Kassel

Kassel

Kassel (Cassel), 1) Haupt- u. Residenzstadt des Kurfürstenthums Hessen u. von dessen Provinz Niederhessen, am Einfluß des Ahnebaches in die Fulda, über welche die steinerne Wilhelmsbrücke führt; hat 9 Thore u. 19 öffentliche Plätze, ein Theil der Stadt ist noch mit Mauern umgeben; 8 Kirchen (darunter die katholische St. Martinskirche) u. Synagoge; Sitz der Ministerien, des Oberappellationsgerichts, des Consistoriums u. der Provinzialbehörden; besteht aus der Alt-, Obern u. Untern Neustadt. In der Altstadt ist das Schloß (unter Wilhelm III. u. Philipp dem Großmüthigen gebaut, vollendet 1557, 1811 abgebrannt, später als Kattenburg wieder, doch nur theilweise, aufgebaut), Marstall dabei; der Parade- od. Schloßplatz (950 Fuß lang, 350 breit), Markt, Collegienhof, Gouvernementshaus, Packhof, Lombard; Martinskirche (mit Begräbnissen hessischer Fürsten, unt. And. Philipps des Großmüthigen), Waisen-, Zucht-, Zeug-, Reit-, Cadettenhaus, Kasernen; Hauptsitz des Handels u. der Gewerbe. In der Oberen Neustadt der Friedrichsplatz (1000 Fuß lang, 450 breit, auf drei Seiten mit zwei Reihen Linden umgeben u. mit der kolossalen Marmorstatue des Landgrafen Friedrich II.), das kurfürstliche Schloß Bellevue, wo sich die Gemäldegallerie befindet; Karlsplatz, mit der Marmorstatue des Landgrafen Karl; Königsplatz (zirkelrund, 456 Fuß im Durchmesser, in der Mitte mit sechsfachem Echo) in der Mitte der 4500 (5100) Fuß langen Königsstraße, das neue Ständehaus auf der Friedrich-Wilhelmsstraße; der Wilhelms-, Kasernen- u. Garde du Corpsplatz; das Museum Fridericianum, 290 Fuß lang (mit kurfürstlicher Bibliothek, begründet 1580, seit 1700 vermehrt durch die Bibliothek des Königs Friedrich von Schweden, Prinzen Georgs von Hessen-Kassel, des Kriegsraths Phil. Senning, des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen u.a., außerdem mit Naturalien-, Antiken-, Münz-, phelloplastischem Cabinet, Sternwarte); kurfürstliches Palais, Fürstenhaus, Schauspielhaus, Münze, Gebäude des Generalkriegsdepartements, die Geheime Kanzlei, das Hotel der Ministerien; Meßhans (Niederlage für Waaren u. dgl.); Armenhaus, Kasernen. In der Unteren Neustadt, östlich der Altstadt, am rechten Ufer der Fulda, ist das Castell mit einiger Befestigung für Staatsgefangene u. Militär, Waisen- u. Armenerziehungshaus u.a. In der Leipziger Vorstadt (ebenfalls am rechten Ufer der Fulda) ist das Landkrankenhaus, in der Wilhelmshöher Vorstadt, von wo eine Allee nach Wilhelmshöhe führt, die alte Kaserne. K. hat Gymnasium (Lyceum Fridericianum), Kriegsschule, Cadettenhaus, Polytechnische Schule, Realschule, Bau- u. Handwerksschule, jüdische Realschule mit jüdischem Schullehrerseminar. Wissenschaftliche u. Kunstanstalten: Kunstverein, Verein für hessische Geschichte u. Landeskunde, mit Cabinet der Alterthümer (s. Alterthumsvereine M), Cäcilienverein (für Musik) u. mehre andere musikalische Vereine, Verein für Naturkunde, Landwirthschaftsverein, Handels- u. Gewerbverein. Andere öffentliche Anstalten: Entbindungsinstitut, Zwangsarbeits- u. Zuchthaus für Verbrecherinnen, Versorgungsanstalt[363] für infirme Arme (Alles in der ehemaligen Kaserne); industrielle Anstalten: Stückgießerei, Münze, Zuckersiedereien, Maschinenfabriken, Fabriken in Gold- u. Silberwaaren, Baumwollen-, Wollen- u. Seidenwaaren, Teppichen, Papiertapeten, Tuch, Wachstuch, Leder, Band, Tabak, Nikel, Cement, Porzellan, Alaun, Farben, Papier, Fayence, Wachslichtern, Handschuhen, Hüten, Chemikalien, Fabrik musikalischer Instrumente; der Handel ist, ungeachtet zweier Messen u. der schiffbaren Fulda, nicht von Bedeutung. Eisenbahnverbindungen: über Göttingen mit Hannover (Hannoversche Südbahn), nach Hümme (dann weiter nach Karlshafen u. Haueda zum Anschluß an die Westfälische Staatsbahn), nach Guntershausen Anschlüsse an die Main-Weserbahn [Frankfurt a. M.] u. die Friedrich-Wilhelms Nordbahn, welche sich in Gerstungen an die Thüringische Eisenbahn schließt,; 37, 031 Einw., worunter gegen 800 Juden. Um K. sind schöne Promenaden. In der Nähe das Lustschloß Augustenruhe (sonst Schönfeld), die Orangerie, mit Orangeriepalais u. Marmorbad, welche mit der Aue (Karlsaue), einer parkähnlichen Anlage mit großem Bassin, schönen Alleen u. Fasanerie, in Verbindung steht, das Fischhaus, das Eichwäldchen u. Wilhelmshöhe (s.d.). – K. hieß im Mittelalter Chassala (Cassala, Cassella, Cassulan, Cassie) u. kommt zuerst in einer Urkunde des Kaisers Konrad I. 913 vor. Kaiser Heinrich II. schenkte den Hof Cassella 1008 seiner Gemahlin, welche das Kloster Kaufungen damit begabte, wobei jedoch auch schon einer Civitas Cassulan gedacht wird. 1239 verbriefte Landgraf Hermann von Thüringen der Stadt K. von Neuem ihre alten, verloren gegangenen Rechte u. Freiheiten. Heinrich das Kind legte die Untere Neustadt an, baute die landgräfliche Burg neu auf u. residirte hier; doch kam die Stadt erst unter Heinrich dem Eisernen, welcher es durch die Erbauung der sogen. Freiheit erweiterte u. 1364 ein Domstift gründete, in Aufnahme. 1385 u. 1387 belagerten der Herzog von Braunschweig, der Markgraf von Meißen u. die Bischöfe von Köln, Paderborn u. Osnabrück K. vergebens. Landgraf Philipp der Großmüthige umwallte, nachdem er die Reformation eingeführt hatte, 1523 u. 1526 Schloß u. Stadt; doch wurde K. bald darauf von Karl V. eingenommen u. die Werke 1547 geschleift. Philipp stellte nach seiner Befreiung die Werke wieder her, u. Landgraf Wilhelm IV., sein Sohn, führte sie noch mehr aus. Die Obere Neustadt wurde zu Ende des 17. Jahrh. unter Landgraf Karl, welcher die französischen, durch den Widerruf des Edicts von Nantes vertriebenen Flüchtlinge aufnahm, gebaut. Hier 1661 Kasseler Religionsgespräch, auf Verordnung des Landgrafen Wilhelm VI. unter Vorsitz dreier hessischer Staatsräthe von zwei marburgischen u. zwei rintelnschen Theologen gehalten, um die Anfeindungen u. Verunglimpfungen zwischen der Lutherischen u. Reformirten Kirche, bes. in Hessen, zu beseitigen (vgl. Union). 1757, 1758, 1759 u. 1760 besetzten die Franzosen K., hielten darin auch einen Angriff der Aliirten 1761 aus, doch wurden sie nach dem, von den Alliirten am 24. Juni 1762 bei Wilhelmsthal erfochtenen Siege von Neuem belagert u. K. am 1. Novbr. desselben Jahres erobert. Die Festungswerke wurden von 1769–74 geschleift u. in Promenaden u. Straßen verwandelt Am 1. Novbr. 1806 besetzten die Franzosen die Stadt, u. K. wurde nun die Hauptstadt des Königreichs Westfalen. Am 1. Octbr. 1813 wurde es von einem russischen Streifcorps überfallen u. genommen, jedoch erst in Folge der Schlacht bei Leipzig von der französchem Herrschaft völlig befreit, s. Russisch-deutscher Krieg. 1830 u. 1831 war K. der Schauplatz wiederholter Unruhen, s. Hessen-Kassel (Gesch.) III.; eben so im April 1848, wo es zu blutigen Auftritten zwischen der Leibgarde u. den Bürgern kam, das Volk das Zeughaus erstürmte etc. (s. ebd. V.); am 2. Novbr. 1850 wurde K. von Preußen u. am 22. Decbr. auch von Baiern u. Österreichern besetzt, welche bis Juli 1851 blieben (s. ebd. V.) Vergl. Lyncker, K. u. die schönsten Punkte der Umgegend, Kass. 1856. 2) So v.w. Kastel 2); 3) s. Cassel.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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