Byzantinisches Reich

Byzantinisches Reich

Byzantinisches Reich (Oströmisches Reich, Griechisches Kaiserthum), entstand durch die Theilung des Römischen Reichs, welche der Kaiser Theodosius I. 395 n. Chr. vornahm, s. Rom (Gesch.). Das B. R. umfaßte die sämmtlichen orientalischen Provinzen (Syrien, Kleinasien, Pontus u. Ägypten) nebst dem östlichen Theile von Europa (Thracien, Mösien, Macedonien, Griechenland u. Kreta) u. sein Sitz war Byzanz od. Constantinopel. Die Geschichte dieses Reichs umfaßt die Zeit von 395–1453 n. Chr. Von Bedeutung ist der byzantinische Hof bes. dadurch, daß die griechische Sprache als die amtliche beibehalten wurde, die sich auch bis zum Untergange des Reichs hielt (s. Griechische Sprache). Einen Haupttheil der Geschichte des B. R-es macht die Geschichte der Streitigkeiten in der Christlichen Kirche aus, deren Herd in Constantinopel war u. bis zum großen Schisma blieb. I. Die Verfassung des B. R-es war despotisch. An der Spitze des Staates stand ein Kaiser, der Anfangs noch die alte Würde eines Consuls insofern fortbestehen ließ, als er sich zum Consul perpetuus machte, doch wurde endlich unter Leo d. Weisen (s. unten) das Consulat ganz aufgehoben. Der Kaiser führte den Namen Autokrator od. Despotes, später auch Sebastokrator, dazu gab ihm die Schmeichelei noch nur Gott zukommende Prädicate: Anfangs Sebastos, d.i. Verehrungswürdiger (die Kaiserin Sebaste od. Sebastias), dann Protosebastos, der vor Allen Verehrungswürdige, zuletzt Panhypersebastos, der über Alles Verehrungswürdige. Diese Titel führten alle Glieder des kaiserlichen Hauses. Der Kaiser wurde von dem Patriarchen zu Constantinopel gesalbt u. gekrönt (zuerst Leo I.) u. seine Person war geheiligt u. durch schwere u. grausame Strafen gegen Verletzung geschützt. Da die byzantinischen Kaiser sich als Nachkommen der römischen Cäsaren ansahen, so nannten sie sich auch Kaiser der Römer u. behielten sich auch stets die Ansprüche auf das weströmische Reich vor; wahrscheinlich war es für diese Absicht nicht blos zufällig, daß die Beamteten halb griechische, halb lateinische Titel führten, z.B. Proto-Vestiarius (der erste Vorsteher der Garderobe), Mega-Domesticus (der Großhausmeister), Megas Dux (der Großherzog) etc. Am Kaiserhofe war eine Unzahl von Hofleuten angestellt, die nach oben ganz abhängig, unter einander in viele Klassen getheilt u. durch Titel u. Tracht verschieden, nach unten von dem Volke ganz abgeschlossen waren u. wesentliche Vortheile genossen. Die obersten Beamten waren die Domestici (s. Domesticus), welche die unmittelbare Umgebung des Kaisers bildeten; nach ihnen die 4 Curopalates (s.d.), die Haushofmeister der 4 kaiserlichen Paläste. Der Staatsrath besorgte die Leitung der Staatsgeschäfte; die Mitglieder wurden von dem Kaiser gewählt; die Oberleitung in demselben hatten bald Palastbeamtete, wie der Protovestiarius, bald, wie unter den Paläologen, der oberste Militärbefehlshaber (Megadomesticus). Der von Constantin dem Großen in Constantinopel errichtete Senat, dessen Mitglieder alle waren, welche der Kaiser zu Patriciern ernannte, ging im 10. Jahrhundert wieder ein, so wie in dieser Zeit auch die Städte ihre Freiheit verloren. In den einzelnen Provinzen des Reiches saßen Statthalter von verschiedener Würde u. verschiedenen Titeln. Was die Finanzen anlangt, so war der Staats- u. kaiserliche Schatz eins; in denselben flossen die festgesetzten Tribute aus den Provinzen, außerdem Steuern, deren Höhe nach den Bedürfnissen bemessen wurde, die Erträge der Regalien u. Domänen u. der Erlös aus dem Verkauf der Staatsstellen; aus demselben wurden auch alle Aufwände bestritten, selbst die tributartigen Geldzahlungen an die unruhigen Nachbarn, dafür daß sie das Reich in Ruhe ließen. Rücksichtlich des Heerwesens war das Reich in 29 Bezirke (Themata) getheilt, von denen 12 auf Europa, 17 auf Asien kamen; die Oberbefehlshaberstelle bekleideten Domestici, der höchste war der Domesticus des Ostens, Megadomesticus. Anfangs wurde das Heer aus dem Staatsschatze besoldet, später hatten die Themata die Erhaltung ihrer Besatzung zu bestreiten. Die Garde, Spatharii, unter dem Protospatharios, bestand aus Fremden u. zwar vorzugsweise aus Germanen, zuletzt aus normannischen Warägern. In den letzten Zeiten war auch das ganze Heer aus Miethtruppen zusammengesetzt. Die Flotte wurde von dem Megas Dux commandirt, in den letzten Zeiten war sie wegen Geldmangels schlecht bestellt. Für das Rechtswesen wurde verhältnißmäßig im B. R. am meisten gethan, da mehrere Kaiser sich der Gesetzgebung ernstlich annahmen (s. Byzantinisches Recht). In den Provinzen wurde das Recht von den Assessores,[526] welche den Statthaltern zur Seite standen, gepflegt; die oberste Instanz war der Kaiser.

II. Geschichte des Reichs. A) Vom Anfange des Reichs bis zur Macedonischen Dynastie, 395 bis 866. Der erste Kaiser des B. R-es war des Theodosius Sohn Arkadius 395. Den noch jungen u. schwachen Kaiser leitete Anfangs der Präfect Rufinus, welcher sich mit Stiliko um die oberste Leitung der Angelegenheiten stritt, nach dessen Ermordung der Eunuch Eutropius u. nach dessen Sturz der Gothe Gainas. Dieser stellte sich an die Spitze einer Verschwörung, ward aber geschlagen, u. nun kam Arkadius unter den Einfluß seiner bösen Gemahlin Eudoxia. Nach Arkadius Tode (408), dessen Feldherrn die Gothen von den Grenzen des Reichs abgewehrt hatten, kam sein 7jähriger Sohn Theodosius II. auf den Thron. Nachdem Anthemius bis 415 das Reich verwaltet hatte, nahm Theodosius seine Schwester Pulcheria als Mitregentin an, die fortan alle Regierungsgeschäfte leitete. Unter ihnen wurde mit Persien ein erfolgloser Krieg geführt, das Abendländische Reich für Valentinian III. erobert (s. Rom, Gesch.), das B. R. selbst von den Hunnen seit 433 öfter angegriffen, diese durch einen schimpflichen Frieden 446 von Byzanz entfernt u. das Rechtsbuch (Codex Theodosianus) abgefaßt. Als Thedosius 450 st., wurde Pulcheria, die durch die Cabalen des Verschnittenen Chrysaphios vom Hofe verdrängt worden war, zurückgerufen u. erhielt den Thron allein; sie heirathete den schon bejahrten Marcianus. Bisher hatten die Byzantiner den Hunnen Tribut zahlen müssen, u. wenn sie ihnen denselben geweigert, hatten jene Plünderungszüge gemacht u. sogar die Residenz belagert. So hatten sie die Summe des jährlichen Tributs von 700 Pfund Gold auf 2000 gesteigert u. die Abtretung eines Stück Landes südlich der Donau erzwungen. Da Marcianus gegen Attila eine ernstere Sprache führte, ließ dieser von dem B. R. ab u. zog nach Westen. Marcianus st. 457 u. durch den Feldherrn Aspar ward Leo I. d. Große auf den Thron gehoben. Seine Krönung durch den byzantinischen Patriarchen ist vielleicht das erste Beispiel einer Krönung durch Geistliche. Damals begann wieder eine Verbindung der beiden römischen Höfe; da der occidentalische Kaiser Severus gestorben war u. Leo um Hülfe gegen die Vandalen angegangen wurde, versprach er diese, wenn Rom einen von ihm gegebenen Kaiser annehmen wolle. Dies wurde zugestanden, u. der erste, welchen Leo zum Kaiser einsetzte, war Anthemius. Auf den zwar orthodoxen, aber gegen Andersgläubige toleranten Leo I. folgte 474 sein 3jähriger Enkel Leo II., welchen aber sein Vater Zeno Isauricus alsbald ermordete, worauf dieser Kaiser wurde. Als er aber gehört hatte, daß seine ehrgeizige Schwiegermutter, Leos I. Wittwe, Verina, ihn stürzen u. ihren Bruder Basiliskus auf den Thron heben wollte, so entfloh er 475 nach Isaurien u. überließ dem Basiliskus den Thron. Unter dessen Regierung verbrannte die reiche Bibliothek in Constantinopel. Basiliskus verscherzte durch Begünstigung der Eutychianer u. durch Grausamkeit u. Geiz die Gunst des Volkes u. auch von seinen Anhängern verlassen, sah er sich 477 genöthigt dem Zeno den Thron wieder einzuräumen, als dieser von dem Ostgothenkönige Theoderich unterstützt, sich die Stimmung des Volkes zu Nutze machte; Zeno erhielt auch ostgothische Hülfe gegen einige, von der vertriebenen Verina in Asien gegen ihn erregte Empörer, z.B. gegen Marcianus, Sohn des Anthemius, Gemahl der jüngeren Tochter des Kaisers Leo, welche dem Leo als Kaiser geboren war. Nachher aber zerfiel er mit den Gothen, doch wußte er sie, als sie in sein Reich eindrangen, zu bereden nach Italien zu ziehen. Zur Versöhnung der über die Natur Christi streitenden Parteien gab er das Henotikon (s.d.). Sein Nachfolger Anastasius I. Dikorus (491–518), ein alter, schwacher, geiziger Mann, der durch die Verheiratung mit der kaiserlichen Wittwe Ariadne auf den Thron kam, hatte eine sehr unruhige Regierung; Zenos Bruder, Longinus, erregte die Isaurier zu einem Aufstande gegen den Kaiser, indem er selbst Ansprüche auf den Thron erhob. Die Kriege mit den Persern endigte der Friede 505, in welchem Amida u.a. Orte zurück gegeben wurden. Anastasius kriegte auch gegen die Ostgothen, Araber, Bulgaren u. Hunnen, gegen welche Letztern er Constantinopel u. das Weichbild durch eine 12 Meilen lange Mauer schützte. Da er die Monophysitische Partei zu begünstigen schien, so brach eine Empörung in Constantinopel gegen ihn aus, u. als er 518 st., ward Justinus I., Befehlshaber der Leibwache, Kaiser; dieser ließ die Regierung durch den Quästor Proklos besorgen u. stand unter dem Einflusse der Geistlichkeit; er st. 527. Es folgte sein adoptirter Neffe Justinianus I., dessen geistreiche Gemahlin Theodora u. kühne Feldherren Belisar u. Narses seiner Regierung Glanz u. Ruhm verschafften. Sein Bestreben war die Wiederherstellung des alten Kaiserreichs, wie es unter Constantin dem Gr. gewesen war, was ihm jedoch nicht vollständig gelang. Einen großen Zuwachs erhielt sein Reich indeß durch die Eroberungen Belisars, welcher den Sturz des Vandalenreichs herbeiführte u. Afrika, Sardinien, Corsica u. die Balearischen Inseln (533) u. in einem 2. Feldzuge (535–40) Sicilien u. Italien unterwarf. Aber Afrika blieb ein unsicheres Besitzthum für das B. R., weil die Aufstände dort kein Ende nahmen, u. auch in Italien begann bald wieder mit den Gothen ein Kampf, den jedoch Narses 555 beendigte. Zur Verwaltung Italiens (des Exarchats) wurde ein kaiserlicher Statthalter (Exarch) in Ravenna eingesetzt, s. Exarchat. In Stadt u. Land unternahm Justinian Luxus- u. nützliche Bauten, als Brücken, Lazarethe, Wasserleitungen, Festungen zum Schutze der Grenzen gegen die nördlichen u. östlichen Nachbarn u. bereicherte die Industrie des B. R-es. durch den Seidenbau. Zu den religiösen Streitigkeiten, welche die innere Ruhe störten, gesellten sich noch die Reibungen im Circus, wo die Wettrenner in verschiedene gegnerische Parteien zerfielen, für deren eine sich selbst der Kaiser gewöhnlich entschied. Aus diesen Spielparteien wurden nach u. nach politische Factionen, denn das Tragen der Farben (roth, grün, blau, weiß) auch außerhalb der Spiele gab Veranlassung die Interessen der einzelnen Parteien bei anderen Gelegenheiten hervortreten zu lassen, selbst in Beziehung auf die religiösen Ansichten, aus richterliche Verhältnisse, auf Militäravancements etc. Im Januar 532 brach eine völlige Empörung aus (Nikatumult, von dem Ruf Nika! [d.i. siege!] dem Losungswort der Empörer). [527] Weil der Kaiser, ein Begünstiger der Blauen, die von denselben verachteten Grünen nicht hatte schützen wollen, u. als der Stadtpräfect Eudämon einige Anführer von beiden Parteien, zur Wiederherstellung der Ordnung, hatte hinrichten lassen: so verbanden sich die feindlichen Parteien, u. ein 5tägiges Rauben, Brennen u. Morden verwüstete die Stadt. Nicht minder währten die Monophysitischen Streitigkeiten unter Justinian fort. Gegen die Reste des Heidenthums erließ er scharfe Befehle u. ließ die letzten Hörsäle der griechischen Philosophen in Athen schließen. Sein größtes Verdienst bestand in der Abfassung eines Gesetzbuchs. Seit 540 wurde auch das, nur dem Namen nach noch bestehende Consulat nicht mehr besetzt. Justinian st. 565; sein Nachfolger war sein ihm ganz unähnlicher Neffe Justinus II. (565–578). Unter diesem ging Italien verloren, u. die Perser machten verheerende Einfälle in das Reich, bis sich Justinus mit dem Khan der Türken Djesabul gegen sie verband. 574 nahm er den Tiberius Constantinus, Hauptmann der Leibwache seiner Gemahlin Sophia, zum Mitregenten an, u. dieser regierte nach Justins Tode (578) mit Weisheit u. Milde allein fort. Er war glücklich in Afrika u. in Persien gegen Khosroes u. dessen Sohn Horoesda. In letzterm Kriege leistete ihm sein Feldherr Mauritius gute Dienste, daher vermählte er diesem seine Tochter u. machte ihn zum Cäsar. Als Tiberius 582 st., folgte ihm dieser, als Kaiser Flavius Tiberius Mauritius genannt. Dreimal besiegte er durch Philippikos die Perser u. setzte den vertriebenen Khosroes II. wieder in sein Reich ein. Nachdem er 590 mit Persien Frieden geschlossen hatte, wendete er sich gegen die Avaren, von denen sein Vorgänger den Frieden durch Tributzahlung erkauft hatte. Auf einem dieser Züge machten die Soldaten gegen den strengen u. allzu sparsamen Kaiser eine Empörung, ermordeten ihn u. riefen 602 den Phokas an seiner Stelle auf den Thron. Dieser ließ erst alle Glieder des Hauses hinrichten, dann wüthete er gegen das Volk; seiner satt rief dasselbe den Statthalter von Afrika Heraklius zu Hülfe. Dieser schickte 610 seinen Sohn Heraklius mit einem Heere nach Constantinopel; Phokas ward ermordet u. Heraklius auf den Thron gesetzt (610–641). Anfangs war er unglücklich gegen die Perser, welche Syrien, Palästina, Ägypten, Kleinasien eroberten u. sogar Constantinopel bedrohten; aber von 622–627 besiegte er sie in mehreren Schlachten. Im Frieden mit Siroes erhielt er das Kreuz Christi zurück, welches jener aus Jerusalem als Beute weggeschafft hatte. Von nun an hörten die Kriege der Perser gegen das B. R. auf, dafür aber begannen die mit den Sarazenen, welche dem Heraklius, während seiner Beschäftigung mit theologischen Streitigkeiten, bald wieder alle die Länder entrissen, welche er erst von den Persern zurückerobert hatte. Damals waren die Streitigkeiten über den Monotheletismus (s.d.), welche er durch die Ekthesis zu unterdrücken versuchte. Heraklius hinterließ bei seinem Tode (641) 2 Söhne, von Eudoxia den Heraklius Constantinus, von Martina den Constantinus Herakleonas; Erster war schon 613 zu seinem Nachfolger bestimmt, aber nachdem er nach des Vaters Tode 3 Monate regiert hatte, ließ ihn seine Stiefmutter ermorden u. setzte den Herakleonas auf den Thron; diesem war das Volk nicht zugethan, u. in Folge eines Aufruhrs mußte er mit seiner Mutter in die Verbannung gehen. Constans II., Constantins III. Sohn, welchen Herakleonas zum Mitregenten angenommen hatte, war nun Alleinherrscher. Die Sarazenen waren inzwischen immer weiter in seinem Reiche vorgerückt, hatten (650) Cypern u. Rhodus in ihre Gewalt bekommen u. standen schon vor Constantinopel. Nachdem er in Italien von den Longobarden geschlagen worden war, fand er, als er Sicilien gegen die Sarazenen vertheidigen wollte, 668 in Syracus seinen Tod. Er stand auf der Partei der Monotheleten (s.d.), die er durch den Typos mit den Orthodoxen zu vereinigen suchte; den Papst Martin I., welcher den Typos 649 verdammte, ließ er 653 gefangen setzen; aus Rom u. Syracus ließ er viele Kunstschätze nach Constantinopel schaffen. Sein Sohn Constantinus III. Pogonatus (der Bärtige), seit 663 sein Mitregent u. 668 Nachfolger, hatte fortwährende Kämpfe gegen die Sarazenen, mit denen er nach einer glücklichen Vertheidigung Constantinopels (er bediente sich des von dem Syrer Kallinikos erfundenen Griechischen Feuers gegen sie) auf 30 Jahre Frieden schloß, dadurch aber alle von ihnen eroberten Provinzen seines Reichs verlor, wofür sie ihm einen geringen jährlichen Tribut zahlten. Die Bulgaren eroberten Niedermösien u. machten von dort Einfälle in das B. R., welches im 7. Jahrhundert auch durch viele von der Donau bis zum Adriatischen Meere sich ansiedelnde Slawen Verkleinerungen erlitt, indem u.a. die Staaten Serbien, Kroatien, Slavonien u. Dalmatien entstanden. Seine Brüder Tiberius u. Heraklius, mit denen er Anfangs gemeinschaftlich regiert hatte, ließ er unter einem nichtigen Vorwande blenden. Constantin st. 685; ihm folgte sein Sohn Justinianus II. Rhinotmetus (mit abgeschnittener Nase); er entriß durch Leontius den Sarazenen Iberien, Albanien, Medien, Armenien, verlor aber den Thron, als er dem Statthalter von Constantinopel, Stephanus, befahl, den Patriarchen von Constantinopel zu ermorden, nachdem ihm zuvor die Nase abgeschnitten worden war. Leontius, der Urheber seines Sturzes, bemächtigte sich des Thrones; diesem entriß 698 die Regierung ein anderer Feldherr Absimar, als Kaiser Tiberius III. genannt; aber 705 führte den Justinian der Bulgarenkönig Terbelis, zu dem jener geflohen war u. dem er die Hand seiner Tochter für die Hülfe versprochen hatte, in das Reich zurück; Leontius u. Tiberius wurden hingerichtet. Den Frieden mit den Bulgaren brach er, ward geschlagen u. mußte nach Constantinopel fliehen. Da er gegen seine Unterthanen zu wüthen fortfuhr, fiel er 711 durch Mörderhand. Nach ihm regierte sein Feldherr Philippikus Bardanes, nach diesem Anastasius II., vorher Artemios genannt, welcher Constantinopel gegen die Sarazenen in guten Vertheidigungszustand setzte. In Folge einer Empörung seiner, gegen die Sarazenen geschickten Soldaten legte er 715 die Herrschaft nieder u. ging in ein Kloster; Gleiches that 717 der an seiner Stelle als Kaiser erhobene Theodosius III. Adramyttenos, da ihn ein anderer Feldherr Leo III. Isauricus nicht anerkennen wollte u. mit Heeresmacht gegen Constantinopel zog. Anastasius, der sogleich sein Kloster verließ u. wieder den Thron besteigen wollte, wurde hingerichtet u. Leo ward Kaiser. Die Sarazenen,[528] die Thronstreitigkeiten in Constantinopel benutzend, hatten inzwischen unter Solyman Thracien geplündert u. belagerten unter Omar Constantinopel mit 80 Schiffen; allein Leo vertrieb sie u. nahm ihnen auch später noch Phrygien ab. Dagegen verlor er durch seine religiösen Neuerungen den Theil Mittelitaliens, welchen die Byzantiner bis jetzt noch behauptet hatten, u. schürte durch dieselben im Innern seines Reiches ein Feuer an, welches fast ein Jahrhundert verheerend fortbrannte; dies war der in der Kirchengeschichte berühmte Bilderstreit (s.d.). 728 ward der Exarch zu Ravenna erschlagen u. die Longobarden nahmen die Stadt. Leo st. 741; ihm folgte sein Sohn Constantinus IV. Kopronymus (741–775), der den schwankenden Thron befestigte. In Beziehung auf die Bilderverehrung folgte er seines Vaters Beispiel u. hob viele Klöster auf, weil er die Mönche u. Nonnen für Verderber der Sittlichkeit des Volkes hielt. Die Grenzen des B. R-es erweiterte er wieder gegen Syrien u. Armenien hin, u. seine Feldzüge gegen die Slawen u. Bulgaren (755–763) gehören zu den glänzendsten Waffenthaten der spätern Zeit des B. R-es. Ihm folgte sein Sohn Leo IV. Chazaras (775–780); erfahrene Feldherren schützten unter dem körper- u. geistesschwachen Fürsten die Grenzen des Reiches gegen die Sarazenen, Syrer u. Bulgaren. Er st. 780, seine Gemahlin Irene war schon bei seiner Thronbesteigung mit ihrem unmündigen Sohne Constantinus V. Porphyrogennetus Mitregentin geworden, jetzt regierte sie als dessen Vormünderin fort u. freite für ihn um Rotrudis, Tochter Karls des Gr.; doch machte sie selbst die Heirath wieder rückgängig, aus Furcht, ihr Sohn möchte durch die Verbindung mit dem mächtigen Karl ihr den Gehorsam aufsagen. Irene begünstigte die Bilderverehrung wieder u. machte sich dadurch viel Feinde; da sie endlich sogar ihren Sohn von der Regierung ausschließen wollte, so verbannte dieser 790 seine Mutter. 792 zurückgerufen sann sie auf Rache; sie suchte den Kaiser dem Volke u. der Geistlichkeit verhaßt zu machen, u. dies gelang ihr um so leichter, als er unglücklich gegen die Bulgaren kämpfte u. 795 seine Gemahlin Maria verstieß u. dafür die Theodora heirathete. Nachdem Constantin geblendet u. 797 ermordet worden war, kam es gegen die Kaiserin, welche, unglücklich gegen die Sarazenen, in den Verdacht stand Karl d. Gr. heirathen u. so den Orient mit dem Occident vereinigen zu wollen, zu einer Verschwörung, welche ihr den Thron kostete. Bardanes, Feldherr der Irene, ward von den Soldaten als Kaiser ausgerufen; doch wich er dem Nicephorus, dem Schatzmeister der Irene, der sich bereits hatte krönen lassen. Dieser schloß mit Karl d. Gr. einen Vertrag, nach welchem das freie Gebiet der Venetianer die Grenze zwischen ihren beiden Reichen bilden sollte. Die alten Feinde des Reiches beunruhigten auch seine Regierung; gegen die Sarazenen focht er tapfer, aber in dem Kampfe gegen die Bulgaren fiel er 811; sein Sohn Stauracius, der verwundet aus der Schlacht entkommen war, regierte nur kurze Zeit, worauf kein Schwager Michael I. Rhangabes den Thron einnahm, aber nach harten Bedrängnissen von Seiten des Bulgarenkönigs Crummus seinem Feldherrn Leo wich (813). Dieser, als Kaiser Leo V. der Armenier, hatte durch seine Siege über die Sarazenen u. seine Befreiung Constantinopels von den Bulgaren sich die Achtung des Volkes erworben; thätig, einsichtig, gerecht, gab er nur dadurch Anstoß, daß er den Bilderdienst bekämpfte, u. ward durch eine Verschwörung, die sein Freund, Michael, angezettelt hatte, gestürzt. Dieser folgte ihm als Michael II. Psellus (der Sammler) 820–829. Sein ehemaliger Mitfeldherr Thomas belagerte ihn in Constantinopel, dieser ward jedoch nach Adrianopel getrieben u. dort nach 5monatlicher Belagerung gefangen u. ermordet. 820 ging dem B. R. Dalmatien an die Bulgaren, 823 Kreta an die Sarazenen u. 825 Sicilien verloren, u. von seiner früheren Größe war dasselbe so vermindert worden, daß nur noch Griechenland, Macedonien, Epirus, Thracien, Kleinasien u. das Herzogthum Neapel in Italien dazu gehörten. Daß sich das B. R. inmitten mächtiger Feinde, beim Mangel tüchtiger Regenten, einer guten Staatsverfassung u. eines regsamen Volkes, doch von da an noch ein halbes Jahrtausend erhielt, hat seinen Grund darin, daß Constantinopel eine der festesten Städte der Welt war, die Feinde des Reiches sich mit der Kriegskunst der Byzantiner nicht messen konnten, in Constantinopel auch noch der Sitz der Wissenschaften u. der Cultur des praktisch Nützlichen war. Stand ein tüchtiger Fürst an der Spitze des Staates, so zogen Sarazenen u. Bulgaren, die ewigen Feinde des B. R-es, fast immer den Kürzern. Einer jener bessern Fürsten war Michaels II. Sohn u. Nachfolger, Theophilus (829–842); er war zwar streng bis zur Härte, aber nüchtern, von reinen Sitten (er verbannte alle öffentliche Dirnen aus Constantinopel), gerecht u. tapfer. Unter ihm erhob sich der Bilderstreit von Neuem; aber während er dem Bilderdienst feindlich entgegentrat, that seine Gemahlin Theodora, die nach ihm, während der Minderjährigkeit ihres Sohnes Michaels III. Porphyrogennetus, die Regierung führte, das Gegentheil. Mit Theodora führte deren Bruder, der Patricier Bardas, ein eifriger Beförderer der Wissenschaften, die Regierung. Dieser legte dadurch, daß er den Patriarchen Ignatius vertrieb u. diese Würde 858 dem Eunuchen Photius ertheilte, den Grund zur Trennung der Morgen- u. Abendländischen Kirche. Bardas, zum Cäsar ernannt, ward bald darauf von Basilius, dem Günstling des Kaisers, 866 ermordet. Der ausschweifende u. verschwenderische Michael III. selbst, unter welchem als neue Feinde des Reiches die Russen erschienen, wurde ebenfalls von Basilius ermordet, der als Basilius I. Macedo den Thron bestieg, u. der Gründer der Macedonischen Dynastie im B. R. wurde, welche mit wenig Unterbrechung bis 1056 regierte.

B) Das B. R. unter den Kaisern der Macedonischen Dynastie, 866–1056. Durch die weise Regierung, durch die Siege über die Sarazenen u. durch Gerechtigkeit machte sich Basilius um das B. R. verdient; seinen Namen tragen die Basiliken, das erneute Justinianische Gesetzbuch, welches aber erst sein Sohn Leo VI. d. Weise (886–911) vollendete. Dieser, ein gelehrter, die Wissenschaften schützender Mann, schaffte das Consulat gänzlich ab. Er bediente sich gegen seine Feinde fremder Hülfe: gegen die Bulgaren rief er die Ungarn, gegen die Sarazenen die Türken, welchen er aber dadurch den Weg in sein Reich öffnete, denn bald traten sie selbst als Eroberer[529] gegen Constantinopel auf. Nach Leo regierten seit 911 seine Brüder, Alexander u. Constantinus VI. Porphyrogennetus gemeinschaftlich, u. da Erster schon 912 starb, Letzter allein bis 959 Anfangs unter der Vormundschaft seiner Mutter Zoe, einer Frau von Festigkeit u. männlichem Geiste; sie mißfiel indeß den Constantinopolitanern, u. bald erhielt der Admiral Romanus I. Lekapenus solchen Einfluß auf Constantin, daß derselbe Zoe verbannte u. den Romanus 919 zum Mitregenten annahm; gleiche Würde mit ihm genossen seine Söhne (erst Christophorus, dann Stephanus u. Constantinus VII.). Romanus verwaltete das Reich mit Kraft u. Geschick, bis 944 seine Söhne durch Basilius, einen Freund Constantins VI., erregt, gegen ihren Vater eine Empörung machten u. denselben in ein Kloster verbannten; aber schon 945 folgten die Söhne dem Vater verbannt dahin nach, u. Constantin VI. regierte wieder selbst, ohne jedoch sich der Regierung mehr als früher anzunehmen. Um diese Zeit kamen russische u. ungarische Fürsten nach Constantinopel, um sich taufen zu lassen. Der Sohn u. Nachfolger Constantins, Romanus II. (959–963), ein schwacher, vergnügungssüchtiger Mann, wurde von seiner Gemahlin Theophano vergiftet, welche nun den Feldherrn Phokas heirathete u. als Nikephorus II. auf den Thron hob (regierte 963–969). Er entriß den Sarazenen Syrien, Cilicien, Cypern nebst Antiochien u. Tripolis; aber wegen seines Geizes machte er sich bei Volk u. Armee verhaßt. Theophano, selbst seiner überdrüssig, ließ ihn durch den Feldherrn Johannes Zimiskes ermorden, wurde aber, da sie sich mit diesem vermählen wollte, verbannt. Johann regierte (969–976) nur als Vormund der Söhne des Romanus II.; er schlug die Russen, Bulgaren u. Sarazenen u. unterdrückte innere Unruhen. Auf einem Zuge gegen Damask ward er vergiftet, u. nun folgte von seinen Mündeln Basilius II. (976–1025); doch ließ sich Johanns Feldherr, Bardas Sklerus, von dem Heere zum Kaiser ausrufen u. hielt sich gegen mehrere, vom Kaiser gegen ihn gesendete Feldherren, bis er in der Schlacht bei Amasia in einem Zweikampf mit Bardas Phokas verwundet ward, worauf er nach Bagdad floh. Darauf verbanden sich beide Bardas mit einander gegen Basilius u. theilten die Herrschaft. Als Phokas 986 starb, unterwarf sich Sklerus dem Basilius. Dieser machte 1018 das Bulgarische Reich zur griechischen Provinz (s. Bulgaren). Nach seinem Tode 1025 übernahm sein Bruder Constantinus (IX.) allein die Regierung (1025–28); er war ein ruhmloser Fürst. Ihm glich sein Schwiegersohn u. Nachfolger Romanus III. Argyrus, dessen sich seine Gemahlin Zoe bald entledigte, indem sie statt seiner 1034 ihren Kämmerer Michael IV. den Paphlagonier auf den Thron hob. Dieser schwache u. kranke Mann überließ die Regierung seinem Bruder, dem Eunuchen Johann; aus Kummer über die vielfachen Unfälle, die über das Reich hereinbrachen, ging er 1041 in ein Kloster u. ließ das Reich seinem Neffen Michael V. Kalaphates. Als dieser aber die Zoe u. alle seine Wohlthäter verbannte, um unabhängig von jenen zu regieren, zettelten die Verbannten eine Verschwörung an; er ward gestürzt u. mußte nach 4monatlicher Regierung geblendet in das Exil gehen. Zoe kehrte zurück u. nahm 1042 ihre Schwester Theodora zur Mitregentin an. Aber diese gemeinschaftliche Regierung dauerte wegen der großen Charakterverschiedenheit der beiden Schwestern nur 2 Monate, u. da Theodora nicht heirathen wollte, so heirathete Zoe 1042 den Constantin IX. (X) Monomachus. Russen u. Seldschucken kämpften unter Constantin gegen das B. R. In Constantins Todesjahr 1054 fällt auch die gänzliche Trennung der Griechischen von der Lateinischen Kirche. Als er gestorben war, bekam Theodora, weil auch Zoe nicht mehr lebte, wieder den Purpur; unter ihrer kurzen Regierung herrschte Friede nach Außen. Bei ihrem Tode 1056 ernannte sie Michael VI. Stratiotikus zu ihrem Nachfolger, der aber schon 1057 durch einen Soldatenaufstand vom Throne gestoßen ward. Mit ihm endete das Haus der Macedonischen Kaiser, u. nach ihm kam die Dynastie der Komnenen.

C) Das B. R. unter den Komnenen, 1057 bis 1185. Der erste der Komnenen, Isaak I. (regiert 1057–59), führte eine bessere Verwaltung ein; krank ging er 1059 in ein Kloster u. überließ die Regierung seinem Adoptivsohn, Constantinus X. (XI.) Dukas (1059–67), nachdem sein Bruder Johann die Krone ausgeschlagen hatte. Unter ihm griffen die skythischen Uzen u. die Türken das Reich an. Bei seinem Tode 1067 hatte ihm seine Gemahlin Eudoxia zwar versprochen, nicht wieder zu heirathen u. für seine 3 unmündigen Söhne, Michael, Andronikus u. Constantin XI. das Reich zu verwalten; dennoch heirathete sie, nachdem sie das Versprechungsdocument von dem Patriarchen Xiphilinus zurück erhalten hatte, den Romanus IV, Diogenes (1067–71). Durch eine kräftige Regierung wußte dieser sich die Achtung des Volkes zu erwerben, noch mehr dadurch, daß er die Seldschucken unter Alp Arslan dreimal besiegte u. über den Euphrat zurückwarf; aber auf dem 4. Feldzuge (1071) ward er gefangen, u. diese Gefangenschaft benutzte Michael VII. Parapinakes, ein Sohn Constantins XI., sich auf den Thron zu schwingen. Michael, der den zurückkehrenden Romanus blenden ließ, brachte die Zeit mit dem Studium der Wissenschaften zu, während Serbier u. Seldschucken das Reich bedrängten. Der Hülfe des Seldschucken Solyman bediente sich 1078 Nikephorus III. Botaniates, um sich Constantinopels u. des Thrones zu bemächtigen, worauf Michael u. sein Bruder Constantinus (XII.) in ein Klostergehen mußten. Nikephorus selbst hielt sich nur durch seinen Feldherrrn Alexius Komnenus, welcher indeß, am Hofe verleumdet, es räthlich fand, sich zu entfernen. Da aber Alexius durch das Heer nach Constantinopel zurückgeführt wurde, ging Nikephorus III. 1081 ins Kloster, worauf dann Alexius I. von Senat u. Volk als Kaiser ausgerufen ward. Er zog nach Kleinasien gegen die Türken, schloß aber Frieden mit ihnen, um sich gegen Robert Guiscard wenden zu können, der in Epirus gelandet war, war aber nicht glücklich u. erhielt erst nach Roberts Tode 1085 die verlorenen Besitzungen wieder. Die nördlichen Grenzen sicherte er durch entscheidende Siege über die Petschenegen u. Kumanen. Unterdessen hatte die Eroberung Jerusalems u. das immer weitere Vordringen der Türken in Asien im westlichen Europa allgemeine Aufmerksamkeit erregt; Alexius selbst hatte einige Male bei dem occidentalischen Höfen um Unterstützung gebeten. Endlich[530] kam 1095 der 1. Kreuzzug zu Stande; die Menge u. Zügellosigkeit des ersten Haufens aber erregte bei Alexius Argwohn, u. er ließ sie schnell nach Asien übersetzen. Als er aber von dem 2. Zuge den Grafen Hugo, Bruder Philipps I. von Frankreich, widerrechtlich gefangen nahm, so rückten die Kreuzfahrer gegen Constantinopel an. Endlich ward ein Vergleich abgeschlossen, zu Folge dessen er die Kreuzfahrer als Bundesgenossen betrachten u. ihnen Unterstützung zukommen lassen sollte; dagegen machten diese sich anheischig, alle dem Reiche gehörige Provinzen zurückzugeben u. die zu erobernden Länder als Vasallen von ihm in Lehn zu nehmen. Als 1099 Bohemund, zum Fürsten von Antiochien ernannt, seine Lehnspflicht nicht leistete, kam es mit diesem zum Kriege. Bohemund kehrte nach Europa zurück, belagerte mit neuen Hülfstruppen aus Italien Dyrrhachium, schloß aber 1108 mit Alexius Frieden. Alexius suchte die letzte Zeit seines Lebens bes. die Ruhe im Innern seines Reiches herzustellen; auch legte er manche Streitigkeiten der Griechischen Kirche bei u. st. 1118. Sein Sohn Johann II. (Kalo-Johann), 1118_–1143, der beste der Komnenen, behauptete die Herrschaft gegen die Türken u. die Feinde im Norden; auf einem Zuge gegen Raimund, den er aus Antiochien treiben wollte, starb er. Ihm folgte sein Sohn Emanuel (Manuel) I. (1143–80), der seine Regierung mit Kriegen wider Türken u. Christen, vom Taurus bis nach Sicilien, ausfüllte. Mit seinem Tode waren die besseren Zeiten, welche die Komnenen über das B. R. herausgeführt hatten vorüber; Alexius II. (1180–83) war bet seines Vaters Tode erst 12 Jahre alt, u. seine Mutter Maria vernachlässigte nicht nur seine Erziehung, sondern ließ auch ihre Günstlinge schalten. Einer derselben, der Protosebastus Alexius, herrschte willkührlich, ohne doch den in Phrygien eindringenden Türken Widerstand entgegen zu stellen. Diesem Regimente machte der Neffe Emanuels, Andronikus I., ein Ende; er ließ die Kaiserin Maria nebst dem Kaiser erdrosseln, den Alexius blenden u. bestieg selbst den Thron (1183–1185), herrschte aber so grausam, daß er von dem Volke umgebracht wurde. Er war der letzte der Komnenen; an seiner Stelle erhob man Isaak II. Angelus, welcher Gründer der Dynastie der Angelen ward.

D) Unter der Herrschaft der Angelen, 1185_–1204. Isaak II. setzte den Krieg gegen Sicilien u. Cypern fort, doch fehlte es ihm an der nöthigen Thatkraft, um die Ruhe im Innern u. nach Außen zu erhalten. Er verlor Cypern an einen Komnenen, duldete, daß sich die Bulgaren der griechischen Regierung entzogen, u. erregte dadurch die größte Unzufriedenheit der Armee. Sein Bruder Alexius III. erhob sich gegen ihn, ließ ihn auf der Flucht 1195 blenden u. in ein Kloster bringen u. bestieg statt seiner den Thron. Die Regierung führte seine Gemahlin u. seine Günstlinge, welche das Volk arg drückten. Indessen war der Sohn Isaaks, Alexius IV., aus der Hast seines Oheims nach Italien entkommen u. beredete dort 1202 die versammelten Kreuzfahrer, seinem Vater beizustehen, wogegen er versprach, ihnen 200,000 Mark Silber zu zahlen, die Griechische Kirche wieder mit der Lateinischen zu vereinigen u. mit ihnen gegen die Ungläubigen zu ziehen. Die Kreuzfahrer erschienen vor Constantinopel, nahmen es 1204 ein, zwangen Alexius III. zur Flucht, setzten Isaak wieder auf den Thron und gaben ihm seinen Sohn Alexius IV. zum Mitregenten. Die Regenten mußten indessen, um ihren Verbindlichkeiten gegen die Kreuzfahrer nachzukommen, dem Volke große Lasten aufbürden; die dadurch hervorgerufene Unzufriedenheit benutzte Alexius V. Dukas Murzuphlus, um eine Empörung gegen Isaak u. seinen Sohn anzuspinnen, ließ Letzteren 1204 im Gefängniß ermorden u. auch Isaak im Gefängniß umkommen. Da drangen die Kreuzfahrer in die Stadt, vertrieben den Alexius Murzuphlus, u. nachdem sie die Stadt geplündert hatten, machten sie dem B-n R. in so fern ein Ende, als sie keine Byzantiner, sondern Welsche zu Kaisern wählten, das Land aber theilten sie so, daß ein Theil als Krongut dem neu zu wählenden Kaiser zufallen, 3 andere Theile an die übrigen Anführer u. die Republik Venedig kommen sollten, in der Weise, daß auch die Herrscher dieser Lehnsträger des Kaisers sein sollten.

E) Das B. R. als Lateinisches Kaiserthum unter abendländischen Regenten, (1204–61). Erster Kaiser ward Balduin I. Venedig nahm die Küstenländer des Adriatischen u. Ägäischen Meeres, ein Stück des Peloponnes u. viele Inseln; der Markgraf von Montserrat erhielt Macedonien als König von Thessalonich. Überdies gab es noch eine Menge kleinere Herrschaften, indem das ganze Fendalsystem durch die Occidentalen auf griechischen Boden verpflanzt wurde; so stand ein Fürstenthum Achaia, ein Herzogthum Athen, ein Herzogthum Naxus u. Negroponte, Pfalzgrafschaften von Zante u. von Cephalonia (s.d. a.) etc. Daneben bildeten sich noch aus dem B-n R. das Kaiserthum Nikäan. das Kaiserthum Trapezunt (s. b.); in Epirus u. Ätolien hielt sich ein unehelicher Abkömmling des Hauses Angelus. Die neuen Reiche u. Herrschaften der Occidentalen waren nicht glücklich; die Sieger wollten sich nur bereichern; die Griechen, von Haß gegen die Fremden erfüllt, gehorchten nur von der Noth gezwungen u. verbanden sich bald mit dem Bulgarenkönig Johann, der über die Grenze drang u. 1205 Balduin I. schlug u. gefangen nahm. Heinrich, Balduins Bruder u. Nachfolger, gewann das Zutrauen des Volkes dadurch, daß er dasselbe gegen die occidentalische Clerisei schützte u. den Griechen Ehren u. Würden gab. Mit den Bulgaren u. dem Kaiser von Nikäa schloß er Frieden. Als Heinrich 1216 starb, wählte man, nachdem der Ungarnkönig Andreas die Krone ausgeschlagen hatte, Heinrichs Schwager, den Grafen Peter von Courtenay zum Kaiser; da dieser auf seiner Reise aus Frankreich nach Griechenland dem Fürsten Theodor von Epirus die Stadt Durazzo entreißen wollte, fiel er in dessen Gefangenschaft, aus der er nicht wieder kam. Unterdessen hatte seine Gemahlin Jolanta in Constantinopel regiert, u. da diese 1219 gestorben war, so wurde die Krone seinem Sohne Robert angetragen, der auch 1221 nach Constantinopel kam. Durch die Schwäche der letzten Regenten war der Zustand des Reiches sehr verschlimmert, ja dasselbe durch die Eroberungen der byzantinischen Fürsten von Epirus u. Nikäa zuletzt auf die Stadt Constantinopel eingeschränkt. Als Robert 1228 gestorben war, übertrug man Johann von Brienne, Titularkönig von Jerusalem. die Vormundschaft[531] über Roberts unmündigen Bruder Balduin; dieser kräftige Greis rettete das von den Bulgaren u. Nikäern hart bedrängte Constantinopel, u. nach seinem Tode (1237) veruneinigten sich zum Glück jene Feinde des Reiches. Balduins II. Regierung war eine höchst traurige, seine Kriege, in denen er mit den Seldschucken u. Komanen Bündnisse schließen mußte, kosteten ihn so viel Geld, daß er alle Kostbarkeiten u. Reliquien verkaufen u. sogar seinen einzigen Sohn verpfänden mußte. Unter ihm ward das Lateinische Kaiserthum von den nikäischen Kaisern großer Landstriche, beraubt. Nachdem einer derselben, Johann Vatazos, das Gebiet des Lateinischen Kaiserthums fast ganz erobert hatte, wurde dasselbe 1261 unter seinem Nachfolger Michael VIII. Paläologus, dessen Feldherr Alexius Strategopylus mit Hülfe der Genuesen Constantinopel eingenommen hatte, mit dem Nikäischen Kaiserreich vereinigte u. die Dynastiedes Paläologus nahm den Byzantinischen Thron ein.

F) Das B. R. unterden Paläologen, 1261–1453. Der Patriarch Arsenios that Michael sogleich in den Bann, weil er in Nikäa den rechtmäßigen Thronerben, Johannes Baskios, beseitigt hatte, u. verlangte von ihm die Niederlegung der Krone, doch verbannte Michael ihn auf eine wüste Insel. Von den kleineren lateinischen Herrschaften ließ er mehrere bestehen, denn er wollte mit dem Abendlande in gutem Vernehmen bleiben. Deshalb betrieb er auch die Union der beiden Kirchen, erregte aber dadurch unruhige Bewegungen in Constantinopel. 1283 (bis 1328) kam Michaels Sohn, Andronikus II. auf den Thron, welchen ihm 1296 sein Feldherr Alexius vergebens zu entreißen suchte. Gegen die Türken rief er 1303 aus Sicilien den Roger Flor mit seinen Cataloniern zu Hülfe; dieser schlug zwar die Türken zurück, verwüstete aber nicht nur Griechenland, sondern setzte sich auch in diesem Lande fest. Von 1321–28 wurde der Kaiser in 3 Bürgerkriege verwickelt; in letzterm Jahre ward er von seinem Enkel u. Mitregenten Andronikus III. zur Abdankung genöthigt. Aber auch Andronikus (1328–41) war ein ohnmächtiger Regent u. unter dessen Sohne Johann VI. (1341_–99) riß dessen Vormund Johann V. Kantakuzenes einen Theil vom B-n R. los u. bildete ein neues Reich, dessen Sitz zu Didymotycha in Thracien (s.d. Gesch.) war; als aber Kantakuzenes 1355 seine Regierung niederlegte u. sein Sohn Matthias dieselbe fortführen wollte, wurde er von den Byzantinern geschlagen u. gefangen. Johann VI. wurde von seinem eigenen Sohn Andronikus IV. 1375 vom Throne gestoßen. Andronikus half dem Sauzes, Sohn Murads I., gegen seinen Vater, ward aber von Letzterem besiegt. Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, trat er die Regierung seinem Vater wieder ab; dieser aber starb 1384 nach unglücklichen Kriegen gegen die Türken. Nicht glücklicher war sein Sohn Emanuel II. (1384–1425), der, weil er nirgends Hülfe gegen die Türken fand, endlich die Herrschaft seinem Sohne Johann VII. (1425–48) übergab. Als die Türken immer näher rückten u. 1431 schon Thessalonich erobert hatten, suchte Johann das Reich durch eine Vereinigung der Griechischen u. Lateinischen Kirche zu retten. Aber diese Vereinigung kam nicht zu Stande, u. er ließ das nun auf Morea, das Gebiet von Constantinopel u. einige Städte Griechenlands eingeschränkte, hülflose Reich seinem Bruder Constantinus XII. (XIII.). Immer drohender wurden die Fortschritte der Türken; Muhammed II. baute unweit Constantinopel auf der europäischen Seite des Bosporus ein festes Schloß, u. seine Truppen streiften bis vor die Mauern der Stadt. Von 2000 Genuesen verstärkt unter denen der tapfere Giustiniani war, erwartete Constantin den Angriff der Türken in Constantinopel, wo sie am 6. April 1453 mit 400,000 M. erschienen. Der heldenmüthigste Kampf entspann sich nun, auf beiden Seiten zeigte sich die höchste Tapferkeit, vor Allen bewies sich Constantin als Held. Alle Anstrengungen waren indeß fruchtlos, u. nach einer Belagerung von 50 Tagen fiel Constantinopel am 24. Mai 1453 durch einen allgemeinen Sturm. Constantin fand auf der Bresche seinen Tod. Mit ihm endigt die Reihe der oströmischen Kaiser, u. das Römische Reich, von welchem das Byzantinische zuletzt noch ein schwacher Überrest gewesen war, war nun ganz zerstört. Von nun an verschmilzt die Geschichte des B-n R-s mit der Geschichte der Türken, s.d. Seitdem die Machtstellung der Ottomanischen Pforte in Europa im 18. u. 19. Jahrh. eine wesentlich andere wurde u. Rußlands Vordringen gegen das Schwarze Meer u. die Donau die Existenz des Türkenreiches in Europa gefährdete, tauchte in Griechenland die Idee der Wiederherstellung des B. R-es unter den Auspicien des Czaren auf. Die erste Gelegenheit zur Verwirklichung dieser Idee bot sich in dem Aufstande der Griechen gegen die türkische Herrschaft im Jahr 1822, welcher, von Rußland unterstützt, zwar nicht das Ziel vollkommen erreichte, aber durch die Errichtung des Königreichs Griechenland schon ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung des alten Reiches war. In der Folgezeit suchte Rußland für die Idee der Restauration bei den Griechen u. Slawen, welche der Pforte unterworfen waren, durch Wort u. Schrift Propaganda zu machen, während seine Politik das offenbare Bestreben zeigte, das Ende der türkischen Herrschaft in Europa herbeizuführen u. die Erbschaft des B. R-s selbst anzutreten (vgl. Agathangelos). Rußlands Pläne scheiterten zuletzt an der vereinigten Macht Frankreichs u. Englands, u. durch den Frieden zu Paris 1856 hat die Realisirung der Idee, die Bekenner der Griechischen Kirche in einen neuen Byzantinischen Staat unter russischem Scepter zu vereinigen, einen abermaligen Aufschub erfahren.

G) Quellen: Die Geschichte des B-n R-s erzählen die Byzantinischen Schriftsteller (s.d.), unter ihnen von Constantin d. Gr. bis zum Untergange Zonaras, Niketas, Akominatos, Nikephoros Gregoras u. Laonikos Chalkondylas; die andern die Geschichte einzelner Kaiser. Außerdem E. du Fresne du Cange, Historia Byzantina, Par. 1680, 2 Thle., Fol.; Von 1729, Le Beau, Histoire du Bas-empire, Par. 1757–1811, 27 Bde., n. A. 1824–33, 13 Bde.; G. Finley, History of the Byzantin and Greek Empires, Lond. 1854; Ph. Krug, Kritischer Versuch zur Aufklärung der byzantinischen Chronologie, Petersb. 1810; Muralt, Essai de chronographie Byzantine, Petersb. 1855.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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