Manichäer [1]

Manichäer [1]

Manichäer, eine religiöse, den Gnostikern verwandte Partei im Orient, seit dem 3. Jahrhundert. I. Der Stifter war Manes od. Mani (Manichäus), die Nachrichten über ihn sind sehr verschieden. Nach den älteren griechischen Nachrichten war Scythianus, ein Araber von Geschlecht, aber in Scythien geboren, ein reicher u. gelehrter Mann, mit den dualistischen Systemen des, Orientes bekannt geworden u. hatte sich dann in Ägypten mit der Weisheit des Landes vertraut gemacht. Seine Ansichten schrieb sein Schüler Terebinthus auf u. ging nach dem Tode seines Lehrers nach Babylonien, wo er dessen System vortrug, aber nur wenig Anhänger fand. In Begriff, auf dem Söller seiner Wohnung eine Verschwörungsceremonie vorzunehmen, stürzte er herab u. starb. Die Wittwe, welcher das Haus gehörte, wurde die Erbin seiner Habseligkeiten, darunter auch der Schrift mit dem scythianischen System, welche nach ihrem Tode auf ihren Freigelassenen Corbicius überging. Dieser begab sich nach Persien, wo er sich Manes nannte, studirte hier die Landesreligion u. übersetzte die Schrift des Terebinthus, erweiterte dessen Lehre durch seine eigenen Ansichten u. gewann mehre Schüler, von denen er zwei, Thomas u. Addas, nach Ägypten u. Scythien als Apostel schickte, den dritten, Hermas, bei sich behielt. Da er dem König versprochen hatte, dessen tranken Sohn zu heilen, die Cur ihm aber nicht gelangt, so ward er ins Gefängniß geworfen. Hier trafen ihn seine zurückkehrenden Schüler, welche keine Anhänger gefunden hatten, ihm aber die Religionsbücher der Christen mitbrachten; aus diesen nahm Manes die Idee des Christus in sein System auf, sich selbst[829] aber hielt für den Paraklet. Nun sendete er seine Schüler wieder aus u. da er inzwischen vernommen hatte daß er hingerichtet werden sollte, so entfloh er u. ging zu dem Bischof Archelaos in Karrhä mit welchem er öffentlich über sein System disputirte; völlig besiegt, mußte er sich der Wuth des Volkes durch die Flucht entziehen u. fiel wieder dem König von Persien in die Hände, welcher ihn hinrichten u. seine Haut ausstopfen u. öffentlich ausstellen ließ. Nach den orientalischen Nachrichten war Manes entweder ein Christ u. wurde Presbyter in Ahwaz, verließ aber das Christenthum, hielt sich für den Messias, schuf sich sein dualistisches System, schickte seine zwölf Apostel nach Ostasien u. wurde endlich in Persien hingerichtet, od. er war der Sohn des persischen Arztes Patakios, erlernte die Malerei u. studirte Mathematik, Astronomie u. Naturkunde; da er auch das Christenthum kennen gelernt hatte, legte er sich die Rolle des von Jesu verheißenen Paraklets bei u. machte unter Sapor I. sein Religionssystem bekannt. Vor den Verfolgungen des nach einiger Zeit ihm abhold gewordenen Königs fliehend, ging er nach Kaschmir, Hindostan, Khatai u. Turkestan, erwarb dort großen Anhang u. kehrte unter Hormisdas nach Persien zurück. Nach dem Tode dieses ihm gewogenen Königs ließ ihn Varanes, nachdem er in einer Unterredung mit anderen Lehrern besiegt worden war u. seine ihm nachgewiesenen Irrthümer nicht widerrufen wollte, um 277 n. Chr. hinrichten.

II. Lehrsystem. Die Grundlage desselben war dualistisch: es gibt zwei entgegengesetzte Wesen (nicht, Götter). Gott u. die Hyle, od. Licht u. Finsterniß, od. Gute- u. Böses. Gott der Vater des Lichtes, ist lauter Glanz, Heiligkeit, Güte, Seligkeit u. thront unter zahllosen Lichtwesen, von denen zunächst zwölf Äonen (Lichtwellen) ihn umgeben, mit welchen allen er Eine Substanz bildet, welche auf der Lichterde ruht. Die Hyle od. der Dämon ist der Fürst der Finsterniß, der Herrscher der Reiches des Bösen, worin böse Wesen, furchtbare Thieren. giftige Gewächse in den fünf Regionen, (Dunkel, Schlamm, Sturmwind, verzehrendes Fener u. Rauch) sind; auch diese bilden mit ihrem Fürsten Eins. Hier ist das Gebiete des animalischen Lebens, u. darin befindet sich alles in einer regel- u. ruhelosen Bewegung, im Erzeugen u. Vernichten, im Entstehen u. Vergehen. Dieses Reich der Finsteniß ragt von Süden her in das sich nach Norden ausbreitende Lichtreich, von welchem letztern aber das Reich bei Finsterniß an Macht überragt wird. Zur Abwehr eines. etwaigen Einbruchs des begehrlichen Fisternißreiches in das Lichtreich, schickte Gott die Weltseele (Lebensmutter), welche den Urmenschen hervorgehen ließ, welcher mit Licht; Wasser, Wind, Feuer u. Luft bewaffnet, die Grenze gegen die Hyle bewachen u. diese wo möglich zum Bessern ändern sollte. Die blinde Hyle, von der Begierde nach dem Lichtreiche hingerissen, kam mit dem Urmenschen in Kampf. aus welchem dieser zwar von einer dritten Kraft, dem lebendigen Geist, gerettet u. in Sonne u. Mond versetzt wurde, aber der Hyle. einen Theil der Seele, zur Beute lassen mußte, welche sofort von der Hyle verschlungen ward. Die Seele in der Hyle schuf nun aus dem Wesen der Hyle das Firmament mit seinen Sternen, aus dem aber, was von der Hyle übrig geblieben war. (Materie), machte der, vorzugsweise in der Atmosphäre wohnende u. waltende lebendige Geist die gegenwärtige Welt. In ihr ist die geraubte Seele gebunden, u. wo sie sich offenbaren, da ist das edlere ü. bessere Naturleben. Diese gebundene u. leidende Seele sehnt sich nach der Befreiung (u. daraus entwickelte sich bei den späteren Manichäern die Idee des leidenden Menschensohnes, Jesus patibilis). Die Thierkörper stammen allein aus der Hyle, ohne Theil an der Seele zu haben. Der Mensch, Adam, war eine Zeugung des Fürsten der Finsterniß, welcher vorher die von den Dämonen mit Lichtstoff erfüllt geschaffenen Wesen verschlungen hatte, mit seiner Gattin nach seinem Bilde u. dem des Urmenschen; so wurde in ihm Göttliches u. Hylisches, Licht u. Materie, Gutes u. Böses vereinigt. Damit er aber nicht ihrem Regiment ganz entrückt würde, gesellten ihm die Dämonen die Eva bei, welche ihm die böse Lust einflößen sollte, was ihr auch gelang (Sündenfall), u. so ist der Menschfortwährend in einem Zustande des Zwiespaltes, indem seine nach 5 cm Lichtreich strebende (das Gute wollende) Seele an den, von dem Reiche der Finsterniß beherrschten (das Böse begehrenden) Leib gebunden ist. Wie die Natur, so bedarf auch der Mensch einer Erlösung. Die Erlösung besteht darin, daß in seiner Seele das Bewußtsein seiner Lichtnatur geweckt u. er zur Wahrheit über sich u. die Welt gebracht wird; der Erlöser aber ist der in Sonne u. Mond gerettete Urmensch., die Rechte des Lichts (gleichsam eine von Oben gereichte rettende Hand), aber auch mit den christlichen Namen Logos, Christus, Gottessohn, Menschensohn genannt. Seine Erscheinung auf Erben war nur Schein, so auch sein Leiden u. seine Kreuzigung w der Wirklichkeit blose Symbole des Leidens der Seele in Natur u. Mensch; seine Reden u. Gebote aber sind Wahrheit, u. dadurch, daß sie anerkannt u. darnach gelebt wird, geschieht die Erlösung u. Versöhnung, welche also der Mensch selbst bewirkt.) Die Erkenntniß dicht Wahrheit, das Führen in alle Wahrheit, aber wird vermittelt durch den Paraklet; dieser ist nicht der am Pfingstfest über die Apostel Jesu ausgegossene Heilige Geist, sondern Mailender Apostel Jesu. Wie nun in der Natur das, was als gereinigtes Lichtwesen emporsteigt, durch Sonne u. Mond in die Lichtwelt zurückgeführt wird, das aber, was noch einen materiellen Beisatz bei sich hat, durch die Wärme der Sonne u. die Kälte des Mondes w Regen auf die Erde herabfällt u. in die Pflanzenwelt übergeht; so muß auch die Seele von der Materie geläutert u. gereinigt werden. Die geläuterte Seele wird dann in verschiedenen Stationen auf den Mond, von hier auf die Sonne u. zuletzt in die Lichtsäule gehoben, von wo sie in die selige Lichterde zu Gott gelangen; die anderen müssen erst verschiedene Wanderungen durch Menschen – u. Pflanzenkörper durchmachen, bis sie der Seligkeit fähig werden können; die Seelen der Nichtmanichäer gehen in Thierleiber über. Das Ende der Dinge besteht in dem Vergehen der Erde durch Feuer, worauf alles wieder in die beiden ursprünglichen Reiche, das des Lichtes u. das der Finsterniß, aufgelöst wird.

III. Die Moral der M. war sehn streng ascetisch u. gebot Entsagung Sie begreift drei Signacula (Kennzeichen): das Signaculum oris, wonach alle, böse Gedanken, arge Worte, der Genuß des Fleisches u. Weines, welche als Erzeugnisse der Hyle die Lust nähren, verboten, u. nur vegetabilische Nahrung erlaubt war; das Signaculum manus, wonach keiner stehlen, Thiere tödten u. Pflanzen[830] abreißen (weil dies Versündigungen gegen die Natur wären), ja nicht einmal arbeiten sollte (weil darin Reizungen zu Gewinn u. Habsucht lägen); das Signaculum sinus wehrte alle Geschlechtslust, als Werk des Reiches der Finsterniß, weshalb der Ehestand zwar nicht verboten, aber die Ehelosigkeit angerathen u. bes. vor den Kinderzeugen gewarnt war, weil dadurch fort u. fort das Schaffen von Kerkern für die Seele bewirkt werde. Dieser strengen, im Leben unausführbaren Moral kam theils eine laxe Bußtheorie entgegen, theils war darin die Trennung der M. in zwei Klassen begründet; die untere bestand aus den Hörern (Auditores), welche es mit den moralischen Vorschriften nicht genau zu nehmen brauchten, sie aßen Fleisch, lebten in der Ehe, trieben Handel, Gewerbe, Ackerbau, verwalteten Ämter u. sorgten, wie die Arbeitsbienen für die Drohnen, für die Lebensbedürfnisse derer der oberen Klasse; diese, die Auserwählten (Electi) od. Vollkommenen (Perfecti), waren blos der Lichtwelt zugewendet u. bewahrten streng die Signacula; durch ihre Fürbitte erhielten auch die Hörer Vergebung für ihre in der Nichthaltung der Signacula begangenen Sünden. Die Auserwählten sollten eigentlich durch den Übertritt aus dem Stande der Hörer ergänzt werden, da dies aber nicht ausreichend geschah, so wurden Knaben zu dieser Klasse erzogen.

IV. Gemeindeverfassung u. Cultus. Die Verfassung hatte nichts Eigenthümliches; die Gemeindeglieder od. Laien waren die Hörer (s. oben); die Gemeindeämter wurden von den Auserwählten besorgt; die Gliederung war: nach der Zwölfzahl der Apostel des Manes bestand ein Collegium von 12 Magistri, mit einem 13. unsichtbaren Oberhaupte; unter diesen standen 70 od. 72 Bischöfe, welche wieder Presbyteri u. Diakonen u. die übrigen Auserwählten unter sich hatten. Für ihren Cultus, welcher aus Gesang u. Gebet bestand, hatten sie keine Tempel, sondern Säle, in welchen ein mit Tüchern behängter Lehrstuhl stand; der Festtag war der Sonntag, welcher mit Fasten begangen wurde; der größte Festtag war der Todestag des Manes (Bema, Feier des Lehrstuhles); die Taufe mit Wasser war nicht üblich, wohl aber eine Aufnahme unter die Auserwählten, welche vielleicht in einer Salbung mit Öl bestand; das Abendmahl begingen die Auserwählten in einer unbekannten Form.

V. Als Religionsschriften gebrauchten sie aus dem A. T. blos den Dekalogus, alles andere dieses Theiles der Bibel verwarfen sie, als unwürdige Begriffe von Gott predigend u. von fleischlich gesinnten u. wandelnden Propheten geschrieben; dasn. T. wurde nur mit Auswahl gebraucht; die kanonischen Evangelien galten ihnennicht von den Jüngern Jesu, sondern erst später von judaisirenden Männern geschrieben; die Apostelgeschichte hielten sie für ganz unecht u. die Paulinischen Briefe für interpolirt; vorzüglich in Ansehen u. Gebrauch waren das Evangelium Thomae, die Περίοδοι des Leucius Charinus u. die Acta Thomae.

VI. Die fernere Geschichte des Manichäismus. Trotz der Verfolgungen, welchen die M. nach dem Tode des Manes ausgesetzt waren, erhielten sie sich im Orient, namentlich in Persien, bis in das 8. Jahrh. hinein, zuweilen sogar an dem Hofe der Sassaniden gehegt, unter sich aber durch dogmatische Streitigkeiten in Secten gespalten. Frühe verbreiteten sie sich nach Syrien, Palästina, Ägypten, u. bes. Afrika wurde einer ihrer Hauptsitze; nach der Verfolgung durch Diocletian erhielten sie durch Constantin den Großen vorübergehend Duldung, dann erfolgten scharfe Maßregeln gegen sie, da namentlich die Regierung sich wegen ihres Cölibatgesetzes, der Pöbel aber. wegen vermutheter Ausschweifungen bei den Gottesdiensten ihrer Auserwählten gegen sie wendete, doch hielten sie sich in Afrika, wo sie bes. ein gut eingerichtetes Gemeindewesen u. tüchtige Leiter, wie Adimantus, Faustus, Felix etc. hatten, bis nach der Mitte des 5. Jahrh., worauf sie dort durch die Vandalen ausgerottet wurden. Auch der Kirchenvater Augustinus war früher ein M., wurde aber nachher ein Gegner u. wissenschaftlicher Bekämpfer derselben. In Europa hatten sich die M. bes. in Italien verbreitet, namentlich in Rom gab es deren eine große Anzahl; in der Mitte des 5. Jahrh. wurden sie auch hier unterdrückt, doch findet man noch später in Gallien u. Spanien Spuren derselben. Allenthalben wurde ihnen Abweichung von ihrer einfachen Lebensordnung, bes. aber geheime Laster schuldgegeben. Wie die M. Beziehung zu den Gnostikern hatten, so die späteren Priscillianisten, Paulicianer u. die mittelalterlichen Katharer (s.d. a.) zu den M-n.

VII. Quellen: Fragmente aus Briefen u. Schriften des Manes, im 7. Bd. von Fabricius' Biblioth. graeca; das Hauptbuch des Manes war in vier Theile getheilt: Βίβλος τῶν μυστηρίων, Βίβλος τῶν κεφαλαίων, Ζῶν εὐαγγέλιον u. Θησαυρὸς τῆς ζωῆς; die Acten über das Colloquium des Manes mit Archelaos (s. oben I.) öfter herausgeg., z.B. im 4. Bd. von Routh's Reliquiae sacrae; die Schriften der M., wie Adimantus, Faustus, Felix, Secundinus, Agapius, welche in Auszügen bei den Gegnern vorhanden sind; Letztere sind bes. Titus Bostrensis (Κατὰ τῶνΜανιχαίων), Alexander Lykopolit. (Λογὸς πρὸς τὰς Μανιχαίου δόξας) u. Augustinus. Vgl. Beausobre, Histoire crit. de Manichée et du Manichéisme, Amst. 1734–39,2 Thle.; Reichlin-Meldegg, Die Theologie des Manes, Frankf. 1825; Baur, Das manichäische Religionssystem, Tüb. 1831; von Wegnern, Manichaeorum indulgentiae, Lpz. 1827; Trechsel, Über Kanon, Kritik u. Exegese der M., Bern 1832.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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