Capillarität

Capillarität

Capillarität (Haarröhrchenerscheinungen), die Erscheinung, daß die Oberfläche von Flüssigkeiten in eingetauchten Röhren von sehr geringem Durchmesser od. zwischen Platten, die in geringem Abstande von einander sich befinden, eine andere Form u. Höhe annimmt, als den Gesetzen des hydrostatischen Druckes entspricht. Sie ist die Folge der zwischen den Röhrenwänden u. der Flüssigkeit wirkenden Adhäsions- u. der zwischen den Flüssigkeitstheilchen bestehenden Cohäsionskraft. Man unterscheidet aber Capillarattraction u. Capillardepression, d.i. Hebung u. Senkung der Flüssigkeitssäule. Nach hydrostatischen Gesetzen sollte[653] nämlich die Oberfläche eine ebene sein u. innerhalb der Röhre eben so hoch liegen als außerhalb. Ist jedoch die von den Röhrenwänden gegen die Flüssigkeit ausgeübte Anziehungskraft größer als die Cohäsionskraft der Flüssigkeitstheilchen, so erhebt sich die Flüssigkeit nach dem Rande hin u. nimmt vermöge der Cohäsion die nächstliegenden Theilchen mit sich, soweit bis die entgegenwirkende Kraft der Schwere jenen beiden Kräften das Gleichgewicht hält. Daher wird die Oberfläche der Flüssigkeit concav nach oben, u. bei hinreichender Enge der Röhre steigt selbst der mittlere Theil der Flüssigkeit über das äußere Niveau. Wesentlich für das Gelingen des Versuchs ist, daß die Wände von allen Staubtheilchen u. Luftbläschen, welche die Adhäsion verhindern würden, frei seien, daß also ihre Oberfläche benetzt sei. Die Erhebung der Flüssigkeitssäule ist, wie Beobachtung u. Berechnung übereinstimmend zeigen, dem Röhrendurchmesser umgekehrt proportional. Wasser von 8°,5 C. wird nach Gay-Lussac in einer Glasröhre von 1 Millimeter Durchmesser um 29,8 Millimeter = 131/2 Linie gehoben, in einer Glasröhre von 2 Millimeter Durchmesser um 14,9 Millimeter. Mit Zunahme der Temperatur nimmt diese Höhe ab, ohne daß ein einfacher Zusammenhang zwischen den Änderungen der Dichtigkeit u. der C. sich durch die Versuche erwiesen hätte; vielmehr nimmt die C. viel schneller ab, als die Dichtigkeit. Zwischen zwei parallelen Glasplatten ist die Höhe der gehobenen Säule so groß als in einer cylindrischen Röhre, deren Durchmesser gleich dem doppelten Abstande der Platten ist. Zwischen zwei unter einem Winkel zusammenstoßenden Platten steigt die Flüssigkeit in der Nähe der Kante höher als da, wo die Platten weiter von einander abstehen, u. der Gipfel des gehobenen Wassers bildet eine gleichseitige Hyperbel. Wenn die Cohäsion der Flüssigkeitstheilchen größer ist, als die Adhäsion von der Röhrenwand, so nimmt die Oberfläche eine nach oben gewölbte Gestalt an, u. bei hinreichender Enge der Röhre steht die ganze Flüssigkeitssäule niedriger als das äußere Niveau; es findet eine C-depression statt; so z.B. für Quecksilber in Glasröhren. Viele Naturerscheinungen finden in der C. ihre Erklärung, so: daß ungeleimtes Papier als Löschpapier dient, das Zerfließen des Zuckers, der nur mit einer seiner Flächen das Wasser berührt, das Naßwerden von Sand (bis zu einer Höhe von 18 Zoll), wenn auch nur die Grundfläche eines Sandhaufens mit Wasser in Berührung kommt, das Aufsteigen des Öls in brennenden Dochten, etc. Versuche über C. haben vorzüglich Musschenbroek, Gay-Lussac, Brunner, Frankenheim angestellt; die gegenwärtig anerkannte Theorie der C. stammt von La Place.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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