Bocarmé'scher Proceß

Bocarmé'scher Proceß

Bocarmé'scher Proceß, Graf Hyppolyt de Bocarmé stammte aus einer der vornehmsten belgischen Adelsfamilien; sein Vater, Graf Julian de Bocarmé, der zum Generalinspector der Domänen auf Java ernannt worden war, reiste mit seiner Gemahlin, einer geb. Marquise de Chasteler, Nichte des berühmten österreichischen Feldmarschalllieutenants gl. Nam., nach Batavia, wo kurz nach ihrer Ankunft im Jahre 1819 Hippolyt geboren wurde. Graf Julian verließ nach einem mehrjährigen Aufenthalte Indien wieder, kehrte mit seiner Familie nach Europa zurück u. reiste dann mit seinem Sohne nach NAmerika, wo sie lange Zeit mitten unter den Indianern am Ohio lebten. Im Jahre 1838 sah Hippolyt Europa wieder u. verheirathete sich bald darauf mit Lydie Victoire Josephe Fougnies, die, mit ihm in gleichem Alter, eine gebildete u. geistreiche Dame, aber charakterlos u. durch Lectüre verschroben war; Hippolyt selbst war ein leidenschaftlicher, roher, junger Mann. Die beiden Eheleute lebten bei einem jährlichen Einkommen von 9400 Fr. auf dem Schlosse Bitremont in Bury nahe bei Tournai, die Gräfin sich mit Lectüre u. Schriftstellerei beschäftigend, der Graf seinen Vergnügungen u. Leidenschaften nachhängend; oft sahen sie Besuch bei sich, bes. da die Gräfin mit den bedeutendsten Romanschriftstellern von Paris in Briefwechsel stand, u. übten Gastfreundschaft in hohem Grade aus. Allein dadurch wurden ihre Finanzen zerrüttet, das jährliche Einkommen reichte nicht zu u. es wurden bedeutende Schulden gemacht, deren Deckung sie von der baldigen Erbschaft des Vermögens eines Bruders der Gräfin hofften, welche dieser zu seiner Universalerbin eingesetzt hatte. Obgleich Gustav Fougnies (so hieß der Bruder der Gräfin) von schwächlicher Gesundheit war (er mußte an Krücken gehen, da er in Folge eines Sturzes vom Pferde ein Bein eingebüßt hatte), schien doch den Erben sein Leben nicht schnell genug seinem Ende entgegen u. die Erbschaft, zumal er sich noch zu einer Heirath mit der Gräfin de Dudzoete von Grandmetz entschloß, ganz verloren zu gehen. Graf Hippolyt Bocarmé machte daher mit seiner Gemahlin den Plan, seinen Schwager umzubringen. Er fing an, in seinem Garten Giftpflanzen anzubauen, legte sich auf seinem Schlosse ein chemisches Laboratorium an, worin er Gifte verfertigte, u. reiste unter dem angenommenen Namen Beirand nach Genf, um sich dort von dem Professor Loppens über die Nikotinbereitung unterrichten zu lassen. Dieses furchtbare Gift sollte das Werkzeug seines Verbrechens werden, welches er am 20. Nov. 1850 an seinem Schwager Gustav Fougnies bei einem Besuch in Bury vollbrachte. Er warf denselben beim Weggang zu Boden u. goß ihm das bereitete Gift in den mit Gewalt geöffneten Mund. Die Wunden, die der Graf durch den Widerstand des Überfallenen erhalten hatte, sowie spätere Zeugenaussagen, bes. die der Zofe der Gräfin, während. der Verhandlungen des Processes vor dem Geschwornengerichte zu Mons (27. Mai u. 12. bis 14. Juni 1g 1851), überwiesen den Grafen des Schwagermordes; es wurde von den Geschworenen trotz der Vertheidigung seines Advocaten von Päpe das Schuldig über ihn ausgesprochen u. er zum Tode verurtheilt; die Gräfin, obwohl überführt, von dem Vorhaben ihres Gemahls gewußt u. ihren Bruder nicht gewarnt zu haben, von der Theilnahme am Morde freigesprochen; ihr Vertheidiger in dem Processe war Advocat Toussaint. Das Cassationsgesuch, welches der Vertheidiger für den Grafen eingereicht hatte, wurde am 16. Juliverworfen, der Graf de Bocarmé selbst aber am 19. Juli 1851 auf dem Marktplatze zu Mons hingerichtet.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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