Chinesische Sprache u. Schrift

Chinesische Sprache u. Schrift

Chinesische Sprache u. Schrift. Die Ch. S. gehört unter die einsylbigen u. flexiouslosen Sprachen, indem jedes einfache Wort nur aus einem Consonanten mit darauf folgendem reinen od. nasalen Vocal, zum Theil auch aus einem bloßen Vocal besteht. Der eigentliche Wortvorrath der Ch. S. besteht sonach in ungefähr 500 Sylben, deren Zahl durch die verschiedenen Accente, mit denen sie ausgesprochen werden, verdreifacht werden kann. Zwar sind aus 2 od. mehreren solchen Wurzeln zusammengesetzte Wörter nicht selten, indeß ist die Zahl der gleichlautenden, aber dem Sinn nach verschiedenen Wörter sehr bedeutend. So bedeutet z.B.: ĭ eins, auch, stark, Ruhe, schöpfen, Ende, Brust etc. Der hieraus entspringenden Undeutlichkeit wird im gemeinen Leben häufig durch Verbindung zweier Synonymen abgeholfen. Wenn z.B. táo für sich allein: führen, rauben, gelangen, bedecken, Weg etc. u. Weg, Edelstein, Thau etc. bedeutet, so kann doch táo-lú verbunden, nur die beiden gemeinsame Bedeutung: Weg, haben. Auch sind die einzelnen zum Theil sehr abweichenden Volksdialekte reicher an verschieden lautenden Wörtern, als die Sprache der Beamten u. Gebildeten (Kuan-hoa). Letztere hat folgende Anfangsconsonanten: k, t, tsch, p, ts (diese 5 weich u. hart, letzteren Falls gewöhnlich durch ein beigesetztes h bezeichnet), n, m, f, w, s, ss, sch (weich u. hart), y, h, l, ng u. örl (ein eigenthümlicher, zwischen l u. r innestehender Laut). Die auslautenden Vocale sind: a, e, ĕ, i, o, u, ü, an, en, in, ün, ang, eng, ing, ung, welche jedoch auch zu Diphthongen u. Triphthongen, wie ai, ao, iao etc. verbunden vorkommen. Es gibt 4 verschiedene Accente, welche von uns gewöhnlich durchChinesische Sprache u. Schrift u. ˇ, von den Chinesen, anders bezeichnet werden, s. u. Accent. Bei der gänzlichen Flexionslosigkeit der chinesischen Wörter kann man auch eigentlich von dem Vorhandensein der grammatischen Kategorien od. Redetheil ein der Ch. S. gar nicht sprechen; die meisten Wörter können bald als Substantiva, bald als Adjectiva, Verba od. selbst Partikeln gebraucht werden, so heißt baò gut, lieben, sehr; tse, Sohn, Kind, wird auch in der Bedeutung: Kinder lieben, u. als bloße Expletivpartikel gebraucht etc. Welchen Rang ein Wort in dem Satze einnimmt, hängt zunächst von der Stellung desselben ab; die Construction ist daher fest bestimmt u. höchst einfach. Jeder Satz beginnt mit dem Subject, es folgt dann das Verbum u. hierauf das Object. Jeder beschränkende od. bestimmende Ausdruck steht vor dem Worte, auf welches er sich bezieht; also das Adjectiv vor seinem Substantiv, der Genitiv vor dem Nominativ, das Adverbium vor dem Verbum, ebenso auch der Nebensatz vor dem Hauptsatz, die dem ganzen Satz angehörende Conjunction od. adverbiale Redensart zu Anfang des Satzes. So kann ohne alle Flexion der Wörter doch durch die Stellung derselben der Sinn deutlich ausgedrückt werden, wo dies aber noch nicht genügt od. Zweideutigkeiten vermieden werden sollen, hilft man sich durch gewisse Partikeln, welche die Stelle der Flexionen vertreten. So bezeichnet man das Subject durch od. tsche, den Genitiv durch tschi od. ti, den Dativ, Ablativ etc. durch Präpositionen, wie iü, hu, ì, den Plural durch Wörter, welche eine Menge od. Allgemeinheit ausdrücken, wie viele, tschúng alle etc., das Adjectiv durch tsche od. ti, das Adverb durch schân od. durch Verdoppelung des Wortes, z.B. hiün-hiün freudig, kiang-kiang muthig, sao-sao allmälig. Eben so werden beim Verbum die Tempora u. Modi durch hinzugefügte Partikeln bezeichnet, z.B. das Futurum durch tsiâng, das Präteritum durch thsêng, ì, liaò, das Participium durch tschè, das Passivum durch kiân etc. Alle diese Partikeln haben indeß ursprünglich eine volle Bedeutung gehabt u. sind erst nach u. nach zu leeren Wörtern (hiü-tsé) herabgesunken. Der mindere od. häufigere Gebrauch derselben unterscheidet vorzüglich die beiden Style od. Schreibarten, den Ku-wen (alte Schreibart) u. Wen-tschang (neue Schreibart), deren erstere die Partikeln sparsamer anwendet u. durch Kürze oft dunkel ist, während letztere sich mehr der Redeweise des gewöhnlichen Lebens anpaßt. Die Schrift der Chinesen zeichnet sich vor allen anderen dadurch aus, daß sie nicht eigentlich die Laute (Buchstaben od. Sylben), sondern lediglich die Begriffe bezeichnet. Die ersten Schriftzeichen waren rohe Bilder (Siang-hing) der zu bezeichnenden Gegenstände; die Zahl derselben hat 200 nicht überstiegen. Diese konnten nicht lange ausreichen; es wurden daher theils zwei od. mehrere derselben combinirt (hoéi-í), um einen neuen Begriff auszudrücken,[42] theils willkührliche Zeichen (tchì-ssé) eingeführt, theils durch veränderte Stellung der Zeichen (tschuàn-tschü) eine Veränderung ihrer Bedeutung angezeigt, theils den Zeichen concreter Dinge abstracte Bedeutung beigelegt (kià-tsiéi), theils eine Art phonetischer Zeichen (hing-sching) eingeführt, indem man das Zeichen für einen Gattungsbegriff mit einem Zeichen für ein anderes Wort verband, welches mit dem auszudrückenden Gegenstande gleichlautend ist. So wird z.B. das Zeichen für (Ort) mit dem Zeichen für Fisch zusammengesetzt, um den Fisch (Karpfen) auszudrücken. Unter diese 6 Klassen, deren letzte die bei Weitem zahlreichste ist, werden alle Schriftzeichen begriffen. Diese Schrift trägt wesentlich dazu bei, die durch die vielen gleichlautenden Wörter entstehenden Zweideutigkeiten zu heben, indem z.B. den obenerwähnten Wörtern ĭ, táo, lú in jeder ihrer verschiedenen Bedeutungen ein verschiedenes Zeichen entspricht. Die Chinesen haben schon frühzeitig diese Charaktere in Wörterbüchern gesammelt u. sie zu diesem Ende des bequemen Aufsuchens halber unter gewisse Schlüssel () geordnet. Der Erste, der dies gethan, war Hin-schin, Verfasser des Wörterbuches Schue-wen (121 n. Chr.), welcher 540 solche Schlüssel aufstellte, später wurden deren bald mehr bald weniger gewählt, bis Meitan in dem Wörterbuche Tse-wei (1616 n. Chr.) die jetzt gebräuchlichen 214 Schtüffel aufstellte. Als Schlüssel wird irgend ein zufällig hervorstechender Theil des Zeichens gewählt. Die vollständigsten Wörterbücher enthalten gegen 100,000 Zeichen. Indeß sind unter dieser Zahl eine Menge Varianten, veraltete Zeichen, Kunstausdrücke u. dgl., so daß der eigentliche Wortvorrath weit geringer ist. Wer einige tausend Charaktere kennt, ist im Stande, die klassischen, historischen u.a. Bücher ohne großen Anstoß zu lesen. Die Zeichen selbst haben im Verlauf der Zeit manche Änderung erfahren; aus den ersten Bildern entwickelte sich die aus steifen u. eckigen Zeichen bestehende Tschuanschrift; da diese aber zu schwierig zu zeichnen war, erfand man unter der Dynastie Han die Li od. Kanzleischrift, deren schwerfälliger Charakter in der heut zu Tage gewöhnlichen Schrift etwas gemildert worden ist. Die davon abgeleitete Cursivschrift, Khsao, wird nur zuweilen bei Vorreden od. bei Werken leichterer Gattung angewandt; wegen der darin leicht möglichen Zweideutigkeiten u. Irrthümer ist ihr Gebrauch in öffentlichen Acten verboten. Die Chinesen schreiben mit dem Pinsel, die Zeichen von oben nach unten, die Zeilen von der Rechten zur Linken an einander gereiht. Grammatiken der Ch. S. von Fourmont, Par. 1742, Morrison, Serampore 1815, Rémusat, Par. 1822, Premare, Malacca 1831, Endlicher, Wien 1845; Wörterbücher von Glemona, Par. 1813, Fol.; Morrison, Macao 1815–22, 6 Bde., Medhurst, Batav. 1842, 2 Bde. Von den Volksdialecten ist der von Tschin-tscheu in Bayers Museum sinicum, Petersb. 1730, u. der von Fu-kian in Medhurst's Hokkeen Dictionary, Macao 1832, bearbeitet. Der Anfang des Vaterunsers lautet: tsai thian ngo-teng fu tsche, ngo-teng yuan örl ming kian-sching, d.h.: bist im Himmel unser Vater welcher, wir wünschen deinen Namen heilig-sein.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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