Birma [1]

Birma [1]

Birma (Burma, Geogr. u. Statist.), bei den Europäern der Name eines einst mächtigen Staates in Hinterindien, der in seiner größten Ausdehnung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh fast die ganze westliche Hälfte Hinterindiens umfaßte, auf 15,000 QM. geschätzt wurde u. aus zwei Haupttheilen, dem eigentlichen B. (Ava) u. Pegu, bestand. Seit 1825 ist jedoch das Gebiet des Birmanischen Reiches durch Verluste an die Engländer um weit über die Hälfte seines Umfanges geschmälert worden, u. dasselbe erstreckt sich in seinem gegenwärtigen Umfange von 19°25' bis 28°15' nördl. Br. u. 93°2' bis 100°4' östl. L. (von Greenwich), grenzt gegen N. an Assam u. Tibet, von welchen es durch mächtige Ketten des Himalaya geschieden ist, gegen O. an China u. Siam, gegen S. an die britische Provinz Pegu; gegen W. ist es durch Gebirgszüge von den britischen Provinzen Arracan, Tipperah u. Munneepore geschieden. Die Größe wird von den britischen Geographen auf 96,000 engl. QM. (etwas über 4500 deutsche QM.) berechnet, von welchen jedoch nur etwa zwei Dritttheile auf das eigentliche Birmanenland, der Rest auf einige tributäre Völkerschaften im N. u. O. des Gebietes kommen. Im Allgemeinen ist das Land nach S. abgedacht u. gehört dem Stromgebiete des Irawaddi an. Von N. aus entsendet das Patkoi- u. das Langtangebirge, die südöstlichen Vorsprünge des Himalayasystems, meridiangestreckte Ketten nach S., welche die Thäler des Irawaddi von denen seiner Nebenflüsse sondern. Der bedeutendste der letzteren ist der Thalawaddi od. Kiendwen; den SO. des Landes bewässert der Salwein (Saluän), welcher jedoch eben so wie der Irawaddi jetzt auf britischem Gebiete mündet. Der Irawaddi ist von Bhamo an abwärts schiffbar. Der südliche Theil von B. ist bergig, der nördliche entschiedenes Gebirgsland. Die Ebenen, bes. an den Hauptströmen, sind sehr fruchtbar u. die eigentlichen Culturstätten, Während[810] der Norden, wie auch in Vorderindien, den winterlichen Charakter der höheren Regionen trägt, herrschen im Süden nur zwei Jahreszeiten, die unter dem Gesetze des Passates stehen. Hauptproducte sind: Weizen, Reis, Zuckerrohr, Tabak, Indigo u. Baumwolle; Thee bauen die Bergvölker; der Gartenbau ist sehr vernachlässigt. Die Wälder liefern das herrliche Teakholz, so wie die Mimosa Catechu. Der Mineralreichthum ist bedeutend, doch noch wenig ausgebeutet; Gold führen die Flüsse, die vom Himalaya kommen, Silbergruben finden sich in dem Grenzgebirge gegen Siam (Laos), Eisen, Zinn, Blei, Antimon u. andere Metalle bes. in den Gebirgen gegen China hin; Marmorbrüche bei Amerapura; Steinkohlen hat man am Irawaddi unweit der Steinölquellen von Renan-gyaong aufgefunden; Rubine u. Saphire werden häufig angetroffen. Aus dem Thierreich findet man den Elephanten, das Rhinoceros, den Tiger, Leopard u. mehrere Katzenarten, doch fast gar keine Species des Hundegeschlechtes; Hausthiere sind, außer dem gezähmten Elephanten, der Ochse, Büffel u. das etwas kleine, meist nur als Reitthier gebrauchte Pferd; außerdem fast alle Vögel u. Fische Ostindiens, so wie die Biene u. die Seidenraupe. Der Bergbau wird meist von Chinesen betrieben. Die übrige Industrie ist gering; baumwollene u. seidene Stoffe werden zu Ava u. Amerapura gearbeitet; Töpfer- u. Schmiedewaaren, so wie nicht gerade seine Gold- u. Silber-Arbeiten. Den Hand el (mit Chinesen u. Briten) befördert der Irawaddi; der Kleinhandel ist in den Händen der Chinesen u. Armenier, die sich seit langer Zeit schon in der Hauptstadt u. in den übrigen Hauptorten angesiedelt haben. Europäer sind nur wenige ins Innere gedrungen, um dort zu bleiben. Münzen gibt es nicht, da der Tauschhandel noch üblich ist, dagegen Silberstücke, die nach dem Gewicht geschätzt werden, 100 Tikals = =1 Paiktha (Viß); ihre Längenmaße: Lan = 4 Taongs à 2 Thwas à 11/2 Maoks à 8 Thits à 4 Mujahs, 7 Taongs (à 3/4 Preuß. Elle) = =1 Tas, 1000 Tas – 1 Taing (Meile), 1 Peh = 625 QF. = 24/5 preuß. Morgen; Getreidemaß ist das Ten = – 4 Saits à 2 Sarots u. mehrere kleinere Theile; ihr Gewicht: Paiktha (Biß) = 100 Kyats à 4 Maths à 2 Mus à 2 Bais à 8 kleine Rwes = – 31/2 preuß. Pfund. Die Bevölkerung mag jetzt 2 Mill. nicht übersteigen; sie ist meist an den Ufern des Irawaddi u. seiner Zuflüsse zusammengedrängt, wo auch die volkreichsten Städte sich finden. Die Einwohner gehören verschiedenen Nationen an, welchen allen zwar der asiatische Typus gemeinsam ist, die aber in sprachlicher Beziehung ganz verschiedenen Stämmen angehören. Das herrschende Volk, die Birmanen, nennen sich selbst Mranma (spr. Myanma) od. Brahma (spr. Byahma) u. haben ihre Hauptsitze im Centrum des ehemaligen Birmanischen Reiches zwischen Arracan u. dem Salwein (zwischen 18° u. 22° nördl. Br.). Im nördlichsten Theile des Landes wohnen die fast ganz unabhängigen Bor-Khamti, Singpho u. Knnung, welche ganz verschiedene Sprachen sprechen. Die Sprachen der Yo u. der Kyains (Koloun), beide hauptsächlich in Gebirgen Arracans wohnend, gelten nur für Dialekte des Birmanischen; ebenso die vier Mundarten der Karen, welche mit den Pegnanern untermischt, das Delta des Irawaddi, die Gegend nm Tongo u. am Salwein bewohnen u. sehr fleißige Ackerbauer sind (s. Karen), Ryuaner od. Talnin finden sich hauptsächlich zwischen dem Delta des Irawaddi u. dem Salwein, im Süden des heutigen B. Sehr zahlreich sind namentlich in Nordwesten die Shan od. Thai, von welchen vier Stämme, die Lowa Shan, die Tayyay od. Mrelap-Shan, die Tay-Loong od. Casi-Shan u. die Shans am Kiendwen, dem Birmanischen Gebiete angehören. Ein Theil des letzteren Stammes der Shan sind die Kooki zwischen Munipoore u. Chittagong. Die Naga endlich berühren im äußersten Nordwesten Birmanisches Gebiet. Die Birmanen stehen in geistiger wie technischer Cultur den Hindu wie den Chinesen weit nach. Die Männer reißen sich den Bart aus, tätowiren Brust, Schenkel, Arme mit Thierfiguren (die Unterlassung gilt als Feigheit), tragen allerhand Gegenstände in den durchbohrten Ohrläppchen, färben Hand u. Nägel roth, Augenlider u. Zähne schwarz; sie sind übrigens thätig u. kriegerisch; die Weiber haben mehr Freiheit als bei den Hindus. Polygamie ist verboten, doch hat der König zwei Weiber u. Jeder Beischläferinnen, so viel er will doch sind diese Sklavinnen der rechtmäßigen Fra (Mica). Nahrung: Wildpret, Geflügel, Fisch Mehlfrüchte, Reis, junge Baumblätter u. dgl. Thee trinken nur Vornehme; beide Geschlechter rauchen Tabak u. kauen Betel. Kleidung: der Adel trägt lange Gewänder von Atlas od. Sammet mit weiten Ärmeln, darüber von den Schultern eine breite Schärpe, hohe sammtene Kappen; sonst tragen die Männer enge Röcke mit langen Ärmeln von Baumwollenzeuge u. eine seidene Schärpe um den Unterleib, Sandalen unter den Füßen od. Schnabelpantoffeln, einen Schirm; die Frauen sind bis an die Füße in ein formloses, vorn offenes Kleid gehüllt, Vornehme tragen noch eine um die Lenden zusammengezogene Jacke, darüber eine andere engärmliche u. einen seidenen Shawl, um die Haare eine gestickte Binde u. einen Fächer. Die Wohnhäuser sind von Bambus, Matten u. Bretern, das Dach von Stroh, im Flachlande stehen sie auf Pfählen. Die königlichen Paläste sind nach Landesgeschmack prachtvoll geschmückt, auch die Klöster wie die Tempel zeichnen sich durch Architektur u. Ausschmückung vortheilhaft aus. Die Städte haben breite Straßen u. Thore, sind mit Pallisaden umgeben u. meist durch ein Fort geschützt. Die Birmanen sind sehr heiteren Temperaments; die hauptsächlichsten Vergnügungen sind das Schachspiel, Musik, Feuerwerk u. Theater. Jeder Birmane lernt lesen, schreiben u. rechnen; man schreibt auf Palmblätter mit eisernen Griffeln. Der Unterricht ist ganz in den Händen der Geistlichkeit. Die Religion des Landes ist der Buddhismus (s.d.), welcher in B. sich nur wenig von dem Buddhismus auf Ceylon u. den übrigen Staaten Hinterindiens unterscheidet. Christenthum u. Islam haben bei den Birmanen bisher nur geringe Erfolge erzielt. Die Priester sind Mönche, welche in Klöstern ein streng geregeltes Leben führen u. wegen ihrer Frömmigkeit u. Gelehrsamkeitin hoher Achtung stehen. Der Oberpriester heißt Sireda. Die Klöster (Kium) sind überall offen, werden sehr reinlich gehalten u. jedes hat eine Bibliothek. Das Kloster, worin die einbalsamirten Leichname der Siredas ausgestellt sind, heißt Knebang-Kium u. zeichnet sich durch eine, 150 Fuß hohe Spitze[811] (Plasath) aus. Die Tempel (Pea) werden gewöhnlich auf Hügel gebaut, sind achteckig, haben 7 u. mehr Stockwerke, die in eine Spitze. auslaufen, u. sind prächtig, aber geschmacklos verziert. Gewöhnliche Feste sind: der Tag des Neumondes, der Vollmond u. die beiden Viertel. Jedes Geschäft ist dann verboten, Fromme fasten vom Auf- bis Untergang der Sonne. Am Ende des Sonnenjahres ist ein Freudenfest. Ein anderes Fest wird bei dem Tempel Schomadu gefeiert. Der Vicekönig geht dabei ohne Schuhe u. Sonnenschirm einmal um den Tempel herum. Am Wasserfest (Daische) begießen sich Alle zum Scherz auf der Straße mit Wasser. Leichenfeierlichkeiten: Arme werden in die Erde begraben od. in den Fluß geworfen, Vermögende feierlich verbrannt. Unter Begleitung der Verwandten in Trauerkleidern u. gemietheter Klageweiber wird der Leichnam langsam an den bestimmten Ort getragen, der Sarg mit demselben auf den Scheiterhaufen gesetzt u. dieser angezündet. Hohe Personen werden vorher einbalsamirt u. 6 Wochen lang in Klöstern zur Schau gestellt. Das Land steht unter einem völlig despotischen Monarchen (seit 1800 mit dem Titel Boa), mit Erbfolge in männlicher Linie; ihm zur Seite ein Ministerrath u. ansehnlicher Adel, ausgezeichnet durch goldene Ketten (Tsalo). Es gibt von demselben 3 Grade, die sich durch die Zahl der Schnüre od. kleinen Ketten unterscheiden; 3 Schnüre bedeuten, wenn sie durchbrochen sind, den untersten Rang; aber aus niedlich zusammengeflochtenem Draht. zusammengesetzt, einen höheren Grad; höhere Stufen werden mit 6, 9 od. 12 Schnüren bezeichnet. Kein Unterthan empfängt einen höheren Grad. Der König allein trägt 24 Schnüre. Wie in Siam u. in Cochinchina wird in der Hauptstadt einem weißen Elephanten königliche Ehre erwiesen. Außer den Priestern u. dem Adelbilden die reichen Kaufleute, die Landbauer u. die Beamteten noch eigene Stände. Auch ist die Sklaverei eingeführt. Die Einkünfte des Monarchen sollten nach englischen Angaben 25,000 Pfd. St. jährlich betragen (Kopfsteuer, Verbrauchsauflage u. Zölle). Die Beamten bekommen keine Besoldung, sondern machen sich vom Volke bezahlt. Die Militärmacht besteht aus Land- u. Seetruppen; jeder Einwohner ist zum Kriegsdienst verpflichtet, so daß schnell große Heere zusammen gebracht werden können. Die stehende Kriegsmacht wird auf 35,000 Mann geschätzt, deren Waffen größtentheils europäische Gewehre sind. Flagge: roth, mit einem weißen Elephanten in der Mitte. Hauptstadt des ganzen Reiches ist Ava, die Residenz des Boa Amerapura (s. b.). Über die Eintheilung des Landes fehlen bis jetzt zuverlässige Berichte. Vgl. Symes, Account of an embassy to the kingdom of Ava, Lond, 1800; Crawfurd, Journal of an embassy from the governor in India to the court of Ava, ebd. 1829; Sangermans, A description of the Burmese, Rom 1830; Godwin, Burmah, Lond. 1854.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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