Gefängniß

Gefängniß

Gefängniß, das Gebäude od. auch nur Zimmer in einem Gebäude, welches dazu bestimmt ist, daß darin auf obrigkeitliche Anordnung u. unter obrigkeitlicher Aufsicht Personen detinirt werden können, um dieselben an dem Gebrauche ihrer persönlichen Freiheit zu hindern. A) Nach dem Zwecke der Detention hat man zu unterscheiden: a) das Polizei-G., in welches, meist nur auf kurze Zeit, diejenigen gebracht werden, welche entweder wegen obdachlosen Umhertreibens, Ruhestörungen, Trunkenheit u. dergl. in Gewahrsam zu nehmen sind od. wegen geringer Polizeivergehen zu einer solchen Hast verurtheilt werden; b) das Untersuchungs-G., in welchem diejenigen aufbewahrt werden, gegen welche eine gerichtliche Untersuchung im Gange ist u. welche entweder wegen zu befürchtender Fluchtversuche, od. wegen Collusionen od. wegen der Schwere des angeschuldigten Verbrechens nicht wohl auf freiem Fuße gelassen werden können; c) das Schuld-G., bestimmt für solche, welche durch die Einsperrung gezwungen werden sollen, civilrechtlichen Verpflichtungen, z.B. Bezahlung einer Wechselschuld (daher oft Wechselstube, Wechselarrest genannt), nachzukommen; d) das eigentliche Straf-G. für die wegen wirklicher Vergehen od. Verbrechen durch richterliches Erkenntniß mit Freiheitsstrafen belegten Individuen. Bei der letzteren Art unterscheidet man noch zwischen G. im engeren Sinne, als der leichtesten Art der Freiheitsstrafe, u. Arbeitshaus u. Zuchthaus, als dem schwereren Grade derselben.

B) Mit den Grundsätzen, nach denen G-e aller Art am zweckmäßigsten einzurichten u. zu verwalten sind, beschäftigt sich die Gefängnißkunde. Die erste Bedingung für ein G. ist Sicherheit, daß der Gefangene nicht entkommen kann. G-e müssen daher fest, wo möglich durchweg von Stein gebaut sein; die Verschlußmittel für die nöthigen Öffnungen müssen mit Sorgfalt gewählt, daher die Thüren in der Regel von eichenen Pfosten, mit guten Schlössern u. Riegeln versehen sein; die Fenster werden mit eisernen Stangen, ebenso Ofenlöcher, Kamine u. Schornsteine mit Kreuzstäben u. dergl. vergittert. Diese Sicherheit vor dem Entkommen der Gefangenen war aber früher in der That auch fast die einzige Sorgfalt, welche man bei den G-en anwenden zu müssen glaubte; im Übrigen wurde die Einrichtung der G-e noch bis Anfang dieses Jahrhunderts gänzlich vernachlässigt. Ohne Unterschied des Alters u. Geschlechtes, oft selbst ohne Rücksicht auf den ganz verschiedenen Zweck der Detention, ohne Beschäftigung, wurden die Gefangenen, wie es gerade der Raum erlaubte, zusammengesteckt. Die meisten größeren G-e entstanden in Räumen, welche gerade entbehrlich waren u. für diese Zwecke nur auf das Nothdürftigste hergerichtet wurden, wie in aufgehobenen Klöstern, alten Burgen u. Schlössern. Unter einer mangelhaften Aufsicht, bei der durch das Gemeinsame der Hast unvermeidlichen gegenseitigen[43] Mittheilung thres leiblichen u. moralischen Schmutzes, herrschte unter den Gefangenen Siechheit u. Elend aller Art, u. die G-e bildeten meist wahre Höhlen des Lasters u. der Verderbniß. Oft scheute man sich sogar nicht, Armen- u. Waisenhäuser, Irren- u. Tollhäuser mit den. Gefängnißanstalten zu verbinden. Die Folge dieser Übelstände, welche übrigens in England u. Frankreich in noch höherem Grade, als in Deutschland bestanden, war, daß die G-e der früheren Zeit in der That mehr als Beförderungsmittel des Verbrechens u. moralischen Elendes, denn als wahre Straf- u. Besserungsanstalten gelten konnten, indem die darin Aufgenommenen durch die Gemeinschaft mit dem Auswurfe der bürgerlichen Gesellschaft u. unter der rohen Behandlung ungebildeter Zuchtknechte meist erst recht eigentlich in den Pfuhl sittlicher Verderbniß gezogen wurden. Erst seit dem Ende des 18. Jahrh. fing man an, mit dem Gefängnißwesen sich genauer zu beschäftigen u. eine Abhülfe der vielen demselben anhaftenden Mängel zu suchen. Es erhob sich dies Streben theils als eine Folge der philosophischen Studien, welche seit jener Zeit den Sinn für milde Menschlichkeit allgemeiner verbreiten halfen, das Nachdenken über die eigentlichen Ursachen des Verbrechens u. den Zweck der Strafe beförderten, theils auch durch die Hinlenkung des christlichen Sinnes der Bruderliebe auf diesen Gegenstand. Die erstere Ursache wirkte mehr auf dem Continent, wo sie in den Bemühungen von Beccaria, Voltaire u.a. zunächst hervortrat; auf dem letzteren Wege zeigte sich der Sinn für Reform des Gefängnißwesens bes. in Nordamerika u. England, wo namentlich die Secte der Quäker (schon 1776 wurde durch sie zu Philadelphia die Gesellschaft zur Erleichterung des Elendes in den G-en begründet) der Sache sich mit Eifer annahm. Von England u. Nordamerika aus verbreiteten sich diese Bestrebungen dann auch auf Deutschland, wo sie noch mehr in wissenschaftlicher Weise durchgebildet wurden. Unter den Männern, welche sich um das Gefängnißwesen bes. verdient gemacht haben, sind von Engländern zu nennen: Howard (geb. 1720, Sheriff der Grafschaft Bedford, welcher von 1756–1790 ganz Europa durchreiste, um sich von dem Zustande der G-e Einsicht zu verschaffen), dann Neild, Eden, Bentham, Buxton, Western, Roscoe, Romilly, Russel, Crofton, Clay, Chesterton; unter den Franzosen Danjou, Beaumont, Tocqueville, Lucas, Perrot u. Appert; unter den Niederländern Ducpétiaux, unter den Italienern Peti di Roceto, in Norwegen Holst, in Polen Graf von Skarbeck, unter den Deutschen schon früher Wagnitz, dann Lotz, Zeller, Mittermaier, von Jagemann, Julius, Wichern, Röder, Füeßlin u.a. Tuch edle Frauen, unter diesen bes. die Mistreß Fry, welche zu gleichem Zwecke 1816 eine Rundreise durch die englischen G-e begann, 1839 auch Deutschland besuchte u. namentlich um das G. Newgate in London sich die größten Verdienste erwarb, widmeten sich mit Eifer der Sache. In neuester Zeit hat man selbst angefangen, die Frage wegen Verbesserung der G-e auf besonderen Congressen von Freunden der Gefängnißreform zu verhandeln. Der erste dieser Congresse wurde unter dem Vorsitze Mittermaiers 1846 in Frankfurt a.M., ein zweiter 1847 in Brüssel abgehalten; wiederholt wurde dieselbe Frage auch auf dem Congresse für Wohlthätigkeit in Brüssel 1856 u. Frankfurt 1857 in den Kreis der Berathungen gezogen.

C) Bei der Beurtheilung aller dieser Bestrebungen kommt es auf die Bestimmung des Zweckes der G-e an; u. dabei tritt die Überzeugung hervor, daß die G-e aufhören müssen, bloße Anstalten zur sicheren Aufbewahrung der Gefangenen zu sein, daß vielmehr in ihrer Einrichtung auch der weitere Zweck der Detention Berücksichtigung finden muß. Hieraus ergibt sich von selbst, daß es verschiedene Arten von G-e für Untersuchungs- u. Strafgefangene, für bloße Polizei- u. Schuldarrestaten u. für schwere Verbrecher geben muß. Auch für die eigentlichen Strafgefangenen erheischt aber der ethische Zweck der Strafe, welcher nicht blos in Sicherung od. Abschreckung, sondern auch in Sühne des begangenen Unrechtes u. möglicher Besserung des Verbrechers besteht, eine eingehendere, auch auf den inneren Menschen berechnete Behandlung der Gefangenen, wie sie die alte Einrichtung der G-e nicht bieten konnte. Diese eingehendere Behandlung wird auch bei gemeinsamer Detention schon dadurch wesentlich befördert, daß auf die verschiedenen Bildungsgrade u. den verbrecherischen Charakter der Detinirten Rücksicht genommen, den Gefangenen angemessene Beschäftigung gegeben, für Unterricht u. geistlichen Zuspruch, Reinlichkeit u. Ordnung in den Gefängnißlocalen unter Aufsicht verständiger u. wohlwollender Gefängnißbeamteter gesorgt wird. Weil indessen dabei doch die großen Nachtheile, welche aus der Gemeinschaft der Detinirten unter sich entspringen, nie ganz vermieden werden konnten u. doch gerade in dieser Gemeinschaft namentlich die große Zahl der Rückfälligen ihren Grund hat: so kam man, zunächst in Amerika, auf den Gedanken, die Strafanstalten so einzurichten, daß jeder Gefangene für sich allein zu detiniren u. jede Communication des einen Detinirten mit dem anderen auszuschließen sei. Dies ist der Gedanke der amerikanischen sogenannten Pönitentiar- od. Isolirungssysteme. Der Gefangene soll durch die Isolirung dem die noch nicht ganz Verdorbenen niederdrückenden, schwächere Charaktere aber der Verführung Preis gebenden Umgange mit seinen Genossen entzogen werden; die Einsamkeit, die Entfernung aller äußeren Einwirkungen auf ihn, außer den in der nothwendigen Beaufsichtigung, dem Unterricht u. dem religiösen Zuspruch liegenden, soll ihn zur stillen Betrachtung über sich selbst, zur Einkehr in sich u. dadurch zur Besserung führen Dieser Grundgedanke der amerikanischen Systeme ist indessen hauptsächlich wegen der Schwierigkeit der praktischen Ausführung selbst in verschiedener Weise ausgebildet u. in das Leben geführt worden, weshalb man folgende Systeme von einander zu trennen hat: a) das ältere Pennsylvanische od. Pönitentiar- od. Isolirungssystem, im eigentlichen Sinne zuerst 1790 in Philadelphia in einem Besserungshause eingeführt, in welchem die schlechteren u. widerspenstigen Gefangenen bei Tag u. Nacht in lauter Einzelzellen eingesperrt wurden, von denen jede mit einem besonderen Höschen zum Luftschöpfen versehen war u. deren Bewohner einander nie zu Gesicht bekamen, Die Gefangenen wurden nach dieser Einrichtung nicht beschäftigt, sondern erhielten Arbeit nur als eine Vergünstigung verstattet. Die Aufsicht wurde durch einen Verein von Bürgern[44] geführt u. war bes. darauf berechnet, die Gefangenen durch religiöse Ascese von der Sündhaftigkeit des Verbrechens zu überzeugen u. zu besseren Vorsätzen zu leiten. Eine ähnliche Einrichtung wurde 1827 in einem Besserungshause zu Pittsburg eingeführt. b) Das Auburnsche od. Schweigsystem, zuerst 1823 zu Auburn im Staate New York angewendet. Dasselbe beruht darauf, daß die Gefangenen nur nächtlich in Einzelzellen gehalten, am Tage aber zusammen unter dem Gebote absoluten Schweigens mit gemeinschaftlicher Arbeit beschäftigt werden. c) Das neuere Pennsylvanische System, zuerst 1829 in dem Strafhause bei Philadelphia an Stelle des älteren Systems eingeführt, beruht zwar auch, wie das ältere, auf der Sonderung der Gefangenen bei Tag u. Nacht, schließt aber die Arbeit nicht aus u. sucht mehr hierdurch, als durch directe religiöse Einwirkung die Besserung der Detinirten zu erstreben. Über die Frage, ob mit diesen Systemen ein wirklicher Fortschritt zum Besseren gewonnen sei u. welches von denselben, gegenüber dem anderen, den Vorzug verdiene, gehen aber die Ansichten noch jetzt sehr auseinander. Einverstanden zwar ist man ziemlich allgemein darüber, daß das ältere Pennsylvanische System eine Empfehlung nicht verdient. Die Hauptfehler desselben beruhen in dem einseitigen Hervorheben der religiösen Einwirkung u. in dem Mangel an Beschäftigung. Beide Fehler wirkten gleichmäßig dahin, daß viele Gefangene die Einsamkeit nicht ertragen konnten u. in Stumpfsinn u. Blödsinn od. Raserei verfielen, während andere unter der Maske der Heuchelei die Aufseher zu täuschen wußten u. die endlich erlangte Freiheit dann um so mehr mißbrauchten. Dagegen hat das neuere Pennsylvanische u. ebenso das Auburnsche System fast eben so viel Anhänger als Gegner gefunden. Die Hauptvorwürfe, welche beiden Systemen gemacht werden, stützen sich darauf, daß sowohl die Isolirung, als das absolute Schweigen in Gesellschaft Anderer der menschlichen Natur zuwiderlaufe u. daher nothwendig zu Geistesstörungen führen müßten. Die absolute Isolirung, anstatt vernünftiges Nachdenken zu erzeugen, führe vielmehr zu den folterndsten Qualen u. zu geheimen Sünden; sie mache die Verbrecher mißmuthig u. verstockt; die Beschäftigung könne nur eine unvollständige sein, weil die meisten Arbeiten, wenn sie gut verrichtet werden sollten, mehrere Hände erforderten; die enge Zelle, der Mangel an Luft, Licht u. gehöriger Bewegung erzeuge Krankheiten u. befördere die Mortalität. Bei dem Auburnschen Systeme aber sei die Versuchung, bei der gemeinsamen Arbeit das Schweigen zu brechen, zu groß, so daß das Gebot ohne die schärfsten Disciplinarmaßregeln doch nicht aufrecht zu erhalten sei. Dergleichen Disciplinarmaßregeln verhärteten das Gemüth u. erstickten das Ehrgefühl; es entstehe leicht Parteilichkeit dabei, da die anderen Sträflinge nicht füglich als Zeugen benutzt werden könnten, Alles also auf den Aufseher ankomme, der doch nicht überall die Augen haben könne; wolle man aber Gefangene selbst als Spione aufstellen, so erzeuge dies nothwendig Mißtrauen, Neid, Verstocktheit u. Bosheit; der fortwährende Drang, zu sprechen, rufe auch hier oft Schwindsuchten hervor. Beiden Systemen wird endlich, gegenüber der früheren Einrichtung mit gemeinsamer Hast u. Arbeit, die bedeutende Kostspieligkeit entgegengehalten, die durch die nothwendige ganz besondere Bauart u. die Vermehrung des Aufsichtspersonals hervorgerufen werde. Nichts desto weniger treffen diese Einwürfe im Ganzen nur Einzelnes u. scheinen keineswegs die unleugbaren Vorzüge, welche die amerikanischen Systeme gegen die Systemlosigkeit der alten Strafanstalten bieten, ganz beseitigen zu können. Was bes. die angeblich größere Zahl von Geistesstörungen u. die vermehrte Sterblichkeit betrifft, so scheinen die darüber bekannt gemachten Ergebnisse, abgesehen von dem älteren Pennsylvanischen Systeme, zu einem großen Theil auf Übertreibungen, zu einem anderen Theil aber auch in anderen von dem Systeme selbst ganz unabhängigen Gründen, wie der fehlerhaften Örtlichkeit u. unzweckmäßigen Bauart der Gefängnisse, zu beruhen. Ebenso wird der ungünstige Einfluß auf den Charakter der Sträflinge bei der Isolirung durchaus bestritten, die Kostspieligkeit aber damit auszugleichen gesucht, daß die neueren Systeme bei strengerer Durchführung auch kürzere Strafzeiten erlauben u. durch den wohlthätigen Einfluß auf die Gefangenen nothwendig eine Verminderung der Zahl derselben herbeiführen müssen. Die Überzeugung, daß nur durch die Isolirung die Gefängnißreform mit Ernst angebahnt werden könne, unter den amerikanischen Systemen selbst aber das neuere Pennsylvanische mit einigen Verbesserungen vor dem Auburnschen den entschiedenen Vorzug verdiene, scheint daher neuerdings, ungeachtet aller Anfechtungen, wenigstens in der Theorie immer mehr die Oberhand gewinnen zu wollen Nur muß man wohl anerkennen, daß die strengere Isolirhaft bei Tag u. Nacht nicht für alle Individuen taugt u. daß daher Gelegenheit gegeben sein muß, solche Gefangene, welche dieselbe nicht vertragen können, auch gemeinsam zu beschäftigen; daß ferner das Isolirsystem strengste Aufsicht u. intelligente Directoren erfordert; daß endlich manche Härten, die man ursprünglich dabei für nothwendig hielt, wegfallen können, ohne daß dadurch der Zweck der Isolirung selbst aufgehoben wird.

D) Was nun die Ausführung der Gefängnißreform anlangt, so sind zwar in vielen Staaten Anfänge gemacht worden, um den amerikanischen Systemen Eingang zu verschaffen; die meisten sind indessen bei Versuchen mit einzelnen Anstalten stehen geblieben, u. in diesen selbst zeigt sich in der Ausführung die größte Verschiedenheit. a) In Nordamerika, dem Mutterlande der neuen Gefängnißreform, ist das neuere Pennsylvanische System nur noch in dem Staatsgefängniß zu Philadelphia u. in New Jersey eingeführt, während man in New York (mit Ausnahme eines Kreisgefängnisses) u. den meisten anderen Staaten sich für das Auburnsche System entschieden hat. Dennoch dauert der Streit über den Vorzug des einen od. anderen Systems fort, u. man scheint in überwiegender Zahl theoretisch dem Pennsylvanischen System den Vorzug zu geben. In den nach Auburnschem System eingerichteten Anstalten bedarf es harter Strafen (der Neunschwänzigen Katze, des Tropfbades, der Strafe des Abrasirens der Haare), um die Disciplin aufrecht zu erhalten. Neuerdings hat man an Stelle der Schläge einsame Einsperrung bei Wasser u. Brod eingeführt. Allgemein wird anerkannt, daß die Reform der Gefängnisse nur wenig nützt, wenn sie sich nur auf die G-e für[45] schwerere Verbrecher u. nicht zugleich auf die G-e zur Verbüßung geringerer Freiheitsstrafen (Jails) erstreckt. b) In England trat Anfangs einer durchgreifenderen Verbesserung bes. der Umstand hinderlich entgegen, daß die G-e von der Grafschaft od. betreffenden Municipalität, wo sie liegen, unterhalten werden müssen u. gleichförmige Anordnungen von diesen Corporationen gewöhnlich als Eingriffe in ihre Selbständigkeit zurückgewiesen wurden. Erst durch ein Gesetz von 1835, welches die Anstellung von Gefängnißinspectoren, welche jährlich die G-e zu bereisen habe, anordnete, ist eine gewisse Gleichförmigkeit erzielt worden. Seit 1839 muß auch bei Neubauten der Bauplan jedesmal dem Ministerium zur Genehmigung vorgelegt werden. Auf einen von William Crawford über die amerikanischen Gefängnißanstalten erstatteten Bericht beschloß man dabei das Pennsylvanische System zum Muster zu nehmen. Nach demselben wurden hierauf namentlich zwei große Musteranstalten, das Pentonville-G. in London mit ursprünglich 520 Zellen u. ein gleiches in Bath mit ursprünglich 120 Zellen, erbaut. Im Ganzen zählt England über 500 G-e, unter denen bes. noch die in Perth, Glasgow, Belfast, Coldbathsield, Tothilssield u. Milbank zu nennen sind. Das besondere Beachtung verdienende Pentonville-G., 1842 bevölkert, ist 1/4 Stunde von London auf einer freien Anhöhe gelegen u. nach dem, von dem Baumeister G. Ainslie zuerst angegebenen sogenannten Strahlenplan erbaut. Von einem Mittelgebäude, welches die Räume für Direction etc. enthält, laufen fächerförmig mehrere Flügel aus, welche durch große, von unten bis unter das Dach gehende Corridors mit Gallerien in allen Theilen eis an das Ende von dem Mittelgebäude aus übersehen werden können. Zu beiden Seiten der Corridors liegen in mehreren Stockwerken über einander die durch die Gallerien zugänglichen Gefängnißzellen. Jede Zelle ist 13 Fuß lang, 7 Fuß breit u. in der Mitte der gewölbten Decke 9 Fuß hoch. Die Mauern zwischen zwei Zellen sind 18 Zoll, die äußeren Mauern 1 Fuß 101/2 Zoll dick. Jede Zelle ist mit einem eigenthümlichen Ventilationsapparat zur Reinigung der Luft, mit einem geruchlosen Leibstuhl u. einem Wasserbecken versehen, in welches durch ein besonderes Pumpwerk täglich frisches Wasser gebracht wird. Zur Bewegung in freier Luft sind Einzelspazierhöfe angelegt; sie sind von den Gefängnißflügeln ganz abgelöst u. durch einen freien Raum von ihnen getrennt. Wie die Speichen eines Rades um die Nabe, so sind die einzelnen Höschen um ein Inspectionshäuschen gelegt, welches in einem Zimmer mit einem darum laufenden dunkeln Gange besteht, von welchem aus der Wärter unbemerkt jeden Gefangenen beobachten kann. Jeder Gefangene hat beim Verlassen seiner Zelle eine Schirmmütze zu tragen, welche nur die Augen offen läßt, so daß kein Gefangener von dem anderen erkannt werden kann. Dieselbe absolute Isolirung ist in der Gefängnißkapelle durchgeführt. Dieselbe enthält für jeden Gefangenen einen abgesonderten Sitz; die Seiten u. Thüren dieser amphitheatralisch aufsteigenden Sitze convergiren gegen die Kanzel u. den Altar zu, so daß jeder Gefangene den Geistlichen sehen u. von ihm gesehen werden kann, ohne daß er aber im Stande ist, seinen Nebenmann rechts u. links zu sehen. Damit auch kein Sträfling die vor od. hinter ihm sitzenden Gefangenen sehen könne, selbst wenn er steht, ist die Rückwand der Sitzreihen von einer genügenden Höhe u. trägt zugleich das Lesepult der hinter ihm aufsteigenden Sitzreihe, welches durch sein Vorspringen die Communication von einer Reihe zur anderen verhindert. Die Beschäftigung, welche in Schneiderei, Tuchmacherei, Weberei, Tischlerei, Baumwollen- u. Leinweberei, Zerrupfen alter Seile etc. besteht, findet nur in den einzelnen Zellen Statt. Die Kosten der Erbauung beliefen sich auf 80,000 Pfd. Sterl. Nach dem Muster dieses Gefängnisses sind noch mehrere andere, z.B. in Glasgow, Derby, York, Carlisle, errichtet worden. Eine wichtige Änderung brachte in das englische Gefängnißwesen das Gesetz vom 20. Aug. 1853, wonach statt der Deportation auf kürzere Zeit die sogenannte Penal servitude (Strafarbeit) mit Einsperrung in Strafanstalten in England eingeführt wurde. Der hierzu Verurtheilte soll isolirt werden; allein diese Hast ist doch nur als eine vorbereitende Hast auf 9 Monate beschränkt, worauf der Gefangene in den Strafanstalten in Portland, Dartmoor etc. zu öffentlicher u. gemeinsamer Arbeit gebraucht wird. Von dem guten Betragen in diesen letzteren Anstalten hängt es dann ab, daß der Gefangene manche Vortheile u. nach Ablauf einer gewissen Zeit selbst eine bedingte Begnadigung (durch Ticket of leave) in der Weise erhalten kann, daß er bei schlechter Aufführung sofort wieder in die Anstalt zurückgebracht wird. Ähnlich ist die Einrichtung in Irland, nur daß hier der bedingten Begnadigung noch die Einbringung in eine dritte Anstalt (Intermediate prison) vorausgeht, in welcher der Sträfling besonderen Prüfungen unterworfen wird. Sehr umfassend hat man c) in Belgien das System pennsylvanischer Einzelhaft durchzuführen angefangen. Im Jahre 1835 wurde der erste Versuch damit in der großen Strafanstalt zu Gent gemacht u. hierauf, bes. durch die Bemühungen des Generalinspectors Ducpétiaux, auch in den anderen Strafanstalten zu Vilvorde, Alost, Lüttich etc. allmälig fortgesetzt. Durchgeführt ist das System der Einzelhaft hiernach bereits für alle Untersuchungsgefangene u. die zu höchstens ein Jahr Gefängniß Verurtheilten; auch für die längeren Strafzeiten soll aber diese Durchführung nach einem bereits ausgearbeiteten Gesetzentwurf eintreten. Das directe Gegentheil hiervon bietet dagegen neuerdings d) Frankreich, wo man sich seit 1853 entschieden von dem Isolirungssystem wieder abgewendet hat u. nur bestrebt ist, das alte Gefängnißsystem durch Einführung von Classificationen der Sträflinge etc. zu verbessern. Zwar hatte 1847 die Regierung den Kammern einen Gesetzentwurf vorlegen lassen, welcher Einführung der Einzelhaft bezweckte u. von den Kammern günstig aufgenommen wurde, allein die 1848 eingetretene politische Umgestaltung hinderte die Ausführung der Plane, zumal man für die schwereren Bestrafungen seit 1850 statt der Gefängnißstrafe in den Bagnos die Deportation vorzog u. die ganze Frage mit politischer Rücksicht in Verbindung gebracht wurde. Nach einem Umlaufsschreiben des Justizministers vom 27. Aug. 1853 soll die Isolirung der Gefangenen nur ausnahmsweise Statt finden u. zu diesem Zwecke jedes G. mit einer Anzahl Isolirzellen versehen werden. Außerdem gibt es noch einzelne G-e, in denen von früher her die Einzelhaft eingeführt ist, wie z.B. das G. Mazas zu Paris für[46] Angeschuldigte während der Untersuchungshaft, dessen Einrichtung indessen wegen der zahlreichen Wahnsinnsfälle u. Selbstmordsversuche, die darin vorkommen, neuerdings vielfachen Angriffen ausgesetzt gewesen ist. In Italien sind bes. die Einrichtungen von Toscana u. Piemont, auszuzeichnen. e) Toscana ist bisher das einzige Land, welches gesetzlich ausgesprochen hat, daß die Einzelhaft in allen Strafanstalten zu Grunde gelegt werden solle. Eine ausführliche Verordnung vom 31. Mai 1853 ordnete die Durchführung des Systems an. Dem Director ist indessen die Macht gegeben, bei solchen, denen die Einzelhaft gefährlich werden könnte, Ausnahmen zu machen. f) In Piemont wurde durch Gesetz vom 21. Juni 1857 bestimmt, daß die Einzelhaft wenigstens in den Untersuchungsgefängnissen für Angeschuldigte u. für die zu G. nicht über ein Jahr Verurtheilten eingeführt werden soll. In ähnlicher Weise, nur für die zu geringeren Strafen u. auf kürzere Zeit Verurtheilten, ist die Einzelhaft g) in Norwegen durch Gesetz vom 12. Juli 1848 eingeführt. Nur die von 3 Monaten bis zu 3 Jahren Verurtheilten, wenn sie 18–30 Jahre alt sind, werden regelmäßig der Einzelhaft unterworfen, andere nur mit ihrer besonderen Einwilligung. Die Gefangenen tragen hier auch keine Maske u. sind beim Gottesdienst in der Kapelle vereinigt. h) In den Niederlanden wurde zuerst durch Gesetz vom 28. Juni 1851 bestimmt, daß der Richter bei Erkennung einer correctionellen Strafe bis ein Jahr, wenn er dies für zweckmäßig ansehe, die Vollstreckung der Strafe in Einzelhaft aussprechen dürfe, die jedoch nicht über 6 Monate dauern dürfe. Im Jahre 1854 wurde diese Ermächtigung bis auf ein Jahr, entsprechend zwei Jahren correctioneller Strafe, ausgedehnt. Das Gefängniß von Amsterdam wurde als Zellengefängniß eingerichtet u. noch acht andere G-e in gleicher Weise umgewandelt. Die größte Verschiedenheit in den Gefängnißeinrichtungen zeigt sich endlich in Deutschland. i) In Österreich befinden sich die G-e im Allgemeinen noch auf dem alten Fuße, mit gemeinschaftlicher Arbeit bei Tag u. ohne Isolirung bei Nacht; doch wurde im Jahre 1849 verfügt, daß (ähnlich wie in Piemont) für Untersuchungsgefangene u. für die zu höchstens einjähriger Gefängnißstrafe Verurtheilten Einzelhaft angeordnet u. bei Neubauten zu Grunde gelegt werden sollte. Diesem Auftrag gemäß ist auch in einigen Anstalten mit dem Bau von Einzelzellen begonnen worden. In einzelnen Anstalten, wie z.B. in der zu Garsten bei Steyer, besteht auch die Einrichtung, daß jeder Eingebrachte, ehe er mit Anderen zusammen beschäftigt wird, 8–14 Tage in einsamer Hast gehalten wird. k) In Preußen schien man zwar im Jahre 1842 eine Zeit lang ernstlicher an die Einführung des Pennsylvanischen Systems zu denken, indem eine königliche Cabinetsordre vom 26. März d.i. auf die Berichte einer nach England abgesendeten Commission (Julius, Busse, von Grabowsky) befahl, daß in Zukunft den Strafanstalten das in Pentonville eingeführte System zu Grunde gelegt werden solle; indessen scheint dieser Gedanke neuerdings eher wieder aufgegeben zu sein, als weiter verfolgt werden zu sollen. In den meisten neueren Anstalten (Insterburg, Sonneburg, Halle) ist ein an die Auburnschen Einrichtungen sich anschließendes gemischtes System eingeführt, nach welchem die Gefangenen zwar in der Nacht in Einzelzellen verwahrt werden, am Tage aber unter dem Gebote des Schweigens, in verschiedene Klassen vertheilt, gemeinschaftlich arbeiten. In jeder Anstalt befindet sich daneben noch eine Art Isolirzellen, in welchen meist die neu eintretenden Gefangenen eine kürzere Zeit hindurch u. außerdem solche Gefangene verwahrt werden können, die in der Gemeinschaft mit anderen gefährlich zu werden drohen. Ganz auf Isolirung war das nach der obenerwähnten Cabinetsordre errichtete Muster-G. zu Moabit bei Berlin berechnet. Ursprünglich auf 508 Männer berechnet, wurde es ganz nach dem Vorbilde von Pentonville eingerichtet; allein schon 1849 warf man die Einrichtung um, indem wegen Überfüllung die unteren Räume zu gemeinschaftlichen Schlafsälen eingerichtet u. viele Gefangene mit gemeinschaftlicher Arbeit beschäftigt wurden. In neuester Zeit (1856) scheint man das G. wieder im ursprünglichen Zwecke benutzen zu wollen, um junge bildungsfähige Sträflinge, unter Benutzung des religiösen Elementes, durch strenge Einzelhaft der Besserung zuzuführen, wobei bes. Wichern thätig ist. Eine Verbesserung suchte man auch nach einem Gesetze vom 11. April 1854 dadurch zu erzielen, daß man unter Bedingungen Beschäftigung der Gefangenen im Freien gestattete, womit freilich das Princip der absoluten Isolirung wiederum mehr verlassen worden ist. l) In Baiern sprachen sich 1846 die Kammern fast einstimmig gegen das Isolirungssystem aus. Es besteht daher jetzt noch dort ganz die alte Einrichtung, für deren gute Erfolge bei richtiger Behandlung sich bes. auf das Beispiel der Münchener Anstalt unter der Leitung des Director Obermaier berufen wird. Die Besserung wird hier bes. durch anhaltende Arbeit u. passende Classificationen der Gefangenen (Rotten, s. auch unten unt. t) erstrebt. Doch hat die Benutzung der besseren Sträflinge zu Aufpassern in neuester Zeit auch dort sehr bedenkliche Auftritte, bei denen das Rachegefühl der Anderen sich selbst bis zum Mord verstieg, hervorgerufen. Im Ganzen zählt Baiern diesseits des Rheins fünf Strafanstalten u. zwei Zwangsarbeitshäuser, für die Pfalz eine Anstalt in Kaiserslautern. Ebenfalls noch durchgängig nach dem alten System sind die Gefängnißanstalten m) in Hannover, in Sachsen u. den Sächsischen Herzogthümern eingerichtet; nur hat man überall während der gemeinsamen Arbeit das Schweigen eingeführt. Im Königreich Sachsen besteht ein Zuchthaus zu Waldheim, zwei Arbeitshäuser zu Hubertusburg u. Zwickau, zwei Correctionsanstalten in Zwickau u. Waldheim. Hervorstehende Verdienste um die Gefängnißreform hat sich dagegen n) Baden erworben, wo nach Gesetz vom 6. März 1845 die Einführung der Einzelhaft für die Zuchthausstrafe festgesetzt u. durch Errichtung des seit 1848 eröffneten Männerzuchthauses zu Bruchsal in das Leben gerufen wurde. Die daselbst bisher gemachten Erfahrungen sind dieser Einführung bisher durchaus günstig gewesen (Füeßlin, Die Einzelhaft nach fremden u. sechsjährigen eigenen Erfahrungen, Heidelb. 1855). Den nachtheiligen Einwirkungen der Einzelhaft ist durch eine Anzahl weiser Vorschriften begegnet worden. Jeder Sträfling wird täglich wenigstens sechsmal besucht u. darf täglich eine halbe Stunde im Freien zubringen. Die völlige [47] Absonderung ist selbst gegen die schwersten Verbrecher auf 6 Jahre u. nur auf Personen unter 70 Jahren beschränkt, es wäre denn, daß die Sträflinge die Fortsetzung derselben selbst verlangen, was öfters geschieht. Sträflinge, deren leidender körperlicher od. Seelenzustand dies nöthig macht, u. solche, die wenigstens 18 Monate bereits abgesondert detinirt sind, können auf ihr Ansuchen in gemeinsamen Arbeitssälen beschäftigt werden. Zwei Monate Einzelhaft werden gleich drei Monaten gewöhnlicher Strafzeit gerechnet, Die Schildmütze, die Abtrennung in der Kirche u. die Spazierhöfe sind dabei auch in Bruchsal beibehalten worden. Dennoch wurden weder die anderwärts bemerkte große Sterblichkeit, noch eine besondere Häufung von Seelenstörungen bemerkt. Als ein Tadel wird aber ausgesprochen, daß neben der Einzelhaft noch Schärfungen erkannt werden, daß der Besuch der Verwandten etc. zu beschränkt ist u. daß die Einzelhaft bis jetzt nicht zugleich für die anderen Strafanstalten eingeführt ist. Doch hat man neuerdings auch in dem Kreisgefängnisse zu Manheim die Einzelhaft in sofern eingeführt, als jeder Erwachsene in den ersten 2–4 Wochen nach Ermessen der Direction, die unter 18 Jahren Stehenden immer 4 Wochen bei der ersten Einbringung isolirt werden. Die günstigen Erfahrungen von Bruchsal haben auch in anderen Staaten zur Nachahmung angeregt, so namentlich o) in Württemberg, wo im Jahre 1857 ein dem badischen Gesetz nachgebildeter Entwurf, ebenfalls auf Einführung der Einzelhaft für männliche Zuchthaussträflinge mit Maximum von 6 Jahren, den Kammern vorgelegt u. von denselben gut geheißen wurde; p) in Oldenburg, wo in der Strafanstalt zu Vechte die Einzelhaft bereits in ziemlicher Ausdehnung Statt findet; u. q) in Frankfurt, wo 1856 ebenfalls beschlossen wurde, daß bei einem beabsichtigten neuen Gefängnißbau die Bruchsaler Anstalt zum Vorbild zu nehmen sei. r) In der Mecklenburgischen Strafanstalt zu Dreibergen (vgl. von Wick, Die Isolirung der Sträflinge mit Rücksicht auf Erfahrungen in Dreibergen, Schwerin 1848) wird von der Einzelhaft in sofern Gebrauch gemacht, als jeder Neueintretende wenigstens ein Jahr, nach Bedürfniß auch länger, daher alle bis zu ein Jahr Verurtheilten die ganze Zeit ihrer Hast, außerdem alle zu lebenslänglicher Hast begnadigten Mörder, Alle, die sich in der Gemeinschaft schlecht betragen, u. aus schonenden Rücksichten Verurtheilte aus höheren Ständen isolirt werden. Dagegen hat man sich s) in Hamburg nach den Anträgen einer wegen Neubaues der G-e niedergesetzten Commission im Ganzen für das Auburnsche System entschieden, u. die Einzelhaft soll nur eintreten, wenn der Richter bes. darauf (aber nie über 6 Monate) erkennt od. der Gefangene selbst darauf anträgt. Endlich sind auch t) in mehreren Cantonen der Schweiz bemerkenswerthe Verbesserungen des Gefängnißwesens vorgenommen worden. Die besten Gefängnißanstalten sind in St. Gallen, Genf, Bern u. Lausanne. Die Einrichtung derselben beruht meist auf dem Auburnschen System, indessen verbunden mit einer kürzeren absoluten Isolirung am Anfange der Strafhaft u. während der Nacht, sowie einer zweckmäßigen Classification (Rottensystem) für die gemeinschaftliche Arbeit. So werden in Genf die Gefangenen in vier Rotten beschäftigt. Die Glieder der ersten Rotte, aus den schweren Verbrechern u. Rückfälligen bestehend, werden zuerst 1–3 Monate ohne Arbeit isolirt, dann aber in den gemeinschaftlichen Arbeitssaal gebracht, aus welchem sie aber bei schlechter Aufführung auch wieder auf 1–3 Monate zur Isolirhaft gebracht werden können. Die Sträflinge dieser Rotte essen in ihrer Zelle. In der zweiten Rotte, aus den minder gravirten Verbrechern u. den Correctionellen schwererer Art bestehend, werden die Eingelieferten zunächst nur 8–14 Tage isolirt u. erhalten sodann im gemeinschaftlichen Arbeitssaale minder schwere Arbeit; essen auch gemeinschaftlich. Bei der dritten u. vierten Rotte beschränkt sich die einsame Einsperrung am Anfang der Strafzeit auf nur 4–8 u. resp. 3 Tage. Die Isolirung zur Nachtzeit ist in Genf bereits seit 1825 eingeführt. Für die zu G. bis ein Jahr Verurtheilten wird ein eigenes, auf absolute Isolirung gebautes Haus errichtet. In St. Gallen (vgl. Mooser, Die Pönitentiaranstalt St. Jacob bei St. Gallen, 1851) wird der Sträfling zuerst auf 4–20, Rückfällige auf 8–40 Tage isolirt, während welcher Zeit er nur vom Director u. Geistlichen besucht wird; dann tritt gemeinschaftliche Arbeit in kleineren Abtheilungen mit Isolirung zur Nachtzeit ein. Seit 1854 ist die Direction auch ermächtigt, gegen gefährliche Individuen absolute Isolirung bis zu 6 Monaten eintreten zu lassen. Die Anstalt in Lausanne nach Auburnschem System hatte früher unter dem Einfluß ungünstiger Örtlichkeit an häufigen Wahnsinnfällen zu leiden, die manche Umänderungen nöthig gemacht haben.

E) In Verbindung mit den hiernach fast überall, wenn auch auf sehr verschiedenem Wege, erstrebten Verbesserungen des Gefängnißwesens sind aber noch zwei Punkte hervorzuheben, in denen eine wesentliche Unterstützung für jene Bemühungen gefunden werden muß, u. welche daher fast überall gleichzeitig mit jenen Reformen hervorgetreten sind: die Anlegung von besonderen Anstalten für jugendliche Verbrecher, u. die Vereine zur Fürsorge für entlassene Sträflinge. Die besten Gefängnißeinrichtungen werden nur unvollkommen wirken, wenn nicht in beiden Beziehungen zweckmäßige Anstalten den Hauptanstalten zur Weite treten. Über die Anstalten für jugendliche Verbrecher vgl. den Artikel Rettungshäuser. Die Schutzvereine für entlassene Sträflinge sind deshalb nothwendig, weil der Entlassene, auch bei den besten Attesten, das Mißtrauen gegen sich hat u. daher ohne Rath u. Unterstützung dem Elend u. damit der Gefahr baldiger Rückfälligkeit Preis gegeben ist. Die Vereine müssen, um wirksam auftreten zu können, mit den Gefängnißbeamten u. der Polizeibehörde in geeigneter Verbindung stehen; ihre Sorge muß neben Verschaffung eines geeigneten Unterkommens auch auf die moralische Unterstützung des Entlassenen durch Rath, Warnung u. Beaufsichtigung berechnet sein. Für solche, für welche sich kein sofortiges Unterkommen darbietet, muß durch Zufluchtsstätten gesorgt werden, deren bes. in England viele, aber auch in Deutschland mehrere (z. B. das Männerasyl zu Lintorf in Schlesien u. zu Wilhelmsdorf in Württemberg) sich finden. Vgl. darüber: Die Fürsorge für die entlassenen Sträflinge (Bericht der Specialconferenz auf dem Evangelischen Kirchentage in Berlin), Hamb. 1854.

[48] F) Über die G-e bei den Alten wissen wir nur sehr wenig. Bei den Hebräern befanden sich Staatsgefängnisse an den Palästen der Könige od. in den Häusern der Obersten der Leibwache u. der Statthalter, die zugleich Executoren der Criminalurtheile waren. Auch Stadtgefängnisse werden erwähnt. Die Gefangenen wurden durch Ketten gefesselt in einen hölzernen Bock gespannt. In Athen gab es mehrere G-e, eins auf dem Markte, worin Schuldner etc. blos am Entlaufen gehindert wurden, ferner das Sophronisterion (eigentlich blos ein Correctionshaus) u. die Timoria für Staatsverbrecher. In Rom erbaute Ancus Marcius das erste G. (Carcer publicus), in welches bürgelose Schuldner kamen; Servius Tullius vergrößerte es durch das Tullianum, einen unterirdischen gewölbten Gang, wohin meist schwere Verbrecher, gefährliche Kriegsgefangene etc. gebracht u. gewöhnlich getödtet wurden. Ein zweites G. legte in der neunten Region der Decemvir Claudius unwekt des Theaters des Marcellus an. Außer der Ausbewährung der Gefangenen in den öffentlichen G-en gab es in Rom Hausarrest mit militärischer Bewachung u. eine freie Hast (Custodia libera) in dem Hause eines angesehenen Bürgers für vornehme Angeklagte. Im Mittelalter wurden hauptsächlich die Thürme von Burgen (s. Burgverließ) zu G-en gebraucht; in diesen litten die Gefangenen, da die G-e meist unterirdisch waren (s.u. Oublietten), durch Nässe u. Kälte, oft aber auch, wenn die G-e in der Höhe angebracht waren, im Sommer durch die unausstehliche Hitze, wie dies in den Bleikammern zu Venedig u. zum Theil auch in der Bastille zu Paris der Fall war. Im Orient sind die G-e meist in dem Hause des Richters, welcher einen seiner Diener zum Gefangenwärter macht. In China bilden die G-e meist große Vierecke, wo die Gefangenen in besonderen Zellen wohnen, aber die Erlaubniß haben, im Hofe spazieren zu gehen. Patrouillen durchschleichen bei Nacht das G. u. verhüten das Entkommen.

Vgl. über das Gefängnißwesen überhaupt: von Arnim, Bruchstücke über Verbrechen u. Strafen, Frankf. 1803; Lotz, Ideen über öffentliche Arbeitshäuser u. ihre zweckmäßige Organisation, Hildburgh. 1810; Julius, Vorlesungen über die Gefängnißkunde, Berl. 1828; Desselben, Nordamerikas sittliche Zustände, Lpz. 1839, 2 Bde.; Lucas, Du système pénitentiaire en Europe, Par. 1828–30, 2 Bde., u. Desselben, De la réforme des prisons, ebd. 1836–38, 3 Bde.; Beaumont u. Tocqueville, Du système pénitentiaire aux Etats unis, ebd. 1833 (deutsch von Julius); Obermaier, Anleitung zur vollkommenen Besserung der Verbrecher in Strafanstalten, Kaisersl. 1835; Anbanel, Mémoire sur le système pénitent., Genf 1838–40, 2 Bde.; Ducpétiaux, Des progrès et de l'état actuel de la réforme pénitentiaire, Brüss. 1838, 3 Bde.; Nöllner u. Varrentrapp, Jahrbücher für Gefängnißkunde, 1842–48; Mittermaier, Der neueste Zustand der Gefängnißeinrichtungen in England, Heidelb. 1850; Desselben, Die Gefängnißverbesserung, Erl. 1858; von Buol-Bernberg, Die holländischen Armencolonien u. die Strafanstalten von Berlin, Bruchsal u. Gent, Wien 1853; Fischer, Über Gefängnißanstalten, Regensb. 1852: von Wick, Über Strafe u. Besserung, Schwerin 1852; Hägele, Erfahrungen in einsamer u. gemeinsamer Hast, Lpz. 1857; Corvin, Die Einzelhaft u. das Zellen-G. in Bruchsal, Hamb. 1857; Schlatter, Stimme eines Gefangenen, Manh. 1856 (letztere drei selbst längere Zeit Gefangene in Bruchsal); Röder, Die Verbesserung des Gefängnißwesens mittelst der Einzelhaft, Prag 1856, u. Desselben, Über die nothwendige Rückwirkung der Einführung der Einzelhaft auf die Gesetzgebung, Frankf. 1857; Diez, Über Verwaltung u. Einrichtung der Strafanstalten mit Einzelhaft, Karlsr. 1857; Appert, Die Gefängnisse, Spitäler etc. in Österreich, Baiern, Preußen, Sachsen u. Belgien, Wien 1851, 2 Bde. Vgl. auch Strafe u. Zuchthaus.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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