Bulle [1]

Bulle [1]

Bulle, 1) eigentlich die Kapsel, worin das an einer Schnur befestigte Siegel der Urkunden hing; 2) Siegel von Gold, Silber, Blei, dergleichen Päpste u. Regenten an ihre Urkunden hängten; daher 3) eine kaiserliche Urkunde (z.B. die Goldene Bulle, s.d.), deren sich Byzantinische u. Fränkische Kaiser schon im 9. Jahrh. bedienten; bes. 4) eine zum Zeichen ihrer Echtheit damit versehene päpstliche Urkunde od. Verordnung von größerer Wichtigkeit; vgl. Breven. Im 7. Jahrh. kamen diese bleiernen B-n an päpstlichen Schreiben auf u. stellten in der Regel vorn die Brustbilder der Apostel Petrus u. Paulus, hinten den Namen des Papstes, seit dem 16. Jahrh. vorn, statt der Brustbilder, das Wappen des Papstes dar. Fertigt der Papst vor seiner Weihe B-n aus, so wird die vordere Seite des Siegels leer gelassen, daher sie halbe Bullen heißen. Eine in das Pergament geheftete Schnur, bei Gnadensachen, Verleihung geistlicher Würden etc., von gelb u. rother Seide, bei Aufträgen u. Entscheidungen in Streitsachen von grauem Hanf, hält das Blei an der Urkunde fest. Die bei allen B-n beobachtete Form sieht man auf der Überschrift: Pius Epscopus Servus Servorum Dei Ad Perpetuam Rei Memoriam, u. dem Datum: Romae Apud Sauctam Mariam Majorem Anno Incarnationis Dominicae.... (Jahreszahl n. Chr. u. Datum) Pontificatus Nostri Anno.... (Jahreszahl des Papates). Ist im Texte der B. vom Papste die Rede, so wird nicht Papa od. Episcopus, sondern Pontifex gesetzt. Kreuz-Bullen (Bullae cruciatae), sind solche, worin der Papst, von weltlicher Macht bekriegt, die Hülfe aller Fürsten anruft. Die feierlichsten sind die Kanonisations-Bullen, sie werden (wie bis in das 12. Jahrh. auch bei anderen B-n geschah) vom Papst u. allen in Rom anwesenden Cardinälen eigenhändig, alle anderen B-n aber jetzt gar nicht unterschrieben. Zur Entscheidung über kirchliche Lehre u. Verfassung, zur Sanction der Stiftung von Kathedralkirchen, Klöstern u. höheren geistlichen Würden, zur Verleihung von Prälaturen, Ablässen, zur Bestätigung der Wahl eines Bischofs, Abts, Priors, oberen Diguitars in den Hochstiftern sind nach päpstlichem Rechte B-n erforderlich. Hat der Papst die darum ansuchende Bittschrift von der Dataria erhalten u. mit seinem Fiat bezeichnet, so gelangt sie durch die Hände verschiedener Revisoren an die Dataria zurück, wo mehrere Beamten das Datum zusammensetzen, dann an die Registratur zum Registriren u. Vorlesen u. durch das Kanzleinotariat an die Abbreviatoren, welche das Concept zur B. (Minuta) entwerfen. Dies wird von den apostolischen Schreibern lateinisch in gothischer Schrift (an unirte Griechen griechisch), ohne alle Interpunction mundirt, das Mundum von anderen Beamten corrigirt, revidirt, plumbirt (mit dem Bleisiegel behangen), registrirt u. signirt; daher die Kostspieligkeit[447] einer B., weil alle diese Beamten dafür ihre Sporteln erhalten. Ihre Namen erhalten B-n nach ihren Anfangsworten; z.B.: In Coena Domini etc. Ex omnibus afflictionibus etc. Unigenitus etc. Dominus ac Redemtor noster etc. (s.d. a.) Im Kirchenstaate erhalten die B-n schon durch Anheften an die Thüren der Hauptkirchen Roms Gesetzeskraft, in anderen Staaten nur durch die landesherrliche Genehmigung (Placet od. Pareatis od. Exequatur), ohne welche keine B. publicirt werden darf. Die B-n sind wichtige historische Denkmale zu einer pragmatischen Geschichte des Papstthums. Daher sind auch große Sammlungen derselben unter dem Namen Bullaria veranstaltet. Das älteste Bullarium magnum romanum ist von Laertius Cherubini, Rom 1586, Fol. (von Leo I. bis Sixtus V.) fortgesetzt von seinem Sohne Angel, Maria Cherubini (bis Urban VIII.), Rom 1634, 4 Bde. Fol., vermehrt bis Clemens X. von Angel. a Lantusca u. Joh. Paul. a Roma, Rom 1670, 5 Bde. Fol., vermehrt, Leyd. 1692–97, 5 Bde. Fol., Rom 1733–48, 17 Thle. in 28 Bden., Fol., bis Benedict XIV., dessen B-n allein 4 Bände füllen, Luxemburg (Genf) 1727–1738, 19 Theile in 11 Bänden Fol.; ferner Bullarium romanum, herausgegeben von Coquelini, Rom 1733–48, 28 Bde. Fol.; Bullarium rom. magnum (von Clemens XIII. bis Pius VIII.), Wien 1834 f., 4 Bde. Fol., Fortsetzung von Spetia 1835–44. Diese Sammlungen, die auch Breven u. andere päpstliche Verordnungen enthalten, sind als Urkundensammlungen zuverlässig, haben aber, weil viele B-n nicht in allen katholischen Ländern publicirt u. angenommen wurden, nicht das Gewicht eines allgemein gültigen Gesetzbuches des Kanonischen Rechtes. Die Gerichtshöfe im Kirchenstaate lassen die Berufung auf die römischen Ausgaben des Bullarium zu. Einen Auszug aus den merkwürdigen B-n gibt Eisenschmids Bullarium, Neust. 1831, 2 Bde. Die Benedictiner, Cistercienser, Dominicaner, Franciscaner u. Kapuziner haben die, ihre Orden betreffenden päpstlichen Verordnungen in besonderen Bullarien gesammelt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • bulle — bulle …   Dictionnaire des rimes

  • bullé — bullé …   Dictionnaire des rimes

  • Bulle (FR) — Bulle (Fribourg) Bulle Une vue d ensemble de la commune serait la bienvenue Administration Pays Suisse Canton …   Wikipédia en Français

  • Bulle D'or — La Bulle d’or, parfois appelée Bulle d or de Nuremberg[1], est un texte essentiel du Saint Empire romain germanique, promulguée par l’empereur Charles IV le 10 janvier 1356. Elle donne à l institution impériale sa forme définitive et… …   Wikipédia en Français

  • Bulle d'Or — La Bulle d’or, parfois appelée Bulle d or de Nuremberg[1], est un texte essentiel du Saint Empire romain germanique, promulguée par l’empereur Charles IV le 10 janvier 1356. Elle donne à l institution impériale sa forme définitive et… …   Wikipédia en Français

  • bulle — 1. (bu l ) s. f. 1°   Globule rempli d air qui s élève à la surface des liquides en mouvement, en ébullition, en fermentation.    Bulle d air, petite quantité d air enfermée dans une matière coulée.    Bulle de savon, petit globe transparent et… …   Dictionnaire de la Langue Française d'Émile Littré

  • bullé — bullé, ée 1. (bul lé, lée) adj. Terme didactique. Qui est parsemé de bosselures ou bulles, ou qui a la forme d une petite vessie. ÉTYMOLOGIE    Bulle 1. bullé, ée 2. (bul lé, lée) adj. Qui est scellé avec le sceau appelé bulle. Bénéfice bullé,… …   Dictionnaire de la Langue Française d'Émile Littré

  • Bulle — Saltar a navegación, búsqueda El término Bulle viene del francés Burbuja y puede referirse a: Bulle, comuna francesa del departamento de Doubs. Bulle, comuna suiza del cantón de Friburgo. Bulles, comuna francesa del departamento de Oise. Obtenido …   Wikipedia Español

  • bulle — BULLE. s. f. Lettres du Pape expediées en parchemin & scellées en plomb. Au singulier, il se prend ordinairement pour Une constitution generale. La bulle du Jubilé. la bulle In coena Domini. Qui se lit tous les Jeudis saints à Rome, & qui… …   Dictionnaire de l'Académie française

  • Bulle — (lat. bulla), ursprünglich die Kapsel für das mit einer Schnur an eine Urkunde befestigte Siegel, dann das Siegel, endlich die Urkunde selbst, z.B. die Goldene Bulle (s.d.); insbes. die vom Papst unter Beirat des Kardinalkollegiums ausgehenden… …   Kleines Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”