England [1]

England [1]

England (Engelland, Anglia, nach den Angelsachen [s.d.] so genannt; französisch Angleterre), 1) (a. Geogr.), s. Britannia; 2) (n. Geogr.), bisweilen für Britisches Reich überhaupt, s. Großbritannien; 3) Theil von Großbritannien, im N an Schottland grenzend, im O. von der Nordsee, im S. vom Kanal la Manche, im W. vom At. lantischen Ocean, St. Georgskanal u. dem Irischen Meere (Theile des Atlantischen Oceans) umflossen; begreift den südlichen Theil der Insel Britannia od. das eigentliche E. u. das Fürstenthum Wales, ferner die Inseln Anglesea, Man, Wight, die Scilly-Inseln u. die an der französischen Küste liegenden, sogenannten Normannischen Inseln (Jersey, Guernsey, Alderney [franz. Aurigny], Sercq [Serk, Sark], Herm u. Jethou) mit insgesammt 2735 QM. u. (nach dem Census vom 7 Juni 1851) 18,066,684 meist protestantischen Einwohnern. 4) Das eigentliche E., Königreich im S. der genannten Insel, im N. an Schottland, im W. theilweis an Wales grenzend, übrigens von den oben genannten Meeren umflossen, 2373,07 QM. Im O. flach u. an den Küsten theilweis morastig (namentlich an der Mündung des Humber u. am Washbusen), im S. haidig (namentlich in Dorsetshire), im W. u. N. gebirgig; im Allgemeinen herrscht die Ebene vor (1700 QM. Tiefland). Das englische Gebirgssystem hat seinen Mittelpunkt durch. das Meer (im Nordkanal) verloren; es sind nur noch die strahlenförmig von der frühern Centralgruppe auslaufenden Zweige vorhanden. Die Ebene befin[701] der sich im Allgemeinen mehr im O., das Gebirge mehr im W.; die Gebirge bilden durchbrochene, isolirte Massen, indem das Tiefland an mehreren Stellen bis an die Westküste hervortritt. Gegen Norden dehnen sich die Gebirge immer mehr nach Osten aus, bis sie endlich die ganze Breite der Insel einnehmen. Das Tiefland E-s bildet nur im S. ein größeres zusammenhängendes Ganze, ist aber auch da fast überall von schwachen Hügelreihen durchzogen, so daß eigentliche große Ebenen in E. gänzlich fehlen. Der Boden desselben besteht aus Fels, der mit Humus bedeckt ist, aber oft plötzlich zu Tage kommt; nur die Ostküsten bilden eigentliche Niederungen, Marschen, Moor- u. Sandflächen. Drei Niveauerhöhungen durchziehen die Ebenen vom Cornischen Berglande aus: die eine nach O. längs der Küste des Kanals bis zum Pas de Calais, dieser die steilen Felswände verleihend; die 2. nach ONO. auf der Wasserscheide der Themse u. Ouse; die 3. nach NO., ohne eine eigentliche Wasserscheide zu bilden, bis zum Humber. An 3 Stellen tritt das Tiefland bis an die Westküste, an der Severn- u. der Merseymündung, u. am Solwaybusen. Diese Einsenkungen theilen das englische Gebirgsland in 3 nur durch schwache Hügelzüge verbundene Abschnitte: das Bergland von Cornwall od. die Cornisch-Devonschen Berge, wellenförmig, vielfach durchbrochen, rauh, vegetations- u. waldarm, aber sehr metallreich (höchste Spitzen: Brown Willy 1300 F., Dartmoor 1450 F., Dunkery-Beacon 1582 F., Cawsand-Beacon 1680 F.); von Dartmoor aus verflacht sich dieser Gebirgszug nach O. zu immer mehr, Hügelketten (Downs genannt) bildend; an der südlichen Ostküste Kreideberge (daher der Name Englands: Albion); das Hochland von Wales, eine unfruchtbare, kahle, wildzerklüftete u. darum an romantischen Naturschönheiten reiche Plateaumasse höchste Spitze: (Snowdon 3410 F.); das Bergland von Cumberland od. die Cambrische Gebirgsgruppe, wild u. zerrissen, reich an romantischen Thälern, Bergseen u. Waldungen (höchste Spitzen: Scawfell-Peak 3533 F., Skiddaw 3166 F., Carrock 2124 F.). Von diesen 3 Gebirgszügen fast gänzlich getrenntist das Peakgebirge od. die Peninische Bergkette (Penine Range), die Hauptwasserscheide der Nordsee u. des Irischen Meeres, von S. nach N. die Grafschaften Derby, York, die östlichen Theile von Westmore- u. Cumberland u. die Grafschaften Durham u. Northumberland bis zum Cheviotgebirge an der Grenze Schottlands durchziehend, theils aus Kalk, theils aus Granit, Schiefer u. Grauwacke bestehend, rauh, felsig, voll Schluchten u. Höhlen, reich an Steinkohlen, mit steilem Abfall u. allmäliger Verflachung nach O. Das Peakgebirge zerfällt in folgende Theile: der High-Peak (in Derbyshire, mit ungefähr 40 Gipfeln von 1700 bis 1800 F. Höhe, reich an Metallen u. Höhlen); die Yorkshire-Hills in Yorkshire u. den östlichen Theilen von Westmoreland u. Cumberland, rauh u. kahl, schroffe Kämme, zahlreiche Schluchten, Höhlen u. Quellen; höchste Gipfel [Peaks od. Fells genannt]: Great Wharnside [der höchste Berg E-s] 3760 F., Ingleborough 3752 F. (mit prachtvoller Aussicht nach der Nordsee u. dem Irischen Meer), Penygant 3740 F. [sämmtlich in Yorkshire], Croßfell [in Cumberland] 3170 Fuß), sich nordöstlich nach Turham u. Northumberland verzweigend, aber dort von geringerer Höhe; hierauf ein von der Nordseeküste bis zum Solwaybusen sich erstreckendes, einst gegen N. durch den Pictenwall abgeschlossenes Tiefland, jenseit dessen sich das Cheviotgebirge, die Grenze gegen Schottland bildend u. sich östlich nach Northumberland erstreckend, hinzieht; auf der südlichen (englischen Seite) einförmig, plateauartig mit engen Schluchten u. Haiden; einige Gipfel von ungefähr. 2000 F. Höhe Flüsse: E. besitzt an 50 (theils von Natur, theila durch Kunst) schiffbare Flüsse (erstere Rivers, letztere Navigations genannt). Sie haben zwar nur einen kurzen Lauf, u. ihre Gebiete stehen an Größe denen des Continents nicht gleich, sie nähern sich aber denselben durch ihre große Verzweigung, den Mangel an größeren Seen u. Wasserfällen. Sie münden meist in weite Buchten u. Meeresarme, versanden wegen ihres kurzen Laufes u. der ungestümen Bewegung der Meere ihre Mündungen sehr wenig, sind tief, wasserreich, selten von Felsen eingeengt, u. lassen wegen ihres geringen Gefälles eine weite Binnenschifffahrt zu, welche durch die bis weit hinaufsteigende Meeresfluth außerordentlich begünstigt wird. Die Gesammtlänge der schiffbaren Flüsse E-s beträgt 2100 englische (4561/2 deutsche) Meilen. Die bedeutendsten sind: die Themse (Thames). 52 Ml. lang, 44 Ml. schiffbar, 236 Ml. Stromgebiet; Humber (aus der Vereinigung von Trent u. Ouse), östliche Ouse (Great Ouse) u. Neu, Medway, Stour, Wear, Tees, Tyne (sämmtlich zur Nordsee); Little Ouse u. Avon (Southern Avon), beide zum Kanal la Manche; Avon (Lower Avon) u. Sowern od. Severn (beide zum Bristolkanal des Atlantischen Oceans); Dee u. Mersey (beide zum Irischen Meer); kleinere Flüsse u. Bäche insgesammt über 500. Nur wenig Seen u. auch diese nur von geringer Ausdehnung, aber berühmt wegen ihrer malerischen Umgebungen; die bedeutendsten finden sich in den Cambrischen Gebirgen: Windermere od. Winandermere (der größte See E-s, an der Grenze der Grafschaften Westmoreland u. Lancashire, auf ihm zahlreiche kleine Inseln), Derwentwater, Ulleswater (Ulleslake), Bassenthwaitewater, Ennerdalewater u. m. a. (sämmtlich in Cumberland, daher Cumberlandseen genannt). Die Küsten haben eine große Menge Buchten u. Busen u. zahlreiche treffliche Häfen, von denen namentlich die der Ostküste sturmfrei sind. Die bedeutendsten Buchten: der Wash (Nordsee), Bristolkanal (Atlantischer Ocean), Morecambbai u. Solwaybusen (Irisches Meer); die besten Häfen: Portsmouth u. Plymouth (beide im Kanal la Manche). Vorgebirge: Flamborough-Head, Spurn-Head, NForeland, SForeland (an der Nordsee), Beachy-Head, Selsea, St. Albans-Head, Start-Point, Bolt-Head, Lizard (am Kanal la Manche), Lands End, Trevose-Head, Hartlands-Point (am Atlantischen-Ocean), Rossall-Point, St. Bees-Head (am Irischen Meere). Der Boden E-s ist, bis auf die Felsen des Berglandes, Haiden u. Moore, im Allgemeinen als sehr fruchtbar zu bezeichnen u. eignet sich eben so zum Ackerbau als zur Viehzucht; längs der Flüsse schöne Wiesen, längs der Hügelketten Ackerland; Getreide (vorzugsweise Weizen), im O. mehr als im W. Das Klima E-s ist oceanisch, gemäßigt, häufig wechselnd, charakterisirt durch frühes Keimen u. spätes Reisen. Der Unterschied zwischen den Jahreszeiten im Allgemeinen nicht so[702] groß als auf dem Continent, die Sommer kühl, die Winter mild; die Wiesen daher immer grün, so daß das Vieh auch im Winter ausgetrieben werden kann. Die Luft ist stets feucht u. mild, selten anhaltender Sonnenschein, häufige Nebel (in London durchschnittlich jährlich 34 Nebeltage). Die mittlere Temperatur bis zu 1000 F. über der Meeresfläche im kältesten Monat nicht unter 0° R., die mittlere Temperatur des wärmsten nicht über 14° R. (in London fällt das Thermometer nie unter – 10° R. u. steigt nie über + 18° R.). Schnee u. Frost selten (durchschnittlich 20 Schnee- u. Frosttage in London; die Themse friert nur in wenigen Wintern). Vorherrschend sind die Westwinde, daher die Westseite mehr Regen hat als die Ostseite (im W. durchschnittlich 178, im O. durchschnittlich 153 Regentage), mittlere Regenmenge im Durchschnitt jährlich 28 bis 30 Zoll. Das Klima ist im Allgemeinen als der körperlichen Gesundheit zuträglich zu bezeichnen, u. man schreibt demselben auch hauptsächlich die kräftige Constitution der Männer u. die schöne Hautfarbe (namentlich der Frauen), andererseits aber auch die häufigen Gemüthskrankheiten (Spleen, Selbstmord) zu. Eine auffallende Erscheinung ist die große Anzahl der jährlich in E. an der Schwindsucht Sterbenden; ein Verhältniß, wie in keinem Lande des Europäischen Continents.

Producte: Mineralreichthum namentlich in den nördlichen u. westlichen Grafschaften sehr groß, daher auch der Bergbau dort eifrig betrieben wird. Silber (früher häufiger, namentlich in Wales), Zinn (sehr ergiebig, das beste in ganz Europa, schon in den ältesten Zeiten gesucht, vorzugsweise in Cornwall u. Devonshire), Kupfer (in Cornwall, Stafford- u. Devonshire), Blei (in Derbyshire, Cumberland u. Northumberland), Eisen (in sehr großer Menge u. Güte, namentlich in Stafford, Shrop, York, Derby u. Monmouth), Zink, Galmey, Antimon, Kobalt, Alaun, Vitriol u. Schwefel, Graphit (Reißblei u. Wasserblei [aus dem die berühmten englischen Bleistifte gefertigt werden], am besten zu Borrowdale in Cumberland), Steinkohlen (durchschnittlich einen jährlichen Gesammtertrag von 25 Mill. Tonnen od. 500 Mill. Centner, wovon 1850 allein 3,347,607 Tonnen im Werth von 1,280,341 Pfd. Sterl. ausgeführt wurden; die größten Steinkohlenlager [Coalfields] finden sich in Durham u. Northumberland [344 QM.], ferner in Lancashire; im Ganzen hat E. über 100 Steinkohlengruben mit einem Betrieb von mehr als 10 Mill. Pfd. Sterl.); ferner Achat, Amethyst, Porzellanerde, Töpferthon, Walker- u. Pfeifenerde, Kreide, Marmor, Alabaster, Granit, Porphyr, Schiefer, Bausteine, Steinsalz (in großer Menge, die bedeutendsten Lager in Cheshire, die größte Saline zu Droitwich in Worcester. E. producirt 25 Proc. des gesammten europäischen Salzes). Mineralquellen sehr verbreitet; die bedeutendsten (zugleich Bäder) in Bath, Brighton, Bristol, Cheltenham, Buxton, Matlock, Malvern, Tumbridge, Sarborough u. Harrowgate. Die Flora E-s ist von der des mittleren Europa im Allgemeinen wenig verschieden, mindestens hat sie keine eigenthümlichen Gattungen aufzuweisen, dagegen bewirkt das Klima eigenthümliche Verhältnisse. Unter dem Einflusse der Seeluft grünen u. blühen im Freien südeuropäische Pflanzen (Citrone, Orange, Cypresse, Myrthe), ja selbst die Theestaude, so wie eine Menge Zierpflanzen der warmen Länder (letztere dauern sogar zum größten Theil im Winter aus); dagegen tragen sie keine Früchte u. selbst der Wein kommt aus Mangel an der nöthigen Sommerwärme in E. fast nie zur Reise. Getreide verschiedenster Art in ziemlicher Menge, namentlich Gerste u. Weizen von vorzüglicher Güte (in guten Jahren bedarf E. keiner Getreideeinfuhr), ebenso Kartoffeln, Hopfen, Gemüse etc. An Holz ist Mangel (muß als Brennmaterial durch Steinkohlen ersetzt werden); die früher nicht unbedeutenden Waldungen sind bis auf die Eichenwälder in Sussex fast gänzlich ausgerodet; Tang u. Farbemoose häufig. Das Thierreich zeigt ebenfalls keine besonderen Gattungen. Die großen Raubthiere (Bär u. Wolf) sind längst ausgerottet, Wild überhaupt sehr selten (Füchse werden vom Continent zur Hetze verschrieben); dagegen Rindvieh, Schafe (s. unten) in großer Menge, ebenso Fische u. Austern (letztere bes. an der Küste von Kent u. Sussex, bei Colchester in Essex u. an der Insel Jersey).

Die Bevölkerung E-s hat sich seit dem Anfang dieses Jahrhundert (Census von 1801: 8,331,434 Ew.) mehr als verdoppelt u. betrug nach dem Census vom 7. Juni 1851: 16,733,937 Ew. (E. allein ohne Wales). Sie ist zum größten Theil germanischen Ursprungs u. besteht außer den Abkömmlingen der Ureinwohner (Gaelen, Celten) u. Nachkommen der Römer, in Angeln, Sachsen, Jüten u. Normannen, die nach einander E. eroberten u. aus deren verschiedenen Sprachen die Englische Sprache (s.d.) entstanden ist Aus der Inselnatur E-s als eines natürlichen abgeschlossenen Ganzen ergeben sich die Eigenthümlichkeiten seines Charakters, der sich zunächst in der Abhängigkeit vom Continente u. in dem Mangel eigenthümlicher Producte ausspricht. So erhielt E. nicht nur den größten Theil seiner Pflanzen- u. Thierwelt u. seiner Bewohner von dorther, sondern es verdankt auch seine Institutionen, den größten Theil der Erfindungen, welche die Grundlage seiner Wohlhabenheit u. Macht bilden, ja fast seine gesammte Cultur dem Continent. Den Mittelstand u. später die Dynastie erhielt es aus dem nordwestlichen Deutschland, den Adel aus Norwegen u. Frankreich, die politische Verfassung aus Deutschland, das Christenthum aus Italien, die schönen Künste aus Frankreich, das Pulver, die Buchdrucker- u. Holzschneidekunst, den Steindruck u. Kupferstich aus Deutschland, das Walken, Färben u. Weben der Wolle aus Flandern, die Seidenweberei u. den Zeugdruck aus Frankreich, den Schiffsbau u. Handel, sowie den Eifer für Seeunternehmungen aus Holland. Allein mit der Abhängigkeit vom Continent verbindet E. wie alle Inseln die Eigenthümlichkeit der Abschließung u. unabhängigen Entwickelung des Empfangenen, denn die See erschwerte spätere Invasionen. Diese Isolirung, welche das Zerfallen hinderte, der Drang zum Aneinanderhalten, durch den Kampf gegen die Ureinwohner hervorgerufen, die Frische u. Bildsamkeit der Einwanderer verschmolz das englische Volk zu einem compacten Ganzen. Die Natur des Ganzen u. seines oceanischen Klimas, die steten Nebel u. die fortwährenden Kämpfe mit dem stürmischen Meer, das eigenthümliche, durch die Isolirung des Landes bedingte Staatsleben, später der Einfluß des Welthandels, dieses alles verlieh dem englischen Volke einen durch alle Individuen gehen[703] den stark ausgeprägten Charakter; das Zarte des Germanischen, die Gemüthlichkeit, Phantasie, Leutseligkeit u. Freundlichkeit verschwand, das Kräftige u. Kernige, zum Theil erhöht, die Trene u. Zuverlässigkeit blieb. Der Engländer ist kräftig, gedrungen, blutreich, kühn, tapfer, düster, stolz, edel denkend, abgeschlossen, klug berechnend u. bis zu einem gewissen Grade egoistisch, anhänglich an die Eigenthümlichkeiten, den Comfort, die Sitten, Gebräuche, Vorurtheile seiner Heimath, ausgezeichnet durch großartigen Gemeingeist u. politischen Freiheitsinn. So Großes die Engländer auch in einzelnen Zweigen der Wissenschaften u. Literatur (s. Englische Literatur), weniger in den Künsten (s. Englische Kunst), geleistet haben, so ist ihre Hauptthätigkeit doch bes. auf das Unmittelbare u. Praktische gerichtet, u. dieser Eigenthümlichkeit verdankt E. den bedutenden Vorsprung, den es in Staatsleben, Handel, Schifffahrt, Landwirthschaft u. Industrie vor den übrigen Nationen der Welt hat. Der Engländer ist stets ein Ganzes, nie ein Theil, er ist häufig einseitig, aber nie ein Nachahmer.

Staatsverfassung: eine erbliche, constitutionelle Monarchie (s. Großbritannien). Herrschende Kirche: die Anglikanische (Episkopal- od. Hoch-) Kirche (s. Anglikanische Kirche), zu welcher sich die regierende Familie u. die hohen Staatsbeamten der Verfassung nach bekennen müssen; doch werden alle Religionen u. Bekenntnisse geduldet. Die Römisch-katholische Kirche hat einen Erzbischof (gesetzlich besteht dieser Titel nicht) u. 4 Generalvicare. Die Wissenchaften sind in England weit mehr Gemeingut als auf dem Continent, allein die Einrichtung der höhern u. niederen Unterrichtsanstalten ist noch ziemlich mangelhaft; namentlich hindert der theologische Einfluß eine freie, lebendige Gestaltung. Die Behandlung der Wissenschaften ist bei den Charaktereigenthümlichkeiten der Nation nur einseitig geblieben; der vorherrschende Scharfsinn des Verstandes leitete sie vorzugsweise auf Beobachtung des Vorhandenen u. seines unmittelbaren Zusammenhanges; in der Medicin, Jurisprudenz u. Philologie herrschen daher Empirie u. Compilation vor. In den Naturwissenschaften u. der Anwendung auf Mechanik u. Technik haben die Engländer Großes geleistet, wogegen sie in neuerer Zeit in der Mathematik zurückgeblieben sind. Nur in den Staatswissenschaften haben sie vermöge ihrer politischen Entwickelung auch speculativ gearbeitet, doch neigen sie sich auch hier mehr der praktischen Seite des Lebens zu; hiermit hängen ihre bedeutenden Leistungen in der Geschichtsforschung u. Geschichtsschreibung zusammen. An höheren Unterrichtsanstalten besitzt E. die beiden Landesuniversitäten zu Cambridge u. Oxford (s. b.) u. eine auf Privatkosten (Actien) gegründete, am 1. October 1828 eröffnete, nach dem Muster der deutschen gebildete Universität zu London (s.d.). Auch die Vorbereitungsanstalten (Grammar schools od. Colleges, ungefähr unsern Gymnasien entsprechend; die bedeutendsten zu Eton, Westminster, Canterbury, Harrow, Winchester u.a.) sind Privatanstalten. Elementarschulen sind theils Privat-, theils Freischulen ohne Aufsicht des Staates; der Unterricht geschieht größtentheils nach der Lancastermethode (s.d.); auch giebt es eine große Anzahl Sonntagsschulen (das Nähere über den Unterricht s.u. Großbritannien). Andere wissenschaftliche Anstalten sind Gelehrte Gesellschaften (in sehr großer Anzahl u. der verschiedensten Art, die bedeutendste die Royal Society of London), viele Bibliotheken, naturwissenschaftliche Sammlungen, Museen, Botanische Gärten, Sternwarten (die bedeutendste zu Greenwich), Akademien etc., ferner eine große Menge von Bibelgesellschaften. Unter den schönen Künsten stehen oben an Beredtsamkeit u. Poesie, in letzter wieder das Drama u. der Roman. Die bildenden Künste haben, mit Ausnahme der Genremalerei, nichts Ausgezeichnetes geleistet. Gemäldegallerien (namentlich Privatsammlungen des reichen Adels) gibt es in großer Menge.

Politische Eintheilung in 40 Counties (Grafschaften) od. Shires: Middlesex mit der Hauptstadt London), Essex, Suffolk, Norfolk, Cambridge, Hertfort (Herts), Buckingham (Bucks), Oxford, Gloucester (Gloster), Monmouth, Hereford, Worcester, Warwick, Northampton, Bedford (Beds), Huntingdon, Rutland, Leicester, Stafford, Shrop (Salop), Chester (Cheshire), Derby, Nottingham, Lincoln, York, Lancaster (Lancashire), Durham, Northumberland, Cumberland, Westmoreland, Kent, Sussex, Surrey, Berks, Hampshire, (Hants od. Southampton), Devon, Somerset, Wiltshire (Wilts), Dorset u. Cornwall (mit den dazu gehörigen Scilly-Inseln); Hauptstadt: London. Hauptbeschäftigung ist in den südlichen u. südöstlichen Grafschaften Ackerbau (s. Englische Landwirthschaft), Gartenbau u. Viehzucht, in den westlichen Bergbau u. Industrie. Die Viehzucht liefert Pferde, bes. Renner, treffliches Rindvieh, bes. Mastvieh, sehr gute Schafe (mit ausgezeichneter Wolle), Schweine, insgesammt zwischen 30 u. 40 Mill. Stück jährlich; auch die Hunde (Doggen) sind ausgezeichnet. Bergbau, s. oben Mineralreichthum. Die Industrie E-s, begünstigt durch Capitalreichthum seiner Bewohner, wie durch die Freiheit der bürgerlichen Gesetzgebung. ist die bedeutendste der Welt. Das Maschinenwesen, in keinem andern Staate so ausgebildet, erspart theuere Handarbeit u. hindert andere Nationen, mit E. zu concurriren. Obenan steht die Baumwollenmanufactur, welche ihren Hauptsitz in Lancashire (namentlich in Manchester) u. sich bes. seit Einführung der Dampfspinnmaschine u. des Dampfwebstuhls außerordentlich entwickelt hat. Die Wollenmanufactur bes. im Westriding von Yorkshire (namentlich in Leeds), in Bradford, Huddersfield, Halifax, Norwich, Colchester u. Ipswich. Seidenmanufactur in Spitalfields, Coventry, Macclesfield, Nottingham u. Manchester. Leinenmanufactur in Preston, Leeds, Exeter, Bridport u. Sherburne. Steingut-, Fayence- u. Porzellanfabrikation in Stafford, Dorsetshire u. Devonshire. Glasfabrikation in London u. Liverpool. Leder u. Lederwaaren in London, Liverpool u. den Grafschaften Devon, Somerset u. Warwick. Metallwaaren (welche man, nebst den Baumwollenwaaren, in Deutschland vorzugsweise als Englische Waaren bezeichnet, u. wovon die Hälfte ausgeführt werden) in großer Menge. Am bedeutendsten die Eisenwaarenfabrikation, die ihren Hauptsitz in Birmingham, Wolverhampton u. Sheffield mit Umgegend hat; in Sheffield namentlich Stahl u. Stahlwaaren; in Birmingham Stahlfedern, [704] Nadeln, Nägel, Gewehre. Außerdem giebt es in Birmingham u. Wolverhampton große Cisengießereien, sowie in Manchester Fabriken für Dampfmaschinen u. Locomotiven. Messing-, Zinn- u. Kupferwaaren in Birmingham u. Sheffield, die feineren Artikel in London. Papierfabrikation (das englische Papier gilt für das beste der Welt u. wird überall hin ausgeführt) fast über ganz E. ausgebreitet; in seinen Papieren ist Maidstone (Grafschaft Kent) berühmt. Brauerei bes. in London. Schiffsbau hauptsächlich in Sunderland (Grafschaft Durham), Deptford (Grafschaft Kent), Blackwell (Grafschaft Middlesex), Woolwich (Grafschaft Kent), Newcastle upon Tyne, Shields (Grafschaft Northumberland) u. London (hier bes. eiserne Schiffe). Das Nähere über das gesammte Industriewesen s.u. Großbritannien. Ebenso übertrifft E. in Handel u. Schifffahrt alle übrige Nationen; Haupteinfuhrartikel sind Wein, Schiffsbauholz, Breter, Flachs, Seide, Baumwolle, Thee, Südfrüchte; Ausfuhrartikel die verschiedenen oben genannten Fabrikate (das Nähere s. Großbritannien). Banken besitzt E. eine privilegirte Bank (die Bank von England in London, mit mehreren Filialbänken), außerdem noch mehrere Land- (Provinzial-, Privat-) Banken u. eine Anzahl Joint Stock Banks (s. Bank II. F) f). Assecuranz- u. Handelsgesellschaften giebt es in großer Menge u. der verschiedensten Art. Die Handelsgesetze sind vortrefflich, obgleich es einen allgemeinen Handelscodex nicht gibt. Eine der Hauptursachen der Blüthe des englischen Handels ist die Navigationsacte (s.d.) von 1651. Der Common law court entscheidet über kaufmännische Rechtsfälle nach den Grundsätzen des allgemeinen Völker- u. Seerechts. Das höchste Handelscollegium ist das Board of council for trade and foreign plantations in London. Die bedeutendsten Seehandelsstädte sind London, Liverpool (namentlich für Nordamerika), Hull od. Kingston upon Hull (Haupthafen der Westküste zum Verkehr mit den Häfen der Nord- u. Ostsee, bes. Norwegen u. den Hausestädten); Southhampton (Haupthafen für Frankreich u. Station der Dampfschiffe nach den Vereinigten Staaten, Westindien, Spanien u. dem Mittelmeere); Bristol, Newcastle upon Tyne, Stockton u. Plymouth. In Beziehung auf die Verkehrs- u. Beförderungsmittel des Binnenlandes zeichnet sich E. gleichfalls vor allen andern Ländern der Erde aus. Ganz E. ist nach allen Richtungen hin von Eisenbahnen durchschnitten, alle Städte von einiger Bedeutung, Hafen- u. Fabrikplätze sind durch dieselben mit einander verbunden. Hauptknotenpunkte sind im SO. London, im NW. Liverpool u. Manchester, im NO. Newcastle. Im Januar 1858 waren in E. 198 Eisenbahnlinien mit einer Gesammtlänge von 9700 englischen (od. 2100 deutschen) Ml., einem durchschnittlichen Kostenpreise (Capitalanlage) von 40,289 Pfd. Sterl. pro englische Meile (d.i. ungefähr 1,300,000 Thlr. pro deutsche Ml.) u. (im Jahre 1857) einer durchschnittlichen Dividende von 3,12 Proc. Sämmtliche Eisenbahnen sind Privat-, d.h. Actienbahnen; man fährt auf denselben die deutsche Meile in 8 Minuten, also fast doppelt so schnell als in Deutschland; vgl. Eisenbahnen. Die meisten englischen Eisenbahnen haben doppeltes Geleise u. sind mit Elektrischen Telegraphen versehen, welche London mit fast allen Punkten E-s verbinden- u. unter einer besonderen Gesellschaft, der Electric Telegraph Company in London stehen. Ebenso ist E. auch durch Telegraphen zweimal (seit September 1851 über Calais, seit October 1853 über Haag) mit dem Continent verbunden. An Kanälen besitzt E. über 500 deutsche Meilen mit einem Kostenpreis von 30 Mill. Pfd. Sterl.; dieselben verbinden die Flußgebiete der Ost- u. Westküste u. das ganze Netz ist so ausgezeichnet organisirt, daß in ganz E. kein Ort weiter als 31/2 Meile von einer Wasserstraße entfernt liegt. Die 3 Hauptvereinigungspunkte sind London, Birmingham u. Manchester, welche wieder mit den Seestädten Liverpool, Bristol, Hull etc. in Verbindung stehen. Die bedeutendsten Kanäle sind: der Grand-Trunk od. Trentand-Mersey-Canal (201/2 Ml.) mit dem Oxford-Canal (20 Ml.) verbunden, Grand-Junction-Canal (191/2 Ml.), Caledonische Canal (s.d.), Bridgewater-Canal (s.d.), Leeds-and-Liverpool-Canal (27 Ml.), Themse-Savern-Canal, Ellesmere-Canal (aus dem Mersey, 2 Ml. von Liverpool nach Chester u. Shrewsbury in den Savern führend). Sämmtliche Kanäle sind, mit Ausnahme des Caledonischen, auf Privatkosten erbaut. Die Landstraßen sind entweder öffentliche, von den Gemeinden unterhaltene (Highways), od. von autorisirten, mit Zollerhebung berechtigten Privatgesellschaften (Trusts) angelegte (Turnpike roads); die ersteren betragen ungefähr 20,000, die letzteren ungefähr 4000 deutsche Meil. Über Verfassung, Vertretung des Volkes durchs Parlament, Rechtsverfassung, Finanzwesen, Handelsstatistik, britische Zustände, Armee, Flotte, Flagge, Nationalfarben, Wappen, Orden, Colonien, Münzen, Maße, Gewichte, so wie überhaupt über alles das, was auf das Gesammtreich Bezug hat, s. Großbritannien. Vgl. Britton, Braylay u. A., Beauties of E. and Wales, Lond. 1801–16., 25 Bde.; Conybeare u. Phillips, Outlines of the Geology of E. and Wales, Lond. 1822; Stael-Holstein, Lettres sur l'Angleterre, deutsch von Scheidler, Jena 1825; E. von Raumer, E. im J. 1835, 2 Bde., Lpz. 1836; Meidinger, E. u. Wales in geognostischer u. hydrographischer Beziehung, Frankf. 1844; Seyffarth, E. u. Wales mit ihren Bewohnern, Stuttg. 1851; Blacks picturesque tourist trough E. and Wales, Edinburgh 1857.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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