Eskĭmos

Eskĭmos

Eskĭmos (Esquimaux, vom Algonkinworte Eskimantick od. Eshkimai, d.i. Rohe-Fisch-Esser), 1) ursprünglich Name, welchen die Abenakis ihren nördlichen Nachbarn an den Küsten von Labrador beilegten; jetzt 2) allgemeine Bezeichnung eines Volksstammes auf den Arktischen Küsten u. in den Polarländern Nordamerikas; die gesammte einheimische Bevölkerung Grönlands, des Bassin-Parry-Archipels, der Nord- u. Ostküste von Labrador, der Westküste der Hudsonsbai, der Insel (Halbinsel) Melville, der ganzen Nordküste des Amerikanischen Continents bis zum Eiscap u. der Nord- u. Nordwestküste des Russischen Nordamerikas bis zur Halbinsel Alaschka. Die E-s weichen in physischer Constitution u. Bildung so von den übrigen Ureinwohnern Nordamerikas ab, daß es zweifelhaft erscheint, ob sie zur amerikanischen Race gehören; einige Naturforscher bezeichneten sie als zur mongolischen Race gehörig (Morton hält sie für Mischlinge, u. nennt sie Mongol-Amerikaner), andere (wie Gallatin u. Prichard) dagegen als zur amerikanischen Race gehörig u. nur durch Einflüsse des Klimas, der Nahrungsmittel etc. herabgekommen. Für erstere Meinung spricht ihr Schädelbau, für letztere die Ähnlichkeit der Eskimosprache mit denen verschiedener amerikanischer Indianerstämme. Die E-s gehören zu den kleinsten Völkern der Erde; mittlere Durchschnittsgröße der Männer ist im W. 51/2 Fuß, im O. nur etwas über 5 Fuß, der Frauen 43/4, resp. 41/4 Fuss. Die Gestalt ist untersetzt; der Kopf rund[893] u. unverhältnißmäßig groß; Gesicht breit u. platt; Augen ausdruckslos; Backen dick u. vorstehend; Nase klein u. eingedrückt; Unterlippe dick; Haare schwarz, lang u. straff; Rumpf dick; Beine dünn; Hände u. Füße sehr klein; Finger kurz; Haut durch Unreinlichkeit dunkler als sie ursprünglich ist, von unangenehmer Kälte u. Fettigkeit; Fleisch weich u. schlaff; der ganze E. nach Thran riechend. Von Charakter sind sie gutmüthig, ehrlich, offenherzig, heiter, verträglich, gastfrei gegen die Europäer, genügsam, unerschrocken, dabei aber außerordentlich träge u. indolent, eitel u. in hohem Grade von sich eingenommen. Sich selbst nennen sie Innuits (d.i. Männer, menschliche Wesen) zum Unterschiede von den Europäern, welche sie als Kabluuás (d.i. Fremdlinge) bezeichnen. Verbrechen, Streit u. Zank sind Seltenheiten bei ihnen. Ihre Kleidung besteht aus Rock mit Kapuze, Hosen u. sehr weiten Stiefeln; sämmtliche Kleidungsstücke aus doppelten Seehundsfellen gefertigt, deren inneres die Haare nach innen, das äußere dieselben nach außen gekehrt hat, sind bei Männern u. Frauen ziemlich gleich. Die Männer tragen die Haare kurz, die Frauen in einen Knoten geflochten, mit Thran bestrichen u. mit Glasperlen geschmückt. Das Tätowiren kommt bei beiden Geschlechtern vor u. geschieht an Gesicht, Arm u. Schenkeln durch eine Nadel, welche mit einem in Thran u. Ruß getränkten Faden unter die Oberhaut gezogen wird u. dort einen olivenfarbigen Streifen zurückläßt. Zur Wohnung dienen ihnen im Sommer runde, mit Rennthierfellen belegte Zelte, im Winter Schneehütten (Iglus genannt), die sie aus festgefrorenen, 1–2 Fuß langen Schneeblöcken bauen, sie laufen oben spitz zu, ungefähr 10–12 Fuß im Durchmesser, 8 Fuß hoch; oben eine Öffnung, die mit einem Eisstück geschlossen werden kann; längs der Wand eine gleichfalls aus Schnee gebaute, mit Seehundsfellen bedeckte Bank die Beleuchtung u., freilich sehr spärliche, Heizung geschieht durch Thranlampen; der Eingang ist ein gewundener Gang, welcher Nachts mit einem Eisstück geschlossen wird. Ihre Geräthschaften sind steinerne Kessel u. Krüge zur Aufbewahrung von Fett u. Thran, Tröge u. Schüsseln von Holz, Löffel von Horn, Beile von Kupfer. Ihre Nahrung besteht aus Seehunds- u. Rennthierfleisch, Seevögeln u. deren Eiern, Fischen, Muscheln u. dgl.; als Butter dient ihnen Seehundsfett, als Getränk Thran. Hauptbeschäftigung ist während des größten Theils des Jahres die Jagd auf Seehunde, nach denen mit Wurfspieß u. Harpune geworfen wird, während der drei Sommermonate auf Rennthiere, welche vorzugsweise mit Pfeil u. Bogen erlegt werden. Eine bedeutende Fertigkeit besitzen die E-s im Bau ihrer Kähne, die sie mit ungewöhnlicher Sicherheit u. Geschicklichkeit zu leiten verstehen. Die Männerkähne (Kajaks) sind aus Asten u. Fischbein verfertigt, mit Seehundsfell überzogen u. fassen nicht mehr als einen Mann; die Frauenkähne (Umjacks) haben dagegen Raum für 10–12 Menschen, vorn ein Segel mit Därmen u. gewöhnlich 10 Ruder. Im Winter fährt man in Schlitten, welche von Hunden (überhaupt treue Begleiter der E-s) gezogen werden. Vergnügungen sind Ballspiel, eine Art von Tanz u. Boxen. Polygamie ist erlaubt, aber selten; der Mann nimmt gewöhnlich nur dann erst eine zweite Frau, wenn die erste unfruchtbar ist. Verheirathungen finden gewöhnlich in einer, namentlich rücksichtlich des rauhen Klimas auffallend frühen Jugend statt (Knaben von 16, Mädchen von 14 Jahren; die Frühreife wird durch die warme Kleidung befördert). Die Frauen werden im Allgemeinen gut behandelt; ihnen kommt die Anfertigung der Kleidung u. Speisen, ja selbst der Wohnungen zu; die Kinder werden mit Sorgfalt u. Liebe erzogen, u. überhaupt zeichnet sich das Familienleben durch große Anhänglichkeit der Glieder unter einander aus. Die E-s erreichen kein hohes Alter; 50 Jahre sind eine Seltenheit. Die Verstorbenen legt man in Felsen (gibt den Männern ihre Waffen mit) u. bedeckt sie mit Schnee u. Eis. In Beziehung auf geistige Bildung stehen die E-s auf einer sehr niedrigen Stufe; eigentliche staatliche Einrichtungen, Obrigkeit u. dgl. fehlen bei ihrer Friedlichkeit u. Gleichgültigkeit fast gänzlich, doch besteht zwischen ihnen u. den benachbarten Indianerstämmen eine fortwährende Feindseligkeit; in den Kämpfen mit diesen behalten die E-s meistens die Oberhand. Die E-s des Continents theilt man in die östlichen u. westlichen E-s; die Grenze bildet der 120° westl. L. (von Ferro). Die östlichen E-s versammeln sich jährlich einmal an der Grenze, um von den westlichen eiserne Geräthschaften u. andere durch die Russen eingeführte Artikel gegen Seehundsfelle, Pelzwerk u. Thran einzutauschen. Auf Grönland wird der Handel (fast nur Tauschhandel; Ausfuhr. Seehundsfelle, Eiderdunen, Wallroßzähne, Pelzwerk, Fischbein, Thran; Einfuhr: Schießbedarf, Messer, Äxte, Pfeilspitzen, Leinen- u. Baumwollenwaaren etc., Branntwein einzuführen ist verboten) auf Rechnung der dänischen Regierung in einem Gesammtwerth von 200,000 Thlr. betrieben. In Grönland u. Labrador ist der größte Theil der E-s, der äußeren Form nach wenigstens, zum Christenthum übergetreten; über die Religion derer, die noch Heiden sind, s.u. Grönländische Mythologie; über ihre Sprache, s. Karalitsprache. Vgl. die verschiedenen Schriften von Hans u. Paul Egede (s.d.); ferner: I. Franklin, Narrative to the shores of the Polar Sea in the years 1819–1822, Lond. 1824, 2 Bde. (deutsch Weim. 1824, 2 Bde.); Derselbe, Narrative of a second expedition to the Polar Sea in the years 1825–1827, 3 Bde., Lond. 1828 (deutsch Weim. 1829); Elisha Kent Kane, Artic explorations, Philadelphia 1856, 2 Bde. (deutsch im Auszuge, Lpz. 1857).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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