Gerson [3]

Gerson [3]

Gerson (spr. Schersong), eigentlich Johann Charlier, genannt nach Gerson (s.d. 2), wo er 14. Dec. 1363 geboren wurde; er studirte seit 1377 am Collegium non Navarra in Paris u. seit 1382 10 Jahre lang Theologie, wurde 1383 Procurator der Gallischen Nation an der Universität u. 1395 nach seinem Lehrer Peter d'Ailly, Kanzler der Universität, erhielt auch bald darauf das Dekanat von Brügge in Flandern. Seine Stellung in Paris benutzte er, um gleich Anfangs eine Reformation der Sitten u. der Studien an der Universität anzubahnen u. der scholastischen Philosophie eine andere Bahn anzuweisen, namentlich suchte er zwischen den Nominalisten, zu denen er eigentlich hielt, u. den Realisten zu vermitteln, in der Theologie aber an die Stelle der trockenen Schulgelehrsamkeit den Mysticismus zu setzen, wie derselbe von den Victorinern aufgefaßt wurde, behielt aber auch hier den vermittelnden Standpunkt bei, indem die Scholastik die Form der Mystik sein sollte; sein System stellte er auf in dem Buche: De theologia mystica. Mit großem Eifer wirkte er gegen das Schisma in der Kirche u. billigte die, von dem König gegen Papst Benedict XIII. ergriffenen strengen Maßregeln; nachher wurde er zu dem 1403 wiederanerkannten Benedict XIII. gesendet, um denselben zur Unterwürfigkeit unter die Gesetze der Kirche, u. 1407 abermals zu diesem u. seinem Gegenpapst geschickt, um dieselben zu einer Übereinkunft zu bewegen; aber vergebens. 1408 wurde er Pfarrer an der Kirche St. Jean en Grève zu Paris u. gewann durch seine einfache, lebendige u. das praktische Christenthum fördernde Predigtweise einen großen Zuhörerkreis; auch vor dem Hofe predigte er öfter. 1409 ging er zum Concil nach Pisa u. 1415 nach Costnitz, u. sprach auf beiden vergebens dafür, daß die Kirche allein die Inhaberin der Kirchengewalt sei, daß in Glaubenssachen an das allgemeine Concil appellirt werden könnte, da der Papst nicht infallibel wäre, u. daß eine Reformation der Kirche nothwendig sei. Er betheiligte sich aber auch hier an der Verdammung Hussens u. dessen Freundes Hieronymus, welche ihm namentlich als Realisten verhaßt waren. Da er sich auf dem Concil der Sache des von dem Herzog von Burgund verfolgten Johann Petit (s.d.) eifrig angenommen u. sich dadurch den Haß des damals in Frankreich allmächtigen Herzogs zugezogen hatte, so kehrte er nach der Schließung des Costnitzer Concils nicht nach Paris zurück, sondern zog nach Deutschland u. fand erst eine Zuflucht im Schlosse Rattenberg in Tyrol, dann in Neuburg an der Donau in Baiern. Hier schrieb er De consolatione theologiae libri IV., das Monotessaron s. Unum ex quatuor evangeliis u.a. 1419 kehrte er nach Frankreich zurück, ging aber nicht nach Paris, wo seine Feinde, die Burgunder, noch herrschten u. die Universität zerstört war, sondern nach Lyon, wo er, in dem St. Paulskloster lebend, sich wissenschaftlich beschäftigte u. noch mehrere moralische, ascetische u. dogmatische Schriften abfaßte u. kleine Kinder unterrichtete. Er st. hier 12. Juli 1429. Er erhielt als Lehrer u. Vertheidiger des praktischen Christenthums den Beinamen Doctor christianissimus. Von seinen zahlreichen Tractaten wurden schon mehrere im 15. Jahrh. gedruckt; seine Werke erschienen zuerst Köln 1483, 4 Bde., Fol., Strasb. 1488, 3 Bde., Fol., u. (von Geiler von Kaisersberg besorgt) 1489, ein 4. Theil, die Predigten enthaltend, wurde von Wimpheling 1502 beigefügt; Basel 1494, Fol., Par. 1521; von E. Richer, Par. 1606, 3 Bde., Fol.; am vollständigsten von Dupin, Antwerpen 1706, 5 Bde., Fol. Über ihn schrieben Launoi (im 4. Bd. der Historia gymnasii Navarrae); Ant. Pereira, Compendio da vida da J. Gerson, Lissab. 1769, 2 Bde.; Lécuy, Essai sur la vie de G., Par. 1835, 2 Bde.; Pr. Faugère, Eloge de G., ebd. 1838; C. Schmidt, Essai sur G., Strasb. 1839; Thomassy, Jean G., ebd. 1843; Mettenleiter, Joh. G. u. seine Zeit, Augsb. 1857; Engelhardt, De Gersonio mystico, Erl. 1822, 2 Thle.; Jourdain, Doctrina Gersonii de theologia mystica, Par. 1838.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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