Germain, St. [2]

Germain, St. [2]

St. Germain (spr. Säng Schermäng), 1) Graf von Saint-G, nach Einigen ein Portugiese, Marquis von Betmar, nach Anderen ein spanischer Jesuit, Aymar, nach der Marquise de Crequy ein elsasser Jude Simon Wolff, nach noch Anderen der Sohn eines Steuereinnehmers Rotondo zu S. Germano in Savoyen, geb. zu Ende des 17. od. Anfang des 18 Jahrh. Er selbst gab vor, 2000 od. 3000 Jahre alt zu sein, den Heiland u. die zwölf Apostel gut gekannt u. St. Petrus mehrmals den Rath gegeben zu haben, seine Heftigkeit zu mäßigen. Er trieb sich schon seit 1750 als Abenteuerer unther, in Venedig als Comte de Bellamare, in Pisa als Chevalier Schöning, in Mailand als Chevalier Welldone u. zu Genua als Graf Soltykow. Ludwig XV., dem er durch die Pompadour empfohlen war, schickte ihn 1760 zur Einleitung einer Friedensunterhandlung nach London. Seine genaue Bekanntschaft mit dem Marschall von Bellisle zog ihm aber bald den Haß des Herzogs von Choiseul zu, der nach England schrieb u. von Pitt die Verhaftung St.-G-s verlangte, unter dem Vorwande, daß er ein russischer Spion sei. Der Graf, der davon Kunde erhalten hatte, flüchtete nach dem Festlande. Bei der russischen Thronumwälzung 1762 spielte er eine ziemlich bedeutende Rolle. Graf Orlow, der ihn 1772 in Nürnberg fand, nannte ihn seinen Caro padre u. schenkte ihm 20,000 venetianische Zechinen. Von Petersburg begab er sich nach Berlin. 1774 lebte er zu Schwabach als Graf Tzarogy. Der Markgraf von Ansbach, Karl Alexander, der ihn bei seiner Geliebten, der Schauspielerin Clairon, in Ansbach kennen gelernt hatte, gewann ihn bald so lieb, daß er ihn mit sich nach Italien nahm. Nach Schwabach zurückgekehrt, ging er von dort über Dresden, Leipzig u. Hamburg nach Eckernförde im Schleswigschen zum Landgrafen Karl von Hessen. Dort st. er, obgleich er sich ewiges Leber verheißen hatte, des Lebens überdrüßig u. ganz verschuldet zu Anfang des Jahres 1780 (nicht 1795). St.-G. sprach fast alle lebenden Sprachen, hatte ein so kolossales Gedächtniß, daß er jede Zeitung, die er einmal überlesen hatte, ziemlich auswendig wußte, spielte fast alle Instrumente u. namentlich die Violine mit solcher Vollendung, daß man ein ganzes Quartett zu hören glaubte; er schrieb zwei Briefe zu gleicher Zeit, denn er konnte eben so schön u. geläufig mit der linken als mit der rechten Hand schreiben; er gab vor, den Inhalt versiegelter Briefe u. aus der Handschrift den Namen u. Charakter des Briefstellers errathen zu können. Auch wollte er in Indien die Kunst erlernt haben, Edelsteine zu machen u. einen Thee zu bereiten, der dem Alter die Kraft u. Schönheit der Jugend wiedergäbe. Das Recept zu diesem Elixir (Acqua benedetta) erhielt der Markgraf von Ansbach von dem englischen Consul John Dyk in Livorno. Er behauptete, keine Nahrungsmittel zu genießen, u. man sah ihn nie essen od. trinken. Oft verfiel er in Starrsucht u. gab, aus dieser erwachend, vor, in fernen Gegenden, ja außerhalb der Erde gewesen zu sein u. dort Eingebungen über die Zukunft erhalten zu haben; wirklich sagte er den Tod Ludwigs XV. voraus. Manche Monate des Jahres verschwand er, ohne daß Jemand wußte, wo er hin gekommen sei. Er gab auch vor, in höhere Grade der Freimaurerei eingeweiht zu sein, u. täuschte auch in dieser Beziehung Viele. Seine Lebensbeschreibung (von E. M. Öttinger bearbeitet) bildet Bd. 41–43 der Wohlfeilen Unterhaltungsbibliothek, Lpz. 1846. 2) Robert, Graf von Saint-G., geb. 1780 in Lons le Saunier in der Franche Comté, trat in den Jesuiterorden, verließ denselben aber bald u. diente unter dem Heere Ludwigs XIV. Unruhigen Geistes trat er der Reihe nach in die Kriegsdienste des Kurfürsten von der Pfalz, der Kaiserin Maria Theresia, des Kurfürsten von Baiern u. des König Friedrich II. Dann wurde er Kriegsminister in Kopenhagen, fiel aber 1772 in Ungnade. Nun lebte er im tiefsten Elende in Lauterburg, schickte militärische Reformpläne nach Paris, empfahl sich dadurch bei Malesherbes u. Turgot u. wurde 1775 französischer Kriegsminister, aber schon seine ersten Reformen, wie die Verlegung der Militärspitäler u. Kriegsschulen von Paris in die Provinzen, machten ihn bei der Armee u. dem Hofe verhaßt. Durch Einführung der militärischen Gleichheit beförderte er die politische, durch Einführung der Prügelstrafe verletzte er den französischen Ehrenpunkt; er sah sich daher genöthigt seinen Abschied zu nehmen u. st. bald darauf am. 15. Januar 1778. Man hat von ihm Memoiren, Paris 1779. 3) Sophie, geb. 1776 in Paris, widmete sich während der Revolution der höheren Mathematik u. stand anonym lange mit mehreren berühmten Mathematikern in Briefwechsel; sie starb 1831 in Paris u. schr.: Über die Theorie der Schwingungen der elastischen Platten, 1816 (Preisschrift), u. Mehreres über Physik u. Chemie.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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