Cavaignac

Cavaignac

Cavaignac (spr. Kawanjak), eine alte Patricierfamilie, die aus der Provence stammt u. später nach der Gascogne auswanderte; irische Blätter wollten das Geschlecht auf die alten Häuptlinge Kavangh von Borris zurückführen; 1) Jean Baptiste, geb. 1762 in Gordon (Departement Lot), war beim Ausbruch der Französischen Revolution Parlamentsadvocat in Toulouse, schloß sich der Bewegungspartei an, wurde 1792 in den Nationalconvent gewählt, stimmte für den Tod des Königs ohne Appellation u. Aufschub, gehörte nach dem Sturze Robespierres der gemäßigteren republikanischen Partei an, ging im Auftrag des Convents in die Provinzen u. zur Armee, wurde für seine Verdienste mit Generalsrang bekleidet, kehrte nach Paris zurück u. leitete die. bewaffnete Macht gegen die Aufstände der Bergpartei vom 20. Mai 1795 (1. Prairial des Jahres III) u. 5. Oct. 1795 (13. Vendemiaire des Jahres IV), am letzteren Tage im Verein mit Bonaparte. Während des Directoriums war er Mitglied des Rathes der Fünfhundert, Stadtzolleinnehmer u. zuletzt Lotterieverweser; unter dem Consulat ward er als außerordentlicher Generalcommissär nach dem arabischen Seeyasen Mascate gesandt, durch den Einfluß Englands dort jedoch nicht angenommen; er wurde 1806 unter König Joseph Domänenverwalter in Neapel, unter Murat Staatsrath, Commandeur des Ordens beider Sicilien u. Majoratsherr, dann aber von Napoleon nach Frankreich zurückberufen; vom Amnestiegesetz den 12. Jan. 1816 ausgeschlossen u. verbannt, wandte er sich nach Brüssel u. st. daselbst am 24. März 1829. 2) Godefroi, ältester Sohn des Vorigen, geb. 1801 in Paris, studirte die Rechte, war 1830 in den Vorderreihen der Julistreiter, erklärte sich als eifriger Republikaner nach der Erhebung des Herzogs von Orleans zum König gegen die neue Ordnung, wurde Capitain der Nationalgardeartillerie, nahm großen Antheil an den Aufständen im October u. December 1830, wurde verhaftet u. vor die Jury gestellt, aber freigesprochen. Als Mitglied des Vereines der Volksfreunde wurde er mit Ruspail u. Guinard mehrmals verhaftet, 1832 bei der förmlichen Schließung des Vereines abermals vor die Jury gestellt u. abermals freigesprochen. An die Stelle des aufgelösten Vereines der Volksfreunde trat nun der Verein für Menschenrechte, dessen Haupt C. wurde. Bei den Aprilunruhen in Lyon 1834 war er betheiligt. Nach dem Aufstande in Paris (ebenfalls April 1834) wurde er mit den übrigen Bundeshäuptern verhaftet, trat vor dem Pairshof als kühner Wortführer der Seinen auf, entzog sich aber der ihn erwartenden Verurtheilung am 13. Juli 1835 durch die Flucht nach England; er wurde 1839 amnestirt kehrte[775] aber erst 1811 nach Paris zurück, ergriff sogleich, wiewohl gemäßigter, wieder Opposition gegen die Regierung, gründete unter Louis Blanc's Einfluß die Réforme u. st. in Paris am 5. Mai 1845. Er schr: Cardinal Dubois, ou tout chemin mene à Rome. u. Une tuerie de Cosacques, scéne d'invasion. Par. 1831. 3) Eleonore Louis Eugène, Bruder des Vor., geb. 15. Oct. 1802 in Paris, trat 1820 in die Polytechnische Schule in Paris u. 1822 als Unterlieutenant in die Artillerieschule (Ecole d'application) in Metz, wurde 1824 Lieutenant beim zweiten Genieregiment, 1827 Oberlieutenant, 1828 Stabscapitain, machte als solcher die französische Expedition nach Griechenland mit, zeichnete sich bei der Einnahme des Schlosses von Morea aus, befand sich 1830 beim Ausbruch der Julirevolution in Garnison zu Arras, wo ihm von dem Theil der Besatzung, der zu Gunsten des Aufstandes nach Paris marschiren wollte, der Oberbefehl angeboten wurde; er wurde 1831 zur Disposition gestellt, weil er eine Volksadresse gegen die Friedenspolitik der Regierung unterzeichnet hatte, aber 1832 wieder in den activen Dienst berufen. Weil man seinen republikanischen Gesinnungen mißtraute, nach Algier gesandt, zeichnete er sich bei Oran (4. Juni 1833) aus, machte die Expedition unter. Marschall Clauzel nach Mascara mit, nahm an der Einnahme von Tlemcen (13. Jan. 1836) Theil u. hielt an der Spitze von 500 Freiwilligen die dortige Citadelle gegen die fortwährenden Angriffe der Araber, wurde 1837 Bataillonschef bei den Zuaven, blieb daselbst bis 1839, nahm dann aus Rücksicht auf seine zerrüttete Gesundheit einige Zeit Urlaub, wurde später auf ein Verlangen zweiter Commandeur der Zephiren, nahm an der Einnahme von Scherschell (15. März 1840) Theil u. vertheidigte dann diesen Platz zwölf Tage lang gegen eine große arabische Übermacht. Am 21. Juni d.i. Obristlieutenantgeworden, machte er den Feldzug gegen Medeah mit, wurde am 11. Aug. 1842 Obrist des Zuavenregiments, zeichnete sich bei den Kämpfen in der Metidja u. bei dem Treffen von El-Harburg aus, befehligte von 1843 an die Unterdivision Orleansville, erhielt 1844 den Grad eines Brigadegenerals u. die Unterdivision Tlemcen, wo er bis 1847 unausgesetzt gegen arabische Überfälle zu kämpfen hatte u. zugleich die Verwaltung pünktlich, streng u. unparteiisch führte. Ende 1847 besuchte er Paris, wurde nach seiner Rückkehr nach Afrika Commandant der Provinz Oran u. von der Provisorischen Regierung am 24. Febr. 1848 zum Divisionsgeneral u. Generalgouverneur von Algier ernannt. Das ihm am 20. März angebotene Kriegsministerium schlug er aus u. kehrte erst nach Paris zurück, als er, vom Departement Lot in die Constituirende Nationalversammlung gewählt, seinen Sitz dort einnahm (das Departement Seine hatte ihn gleichfalls gewählt). In Folge des Aufstandes vom 15. Mai wurde ihm das Kriegsministerium zum zweiten Male angeboten u. dies Mal von ihm angenommen; am 23. Mai erhielt er den Oberbefehl über die zum Schutze der Nationalversammlung bestimmten Truppen; beim Ausbruch des Arbeiteraufstandes vom 23. Juni übertrug die Nationalversammlung C. einstimmig die Militärdictatur. Mit einer seltenen Geistesgegenwart, Thatkraft u. Ausdauer überwältigte er nach viertägigem harten Kampfe den Aufstand, legte darauf sein Mandat in die Hände der Nationalversammlung nieder (28. Juni), schlug auch den ihm angebotenen Marschallsstab aus, übernahm jedoch die Stellung als Chef der Executivgewalt u. verantwortliches Staatsoberhaupt der Republik, bis zur definitiven Einsetzung eines Präsidenten. Er verwaltete diese Stellung mit großer Umsicht, Festigkeit u. Unparteilichkeit, stellte die äußere Ruhe u. Sicherheit wieder her u. enthielt sich gänzlich jeder Beeinflussung der Präsidentenwahl. Er unterlag bei derselben (10. Dec. 1848) mit etwas mehr als 11/2 Millionen Stimmen der Wahl Louis Napoleon Bonapartes; das Departement Lot wählte ihn wieder in die Gesetzgebende Versammlung, deren Mitglied er bis zum Staatsstreich vom 2. Dec. 1851 war; in der Nacht vom 2. Dec. wurde er verhaftet u. nach der Festung Ham gebracht, bald aber wieder, mit der Erlaubniß in Frankreich bleiben zu dürfen, entlassen. Bald nach dem Staatsstreich verheirathete er sich mit der Tochter des reichen Bankdirectors James Odier u. lebte dann als Privatmann, theils auf seinen Gütern, theils in Paris; 1857 vom dritten Arrondissement von Paris zum Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung gewählt, starb er plötzlich am 28. Oct. 1857 auf seinem Schlosse Ournes bei Flée im Departement Sarthe. Er schr.: De la régence d'Alger, note sur l'occupation, Par. 1839.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Cavaignac — can refer to several people:* Jean Baptiste Cavaignac (1762 1829) was a French politician ** His eldest son was Eleonore Louis Godefroi Cavaignac (1801 1845), politician ** His second son was Louis Eugène Cavaignac (1802 1857), general *** Louis… …   Wikipedia

  • Cavaignac — ist der Familienname folgender Personen: Godefroy Cavaignac (Journalist) (Éléonore Louis Godefroi Cavaignac; 1801–1845), französischer Journalist Godefroy Cavaignac (1853–1905), französischer Politiker Jean Baptiste Cavaignac (1762–1829),… …   Deutsch Wikipedia

  • Cavaignac — Surtout porté dans l Aveyron, le nom se rencontre aussi sous la forme Cavagnac. Il s agit d un toponyme : Cavaignac est un lieu dit à Privezac (12), mais on pensera surtout à la commune de Cavagnac (46) et à deux hameaux de l Aveyron appelés eux… …   Noms de famille

  • Cavaignac — (spr. kawanjack ), 1) Jean Baptiste, franz. General, geb. 1762 zu Gordon in der Gascogne, gest. 24. März 1829 in Brüssel, war 1789 Advokat beim Parlament zu Toulouse und wurde 1792 in den Konvent gewählt, wo er zu der gemäßigten Linken gehörte.… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Cavaignac — (spr. kawanjáck), Jean Baptiste, franz. Revolutionär, geb. 1762 zu Gordon, 1792 Konventsmitglied, 1795 Befehlshaber der Konventstruppen, dann Mitglied des Rats der Fünfhundert, 1806 in Neapel Domänenverwalter und Staatsrat; nach der Restauration… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Cavaignac [1] — Cavaignac (Cawanjak), Jean Baptiste, geb. 1762, Advocat, stimmte im Convente für den Tod des Königs, diente allen republikan. Regierungen, später Murat in Neapel, zurückgerufen dem Kaiser Napoleon, 1815 als Präfect im Depart. der Somme. Durch… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Cavaignac [2] — Cavaignac, Godefroy, ältester Sohn des Vorigen, geb. 1801, studierte Jurisprudenz, warf sich jedoch später ganz auf die Journalistik und Demagogie, kämpfte 1830 in den Julitagen, wirkte aber alsbald gegen das Bürgerkönigthum in seiner Stellung… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Cavaignac [3] — Cavaignac, Eugen Eleonore, Bruder des Vorigen, geb. 15. Oct. 1802 zu Paris, trat 1824 in den Militärdienst, wurde 1828 Hauptmann, war bei der Expedition nach Morea, erklärte sich 1830 zu Arras sogleich für die Julirevolution, unterzeichnete 1831… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Cavaignac — (Louis Eugène), (1802 1857) général français. Il participa à la conquête de l Algérie. Chef du gouv. de juin à déc. 1848, il dirigea la répression lors des journées de Juin. Il fut battu aux élections présidentielles par Louis Napoléon Bonaparte …   Encyclopédie Universelle

  • Cavaignac —   [kavɛ ɲak], Louis Eugène, französischer General und Politiker, * Paris 15. 10. 1802, ✝ Ournes (Département Sarthe) 28. 10. 1857; wurde nach der Februarrevolution 1848 Generalgouverneur von Algerien, im Mai Kriegsminister. Den Juniaufstand der… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”