Etruskische Sprache u. Literatur

Etruskische Sprache u. Literatur

Etruskische Sprache u. Literatur. Die Sprache der Etrusker steht unter den übrigen Sprachen des alten Italiens vollkommen isolirt; einen näheren Zusammenhang derselben hat man bis jetzt weder mit den Sprachen griechisch-italienischen Stammes, noch mit denen Per germanischen u. celtischen Völker bestimmt nachweisen können. So viel ist gewiß, daß man innerhalb derselben zwei Perioden zu unterscheiden hat, eine ältere, in welcher die Vocalisirung durchgeführt u. die Häufung von Consonanten vermieden ist, u. eine jüngere, welche die vocalischen u. consonantischen Endungen abwirft, sowie durch Abschwächung od. Ausstoßung der Vocale (nebst Zurückziehung des Accents auf die erste Sylbe) die Sprache äußerst hart u. rauh[934] machte. So entstanden Tarchnas aus Tarquinius, Meurva aus Minerva, Menle aus Menelaos, Pultuke aus Polydeukes, Elchsentre aus Alexandros. Schon früh müssen o u. u, b u. p, c u. g, d u. t zusammengefallen sein; dagegen bedienten sich die Etrusker der Aspiraten in großer Ausdehnung, z.B. in Thethys für Thety, Thelaphe für Telephos, Uthuze für Odysseus. Die Endung al bezeichnet die Abstammung, die Endung sa bei Frauennamen das Geschlecht, in welches sie eingeheirathet haben, z.B. Lecnesa für die Gattin eines Licinius. Eigenthümlich ist die Namensendung enna, z.B. Vivenna, Spurinna (wohl römisch Vibius u. Spurius); clan mit dem Casus clensi ist Sohn, sex Tochter, ril Jahr; der Gott Hermes ist Turms, Aphrodite Turan, Hephästos Sethlans, Helios u. Eos Usil. Es finden sich zwar einzelne Analogien zwischen Etruskisch u. Lateinisch, aber manches davon kann aus Latium nach Etrurien gekommen sein. Trotz des auf zahlreichen Inschriften gebotenen Materials, sowie mancher (durch Bilingues) gegebenen Anhaltepunkte, hat für die Entzifferung noch wenig geleistet werden können, ja es ist mit Sicherheit noch nicht ermittelt, unter welchen Sprachstamm das Etruskische zu classificiren ist. Mehreres, z.B. die Zahlwörter, deutet allerdings auf indogermanischen Ursprung hin, wie auch in neuester Zeit Mommsen u. A. Maury (Revue de l'instruction publique, 1858) annehmen. Die Mehrzahl der Etruskologen folgt Lanzi u. sucht die Sprache aus dem Griechischen u. Lateinischen zu deuten (wie Vermiglioli, Orioli, Conestabile u. And.), während Andere, wie Lanci, Jannelli, Leudier, Pfitzmeier, Tarquini (Revue archéol., 1858) u. am gelehrtesten Stickel, den semitischen Ursprung annehmen. Jedenfalls sind die Basken, Ligurer u. die Urbewohner der Insel Sardinien den Etruskern völlig fremd. Die Schrift der Etrusker, die von der Rechten zur Linken lief, stammt aus der altgriechischen (altdorischen); man unterscheidet eine ältere (auf der Vase Gavassi) u. eine neuere Form (auf der Inschrift von Bomarzo); etruskische Sepulcralinschriften kommen noch bis in die Kaiserzeit vor. Aber in dieser Zeit hörte Sprache u. Schrift auf, u. selbst die etruskischen Weissager bedienten sich der römischen Übersetzung ihrer Ritualbücher. Die Etruskische Literatur ist für uns arm, u. wer weiß, ob sie je reich gewesen ist; die Etrusker hatten ihre Lieder, die sie bei Festen u. Processionen sangen, ob sie aber der Form nach metrisch od. rhythmisch waren, läßt sich nicht bestimmen, da man die Sprache noch zu wenig kennt. So wie schon diese Gesänge zum Cultus gehörten, so auch die anderen, dem Namen nach bekannten Schriftwerke der Etrusker; schon früh zeichnete man Prodigien auf u. setzte denselben geltende Deutung (Libri fatales) unter, die dann auch mit Per etruskischen Disciplin nach Rom kamen u. dort gebraucht wurden. Auch die ganze etruskische Disciplin, früher durch Familientradition fortgepflanzt, wurde später unfgezeichnet u. als Libri etrusci (Libri Etruscorum, Libri etruscae disciplinae) wurden sie von den Haruspikern gebraucht; sie zerfielen in: L ibri rituales, worin von der Art, Städte zu gründen, Altäre u. Tempel zu weihen, von der Heiligkeit der Mauern, dem Rechte der Thore, der Eintheilung in Tribus, Curien, Comitien, von der Ordnung der Heere etc. geschrieben war; Libri fulgurales, welche die Lehre von. den Blitze werfenden Göttern, Art u. Bedeutung der Blitze etc. enthielten; Libri haruspicini, über die Opferschau, Ostentaria von den wunderbaren Vorzeichen; in den Libri tagetici (Disciplina Tagetis, Sacra tagetica, vgl. Tages) waren Regeln der Blitzweissagung, der Städtegründung etc.; in den, zu den vorigen gehörigen Libri acheruntici war die Lehre von der Versöhnung der Götter, der Vergötterung der Seelen etc.; Libri Begoes (Libri Bacchetidis), von der Kunst, vom Blitz getroffene Orte zu sühnen. Seit der Zeit Ciceros beschäftigten sich mehrere Römer u. Etrusker mit Übersetzungen u. Erklärungen jener alten Bücher, bes. Aulus Cäcina, Nigidius Figulus, Vicellius, Umbricius, Julius Aquila, Tarquitius, Corn. Labeo u. A., die jedoch sämmtlich, wie alle Originalien, verloren gegangen u. nur noch bruchstücksweise aus Citaten von Scholiasten bekannt sind. Wkr besitzen zur E-n S. jetzt weiter nichts, als die größere Perusinische Inschrift (s.d.) u. dann kleinere Sepulcral- u. Gefäßschriften. Vgl. Amaduzzi, Alphabetum vet. Etrusc., Rom 1775; Lanzi, Saggio di lingua Etrusca, Rom 1789, 3 Bde.; O. Müller, Die Etrusker, J. 58 ff., II. 281 ff.; Gori, Museum Etr. L. XLVIII. II. 505 ff.; Stickel, Das Etruskische als Semitische Sprache erwiesen, Lpz. 1858.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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