Habeas-Corpus-Acte

Habeas-Corpus-Acte

Habeas-Corpus-Acte, ein englisches Verfassungsgesetz vom Jahr 1679, welches jedem Engländer den sorgfältigsten Schutz der persönlichen Freiheit gegen willkürliche Verhaftungen zusichert. Die H.-C. A. verdankt ihre Entstehung den bürgerlichen Kriegen, unter denen, im fortwährenden Kampfe der Königsgewalt mit den ihr widerstrebenden Parlamenten, die Freiheiten des englischen Volkes begründet wurden. Schon die Magna charta, der dem König Johann ohne Land abgedrungene Freiheitsbrief vom Jahr 1215 (vgl. England, Gesch. IX. A) enthielt eine Bestimmung, daß kein freier Mann eingekerkert werden dürfe, außer nach einem richterlichen Spruch seiner Standesgenossen od. nach speciellem Landesgesetz (Nullus homo capiatur vel imprisonetur, nisi per legale judicium parium suorum vel per legem terrae). Seit dieser Zeit wurde diese Bestimmung bei allen Bestätigungen der Magna charta im Wesentlichen wiederholt. Eine genauere Fassung derselben u. eine nähere Begrenzung des Verfassungsrechtes wurde darauf besonders unter Karl I. durch die Bill of rights im Jahr 1628, so wie durch mehrere nachfolgende Parlamentsacte, z.B. von 1634, festgesetzt. Die mehrfachen Übertretungen aber, welche auch gegen diese Bestimmungen unter der willkürlichen Regierung Karls II. vorkamen, führten endlich 1679 unter der Conseilpräsidentschaft Shaftesbury's zu der H.-C.-A., welche noch jetzt in Kraft steht. Der wesentliche Inhalt besteht in der Vorschrift, daß bei jeder Verhaftung dem zu Verhaftenden sofort der Grund seiner Verhaftung, in der Regel durch einen schriftlichen Befehl (Warrant) bekannt gemacht, der Verhaftete längstens binnen 24 Stunden, vom Augenblicke seiner Festnehmung an gerechnet, über die Anschuldigung vernommen u., wenn er sich dabei zu rechtfertigen vermag, sofort unbedingt, wenn er aber den wider ihn bestehenden Verdacht nicht gänzlich zu beseitigen im Stande ist, wenigstens provisorisch gegen Sicherheitsbestellung durch Bürgen freigelassen werden muß. Ausnahmen hiervon finden nur statt, wenn es sich um die schwersten Anschuldigungen (Verrath, Mord, Brandstiftung) handelt, od. der Angeschuldigte selbst durch sein Benehmen, z.B. weil er schon die Hast gebrochen hatte, das Vertrauen zu sich zerstört hat. Doch kann selbst bei den größten Verbrechen der höchste Gerichtshof (die Kings-Bench) noch gegen Bürgschaft Befreiung von der Hast anordnen. Gegen Richter, Gefängnißaufseher u. andere Beamte, welche der Acte zuwiderhandeln, sind strenge Strafen festgesetzt, u. jedem rechtswidrig Eingesperrten ist die Möglichkeit gesichert, schnell an den obersten Gerichtshof sich zu wenden, um diese Bestrafung u. die Aufhebung der eigenmächtigen Hast herbeizuführen. In neuerer Zeit sind aber wiederholt bei drohenden inneren Unruhen auch zeitweilige Suspensionen der H.-C.-A. vorgekommen, welche indessen stets nur mit Bewilligung der beiden Parlamentshäuser verfügt werden können. Suspensionen dieser Art wurden. 1793, als man gefährlichen geheimen Gesellschaften auf die Spur gekommen war, sodann 1817 wegen der in Folge der Mißernte von 1816 entstandenen Unruhen, sowie 1848 u. 1849 wegen der in Folge der Französischen Februarrevolution ausgebrochenen Chartistenbewegungen angeordnet. Für Deutschland galt es zwar schon längst als ein anerkannter Grundsatz, daß die Freiheit der Person der Unterthanen im Allgemeinen keinen anderen Beschränkungen unterliege, als welche die Gesetze bestimmten. Allein es lag in diesem Satze doch deshalb gar keine Garantie gegen Willkürlichkeiten, weil diese Gesetze selbst nicht feststanden, ja meist ganz fehlten u. die ausgedehnte Polizeigewalt Mittel genug bot, um unter jedem Vorwand eine Verhaftung anzuordnen. Deshalb wirkten auch die formellen Anerkennungen, welche der Satz, daß Niemand wider das Gesetz verhaftet werden dürfte, allerdings in mehreren Verfassungsurkunden vor 1848 erhielt, nicht viel, wenn dabei auch meistens schon nach dem Muster des englischen Gesetzes vorgeschrieben wurde, daß der Verhaftete binnen 24 od. 48 Stunden verhört u. mit der Ursache seiner Verhaftung bekannt gemacht werden müsse. Um so lebhafter regte sich bei den Bewegungen des Jahres 1848 das Verlangen, festere Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Freiheit zu erhalten, u. es wurde dasselbe meist unter den Forderungen von liberalen Reformen vorangestellt. Verschiedene Staaten haben hierauf Particulargesetze erlassen, welche im Ganzen auf Übertragung der englischen H.-C.-A. berechnet waren, wie z.B. Preußen. das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 24. September 1848 u. 12. Februar 1850, u. eine Art allgemeiner deutscher H.-C.-A. beabsichtigte der Artikel III. der Deutschen Grundrechte (s.d.) zu schaffen, welcher die Verhaftung[824] einer Person, ingleichen eine Haussuchung, außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen u. dem Angeschuldigten entweder sofort od. doch innerhalb der nächsten 24 Stunden zuzustellenden Befehles gestattete, der Polizeibehörde auferlegte, Jeden, den sie in Verwahrung genommen, im Laufe des folgenden Tages entweder freizulassen od. der richterlichen Behörde zu übergeben u. jedem Angeschuldigten das Recht einräumte, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen ihn vorliegen sollten, seine Freilassung gegen Stellung einer vom Gerichte zu bestimmenden Bürgschaft od. Caution zu verlangen. Zwar ist nun die letztere, wegen der von Bundeswegen angeordneten Wiederaufhebung der Grundrechte, nicht zu Stande gekommen, dagegen sind doch, wo nicht besondere Particulargesetze erlassen worden sind, die Grundsätze derselben in fast alle neueren Strafproceßordnungen übergegangen, wohin dieselben auch, in Verbindung mit den sonstigen Grundsätzen über die Vornahme von Verhaftungen (s. Verhaftung) eigentlich gehören.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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