Indig [1]

Indig [1]

Indig (Indigo), ein seit 2000 Jahren bekannter Farbestoff. Schon Plinius gedenkt seiner als Indĭcum, Vitruvius als Color indicus (daher der Name); arabisch, spanisch u. portugiesisch heißt er nach dem Hindustanischen Nil od. Anil (d.i. Blau). I. Ob die Indigpflanze auch das Indicum der Alten geliefert habe, ist nicht gewiß, da erst Marco Paolo im 13. Jahrh. erzählt, wie der I. in Ostindien angebaut u. bereitet wird, früher aber jeder indische, als Satzmehl aus Pflanzen gezogene blaue Pflanzenstoff so hieß. In Deutschland ist der I. erst seit Anfang des 17. Jahrh. Handelsartikel geworden, wo die Holländer ihn in geringen Sorten aus Indien einführten. Hierdurch wurde der Waid, welcher bisher das gemeine Farbematerial für Blau gewesen war, sehr zurückgesetzt; es erschienen, da hierdurch dem Waidbau Schaden geschah, in mehreren deutschen Staaten kaiserliche Verbote gegen dessen Einführung, so 1650 u. 1654; Gleiches geschah 1669 auch in Frankreich. Seit dieser Zeit war man auch bemüht, den I. durch Surrogate entbehrlich zu machen, u. nannte eine verbesserte Waidfarbe Waidindig etc. Alles dies half aber nichts, der vortheilhaftere I. verdrängte den Waid u. 1737 wurde das Verbot, den I. ohne Waid zu benutzen, aufgehoben, u. noch jetzt braucht Europa für 50–60 Millionen Thlr. I. zu Färbereien auf Wolle, Baumwolle, Tuch, Leinen u. Seide, seltener zu Malerfarben. Indigfarbstoff enthält vorwiegend die Indigpflanze, d.i. die Gattung Indigofera, bes. I. tinctoria, I. anil u. mehrere, I. hisperma. I. argentea, I. hirsuta; außerdem ist Indigfarbstoff, zum Theil von geringerer Güte, nachgewiesen bei den Gattungen Galega, Amorpha, Nerium, Wrightia, Asclepias, Isatis u. vielen anderen; so bei Isatis indica, I. tinctoria u. I. orientalis, Nerium tinctorium, Sophora tinctoria, Robinia caragna, Galega tinctoria, Polygonum aviculare u. P. tinctorium (letztere gibt in China den Weißen I. [Indigweiß], welcher erst an der Luft blau wird); von diesem wurde der Waid (Isatis tinctoria), frühzeitig im Abendlande, die Indigpflanzen (Indigofera) im Oriente angebaut. Die Indigofera tinctoria ist bes. in Guzurate in Vorderindien heimisch, doch wird ihr Anbau in ganz Ostindien, Westindien, Mittelamerika, Afrika u. überhaupt in wärmeren Gegenden (bis zum 40. Grad nördlicher Breite) betrieben. In Westindien fanden die Spanier die Indigpflanze schon heimisch, in Europa hat man nur auf Malta im 17. Jahrh. gelungene Versuche mit Anpflanzung derselben gemacht. Die Cultur der Indigpflanzen geschieht in Indigoplantagen; man wirst den Samen in Furchen od. Löcher u. erhält dann die jungen Pflanzen von Unkraut rein. Die Pflanzen werden etwa 2 bis 4 Fuß hoch u. sind bes. Verwüstungen von eigenen Insecten ausgesetzt, die oft in einer Nacht eine ganze Ernte vernichten. 8 bis 10 Wochen alt werden die Pflanzen, noch ehe sie blühen, mit einer Sichel abgeschnitten; dies wird dann von Zeit zu Zeit wiederholt, bis sie 2 bis 3 Jahre alt sind, worauf sie ausgerissen u. die Acker von Neuem bestellt u. besäet werden. In einem Jahre hat man bis vier Ernten. Das abgeschnittene Kraut wird nun sorgfältig in Bündeln in eigenen Gebäuden (Indigoterien) in ein mit einem Hahne versehenes Gefäß (Weichküpe, Gährungsküpe) gelegt, gegen das Aufsteigen beim Aufquellen durch aufgelegte Steine od. querüber befestigte Bambusstäbe u. Balken gesichert u. mit Wasser übergossen. Nach einigen Stunden beginnt eine Gährung mit Gasentwickelung, die Flüssigkeit wird grün, u. es bildet sich auf ihr ein Schaum; bekommt dieser ein purpurroth schillerndes Häutchen, od. bemerkt man, daß sich in einem Glase ein blauer Satz in Flocken abzusetzen beginnt, so wird die dunkelgrüne Brühe in ein zweites, neben der Weichküpe, aber tiefer als diese stehendes Gefäß (Schlageküpe od. Batterie) abgelassen u. hier mit Schlagestangen 1/2 Stunde geschlagen, bis die seinen Theilchen des blauen Pigments sich in kleinen Massen (Korn) leicht niedersetzen u. die Brühe hell weingelb wird. Diese wird abgelassen, die breiartige Masse, behufs der weiteren Reinigung, in ein drittes Gefäß (Setzküpe), worin sie einige Zeit mit Wasser gekocht (doch nicht immer), auch wohl mit mehreren anderen schon gewonnenen Indigabsätzen vermischt wird, dann in Abtropfbottiche, endlich in leinene Säcke zum Ablaufen der Feuchtigkeit gebracht u. der I. in platten Kästen u. nachher in kleinen, backsteinförmig geschnittenen Stücken an der Luft od. in einer Trocknenstube vollends ausgetrocknet. Vor der Verpackung wird der I. 8 Tage lang mit wollenen Tüchern bedeckt, damit er schwitzt, d.h. damit ein weißer Anflug herausgetrieben wird, welcher sonst unterwegs heraustritt; darauf werden die Indigstücken abgebürstet, so von dem Anflug, von Asche, Sand etc. befreit u. verpackt. 500 Pfund Blätter geben 1 Pfund I. Auf Java sind die drei Gefäße drei terrassenförmig über einander liegende steinerne Behälter, 25–30 Fuß im Quadrat u. 3 bis 4 Fuß tief. In Nordamerika gewinnt man den I. nicht durch Gährung, sondern mit Vortheil durch Aufguß der getrockneten Blätter der Indigpflanze mit lauem, des Nerium tinctorium mit kaltem Wasser, welches so lange auf den Blättern stehen bleibt, bis die Flüssigkeit grün wird u. aus dem sich dann der I. niederschlägt. Durch Verschlechterung der eigentlichen Indigopflanze in anderen Ländern, durch verschiedene Bereitung u. weil man statt derselben andere I. haltende Pflanzen baute u. benutzte, sind die vielen Sorten I. entstanden. Von den ostindischen Sorten, welche durch die Holländer in den Handel kamen, ist der Javaindig, von dem es verschiedene Untersorten gibt, die vorzüglichste: dem Javaindig am nächsten steht der Bengalische I.; unter den amerikanischen hat die von Guatemala mit drei Untersorten: Flore (oberste, beste Schicht), Sobre (mittlere), Corte (unterste Schicht), besonders die Sorte Tiffat den Preis; auch der Domingoindig, so wie der Hispaniola ist gut; geringer wird der Louisana- u. Martiniqueindig geachtet, England bringt besonders als Spanisch-Flor eine vorzügliche Sorte; der schlechteste, Bastardindig (vgl. Amorpha), wird blos zum Verfälschen der guten Sorten gebraucht. Der Werth des I. bestimmt sich nach der Tiefe u. dem Feuer seiner Farbe. Guter I. muß in ganzen Stücken, leicht u.[884] locker, im Bruche muschelig, ohne zu zerkrümeln, trocken, äußerlich blau, im Striche (mit dem Fingernagel) aber violett bis kupferroth, innerlich mit silberfarbenen Streifen (der Blume) durchzogen sein, auf Wasser schwimmen u. in Schwefelsäure sich ganz auflösen, auf glühenden Kohlen aber völlig verbrennen. Das Färben mit I., s.u. Indigfärberei.

II. Der I. des Handels enthält: A) Indigleim (Indigpflanzenleim), eine durch verdünnte Säuren ausziehbare, dem Gliadin ähnliche, aber nicht klebrige, leicht in Wasser lösliche Masse; er gehört jedenfalls zu den Proteïnkörpern; B) Indigbraun, im I. theils an Kalk, theils an eine Säure gebunden, ist braun, fast geschmacklos, löslich in concentrirter Ätzkalilauge, durch Säuren aus der alkalischen Lösung fällbar. Das sogenannte Indiggrün ist ein Gemeng von Indigbraun mit Indigblau u. etwas Alkali; C) Indigroth, ein rothes Harz, welches man durch Auskochen des von Indigbraun u. Indigleim befreiten I-s mit Alkohol erhält. Beim Verdampfen des Weingeistes fällt dasselbe nieder; es ist ein braunrothes Pulver od. ein schwarzbrauner Firniß, unlöslich in Wasser, verdünnten Säuren u. Alkalien, schwerlöslich in Weingeist, leichter in Äther mit dunkelrother Farbe; concentrirte Schwefelsäure löst es mit gelber Farbe. Beim Erhitzen in luftleerem Raume sublimiren farblose glänzende Nadeln (desoxydirtes Indigroth), welche durch oxydirende Mittel wieder in Indigroth verwandelt werden. Nach Entfernung dieser drei Stoffe u. etwa zufällig beigemischter Substanzen bleibt D) Indigblau (oxydirtes Indigblau, Indigotin, Cörnlin = C16H5NO2), das eigentliche Pigment des I-s; es ist tief purpurblau, von kupferfarbenem Strich, geruch- u. geschmacklos, neutral, in Wasser, Alkohol, Äther unlöslich, in concentrirter Schwefelsäure löslich, jedoch nicht ohne Veränderung (s. unten), bei langsamem Erhitzen verflüchtigt es sich in purpurfarbenen Dämpfen, welche sich zu einem eben so gefärbten, nadelförmigen Sublimat verdichten; bei der trockenen Destillation liefert es Anilin, Blausäure u. Ammoniak. Um Indigblau darzustellen, bereitet man eine alkalische Lösung von Indigweiß, indem man gepulverten I. mit Eisenvitriol u. Kalkwasser od. Natron, Stärkezucker u. Wasser mengt u. einige Zeit sich selbst überläßt; die filtrirte Lösung wird durch Salzsäure gefällt, der Niederschlag ausgewaschen, durch Oxydation an der Luft in Indigblau verwandelt u. getrocknet; durch Sublimation wird alsdann das Indigblau rein erhalten; auch aus käuflichem I. kann man durch Sublimation das Indigblau gewinnen, indem man es in dünnen Schichten vorsichtig erhitzt; das Sublimat wird durch Auskochen mit Alkohol von beigemengtem Indigroth u. brenzlichen Ölen gereinigt. Nach Dumas wird der gepulverte I. mit verdünnter Säure, dann mit Kalilauge u. zuletzt mit siedendem Alkohol behandelt u. der Rückstand sublimirt. Zersetzungsproducte des Indigblaues, a) durch concentrirte Schwefelsäure: aa) Phönicinschwefelsäure (Indigpurpur, Purpurschwefelsäure, Acide su isopurpurique), entsteht durch die Einwirkung von Schwefelsäurehydrat auf I. als erstes Product u. ist eine gepaarte Verbindung von Schwefelsäure u. Indigblau = C32H10N2O4, SO3 + SO3, HO, purpurfarbenes Pulver, löslich in Wasser, mit tief blauer Farbe, unlöslich in säurehaltigem Wasser, zersetzt sich bei 200° u. liefert rothe Dämpfe; bb) Indigblauschwefelsäure (Indylinschwefelsäure, Sulfindylsäure, Cörulinschwefelsäure) = C16H4NO, SO3 + SO3, HO, entsteht beim Auflösen von Indigblau in concentrirter Schwefelsäure, die Lösung wird mit der 30–50fachen Menge Wasser verdünnt u. die Phönicinschwefelsäure abfiltrirt; das blaue Filtrat wird mit Wolle od. Flanell digerirt, wodurch die Wolle die blauen Säuren aufnimmt. Die blaugefärbte Wolle wird mit verdünntem Ammoniak digerirt u. die dunkelblaue Flüssigkeit bei 50° verdunstet; der trockene Rückstand wird mit Alkohol von 0,83 übergossen, welcher das indigblauschwefelsaure Ammoniak ungelöst zurückläßt, während das indigblauunterschwefelsäure Ammoniak gelöst wird. Um die erstere Säure aus dem Ammoniaksalz rein zu erhalten, wird die wässerige Lösung mit essigsaurem Bleioxyd gefällt u. das erhaltene Bleisalz durch Schwefelwasserstoff zersetzt; man erhält so eine fast farblose Flüssigkeit, welche an der Luft blau wird u. beim Verdunsten bei 50° die Indigblauschwefelsäure in Form einer blauen amorphen Masse zurückläßt; sie ist leicht löslich in Wasser u. Alkohol, schmeckt herb, zersetzt sich beim Erhitzen; durch Schwefelwasserstoff entfärbt sie sich unter Abscheidung von Schwefel; die Salze dieser Säure sind amorph. Das indigblauschwefelsaure Kali od. Natron ist der sogenannte Indigcarmin (Indigo soluble); er ist in Wasser mit schön blauer Farbe löslich u. für die Färberei bes. wichtig, weil er keine freie Schwefelsäure enthält, wie die unreine Indigblauschwefelsäure, u. sich eben so gut, wie die Indigblauschwefelsäure, mit thierischer Faser verbindet (bes. auf Alaunbeize); cc) Indigblauunterschwefelsäure (Cörulinunterschwefelsäure) bildet sich neben der vorigen beim Auflösen von Indigblau in concentrirter Schwefelsäure. Das Ammoniaksalz wird auf gleiche Weise mit essigsaurem Bleioxyd u. Schwefelwasserstoff zersetzt. Die Indigblauunterschwefelsäure bleibt nach dem Verdunsten der Lösung als amorphe Masse zurück. Wenn man eine Lösung von indigblauunterschwefelsaurem Baryt im Wasserbade verdunstet, so wird sie grün, u. es hat sich eine grüne Säure, Viridinschwefelsäure, gebildet; wenn man indigblauschwefelsaures Kali in Kalkwasser löst u. die Lösung in einem bedeckten Gefäße stehen läßt, so bildet sich Purpurinschwefelsäure; läßt man aber die Lösung in einem offenen Gefäße stehen, so bildet sich eine gelbe Säure, Flavinschwefelsäure, nebenbei noch eine rothgelbe Säure, Fulvinschwefelsäure, u. eine andere, in Wasser mit schön rother Farbe lösliche Säure, Rufinschwefelsäure. b) Durch reducirende Mittel. Wenn Indigblau bei Gegenwart von Alkalien mit reducirenden Substanzen zusammengebracht wird, wie mit Phosphor, Schwefelkalium, Zinnoxydul, Eisenoxydul, so wird es entfärbt u. in der alkalischen Flüssigkeit löslich. Der so erhaltene Körper ist Indigweiß (reducirter Indig, Leucindin, Isatenoxydul, das Thromogen des I-s), C16H6NO2; es hat sich aus dem Indigblau, C16H5NO2, durch Aufnahme von 1 Äquivalent H gebildet, kann daher als das Hydrür des Indigblaues angesehen werden, od. auch nach Liebig als desoxydirtes, aber im Hydratzustande befindliches Indigblau (Indigblau[885] _– 1 Äquivalent O + 1 Äquivalent HO), Berzelius betrachtet das Indigweiß als erstes Oxydhydrat des Radicals C16H5N (Inden) u. das Indigblau als zweites Oxyd dieses Radicals (Indigweiß = C16H5N + O + HO, Indigblau = C16H5N + O2). Das Indigweiß ist in trockenem Zustande weiß, zusammenhängend, ohne Geruch u. Geschmack, in Wasser unlöslich, löslich in Alkohol u. Äther. Die Lösungen färben sich allmälig u. setzen Indigblau ab. c) Mit oxydirenden Mitteln. Wenn man Indigblau mit einer Lösung von Chromsäure od. mit Schwefelsäure behandelt, so nimmt das I. 2 Äquivalente Sauerstoff auf u. geht über in Isatin (s.d.). d) Durch die Einwirkung von Chlor auf Indigblau entstehen Chlorisatin, Bichlorisatin, Chlorindoptensäure, C12H3Cl3O2, Trichloranilin, C12H4Cl3N. e) Durch die Einwirkung von Salpetersäure auf Indigblau entstehen aa) Anilsäure (Indigsäure, Anilsalpetersäure, Nitrosalicylsäure), C14H5NO10, die betrachtet werden muß als Salicylsäure, in welcher 1 Äquivalent H durch 1 Aquiv. NO4 ersetzt worden ist; bb) Pikrinsäure (Nitropikrinsäure, Pikrinsalpetersäure, Chrysolepinsänre), C12H3N3O14 (s. Phenylverbindungen); sie ist zu betrachten als phenylige Säure, in welcher 3 Äquivalente H durch 3 Äquivalente NO4 ersetzt worden sind:

Indig [1]

f) Einwirkung des Kalis auf Indigblau. Wenn I. in Kalilauge gelöst u. die Lösung mit einer Säure neutralisirt wird, so bildet sich ein blaugrüner Niederschlag; die davon abfiltrirte Flüssigkeit gibt beim Übersättigen mit Salzsäure einen rothbraunen Niederschlag, die Thrysanilsäure, = C16H5NO2, welche sich in Wasser wenig, in Alkohol aber mit rothgelber Farbe löst; durch Kochen mit verdünnten Säuren zerfällt sie in zwei neue Körper, nämlich einen unlöslichen, blauschwarzen, indifferenten u. eine aufgelöst bleibende Säure, die Anthranilsäure, = C14H7NO4, welche sich auch erzeugt, wenn man eine alkalische Lösung von Indigblau unter Zusatz von Braunstein mit Wasser eindampft; krystallisirt in gelblichen Blättchen, die bei 135° schmelzen u. der Benzoësäure ähnlich sublimiren; beim raschen Erhitzen zerfallen sie in Phenylamin u. Kohlensäure (C14H7NO4 = C12H7N + 2CO2). Durch Schmelzen von festem Kalihydrat mit kleinen Mengen Indigblau soll nach Gerhardt Baldriansäure gebildet werden. Cahours erhielt beim Erhitzen von I. mit Kalihydrat Salicylsäure.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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