetzung der Gemeindeschützen, bes. aber ungeheure Wälderverwüstung in den gräflich Bassenheimschen Standesherrschaften auf dem östlichen Taunus. Auch die Hauptstadt Wiesbaden selbst blieb nicht frei von Unruhen; eine republikanische Partei mit dem Proletariat im Gefolge machte 16. Juli einen förmlichen Aufstand, da aber auf Requisition des Ministeriums am 18. Juli 2000 Mann Österreicher u. Preußen aus Mainz in Wiesbaden einrückten, entflohen die republikanischen Leiter des Aufstandes, worauf die Bürgerwehr entwaffnet u. so die Ruhe wieder hergestellt wurde. Nachdem die Reorganisation der Bürgerwehr bewerkstelligt worden war, zogen die Reichstruppen am 23. Juli wieder ab. Mit dem Landtage wurden Gesetze über Capital- u. Einkommensteuer, sowie ein Wechselrecht vereinbart (publicirt den 14. Octbr.). Das Einkommensteuer- u. Zehntablösungsgesetz kamen nicht zu Stande. Am 9. Dec. verwilligte der Landtag eine Anleihe von 1,200,000 Fl. zur Deckung der Fehleinnahme des Staates. Die Vorlage eines Verfassungsentwurfes von Seiten der Regierung erfolgte erst am 3. April 1849. Bis dahin aber hatten sich die Verhältnisse schon gänzlich umgestaltet. Der Herzog hatte in der deutschen Verfassungsfrage unter dem 15. Februar die Erklärung an das Reichsministerium abgegeben, daß er in der Erwählung eines Reichsoberhauptes, dessen Würde erblich sei, das einzige Mittel für die wirkliche Einheit Deutschlands erblicke, u. hatte sich N. den am 23. Februar übergebenen Bemerkungen der vereinigten Regierungen von Preußen, Baden etc. zu der Reichsverfassung angeschlossen. Als aber die definitiv ablehnende Antwort des Königs von Preußen auf den Antrag, die Kaiserkrone anzunehmen, erfolgt war, singen auch die Zustände in N. an, von Neuem ein revolutionäres Ansehen zu erhalten. Am 2. Mai faßte die Kammer den Beschluß, die Regierung aufzufordern, Truppen u. Beamte auf die Reichsverfassung zu beeiden u. die Wehrkraft des Landes der Reichsgewalt zur Verfügung zu stellen, worauf sie bis zum 8. Mai ein Volkswehrgesetz votirte; darauf wurden seit 16. Mai nach einander die Civilbeamten, das Militär u. die Bürgerwehren auf die Reichsverfassung beeidigt. Am 24. Mai faßte der Landtag den Beschluß, die Regierung aufzufordern, der Reichsversammlung allein Folge zu leisten u. keine Truppen gegen die Pfalz u. Baden zu verwenden. Inzwischen war demokratischer Seits, namentlich durch den Verein zur Wahrung der Volkrechte, die Agitation für die Reichsverfassung eifrigst betrieben worden, u. am 10. Mai traten Kammerabgeordnete von der Linken nebst andern Demokraten zu einem Landesvertheidigungsausschuß zusammen. Da diesem das Ministerium Hergenhahn nicht mehrgenügte, nahm dasselbe seine Entlassung, welche der Herzog, der am 6. Juni aus Schleswig-Holstein zurückgekehrt war, annahm u. am 11. Juni den früheren Bundestagsgesandten von Winzingerode an die Spitze der Geschäfte berief. Inzwischen hatte es die Demokratie nicht an entschiedenen Schritten fehlen lassen; eine sogenannte Landesversammlung, am 10. Juni 1849. zu Idstein gehalten, hatte folgende Beschlüsse gefaßt: Der Herzog ist aufzufordern, die Reichsregentschaft anzuerkennen, der Centralgewalt keinen weiteren Gehorsam zu leisten, die nassauischen Truppen aus Baden zurückzurufen, bis in Schleswig stehenden dem preußischen Oberbefehl zu entziehen, Winzingerode zu entlassen u. ein volksthümliches Ministerium zu ernennen; ferner wurde die Anerkennung der von Preußen entworfenen Reichsverfassung für Hochverrath erklärt u. endlich ein bleibender Landesausschuß ernannt. Die Deputation, welche Tags darauf dem Herzog diese Beschlüsse in Bieberich eröffnete, erfuhr jedoch eine[696] sehr bestimmte Zurückweisung. Ebenso offen fiel der Erlaß der Regierung vom 12. Juni als Antwort auf die Idsteiner Beschlüsse aus. Der Landesausschuß erließ nun am 13. Juni an das nassauische Volk einen Aufruf, worin u.a. dem Ministerium Winzingerode die Steuern verweigert werden sollten. Infolge davon wurde gegen den Landesausschuß eine Criminaluntersuchung eingeleitet, die Mitglieder desselben aber in dem Staatsproceß zu Wiesbaden vom 8._– 15. Febr. 1850 durch das Schwurgericht freigesprochen. Schon Ende Juni war die Stimmung im ganzen Lande, höchstens die nördlichen Theile ausgenommen, eine sehr beruhigte geworden. Die mit dem Parlament nach Stuttgart übergesiedelten nassauischen Abgeordneten wurden abgerufen, u. der Herzog erklärte unter dem 29. Juni seinen Beitritt zu dem Dreikönigsbündnisse, was auch am 21. Juli von der Kammergenehmigtwurde. Denn der Landtag hatte nach seinem Wiederzusammentritt am 14. Juli einen anderen, um vieles gemäßigteren Charakter angenommen; die Rechte trug jetzt fast stets den Sieg über die Linke davon, so in den Verhandlungen über eine nachträgliche Steuerforderung der Regierung, wie über die Verfassungsfrage u. in dem Domänenstreite.

Mit Anfang des Jahres 1850 trat die neue Organisation der Centralbehörden ins Leben. Die Landesregierung, die Domänendirection, die Steuerdirection, das Generalcommando u. das über diesen Behörden stehende Staatsministerium mit dem Staatsrathe hörten auf u. an deren Stelle trat das Staatsministerium in 4 Abtheilungen, für Justiz, Inneres, Krieg u. Finanzen, u. die Rechnungskammer u. Landesbankdirection bestanden fort, auch das Oberappellationsgericht u. die beiden Hofgerichte. Die Präsidenten der 4 Abtheilungen des Staatsministeriums sollten durch ihren Zusammentritt das Gesammtministerium bilden, zu dessen Präsidenten von Winzingerode ernannt wurde. Die Wahlen für Erfurt fanden in dem Volke, ähnlich wie die nun eröffneten Geschwornengerichte, nur eine sehr geringe Theilnahme. In dem wieder zusammengetretenen Landtag bezogen sich die Verhandlungen auf die herzogliche Civilliste. Die Regierung hatte für dieselbe 300,000 Gulden gefordert, während der Landtag in seiner Sitzung vom 20. März sich nur für die Bewilligung von 250,000 Fl. entschied. Nachdem die Regierung am 21. März gegen eine solche Herabsetzung protestirt hatte, wurde die Versammlung am 26. März vertagt. Nach der Wiedereröffnung am 25. September verhandelte dieselbe über die Vorlagen der Regierung über eine Civilproceßordnung, Gründung eines allgemeinen Pensionsfonds, Forstverwaltung, Schulwesen u. gemeinsames Maß u. Gewicht, bis eingetretene Differenzen über ein von der Regierung eingebrachtes Wahlgesetz die völlige Schließung des Landtages herbeiführte. Der Bundestag wurde erst nach den Dresdner Conferenzen, auf denen v. Dungern die Regierung vertrat, von N. beschickt. Am 23. April 1851 vollzog der Herzog seine zweite Vermählung mit Prinzessin Adelheid Marie von Anhalt-Dessau. Ein Erlaß vom 27. Sept. publicirte den Bundestagsbeschluß wegen Aufhebung der Grundrechte. Mit dem 1. Oct. erfolgte der Anschluß N-s an den Deutschösterreichischen Postverein. Im December 1851 trat Ministerpräsident von Winzingerode zurück, u. am 7. Febr. 1852 übernahm Prinz von Sayn-Wittgenstein-Berleburg seine Stelle. Schon vorher, durch Gesetz vom 25. November, war die seit längerer Zeit verkündigte Verfassungsveränderung erfolgt. Danach wurde das provisorische Gesetz vom 5. April 1848 (Wahlgesetz) aufgehoben u. die unter dem 28. Dec. 1849 verkündigte Zusammenstellung des, nach den bestehenden Gesetzgebungen im Herzogthume geltenden Staatsrechts außer Gesetzeskraft erklärt; die im Edicte vom 1. bis 2. Sept. 1814 verliehenen verfassungsmäßigen Rechte u. die den Landständen des Herzogthums zu deren Bewahrung beigelegten Gerechtsame sollten dagegen in ihrem vollen Umfange nach Kräften aufrecht erhalten werden; hinsichtlich der Erklärung der Domänen zum Staatseigenthum wurde die Bestätigung der Controle ihrer Verwaltung durch die Landstände erneuert. Die Ständeversammlung sollte fortan aus 2 Kammern bestehen; zugleich wurde ein neues Wahlgesetz octroyirt nach Dreiklassensystem mit indirecter Wahl u. mündlicher Abstimmung. Die Nassauer Regierung beschickte sowohl die Wiener Zollconferenz, als auch die Darmstädter Ministerconferenz (im April 1852). Am 8. Februar begannen die Landtagswahlen nach dem neuen Wahlgesetz, welche darum auch fast ausschließlich conservativ ausfielen. Am 15. März wurde der neue Landtag durch den Herzog persönlich eröffnet. Die 2. Kammer sprach ihre Übereinstimmung damit aus, daß die Gesetze einer sturmbewegten Zeit einer Revision u. Verbesserung bedürften. Am 3. März wurde verordnet, daß die herzoglichen Truppen ihres Eides auf die Verfassung entbunden u. nach einer andern Formel, die nur für den Herzog u. seine Nachfolger Treue verlangt, vereidigt wurden. Der Landtag des Jahres 1853 wurde am 30. März durch den Ministerpräsident eröffnet. Besonders bemerkenswerth machte sich die damalige Session durch den Streit über den Eintritt des katholischen Stadtpfarrers in Frankfurt Beda Weber, als Stellvertreter des Bischofs von Limburg, in die erste Kammer, welchen die Regierung, da derselbe nicht nassauischer Staatsbürger sei, nicht anzunehmen erklärte, worauf der Bischof die Delegation seines parlamentarischen Sitzes an Weber selbst zurückzog. Im Juli erschien ein Gesetz über die Beschränkung der Competenz der Schwurgerichte, wonach von denselben die Aburtheilungaller Verbrechen ausgeschlossen wurde, bei welchen der Strafantrag das Maß von fünfjähriger Zuchthausstrafe nicht überstieg, mit Ausnahme von Meineid u. Eidesbruch. Mit dem 1. August trat die Einführung eines neuen allgemeinen Maß- u. Gewichtssystems ins Leben. In diesem Jahre begann auch ein ernster Conflict zwischen der Regierung u. dem Bischof von Limburg, in ganz ähnlicher Weise entstehend u. Anfangs fortgeführt, wie in den übrigen Staaten der Oberrheinischen Kirchenprovinz, wie denn die herzoglich nassauische Verordnung vom 1. März bezüglich des Oberaufsichtsrechtes des Staates über die Kirche u. dann die unter dem 28. April abgegebene Antwort der Regierung auf die letzte Erklärung der Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz auch fast wörtlich gleichlautend mit denen der badischen u. württembergischen Regierungen waren (s. Baden V.). Noch vor Ablauf des Jahres trat der Streit in ein weiteres bedeutsameres Stadium ein. Hatte nämlich bisher die Anstellung katholischer Geistlichen vom Herzoge abgehangen, so nahm der Bischof jetzt unter Berufung auf die allgemein kirchlichen Gesetze dies Recht für[697] sich ausschließlich in Anspruch u. besetzte gegen Ende des Decembers acht Pfarreien eigenmächtig. Dagegen versagte die Regierung diesen Ernennungen die Anerkennung u. erklärte, die Angestellten nur als Pfarrvicare zulassen zu wollen, während die Pfarreieinkünfte in den unter ihrer Verwaltung stehenden katholischen Centralkirchensond fließen sollten. Zugleich wurden die Kreisämter angewiesen, die Auslieferung der Pfarrfonds zu erwirken, welche Maßregel auch meist ohne Widerstand der Kirchenvorstände durchgeführt werden konnte. Der Bischof erließ hierauf noch im Januar 1854 einen, dem Freiburger ganz ähnlichen Hirtenbrief über die Besetzung der Pfarreien, worin er erklärte, daß er sich durch nichts in der Geltendmachung seiner Rechte irre machen lassen werde; an die Gemeinden aber richtete er unter Androhung des großen Bannes die Aufforderung, die Abgaben an die Pfarrer fortzuentrichten, Pfarrgüter nur von diesen zu erpachten u. Zinsen u. Pachtgelder nur an diese zu zahlen. Gegen die Mitte des Jahres trat eine versöhnlichere Haltung zwischen den beiden Parteien ein. Am 8. Juni wurde nach landesfürstlichem Beschluß die vom Ministerium gegen die, vom Bischof einseitig angestellten Pfarrer u. gegen die Zöglinge des Priesterseminars zu Limburg verhängte Temporaliensperre aufgehoben, jedoch unter Verwahrung gegen die Consequenzen bezüglich der Rechtsverhältnisse des Staates gegenüber der Katholischen Kirche. Dagegen verpflichtete sich auch der Bischof, seinerseits mit allen weiteren Maßregeln innezuhalten, bis das Ergebniß der inzwischen angeknüpften Verhandlungen mit dem Päpstlichen Stuhle bekannt wäre. Bis auf geringfügige Zwistigkeiten ruhte dann auch im weiteren Verlaufe des Jahres der Streit.

Unterdessen hatte die Regierung auch nach anderer Seite hin, durch den, Ende Januar eröffneten Landtag mehrfachen Widerstand erfahren. Schon die von ihr bezweckte Wiedervereinigung der Rechtspflege u. Verwaltung in der untersten Instanz, die seit 1849 getrennt waren, stieß auf entschiedene Abneigung in der Kammer, wurde aber doch endlich, Mitte März, ebenso wie das Anfangs nicht minder beanstandete Gesetz über die Gemeindeverwaltung nebst der Gemeindewahlordnung von beiden Kammern angenommen. Den meisten Widerstand fand jedoch die Regierung in der von ihr angeregten Domänenfrage. Am 1. Mai hatte der Herzog den Ständen erklären lassen, daß, obschon ihnen das Recht der Controle über die Domänenverwaltung nicht abgesprochen werde, doch ihre Finanzcontrôle sich fernerhin nicht auf die Hofhaltung, die Witthümer u. Apanagen erstrecken dürfe, u. daß er zur Bestreitung der Kosten derselben, gleich seinen Vorfahren, Zahlungsanweisungen ertheilen werde. Nachdem die vereinigten Kammern am 1. Juli in dieser Angelegenheit den Beschluß gefaßt hatten, daß Seitens der Regierung eine baldige Vorlage zur Vereinbarung über den Betrag der für die herzogliche Schatulle u. Hofhaltung zu verwendenden Summe sowie über die künftig zu gewährenden Apanagen, Witthümer u. Ausstattungen bewirkt werde, u. zugleich Protest gegen die Verwendung einer die Summe von 345,000 Fl. übersteigenden Summe für die herzogliche Hofhaltung u. Schatulle, Witthümer, Apanagen etc. erhoben hatte, wurde der Landtag noch an demselben Tage geschlossen. Unter dem 14. Juli erschien ein herzogliches Edict, wodurch die aus den Bewegungsjahren stammenden Gesetze über die Organisation der Centralbehörden, über die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung in der untern Instanz u. über die Gemeindeverwaltung aufgehoben u. an deren Stelle völlig neue Staatseinrichtungen gesetzt wurden. Dem am 20. März 1855 eröffneten Landtage wurden Gesetzesvorlagen über Besteuerung der Branntweinbrennereien, über Regulirung der Gehalte des Forstpersonals, über die Basis eines Jagdgesetzes, über die Steuerfreiheit der Offiziere u. über die Aufhebung od. Suspendirung des Chausseegeldes gemacht, während Tags darauf auch die Vorlage des Budgets erfolgte. Die Aprilsitzungen verliefen ruhig; die berathenen Gesetze wurden meist im Sinne der Regierung genehmigt u. bloß die beantragte Steuerfreiheit der Offiziere von beiden Kammern abgelehnt. Entschieden sprach sich aber die zweite Kammer gegen die Unterstützung des Eisenbahnbaues im Rheingau durch einen Vorschuß aus Staatsmitteln von 11/4 Mill. Fl. aus u. lehnte den Gesetzentwurf zur Vermehrung der höheren Verwaltungsposten u. das Jagdgesetz ab, welches die früher Berechtigten wieder ganz in ihre verlorenen Rechte einsetzen sollte. In der neu angeregten Domänenfrage waren die vereinigten Kammern bei ihrer vorjährigen Auffassung geblieben, obschon sie sich bereit erklärten, zu der für eine Nothwendigkeit erkannten Ausgleichung die Hand zu bieten, u. deshalb die Regierung um eine betreffende Vorlage ersuchten, die jedoch nicht erfolgte. Dagegen wurde der abgelehnte Jagdgesetzentwurf bereits am 3. October als octroyirtes Gesetz proclamirt. Bezüglich der Rheingaubahn wurden die Arbeiten auf der bereits in Angriff genommenen Strecke Anfang August eingestellt. Mit Holland hatte N. in diesem Jahre einen Vertrag wegen des Brigadeverbandes der Contingente von Limburg u. N. geschlossen, wonach das Brigadecommando bei jedem Bundeskriege wechseln, zuerst aber von N. besetzt werden u. Limburg die gesammte Reiterei, 870 Pferde, N. dagegen 4941 Mann Infanterie u. Jäger, eine Batterie von acht leichten Zwölfpfündern, eine reitende Batterie von 6 Sechs- u. 2 Siebenpfündern mit 480 Artilleristen, 64 Pionnieren u. 13 Feldgendarmen stellen, auch für Feldlazarethe, Bäckerei, Proviantwesen u. Brückenmaterial allein sorgen sollte. Zugleich war nun auch die neue Formation des nassauischen Bundescontigentes vollendet worden.

Der kirchliche Streit hatte inzwischen gänzlich geruht. Man hatte sich deshalb der Annahme hingegeben, daß die von dem holländischen Gesandten in Rom, Graf Liedekerke-Beaufort, angeknüpften, von dem nassauischen Regierungsrathe Henkel dann persönlich fortgeführten Unterhandlungen mit dem Päpstlichen Stuhle über ein Concordat zu einem erwünschten Abschlusse gediehen seien. Diese Erwartungen wurden jedoch getäuscht, als der Bischof von Limburg unter dem 9. Nov. mit einem Ordinariatserlaß über die dienstliche Stellung der Dekane hervortrat, worin er erklärte, daß dieselben ausschließlich Organe des Bischofs seien, von diesem allein Dienstanweisungen anzunehmen hätten u. bezüglich ihrer Dienstverhältnisse keiner landesgesetzlichen Bestimmung unterlägen, welche für die Staatsdiener als solche gegeben sei; namentlich gelte dieser Grundsatz bezüglich der Verwaltung u. Verwendung des in den Dekanatsbezirken befindlichen Localkirchenvermögens. Hierdurch[698] veranlaßt erging im Jahre 1856 ein Ministerialbefehl an die bischöfliche Stelle zu Limburg, wonach künftig jeder bischöfliche Erlaß erst der Regierungscensur in Wiesbaden zur Prüfung u. Genehmigung vorgelegt werden sollte, ehe er dem Drucke übergeben werde, da die bischöflichen Erlasse öfter Gegenstände nicht rein kirchlicher Natur betroffen hätten. Der Landtag dieses Jahres trat am 26. März zusammen u. bewies von vornherein eine gereizte Haltung gegen die Regierung, die ihren Grund bes. in der Octroyirung des Jagdgesetzes hatte. Hierauf bezogen sich auch die ersten, gegen die Regierung gerichteten Angriffe, wie denn in der zweiten Kammer eine Anzahl Abgeordneter eine Rechenschaftsfrage an dieselbe richteten, u. selbst in der ersten Kammer, da es sich bereits viel weniger um den Gegenstand selbst als um das Princip handelte, der am 12. April gestellte Antrag zur Inbetrachtnahme geeignet befunden wurde: dem octroyirten Gesetz die Zustimmung zu versagen u. zugleich die Erwartung auszusprechen, daß dasselbe sofort außer Wirksamkeit trete. In demselben Sinne drang auch die zweite Kammer auf alsbaldige Vorlage des Edicts u. beschloß rücksichtlich des Jagdgesetzes dasselbe nicht als rechtsgültig anzuerkennen u. die Regierung aufzufordern, dasselbe der Kammer zu verfassungsmäßiger Berathung u. Beschlußfassung sofort vorzulegen od. es außer Wirksamkeit zu setzen. Gegenüber der Rechenschaftsfrage antwortete die Regierung, daß die im Jahre 1848 begangene Rechtsverletzung in Übereinstimmung mit dem früheren Beschlusse der ersten Kammer wieder gut gemacht worden sei, u. daß sie vorläufig Erfahrungen sammle, auf deren Grund künftighin entsprechende Vorlagen erfolgen sollten; bis dahin müsse aber das Gesetz fortbestehen. Auch hinsichtlich der im vorigen Jahre von den Ständen beschlossenen Geschäftsordnung erfolgte eine abfällige Erklärung der Regierung. Der Landtag von 1857 wurde am 26. Mai eröffnet u. zeigte gleich von Anfang an eine persönlichere Stimmung, als der vom vorigen Jahre; am 5. Mai nahmen die vereinigten Kammern die von der Regierung proponirte Erhöhung des Diensteinkommens für Civilbeamte u. Officiere an; die übrigen Verhandlungen betrafen größtentheils Finanzangelegenheiten; die Domänenfrage blieb noch unerledigt. Im Febr. 1858 fanden Neuwahlen für die nächste sechsjährige Sitzungsperiode der zweiten Kammer statt u. fielen vorwiegend in conservativem Sinne aus. Am 24. März eröffnete der Herzog in Person den Landtag; der von der Regierung vorgeschlagene Bau der Rhein-Lahn- u. Dillbahn wurde im Mai von den Kammern genehmigt, im Juni eine Petition um Einführung der Civilehe nach längern Debatten durch die Tagesordnung beseitigt u. Ende Juli, nachdem das Budget genehmigt worden war, der Landtag geschlossen. Am 16. März stiftete der Herzog im Verein mit der andern Linie des Hauses N. (der königlichen Familie der Niederlande) den Nassauischen Hausorden vom Goldnen Löwen (s. Löwenorden 6). Eine im October auf Befehl der Regierung erfolgte Ausweisung zweier Diöcesangeistlichen aus dem fürstlich Metternichschen Gute Marienthal, wo dieselben in der dortigen wiederhergestellten Wallfahrtskirche ohne Genehmigung der Regierung fungirt hatten, rief eine zwar bald vorübergehende, aber tiefergreifende Aufregung hervor u. führte zu einem Conflict zwischen dem Bischof von Limburg u. der Regierung, welche damit endigte, daß der Herzog schließlich seine Zustimmung dazu gab, daß sich eine bestimmte Anzahl von Diöcesangeistlichen in Marienthal zur Dienstleistung in der dortigen Wallfahrtskirche u. zur seelsorglichen Aushülfe in den Nachbargemeinden aufhalten dürfen. Der im März 1859 zusammengetretene Landtag sprach sich in Hinblick auf den drohenden Ausbruch eines österreichisch-sardinischen Krieges in Oberitalien mit vieler Entschiedenheit zu Gunsten Österreichs aus u. nahm am 22. März die Vorlage der Regierung zur Herstellung der Kriegsbereitschaft an. Vom 17. April bis 2. Mai wurde der Landtag vertagt, u. Ende April das nassauische Contingent wirklich mobil gemacht. Der wiederzusammengetretene Landtag sprach sich am 21. Mai für die Nothwendigkeit einer Umgestaltung der Deutschen Bundesverfassung im Sinne stärkerer Concentration u. einer dem Auslande gegenüber geschlossenen Einheit aus. Vgl. Arnoldi, Geschichte der Oranien-Nassauischen Länder, Hadamar 1799–1816, 3 Bde.; Hagelgans, Nassauische Geschlechtstafel, Frankf. 1753, Fol.; Kremer, Genealogische Geschichte des Nassauischen Hauses, Wiesb. 1779, 2 Thle.; Demian, Handbuch der Geschichte u. Statistik des Herzogthums N., ebd. 1823; Münch, Geschichte des Hauses N.-Oranien, Aachen 1831 ff.; Vogel, Historische Topographie des Herzogthums N., Herborn 1836; Dessen Beschreibung des Herzogthums N., Wiesb. 1843; Hennes, Geschichte der Grafen von N., Köln 1843; Witzleben, Genealogie u. Geschichte des Fürstenhauses N., Stuttg. 1855; Schliephake, Von dem Ursprunge des Hauses N., Wiesb. 1857.

II. Ottonische Hauptlinie. Otto, zweiter Sohn Heinrichs des Reichen, dem in der Theilung die Besitzungen auf dem rechten Lahnufer zufielen, hinterließ 1289 einen Sohn, Heinrich I., dessen Söhne, Otto u. Heinrich II., 1341 die beiden Linien Dillenburg u. Beilstein stifteten. A) In der Linie N.-Beilstein lebten Heinrich I. bis 1380, Heinrich II. bis 1410, Johann I. bis 1473, Heinrich III. bis 1477, Heinrich IV. bis 1499, Johann II. bis 1513, Johann III. bis 1561, mit dem sie erlosch, worauf ihr Besitz an die folgende fiel. B) Die Linie N.-Dillenburg, gestiftet durch Otto, brachte durch Heirath mit Adelheid von Vianden, St. Veit u. einen Theil der Herrschaft Grimberg im Luxemburgischen an sich; Otto st. 1351, Johann st. 1416, Adolf (st. 1420) erheirathete Erbansprüche auf die Grafschaft Diez, wegen der sein Bruder u. Nachfolger Engelbrecht I. bis 1442 viele Streitigkeiten zu bestehen hatte u. sich nur im Besitz der Hälfte davon behauptete. Seine Gemahlin brachte ihm Breda zu, wodurch die niederländischen Besitzungen des Hauses Dillenburg beträchtlich vermehrt wurden. Ihn beerbten 1442 seine beiden S öhne, Johann u. Heinrich. Von des Ersteren Söhnen nahm Engelbrecht II., der ältere, die niederländischen (s. Engelbert 11), Johann die deutschen Lande. Letzter beerbte seinen Bruder 1504, brachte durch Heirath mit Anna von Hessen den Rest der Grafschaft Diez an sein Haus u. st. 1516. Sein ältester Sohn Heinrich, Kämmerer Karls V., folgte in den niederländischen Herrschaften u. erheirathete mit Claudia von Chalons die Erbansprüche auf das Fürstenthum Oranien. Er st. 1538, u. da sein Sohn Renatus, seit 1530 auch Prinz von Oranien genannt, 1544 in der Belagerung von St. Dizier blieb, so vereinigte sein zweiter[699] Sohn, Wilhelm der Reiche, wieder alle Dillenburgischen Lande; er st. 1559. a) Ast N.-Oranien. Der älteste Sohn Wilhelms des Reichen, Wilhelm I., der Große od. der Stille, Gründer der niederländischen Freiheit, errichtete diesen älteren Ast N.-Oranien, indem er von dessen Besitzthümern diesen Namen seiner Linie beilegte; er wurde 1584 in Delft von Girard erschossen, s. Niederlande (Gesch.). Sein ältester Sohn Philipp wurde von den Spaniern gefangen u. eifriger Katholik; er st. 1619; an seiner Stelle wurden Nachfolger Wilhelms I. als Statthalter der Niederlande seine jüngeren Söhne Moritz (s.d. 8) u., als dieser 1625 kinderlos starb, Heinrich Friedrich, nach dessen Tode 1647 dessen Sohn Wilhelm II., u. 1650 dessen Sohn Wilhelm III., der zugleich durch seine Gemahlin Maria, indem er seinen Schwiegervater Jakob II. vertrieb, 1688 König von England wurde; mit ihm erlosch, da er ohne Kinder starb, 1702 die ältere Linie Oranien. Dagegen war b) die neue Linie N.-Dillenburg bereits durch Wilhelms des Reichen zweiten Sohn, Johann, 1559 gestiftet worden; er st. 1606. Johanns vier Söhne stifteten vier neue Zweige. aa) N.-Siegen; Stifter dieses Astes war Johann's des Mittlern ältester Sohn Johann von N.-Dillenburg, Bruder Wilhelms des Großen; er st. 1623, u. sein Sohn Johann folgte, wurde katholisch u. st. 1638. Er hatte einen jüngeren Bruder, der, während er den ebengedachten Hauptzweig N.-Siegen (katholisch) fortführte, den Nebenzweig N.-Siegen (reformirt) gründete, welcher später in der vierten Generation ausstarb. Von diesem ist der Graf Johann Moritz von N.-Siegen, s. Moritz 9). Johanns Sohn u. Nachfolger, Johann, wurde 1652 Reichsfürst u. st. 1699. Er hinterließ zwei Söhne; der ältere, Wilhelm Hyacinth, st. 1743 ohne Kinder; der jüngere, Emanuel Ignaz, heirathete ein Fräulein Mailly, eine Französin, u. seine Ehe, die mit einem Sohne, Maximilian, gesegnet war, wurde in Deutschland nicht für ebenbürtig u. seine Söhne nicht für fürstlich u. successionsfähig erkannt, weshalb weder Maximilian, noch nach seinem Tode, 1748, sein Sohn Karl Nikolas Otto (s. Karl 14), welcher als Seemann in französischen, spanischen u. russischen Diensten u. als Admiral gegen die Türken u. Schweden berühmt war, die Erbschaft seines Oheims erhielt, welche vielmehr an N.-Dietz (Neu-Oranien) fiel. bb) Jüngste Linie N.-Dillenburg; Stifter derselben war Johann's IV. Sohn Georg, er st. 1623; ihm folgte Ludwig Heinrich, st. 1662; Heinrich, dessen Enkel, st. 1701, u. diesem sein Sohn Wilhelm, st. 1724; diesem sein Bruder Christian, mit welchem 1739 dieser Ast erlosch. Ein Seitenzweig der Dillenburger Linie außer dem ebengedachten Hauptzweige war N.-Schaumburg, gegründet durch Adolf, Sohn Ludwig Heinrichs; er hinterließ 1676 drei Töchter, deren eine Schaumburg durch Heirath an das Haus Anhalt brachte. cc) R.-Diez (Neu-Oranien), der jetzt allein noch fortbestehende Ast des Ottonischen Stammes, wurde von Ernst Kasimir, dem dritten Sohn Johann's IV., 1606 gestiftet. Er war Statthalter in Friesland u. Gröningen u. st. 1632. Sein Sohn Heinrich Kasimir, welcher gleiche Würden bekleidete, st. 1640. Sein Bruder u. Nachfolger, Wilhelm Friedrich, erschoß sich unvorsichtiger Weise 1664. Heinrich Kasimir, dessen Sohn, welcher ihm folgte, st. 1696; dessen Sohn, Johann Wilhelm Friso, erbte 1702 durch den Tod des Königs Wilhelm III. von England alle Besitzungen der Linie N.-Oranien, ausgenommen das Fürstenthum Oranien, welches Preußen vermöge seiner Verwandtschaft in weiblicher Linie u. eines alten Testaments prätendirle, welches es auch von Frankreich wirklich erhielt, aber 1713 an Frankreich abtrat, s. Niederlande (Gesch.). Die übrigen nassau-oranischen Besitzungen in Holland u. Deutschland vereinte N.-Diez mit den Diezischen Landen, erhielt aber in Holland nicht alle Statthalterschaften Wilhelms III Johann Wilhelm Friso ertrank 1711 bei einer Überfahrt bei Mardyk. Ihm folgte sein nachgeborener Sohn Wilhelm IV., welcher 1747 die Erbstatthalterwürde der Vereinigten Niederlande erhielt u. alle Ottonische Lande wieder vereinigte; er st. 1751. Sein Sohn Wilhelm V. (s. oben), verlor 1795, durch die Franzosen aus Holland vertrieben, die Erbstatthalterwürde, dagegen sollte im Frieden zu Luneville das Fürstenthum Fulda u. andere Gebiete in Deutschland als Entschädigung hierfür gelten; auch diese verlor er aber durch Decret Napoleons vom 23. Octbr. 1806 u. st. 1806; sein Sohn Wilhelm I. (vor seiner Ernennung zum König Wilhelm VI.) wurde aber 1814, nachdem er zum Könige der Niederlande erhoben worden war, durch das Großherzogthum Luxemburg für diesen verlorenen Besitz entschädigt. Die deutschen Besitzungen der Linie N.-Oranien fielen an Preußen, welches einige Gebiete davon behielt, andere aber 1815 an das Herzogthum N. u. an Kurhessen durch Tauschverträge abtrat. Wilhelm I. trat, nachdem er Belgien u. auch halb Luxemburg durch die Revolution von 1830 verloren hatte, 1840 die Regierung an seinen älteren Sohn Wilhelm II. u. st. 1843 in Berlin. Auf Wilhelm II. folgte 1849 dessen älterer Sohn Wilhelm III. Noch existirte dd) ein vierter Zweig von der jüngeren Linie N.-Dillenburg, N.-Hadamar, von Johann Ludwig, dem vierten Sohn Johann's IV., gestiftet. Johann Ludwig wurde katholisch, stand in kaiserlichen Diensten, wurde 1650 gefürstet u. st. 1653. Sein Haus starb mit seinem Enkel 1711 aus u. die Besitzungen fielen an N.-Oranien. Vgl. Niederlande u. Oranien.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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