Kirchenstaat [2]

Kirchenstaat [2]

Kirchenstaat (Geschichte). I. Entstehung der weltlichen Macht des römischen Papstes. Die ersten Anfänge des weltlichen Besitzes der Römischen Kirche u. ihres Oberhauptes werden von der Sage u. in unechten Urkunden bis auf den Kaiser Constantin d. Gr. zurückgeführt, welcher der Kirche unter dem Bischof Silvester I., der ihn von einer Krankheit geheilt habe, die Stadt Rom u. andere Gebiete geschenkt (Donatio Constantini Magni) u. dem Papste selbst den Orden vom goldnen Sporn geweiht haben soll. Gewiß ist nur so viel, daß jener Kaiser im Jahre 321 der Römischen Kirche durch ein Edict die Fähigkeit beilegte, von Todeswegen zu erwerben, u. daß dieselbe darnach reichlich beschenkt wurde u. zu Anfang des 7. Jahrh. schon ziemlich ausgedehnten Grundbesitz (Patrimonium Petri), bes. in Sicilien u. Gallien hatte. Aber nicht allein darin hat die weltliche Macht der Päpste ihre Begründung gehabt, sondern auch u. vorzüglich in den Privilegien, welche dieselben im 4. u. 5. Jahrh. von den Kaisern erhielten, in deren Folge schon Gelasius I. 493 erklären konnte, daß der Römische Stuhl von Niemand vor Gericht gezogen werden könne; ferner in der Benutzung des Umftandes, daß seit dem Ende des 4. Jahrh. die Kaiser nicht mehr in Rom residirten, u. die späteren Exarchen, die Statthalter der Byzantinischen Kaiser in Italien, ihren Sitz auch nicht in Rom, sondern in Ravenna hatten, u. die Päpste durch Vermittelung zwischen Volk u. dem fernen Kaiser sich die Gunst der Italiener zu erwerben wußten; endlich daß sie nach der Begründung der Herrschaft der Longobarden in Italien es mit diesen gegen den Kaiser hielten u. nach der Entstehung der Glaubensdifferenzen zwischen der Römischen u. Griechischen Kirche das Volk auf ihrer Seite hatten. Bis zum 8. Jahrh. waren die Päpste mit den Besitzungen der Römischen Kirche Vasallen des Byzantinischen Kaisers gewesen; 728 erhielt Gregor II. an der Stadt Sutri von Liutprand, König der Longobarden, das erste freie Besitzthum, u. Gregor III., nachdem durch Vermittelung Karl Martells ein Mißverhältniß zwischen ihm u. dem König ausgeglichen war, noch die Städte Amelia, Orta, Bomarzo u. Bieda, welche[516] vorher zum Exarchat gehörten. Als der Longobardenkönig Aistulf das ganze Exarchat erobert u. bei der Ausführung seines Planes, sich zum Herrn ganz Italiens zu machen, auch die Güter der Kirche an sich genommen hatte, st. rief Papst Stephan II. die Hülfe des Frankenkönigs Pipin an. Dieser nahm 754 u. 755 den Longobarden das Exarchat ab, erwirkte dem Papste die Rückgabe des Patrimonium Petri u. machte denselben zum Herrn des Exarchats u. der 5 Städte (Pentapolis) Rimini, Pesaro, Fano, Sinigaglia u. Ancona. Da jedoch die Ausführung dieser Bestimmung von dem Longobardenkönig verzögert wurde, so rief Papst Hadrian I. Karl den Großen zu Hülfe, welcher 774 die Herrschaft der Longobarden stürzte u. dem Papste die Pipinsche Schenkung bestätigte u. vermehrte. Es wurden dazu außer der Pentapolis noch gerechnet: Ravenna, Cesena, Jesi, Forlimpopoli, Forli, Montefeltre, Acerrajo, Montelucani, Bobbio, Urbino, Carli, Luceoli, Eugubio, Comacchio u. Narni, doch läßt sich der Umfang nicht mit Bestimmtheit ergeben, da die gleichzeitige. Urkunde nicht existirt u. die späteren unecht sind. Überhaupt aber betraf diese Schenkung nur die Einkünfte der geschenkten Gebiete u. machte den Papst noch keineswegs zum Landesherrn, sondern sein Verhältniß zum Kaiser blieb das vorige, nicht weniger als zum Frankenkönige, welcher, wie sein Vater Pipin, Schutzherr (Patricius) von Rom war, u. als Leo III. Karl den Großen 800 zum Römischen Kaiser gekrönt hatte, so war wohl das Band gelöst, welches den Papst an den Byzantinischen Kaiser band, aber nun war der König der Franken Herr in Italien, welcher den Papst bestätigte. Während aber die Päpste an Landgebiet u. an kirchlichem Ansehen gewannen, verminderte sich ihr Einfluß u. ihre Macht in Rom u. dem umliegenden Gebiet, da die Römer ihrer Vermittelungen gegen die Bedrückungen der Griechen u. Longobarden nicht mehr bedurften. Dies zeigte sich schon in den blutigen Aufständen gegen Leo III. in den Jahren 804, 814 u. 815. Kaiser Ludwig der Fromme bestätigte u. vermehrte 818 die Schenkungen seiner Vorfahren an den Römischen Stuhl, doch begab auch er sich der landesherrlichen Gewalt nicht, welche sein Sohn Lothar 824 bei seiner Krönung in vollem Umfange ausübte, zugleich aber auch dem Senat u. der Bürgerschaft sehr ausgedehnte Rechte verlieh, wodurch der weltlichen Macht der Päpste über die Stadt u. das umliegende Gebiet für mehrere Jahrh. Schranken gesetzt wurden. Die Zwistigkeiten der Karolinger u. ihre Schwäche begünstigten den Einfluß der Päpste auf Rom wieder, denn sie mußten zur Vertheidigung der Stadt u. ihres Gebietes gegen auswärtige Feinde, namentlich gegen die Sarazenen, thätig sein. In den Streitigkeiten der Karolinger neigten sich die Päpste, bes. Hadrian II., auf Seiten der französischen Linie derselben. Papst Johann VIII. (von 872–882) trug viel zur Erweiterung der weltlichen Macht des Römischen Stuhles bei, weil er dem schwachen Karl den Kahlen mit zur Kaiserwürde verhalf, nicht ohne sich große Rechte dafür auszubedingen. Nach Karls Tode, 888, kamen in Italien bis 924 Italiener auf den Thron (s. Italien, Gesch.), u. darauf entstand ein fast 40jähriger Kampf um das Regiment, während welcher Zeit berüchtigte Weiber, wie Theodora u. Marozia, über schwache Päpste herrschten u. sich namentlich in Rom eine Adelspartei ausbildete, welche sich schließlich der päpstlichen Herrschaft entzog u. Rom in einen Freistaat verwandelte (s. Rom, Gesch.). Kaiser Otto der Große erschien 962 in Rom, stellte am 2. Febr das kaiserliche Ansehen wieder her, entsetzte den Papst Johann XII., wählte Leo VIII. an dessen Stelle u. bestätigte am 13. Februar die päpstlichen Besitzungen. In Rom aber blieb das weltliche Regiment getrennt von dem kirchlichen des Papstes, die Kirche verlor durch die Schuld der Päpste mehre ihrer Besitzungen, u. dieselben wurden ihr streitig gemacht u. erst später wieder erworben. Da die Papstwahlen fortwährend zu ärgerlichen Auftritten Anlaß gaben, so verpflichtete 1047 Kaiser Heinrich III. die Römer, keinen Papst ohne seine Beistimmung zu wählen, wogegen dann der gewählte von ihm geschützt wurde. 1052 brachte Papst Leo IX die Oberlehnsherrlichkeit über das Herzogthum Benevent durch Austausch kirchlicher Rechte in Deutschland an den Römischen Stuhl u. dadurch das Wachsthum des beginnenden K-s zum schnelleren Gedeihen. 1059 entsagte der Kaiser dem Rechte seiner Stimme bei der Papstwahl. Eine Stütze ihres Ansehens in Unteritalien erhielten die Päpste nun an den Normannen, deren Herzog Robert Guiscard 1060 vom Papst Nicolaus II. mit Apulien u. Calabrien nebst allen Ländern, welche er in Süditalien u. Sicilien den Sarazenen entreißen würde, belehnt wurde; daher betrachtet sich der Papst noch jetzt als Lehnsherrn des Königs Beider Sicilien. Von den wichtigsten Folgen für den K. waren die Kämpfe Gregors VII. mit dem Kaiser Heinrich IV. über das Investiturrecht (s.u. Deutschland [Gesch.] VI.), u. Paschalis' II. mit Heinrich V. über die Mathildischen Güter. Als nämlich die Gräfin Mathildis von Toscana, welche 1077 u. 1102 ihr ganzes Gebiet für ihren Todesfall der Römischen Kirche versprochen hatte, 24. Juli 1115 gestorben war, entstand zwischen Papst u. Kaiser ein heftiger Streit über diese Güter, in deren Besitz doch Erster blieb u. endlich 8. Juni 1201 vom Kaiser Otto IV. förmlich anerkannt wurde. Darnach bildete den K. das ganze Land von Radicofani (in Toscana) bis nach Ceperano (in Neapel), das Exarchat, die Pentapolis, die Mark Ancona, das Herzogthum Spoleto, die Mathildischen Güter, die Grafschaft Berlinero. Innocenz III. brachte es endlich 1198 dahin, daß ihm der Stadtpräfect von Rom den Eid der Treue leistete, und machte der kaiserlichen Gerichtsbarkeit über Rom ein Ende.

II. Von der Begründung der weltlichen Gewalt bis zur Verlegung der päpstlichen Residenz nach Avignon. Nachdem Innocenz III. sich so der weltlichen Herrschaft in Rom bemächtigt hatte, trachtete er auch darnach, in dem Gebiete, auf welches der Römische Stuhl Anspruch machte, seine landesherrliche Macht geltend zu machen. Zuerst forderte er von Marquard, Herzog von Ravenna, für die Mark Ancona, Fermo, Osimo, Converino, Fani, Jesi, Sinigaglia u. Pesaro mit ihren Gebieten Huldigung, und da er zugleich mit dem Banne u. mit Kriegsmacht drohte, so mußte Marquard gehorchen Gleich darauf forderte er das Herzogthum Spoleto, die Grafschaft Assisi, dann Perugia, Gubbio, Todi, Citta di Castello mit ihren Gebieten zurück, u. Herzog Konrad wagte nicht sie ihm zu verweigern. Überall mußte der Adel u. das Volk ihm huldigen. Dann bemächtigte er sich mehrer Städte im Toscanischen u. legte in die festen Städte starke Besatzungen. Die Kämpfe[517] der lombardischen Städte unter einander u. des Adels mit den Städten sicherten ihm stets eine starke Partei, u. diese Fehden benutzte er so klug, daß er, indem sich die verschiedenen Parteien einander schwächten, seine landesherrliche Macht vergrößerte u. befestigte. Kaiser Otto IV. hatte dem Papste auch die Anerkennung des Rechtes auf die der Mathildischen Erbschaft gehörigen Güter verheißen; sobald er aber 1209 gekrönt war, besetzte er Ancona u. Spoleto u. wollte sie dem K-e entreißen; aber der Papst machte ihn durch seine Verbündeten u. den Kirchenbann unschädlich. In dem Zwiste Gregors IX. mit Kaiser Friedrich II. verband sich 1228 der Kaiser mit dem römischen Adel, um die kaiserliche Hoheit in Rom u. dem Römischen Gebiete herzustellen; der Papst mußte flüchten, rüstete nun ein Heer (Schlüsselheer) u. fiel damit in das Neapolitanische ein; doch bei der Rückkehr des Kaisers wurde er 1229 geschlagen. Friedrich drang selbst in den K. ein u. unterhielt auch Verbindungen mit den Mißvergnügten in Rom. 1230 wurde der Friede hergestellt. Schwere Zerrüttung erlitt der K. unter Alexander IV. u. Urban IV., durch den Krieg von 1255 bis 1264 gegen Manfred von Sicilien. Dieser machte von 1257–59 große Eroberungen in der Romagna u. in der Mark Ancona; endlich rief der Papst den Grafen Karl von Anjou zu Hülfe u. belieh ihn 1263 mit Sicilien u. Neapel. Gregor X. erweiterte den Besitz des K-s durch die Grafschaft Venaissin, welche ihm der König Philipp III. 1273 von Frankreich schenkte, u. ließ sich 1274 alle Schenkungen bestätigen, die von Ludwigs des Frommen Zeit an dem Römischen Stuhle gemacht waren; er erkannte ferner die Rechte des Papstes auf alle von Otto IV. dem Papst überlassene Länder an u. mußte das Versprechen geben, daß derselbe nie ein Lehn von der Römischen Kirche antasten, sich aller Hoheit über die päpstlichen Lehnsleute begeben u. nie ein Amt od. Würde im Römischen Gebiete ohne des Papstes Einwilligung bekleiden wolle. Nicolaus III. Vermochte 1278 den Kaiser Rudolf zu einem neuen Vertrage, worin derselbe alle Städte, in welchen er noch bis dahin Hoheitsrechte ausgeübt hatte, ihrer Eide entließ u. sie unter die Hoheit des Römischen Stuhls stellte. Dadurch erhielt der Papst auch ein Recht auf Bologna, dessen Einwohner sich dem Papste ohne Widerrede unterwarfen. Martin IV. (bis 1285) ernannte 1285 den Varani von Camerino zum Grafen von Romagna u. zu seinem Statthalter. Als aber bald darauf von den Städten der Romagna Kriegssteuern gefordert wurden, verweigerten sie solche u. errichteten eine Verbindung unter sich, doch wurden sie zur Unterweisung gezwungen. Nicolaus IV. erhob 1289 den Johann Colonna zum Senator von Rom, u. dafür leistete das Haus Colonna dem Papste große Dienste bei Unterdrückung der Adeligen u. der Städte. Allein Bonifacius VIII. haßte die Colonna u. suchte sie zu unterdrücken; er begünstigte deshalb die Orsini; aber er hatte sich mit dem Könige von Frankreich verfeindet, u. dieser unterstützte die Colonna.

III. Von der Verlegung des päpstlichen Sitzes nach Avignon bis zur vollendet ausgebildeten weltlichen Macht des Römischen Stuhls unter Eugen IV. Nachdem die Herrschaft des Papstes den Widerwillen der Römer in hohem Grade erregt hatte u. der 1305 Papst gewordene Clemens V. den Sitz des Römischen Hofs 1309 nach Avignon verlegt hatte (s.u. Papst, Gesch.), erlitt die landesherrliche Macht des Römischen Stuhls in Italien eine große Schwächung. Die Parteien des Adels u. in den Städten erhoben sich wieder, u. ein verderblicher Kampf zwischen den Guelfen u. Ghibellinen entbrannte. Diese Verwirrung benutzte der 1309 zum Generalstatthalter der Kirche ernannte König Robert von Neapel. Zu Statthaltern in den Provinzen wurden von dem Papste Franzosen bestellt, die sich allgemein verhaßt machten u. kein Ansehen besaßen. Den Einfluß Roberts zerstörte Kaiser Heinrich VII. 1312. Er setzte einen kaiserlichen Statthalter ein, der nach Heinrichs VII. Tode wieder verdrängt wurde, worauf die päpstlichen Gewalthaber neue Regierungsformen einführten, Geld erpreßten u. Heere errichteten. Nun erhoben sich aber in der Romagna, in der Mark u. Spoleto die mächtigen Familien Malatesta, Ordelassi, Montefeltre etc., sie kämpften gegen einander um die Herrschaft u. verwirrten den Staat. Der Krieg, welchen Papst Johann XXI. (XXII) gegen König Ludwig den Baiern führte, vervollständigte die Zerrüttung. Die Guelfen u. Ghibellinen standen mit erneuertem Hasse einander gegenüber, u. Städte u. Familien lieferten einander blutige Schlachten. Diese Verwirrung benutzte der Cardinallegat Bertrand von Pojedo zu Unterdrückung der mächtigen Familien u. machte sich 1326 zum Herrn von Bologna, Parma, Modena u. Reggio. In Rom wüthete der Bürgerkrieg. Von den Guelfen gerufen, erschien 1330 König Johann von Böhmen als Reichsstatthalter, u. die mehrsten Fürsten u. Großen unterwarfen sich ihm. Durch sein Bemühen, die Guelfen u. Ghibellinen zu versöhnen, gewann er allgemeines Zutrauen, deshalb verband sich auch der Cardinallegat mit ihm, der ihn durch die Hoffnung auf den Besitz der Lombardei bewog, ihm zur Unterwerfung der empörten Romagna beizustehen. Als aber die Pläne Johanns u. des Legaten offenbar wurden, vereinigten sich die Guelfen u. Ghibellinen zur gemeinsamen Vertheidigung ihrer Freiheit, u. das, was bis dahin durch Staatsklugheit für den Römischen Stuhl gewonnen war, ging wieder verloren. In Rom wurde 1347 in Folge der Revolution Colas di Rienzi eine Republik gestiftet, welche unter Kämpfen bis 1354 bestand (s.u. Rom). 1348 erwarb Papst Clemens VI. die Stadt Avignon von der Königin Johanna von Sicilien durch Kauf. Papst Gregor XI verlegte 1377 den päpstlichen Hof wieder von Avignon nach Rom.

Während des Exils der Päpste aus Italien hatten sie ihre Herrschaft daselbst nur durch vielfältige Concessionen an die Städte zusammenhalten können. Das große. 40jährige Schisma (1378 bis 1417), welches darauf folgte, u. der Nepotismus der Päpste waren den Befestigung der päpstlichen Macht gleich hinderlich; die Freiheiten der Städte mußten vermehrt u. manche Theile des K-s an Große in Lehn gegeben werden. In Rom u. in den Landschaften brachen zahlreiche Aufstände aus. Um die Kirchenspaltung zu endigen, war 1414 ein Concil zu Kostnitz eröffnet worden; auch Papst Johann XXII. mußte es besuchen. Während er sich von Rom entfernte, bemächtigte sich Braccio von Montone der Regierung über Rom u. einen Theil des K-s u. regierte, obwohl nur unter dem Titel eines Bannerherrn der Kirche, unumschränkt. Auch Johanns Nachfolger, Martin V., seit 1417, konnte ihn nicht völlig verdrängen, sondern mußte sich mit ihm vergleichen u. ihm einige Länder abtreten,[518] auch ihn zu seinem Statthalter u. Feldherrn ernennen. Papst Eugen IV., seit 1431, führte eine höchst unruhige Regierung, doch wurde unter ihm die weltliche Herrschaft des Römischen Stuhls vollendet. Unstreitig trug dazu die von den Cardinälen bei Eugens Wahl festgesetzte Capitulation, nach welcher es keinem Papst gestattet sein sollte, Gebiete, Lehen od. Einkünfte des K-s ohne Bewilligung der Cardinäle zu vergeben, viel bei. 1433 u. 1434 griff Franz Sforza den K. an u. unterwarf sich mehre Städte. Eugen kam größeren Verlusten nur dadurch zuvor, daß er den Sforza zum Statthalter von Ancona ernannte, der nun die Vertheidigung des K-s selbst übernahm. Damals gehörten zu dem Römischen Staate folgende Besitzungen: unmittelbare: Benevent u. Terracina (über welche beiden jedoch 1443 dem König von Neapel das Vicariat ertheilt wurde); die Stadt Rom mit ihrem Gebiet; die Campagni di Roma, die Maremna maritima, das Patrimonium Petri in Toscana, die Mark Ancona mit den 3 Präsidiaten Camerino, S. Lorenzo u. Tarsa, das Herzogthum Spoleto, Massa Trabaria, die Terre Arnolse; mittelbare Gebiete: das der Familien Devico, Ismeducci, Glabelli, Ottoni, Montefeltre, der Herren von Urbino, das der Carli von Gubbio, Trinici, Monaldeschi, Salimbeni, Gabrieli, Manfredi, Mulucci, Brancaleoni, Addi, Sforza, Polenta, der Herren von Ravenna u. das der Cervia, Alidosi, Ordelassi, Varani u. Camerino, Malatesta.

IV. Von der vollendeten Befestigung des Römischen Staates bis zur Französischen Revolution. Papst Nikolaus V. übernahm 1447 den K. beruhigt u. die Herrschaft fest begründet; er befleißigte sich einer weisen Mäßigung; unter ihm singen die Wissenschaften u. Künste aufs Neue im K. zu blühen an, da die nach der Einnahme von Constantinopel 1453 geflüchteten griechischen Gelehrten auch hier eine Zuflucht fanden. Pius II., seit 1458, folgte einer einsichtsvollen Politik u. führte eine strenge aber regelmäßige Regierung, die zwar Unzufriedenheit des noch immer schwer zu bändigenden Adels erregte, doch den Staat kräftigte. Sein Nachfolger Paul II., seit 1464, mußte eine harte Capitulation eingehen, worin seine landesherrliche Gewalt beschränkt wurde, doch vernichtete er sie bald wieder. Er vereinigte die Güter des Grafen Anguillara, auch Cesena u. Pertinaro, mit dem K. Sixtus IV., seit 1471, begünstigte seine Neffen, denen er große Gebiete u. die wichtigsten Ämter einräumte u. die sich durch ihre Bedrückungen verhaßt machten. Alexander VI., seit 1492, wollte seine Söhne, Franz u. Cäsar Borgia, zu regierenden Fürsten erheben u. deshalb entriß er vielen Vasallen ihre Lehnsgüter, verwickelte auch den Staat in Kriege. Mit Hülfe der Neapolitaner u. des Herzogs v. Urbino eroberte Franz Borgia 1496 beinahe alle Städte u. Ländereien der Orsini: doch von den Franzosen unterstützt, gewannen diese die Schlacht bei Soriano u. damit auch ihre verlornen Güter wieder. Dagegen eroberte der päpstliche Feldherr Consalvo das von den Franzosen besetzte Ostia zurück. Darauf verbündete sich Alexander mit Frankreich; sein Sohn Cäsar erhielt 1498 von dorther Truppen, womit er Nola u. Forli, Pesaro, Rimini, Faënza u. Fano unterwarf u. Borgia zum Herzog von der Romagna erhoben wurde. Auch des Fürstenthums Piombino bemächtigte sich Borgia.

Julius II., seit 1503, unablässig auf die Vergrößerung des Staates bedacht, zog sogleich die Besitzung wieder ein, welche Alexander zu Gunsten seiner Familie davon getrennt hatte, u. entriß 1504 mit Hülfe Frankreichs u. des Kaisers den Venetianern die Gebiete, welche sie im K. besaßen. 1506 unterwarf er Bologna u. Perugia, doch gestattete er der erstern Stadt eine freie Verfassung. Ein neues Bündniß schloß er mit Frankreich, Spanien u. Oesterreich gegen Venedig, wodurch er abermals neues Gebiet gewann. Unter ihm kam Parma, Piacenza u. Reggio an den K. In den Kriegen zwischen Frankreich, Österreich u. Spanien kam der K. hart ins Gedränge, da er Theil daran nehmen mußte. Leo X. versuchte es, die kriegführenden Mächte zu täuschen, da er keine von ihnen durch seinen Beistand ein Uebergewicht erlangen lassen wollte. 1514 brachte er vom Kaiser Modena an sich. 1515 wurden Parma u. Piacenza an Frankreich abgetreten; dagegen nahm Leo 1516 dem Herzog von Urbino, Franz Maria, sein Land u. belehnte seinen Neffen Lorenzo von Medici damit. 1516 plünderten die Barbaresken die Küsten des K. Franz Maria eroberte 1517 Urbino zurück, verlor es aber gleich wieder, u. in dem Kriege darum, an welchem auch die Spanier u. Franzosen Antheil nahmen, wurde das Römische Gebiet verheert. Nach Lorenzos v. Medici Tode 1519 wurde Urbino für den K. eingezogen. 1520 wurden Fermo u. die ganze Mark Ancona dem K. unterworfen. Im Bunde mit Karl V. gegen Frankreich wurde der Herzog von Ferrara von dem Papste bekriegt, auch Parma u. Piacenza eingenommen. Während der Vacanz des Römischen Stuhls eroberte der Herzog von Ferrara die ihn entrissenen Orte wieder, u. Franz von Rovera setzte sich in den Besitz des Herzogthums Urbino. Auch Reggio ging 1523 verloren. Clemens VII., seit 1523, schloß 1524 einen geheimen Bund mit Frankreich gegen den Kaiser. Nach dem Siege der Kaiserlichen bei Pavia 1525 wollten sich die Orsini mit dem französischen Feldherrn vereinigen, sie wurden aber durch Julius Colonna von der kaiserlichen Partei geschlagen. Clemens trat nun mit Venedig, Florenz u. Mailand öffentlich gegen den Kaiser in Bund; wurde aber von den Kaiserlichen in Rom belagert u. erkaufte den Abzug der Sieger nach 9 Monaten nur durch einen harten Frieden u. durch Zahlung von 400,000 Ducaten. Während dem hatte der Herzog von Ferrara Modena eingenommen. 1532 ward Ancona von den Päpstlichen erobert u. dem K. einverleibt. Unter Paul III., seit 1534, wurde Perugia, dessen sich Ordidolfo Paglioni bemächtigt hatte, 1535 wieder unterworfen; die Einwohner empörten sich zwar 1540, wurden aber aufs Neue unterjocht. 1545 belehnte der Papst seinen Sohn, Peter Ludwig Farnese, mit Parma u. Piacenza, aber nach dessen Ermordung 1547 besetzten die Kaiserlichen Piacenza, u. 1549 nahm Paul seinem Neffen, Octavio, Parma u. vereinigte es mit dem K Julius III., seit 1550, gab den Colonnas ihre Besitzungen u. Parma dem Octavio Farnese zurück. Als Paul IV. den Colonna ihre Güter nahm u. dieselben seinem Neffen, Johann Caraffa, gab, fiel 1556 der Vicekönig von Neapel ins Römische Gebiet ein. Zwar kam ein französisches Heer unter dem Herzog von Guise 1557 dem Papste zu Hülfe, das päpstliche Heer wurde aber bei Palljano geschlagen. Pius IV. stiftete (1559) den Orden vom goldnen Sporn. Unter Clemens[519] VIII., seit 1592, kam 1598 das Herzogthum Ferrara aus der modenesischen Erbschaft u. unter Urban VIII. 1626 das Herzogthum Urbino durch Testament des letzten Herzogs Franz Maria an den K.; auf Anstiften der Barberini fing der Papst 1641 über das Herzogthum Castro einen Krieg mit dem Herzog von Parma an, zu dessen Schutz sich Venedig, Toscana u. Modena vereinigten. Der Krieg währte bis 1644, u. Castro blieb bei Parma. Unter Innocenz X., seit 1644, wurde das Getreidemonopol eingeführt, wodurch der Ackerbau schwer litt. 1649 begann der Krieg wegen Castro von Neuem; die Stadt wurde zerstört u. nebst Ronciglione von Parma abgetreten. Unter Alexander VII., seit 1655, brach der Streit wegen der gesandschaftlichen Quartierfreiheit mit Frankreich aus, der bes. unter Innocenz XI. sehr heftig wurde, so daß König Ludwig XIV. Avignon besetzen ließ, doch erhielt es Alexander VIII. 1691 wieder. Innocenz XII., seit 1691, zeichnete sich durch weise Regierungsverordnungen aus. Clemens XI., seit 1700, gerieth 1708 mit Kaiser Joseph I., wegen des Besitzes von Parma, Piacenza u. Comacchio in Streit; das päpstliche Heer wurde geschlagen u. die Kaiserlichen besetzten Comacchio, welches sie erst 1725 wieder dem K. räumten.

Durch veränderte politische u. kirchliche Verhältnisse hatte der K. seit dem Anfang des 18. Jahrh. alle politische Bedeutsamkeit verloren u. durch mangelhafte Staatswirthschaft gerieth er auch im Innern immer mehr in Verfall. In den Streitigkeiten mit auswärtigen Mächten mußten die nachtheiligsten Vergleiche geschlossen werden, an Spanien ward Castro u. Ronciglione abgetreten. Unter Benedict XIV. 1743 machten Spanier u. Österreicher das Römische Gebiet zum Kriegsschauplatz; u. als unter Clemens XIII. in einem Streite über geistliche Angelegenheiten 1768 Frankreich Avignon u. Venaissin, u. Neapel Benevent u. Pontecorvo besetzte, da konnten nur durch Nachgeben des Papstes diese Länder dem K. erhalten werden. Auch Pius VI., seit 1775, erfuhr große Beschränkungen seiner kirchlichen Gewalt. Unter ihm geschah das Reformationswerk des Kaisers Joseph II., der sich darin selbst durch das persönliche Erscheinen des Papstes in Wien (1782) nicht abhalten ließ, u. 1783 die Lossagung Neapels von dem römischen Lehnsverband. Dennoch that Pius VI. nach Kräften, um den Staat empor zu bringen, er beförderte Kunst u. Wissenschaft u. verwandte beträchtliche Summen auf die Austrocknung der Pontinischen Sümpfe.

V. Von der Französischen Revolution bis zum Regierungsantritt des Papstes Pius IX. Die Französische Revolution verfehlte nicht bei ihrem Ausbruche von wesentlichem Einflusse auch auf Rom zu sein. Als der französische Consul 1793 das Freiheitswappen in Rom an den Gesandtschaftsgebäuden errichtete, protestirte der Papst dagegen, u. als zwei Franzosen mit einer dreifarbigen Fahne auf dem Corso erschienen, erfolgte ein Volksaufstand, worin ein Franzos ermordet u. der französische Gesandtschaftspalast geplündert wurde. Um diese Beleidigung zu rächen, fielen die Franzosen 1796 unter Bonaparte in den K. ein u. besetzte Bologna, Ferrara u. Urbino. Diese Plätze blieben in französischen Händen, u. der Papst erkaufte die Neutralität mit 21 Millionen Franken, 100 Gemälden, Bildsäulen u. Vasen u. 2000 seltenen Handschriften. Dennoch rückte Bonaparte 1797 in der Romagna ein, nachdem er Imola erobert hatte, nahm Faenza, Forli, Cesena, Urbino u. besetzte die Mark. Da kam am 19. Febr. der Friede zu Tolentino zu Stande. Der Papst zahlte 30 Mill. Franken u. trat Avignon u. Venaissin an Frankreich ab, die Gebiete Bologna, Ferrara u. die Romagna wurden der Transpadanischen, dann der Cisalpinischen Republik einverleibt. Ancona blieb von den Franzosen besetzt. Geldnoth, welche das Aufbringen der Kriegssteuern über alle Stände gebracht hatte, veranlaßte einen drückenden Mangel an Lebensmitteln; die darüber herrschende Unzufriedenheit im Lande wurde durch die Aufwiegelungen französischer Agenten gesteigert, welche planmäßig an dem Sturz der Päpstlichen Regierung arbeiteten. Ihren Umtrieben gelang es, in Rom eine Demokratenpartei zu bilden, die eine Römische Republik ausrief. Als die Päpstliche Regierung am 27. December 1797 den Auflauf dämpfen wollte, mischte sich die französische Gesandtschaft drein, u. der General Duphot wurde, indem er an der Spitze der Demokraten gegen die päpstlichen Dragoner focht, getödtet. Dieses nahm die französische Regierung zum Vorwande einer Kriegserklärung gegen den Papst; französische Truppen rückten in das Päpstliche Gebiet ein u. besetzten am 10. Februar 1798 Rom u. die Engelsburg. Am 15. Februar wurde auf dem Campo Vaccino die Römische Republik proclamirt u. am 20. der Papst gefangen abgeführt. Gegen die Bedrückungen u. Mißhandlungen von Seiten der Franzosen erhob sich endlich das Volk, zuerst die Trasteveriner u. dann die von Velletri, Albano, Marino, Civita di Castello, wobei einige Franzosen umkamen, doch der Aufstand wurde blutig unterdrückt. Am 20. März 1798 wurde endlich die Römische Republik feierlich proclamirt u. die Constitution eingeführt. Gleich darauf wurde der neuen Republik eine große Kriegssteuer aufgelegt, wodurch der Credit des Staats vollends zu Grunde ging u. die Noth auf den höchsten Gipfel kam. Nun erklärte der König von Neapel gegen Frankreich den Krieg, vertrieb die Franzosen u. die republikanischen Consuln aus dem K. u. besetzte am 29. November die Stadt Rom. Die Neapolitaner aber behandelten Rom wie eine feindliche Stadt u. machten sich in Kurzem so verhaßt, daß das Volk die Franzosen zurückwünschte. Diese kehrten auch bald zurück, vertrieben die Neapolitaner u. setzten den republikanischen Senat wieder ein. Mittlerweile war ein Bündniß zwischen Rußland, Österreich, England u. Neapel gegen Frankreich zu Stande gekommen, ein russisches Heer hatte sich in Neapel ausgeschifft u. mit den neapolitanischen Truppen vereinigt, u. die Engländer beunruhigten vom Meere aus die italienischen Küsten. Die Neapolitaner rückten wieder gegen Rom, während eine englische Flotte vor Civita Vecchia erschien u. am 27. September wurde eine Capitulation geschlossen, nach welcher die Franzosen den K. räumten, Civita Vecchia u. Corneto von den Engländern, Rom mit der Engelsburg aber von den Neapolitanern besetzt wurde. Eine Regierungsjunta wurde eingesetzt u. der General Meunier in Ancona übergab den Platz nur nach langer Vertheidigung.

Währenddem war Pius VI. in seiner Gefangenschaft in Frankreich gestorben, u. zu seinem Nachfolger am 14. März 1800 Pius VII erwählt worden.[520] Seinem Legaten wurde von den Neapolitanern das Römische Gebiet zurückgegeben, am 3. Juli erschien Pius VII. selbst in Rom u. stellte den Staat wieder her. Er hob mehrere lästige Abgaben auf, führte eine gleichmäßige Besteuerung ein, ließ die von den Franzosen eingezogenen Güter den Eigenthümern zurückgeben, verfügte die allmälige Vernichtung des Papiergeldes u. bewilligte eine allgemeine Amnestie. Am 15. Juli war durch das mit Napoleon abgeschlossene Concordat das Bestehen des K. u. dessen Frieden mit Frankreich anerkannt worden Aber unter dem Vorwande, die Engländer von Italien abzuhalten, ließ Napoleon 1805 Ancona besetzen, 1806 zogen französische Truppen durch den K. nach Neapel u. nahmen zugleich Benevent u. Pontecorvo in Besitz. Die Beschwerdeführungen deshalb blieben unbeachtet. Endlich erklärte sich Napoleon als Nachfolger Karls des Großen für den Oberherrn des K-s u. forderte Unterhaltung französischer Truppen auf dessen Kosten, ein Bündniß gegen die Engländer u. andere harte Bedingungen. Auf die Weigerung des Papstes, diese anzunehmen, besetzten die Franzosen die Häfen des K. u. General Miollis am 2. Febr. 1808 Rom u. die Engelsburg. Die römischen Soldaten wurden gezwungen in französische Dienste zu treten, die apostolischen Behörden aufgelöst u. durch französische ersetzt, 16 Cardinäle aus der Stadt verwiesen, eine geheime Polizei eingeführt u. der Papst als Gefangener bewacht. Darauf ließ Napoleon die Provinzen Urbino, Ancona, Macerata u. Camerino besetzen u. dem Königreich Italien einverleiben, dem sie nun als die 3 Departements Metauro, Musone u. Trente angehörten. Am 10. Juni 1809 wurde der K. nebst dem noch übrigen Theil des K-s für einen Theil des Französischen Reichs erklärt u. am 6. Juli Pius VII. gefangen nach Savona u. dann nach Fontainebleau geführt. Eine Consulta, die aus den angesehensten Römern bestand, führte französische Staatsformen ein. Das Land wurde in 2 Departements, das des Tiber u. der Trasimeno, getheilt, u. eine römische Legion errichtet. Die Klöster u. geistlichen Stifter wurden sogleich aufgehoben, alles, was das Andenken an die ehemalige Regierung erneuern konnte, ward entfernt. Nach Napoleons Niederlage in Rußland u. bei Leipzig fiel Joachim Murat, König von Neapel, von Napoleon ab u. besetzte in der Absicht, sein Reich über ganz Italien auszubreiten, den 25. November 1813 die südlichen Provinzen des ehemaligen K-s. Bald darauf trat er dem großen Bunde gegen Napoleon bei. Ehe er seine Absicht noch kund gab, hatte er schon Rom u. die Marken besetzt u. die Provinzen mit großen Kriegssteuern zum Unterhalt seines Heeres belastet u. zwang den 14. Jan. 1814 den General Miollis, ihm die Engelsburg zu übergeben. Durch das Concordat von Fontainebleau, den 25. Januar

1814, war endlich Pius VII. seiner Hast entlassen u. durch den Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 die Herstellung des Kirchenstaates ausgesprochen worden. Der Prälat Rivarola nahm als Delegat des Papstes Rom in Besitz, u. den 24. Mai kehrte Pius VII. selbst dahin zurück. Im 103. Artikel der Wiener Schlußacte wurde 1815 festgesetzt: die Marken nebst Camerino u. Zubehör, das Herzogthum Benevent u. das Fürstenthum Ponte-Corvo sind dem Heiligen Stuhle zurückzugeben; derselbe tritt wieder in den Besitz der Legationen Ravenna, Bologna u. Ferrara (doch fiel der am linken Poufer gelegene Theil des letzteren an das Lombardisch-Venetianische Königreich); Österreich erhält das Besetzungsrecht von Ferrara u. Commacchiò; die unter die Herrschaft des Heiligen Stuhles zurückkehrenden Unterthanen sollen der Bestimmung des Pariser Friedens theilhaft werden; alle auf Grund eines gesetzlichen Titels gemachten, noch vorhandenen Privaterwerbungen werden aufrecht erhalten; zur Garantie der Staatsschuld u. Entrichtung der Pensionen wird zwischen dem päpstlichen u. österreichischen Hofe eine Convention vorbehalten. Da in diesem Artikel Venaissin u. die Stadt Avignon nicht erwähnt war, so protestirte der Papst sowohl deshalb als auch wegen der ihm nachtheiligen Disposition in diesem Artikel am 14. Juni 1815 gegen denselben. Cardinal Cousalva, erster Staatsminister der hergestellten Regierung, bewies große Thätigkeit, den gesunkenen Wohlstand des Landes zu heben, doch nur mit geringem Erfolg, da er mit den mangelhaften auch die guten Einrichtungen der französischen Regierung abschaffen mußte. Nach Napoleons Flucht von Elba forderte König Murat 1815 einen Durchzug mit seinem Heere durch den K. u. hatte die Absicht, den Papst gefangen zu nehmen, der sich aber im März nach Genua begab. Der K. wurde nun auf kurze Zeit der Schauplatz eines Kriegs u. von neapolitanischen u. österreichischen Truppen überschwemmt, doch schon im Mai wurden erstere besiegt, u. der Papst kehrte nach Rom zurück. Von den politischen Stürmen, welche Neapel 1820 u. 21 erschütterten, wurde der K. auch berührt. Die Carbonari (s.d.), welche dort ihr Haupt erhoben, hatten auch Verbindungen im K., nach deren Entdeckung Untersuchungen verhängt u. die Schuldigen mit Strenge bestrast wurden. Die Durchmärsche der Österreicher zur Unterdrückung der neapolitanischen Revolution u. Unruhen im Innern vermehrten die Lasten des Staats.

Pius VII starb am 20. August 1823, u. sein Nachfolger Leo XII., welcher durch Motu pro. prio vom 5. October 1824 mehrere Verbesserungen seines Vorgängers in der Regierung aufhob, erregte zwar dadurch allgemeinen Unwillen, aber er gelangte durch Einführung mehrer Ersparungen bei der Verwaltung u. durch Einziehung der Sinecuren dahin, 1826 die Abgaben des Volks um 900,000 Scudi vermindern zu können Ein Complott wurde entdeckt, welches mit den Schmugglern in Verbindung stand, worin mehr als 200 Beamte verwickelt waren. Zur Vermeidung künftiger Mißbräuche wurde ein Disciplinarrath eingesetzt. Die Räubereien nahmen wieder überhand. Der Versuch, die Ordnung aufrecht zu erhalten, u. die Nachsicht gegen die Carbonari hatten einen Aufstand in Ravenna zur Folge. Große Bankerotte vermehrten die Zerrüttung der Staatsfinanzen u. die Bedrängniß der Privaten. Zur Beförderung der Industrie u. Abhülfe der Armuth wurde 1827 geboten, sich nur der inländischen Wollenwaaren zu bedienen. 1827 begann der Bau des neuen Leonischen Kanals zur Austrocknung der Pontinischen Sümpfe. 1827 wurden neue carbonarische Verbindungen u. 1828 eine Verschwörung entdeckt, die bes. in Bologna ihren Hauptsitz hatte u. eine vollständige Staatsumwälzung bezweckte. Am 10. Februar 1829 starb Leo XII., ihm folgte am 31. März 1829 Pius VIII. Gleich beim Antritt seiner [521] Regierung erließ er einige drückende Steuern, setzte Prämien zur Belohnung des Ackerbaues, der Manufacturen u. der Künste aus u. errichtete eine Staatscommission zur Regulirung der Finanzen. Überall war Noch u. Verlegenheit; der Handel lag fortwährend darnieder; neue Verschwörungen der Carbonari in Rom und Bologna wurden entdeckt, u. in Imola brach ein Volkstumult aus, der nur mit Waffengewalt erstickt werden konnte. Am 30. Novbr. 1830 st. Pius VIII.

Gregor XVI., den 2. Februar 1831 gewählt, trat die Regierung unter mißlichen Umständen an; denn in allen Ständen zeigte sich Unzufriedenheit, die zuerst in Bologna ausbrach, dann aber sich auch in mehreren Gegenden des K. verbreitete. Die Empörer, die den Umsturz der Päpstlichen Regierung u. die Einführung einer republikanischen Verfassung beabsichtigten, organisirten in Bologna die Republik, u. der Aufstand mußte durch Einrücken österreichischen Militärs, das nur an einigen Punkten ernstlichen Widerstand fand, unterdrückt werden. Nach einigem Verweilen verließen die Österreicher den K. wieder; doch gaben sich die Unzufriedenen nicht, u. in Bologna zeigten sich noch große Widersetzlichkeiten, bis im Januar 1832 ein päpstlichen Corps anrückte, welches mit österreichischen Truppen vereinigt Bologna besetzte u. die Stadt entwaffnete. Auch zu Ancona u. auf dem Platten Lande gab es mehrfache Äußerungen der Unzufriedenheit. Die französische Regierung fand sich durch jene österreichische Intervention bewogen, im Februar 1832 gleichfalls ein Corps unter Cubières zur See nach Ancona zu schicken, welches dort landete, die päpstlichen Truppen entwaffnete u. die Citadelle durch Vertrag besetzte u. ungeachtet der Unzufriedenheit des Papstes darüber bis zum Juni 1838 besetzt hielt, nachdem die Österreicher Bologna verlassen hatten. Der K, war nun pacificirt, aber eine mangelhafte Gesetzgebung u. große Verwirrung der Finanzen zurückgeblieben. Kaum waren aber die fremden Truppen abgezogen, als sich in Viterbo 1838 u. 1839, in Ancona 1840, so wie in Bologna 1841 u. an andern Orten Spuren der Umtriebe der Giovine Italia (s. Junges Italien) u. der politischen Secte Ferdinandina zeigten. Aber überall erstickte die Polizei mit größter Strenge diese Erhebungsversuche. Früher allem Dampfwesen abhold, führte nun die päpstliche Regierung Dampfschifffahrt auf dem Tiber ein u. begann Eisenbahnen nach Civita Vecchia u. Terracina. Im November 1841 nahm der Papst dem Hause Sforza Cesarini das Recht, Ritter des Ordens vom goldenen Sporn zu ernennen, weil dasselbe mit diesem Rechte viel Mißbrauch getrieben hatte; dagegen verwandelte er den Orden in einen Militärorden zur Belohnung des Verdienstes um den K. Im Sommer 1843 zeigten sich in Bologna Spuren eines neuen Carbonarismus; als aber die Regierung Energie zeigte, verließen viele der Conspirirten die Stadt u. beunruhigten das Land. Ähnliche Unruhen entstanden in Cesena, Ancona u. in Ravenna. Man suchte die Quellen dieser Attentate in allerhand geheimen Gesellschaften in Paris, die ihre Abzweigungen auf Malta, Korfu u. Corsica hatten, woher Waffen u. Geld kamen. Die Regierung half sich endlich im März dadurch, daß sie mobile Colonnen errichtete, welche die beunruhigten Gegenden durchstreiften, die Ergriffenen wurden erschossen od. auf die Galeeren gebracht. Zu Anfang 1845 wurde der Finanzminister, Cardinal Tosti, wegen unregelmäßigen Staatshaushaltes abgesetzt u. zur Untersuchung gezogen. Am 23. September 1845 gelang es einem von Malta nach dem Adriatischen Meere segelnden Schiffe, eine Anzahl Verschworener bei Rimini aus Land zu setzen, welche hier unter Ribotti einen offenen Aufstand erregten, die dreifarbige Fahne auf den Thürmen aufsteckten u. eine Proclamation an die Bewohner der Romagna erließen. Als indeß in den nächsten Tagen bedeutende Truppenverstärkungen aus den benachbarten Legationen eintrafen, flohen die Anführer der Insurgenten nach den Gebirgen, wo eine bedeutende Anzahl der Flüchtlinge gefangen genommen wurde, die übrigen zogen sich in das Toscanische Gebiet, wo sie die Waffen niederlegten Da der Großherzog von Toscana diese nicht auslieferte, so trat zwischen den beiden Höfen eine Spannung ein. Dagegen fand eine Annäherung zwischen dem Papste u. dem Kaiser von Rußland Statt, welcher Letztere vom 13.-18. Decbr. 1845 in Rom war u. eine Zusammenkunft mit dem Papste hatte. Nach dem am 1. Juni 1846 erfolgten Tode Gregors XVI. machte sich in dem ganzen K. eine große Bewegung bemerkbar, welche dem am 14. Juni zusammentretenden Conclave über die längst gehegten u. geäußerten, aber stets unerfüllt gebliebenen Wünsche für Abstellung der Mißverhältnisse in der Negierung genaue Kenntniß zu verschaffen suchte u. den versammelten Cardinälen die Beschleunigung des Wahlactes als nothwendig erscheinen ließ. Das Conclave dauerte nur 2 Tage u. endete am 16. Juni mit der Wahl Pius' IX.

VI. Vom Regierungsantritt Pius IX. bis auf die neueste Zeit. Der neue Papst, Pius IX. erwarb sich sogleich durch seine ersten Regierungsmaßregeln die Sympathie des Volkes in so hohem Grade, daß mit seinem Auftreten für den K. eine völlig neue Zeit anzuheben schien. Eine allgemeine Amnestie für politische Vergehen seit 1831 wurde erlassen, die Concessionen zum Bau von Eisenbahnen ertheilt, Erleichterungen der Presse befohlen, am 19. April 1847 ein Decret erlassen, wonach aus sämmtlichen Provinzen des K-s achtbare Männer einberufen werden sollten, welche ihren Rath über bessere Ordnung der Gemeinderäthe u. andere Gegenstände zu ertheilen u. auch bei der Verwaltung mitzuwirken hätten, u. durch Decret vom 6. Juli 1847 für Rom sowie für die Provinzen die Errichtung einer Bürgergarde gestattet. Wahrend die liberale Partei wegen dieser Maßregeln den Namen des Papstes sehr feierte, betrachteten die Konservativen dieselben mit Bedenklichkeit, u. da es den Liberalen schien, als ob die Konservativen von den Österreichern unterstützt würden, so entstand, bald eine leidenschaftliche Stimmung gegen die Österreicher, namentlich da dieselben gerade damals ihr Recht auf die Besetzung Ferraras so weit ausdehnten, daß sie nicht blos die Citadelle, sondern auch die Stadt Ferrara selbst am 13. Aug. 1847 occupirten. Gegen dieses Verfahren der Österreicher erließ nun der päpstliche Legat in Ferrara sofort zwei feierliche Proteste, u. der Streit, ob die Österreicher den Verträgen des Wiener Congresses zufolge nur das Fort od. auch die Stadt zu besetzen hätten, wurde noch vor Jahresschluß durch beiderseitiges! Nachgeben beigelegt. Der Ausgang dieses Streites mit Österreich stimmte schon die Begeisterung[522] für den Papst herab, u. die mit den kühnsten Erwartungen erfüllten Patrioten erkannten in der Nachgiebigkeit des Papstes eine vaterlandsfeindliche Hinneigung zur österreichischen Politik u. liehen bereitwillig Verdächtigungen des Papstes ihr Ohr. Doch den Zorn des gegen den Papst aufgehetzten Volkes dämpfte namentlich Angelo Brunetti genannt Ciceruacchio (s.d.), ein vermögender Handelsmann u. Volksfreund, durch Klugheit u. Besonnenheit. Nachhaltig konnte aber ein solcher vermittelnder Einfluß um so weniger sein, je gewaltiger die Ereignisse gleichzeitig in andern italienischen Staaten waren u. da sich die Regierungen von Toscana u. Sardinien nach u. nach zu Concessionen u. politischen Reformen verstehen mußten. Am 4. Oct. 1847 erschien das Gesetz über die Consulta di stato, wo nach dieselbe aus 1 Cardinalpräsidenten, 1 Vicepräsidenten u. 24 Mitgliedern bestehen sollte, von denen die beiden ersteren vom Papste unmittelbar, die letzteren aus den von den Provinzialräthen vorgeschlagenen Candidaten gewählt werden sollten. Diese neue, aus Geistlichen u. Laien gemischte Versammlung trat am 15. Nov. zusammen. Schon daß der Papst in der Eröffnungsrede den Deputirten sehr enge Schranken ihres Wirkungskreises setzte u. fortdauernde u. ungeschmälerte Unbeschränktheit seiner Macht als geistlichen und weltlichen Herrschers als Grundbedingung aufstellte, worauf auch ferner das Staatsleben des K-s basirt bleiben müsse, stimmte die Erwartungen von diesem Staatsinstitute bei der Fortschrittspartei sehr herab, dagegen wuchs die Ungeduld u. die Unzufriedenheit, u. statt der bisherigen Bitten u. Wünsche wurden nun Forderungen an das Staatsoberhaupt gebracht. Zunächst waren es hauptsächlich zwei Punkte, worüber das Volk mit dem Papste in Conflict kam: Erstens war man mit dem Ministerium vom 29. Dec. 1847 (bestehend aus Cardinal Ferretti für das Äußere mit dem Präsidium, Amici für das Innere, Cardinal Mezzofanti für den öffentlichen Unterricht, Roborti für Gnade u. Gerechtigkeit, Morichini für die Finanzen, Cardinal Riario für Handel u. Industrie, Rusconi für die öffentlichen Arbeiten u. Krieg, Savelli für die Polizei), welches ein Deficit von 1 Mill. Sendi bei Veröffentlichung des Budgets von 1847 nachweisen mußte, nicht zufrieden; dann tadelte man das unthätige Zuwarten der Regierung gegenüber den Anstrengungen, die von Seiten Sardiniens gemacht wurden, Italien von jedem weiteren Einfluß einer fremden Herrschaft zu befreien. In Folge zahlreicher Demonstrationen u. mehrer Deputationen wechselte der Papst nicht nur sein Ministerium am 12. Febr. theilweis (Graf Gius. Pasolini übernahm das Portefeuille des Handels, Advocat Sturbinetti das der öffentlichen Arbeiten, Fürst Pomp. Gabrielli das des Kriegs u. Gaetani Fürst von Teano das der Polizei), sondern machte auch Anfang Februar 1848 das Zugeständniß, daß sofort alle mobilen Truppen nach der lombardischen Grenze abgesendet, den Berathungen der Staatsconsulta Oeffentlichkeit u. in gewissen Fällen beschließende Kraft ertheilt, sowie endlich mit Sardinien u. Toscana ein Bündniß abgeschlossen werden sollte.

Da brach plötzlich die Pariser Februarrevolution aus, u. in Folge dieses Ereignisses gab der Papst, nachdem er am 10. März ein neues Ministerium mit dem Cardinal Antonelli an der Spitze gebildet hatte, am 14. März unter dem Namen eines Statuto fondamentale für die weltliche Regierung des K-s ebenfalls eine Constitution, worin Versammlungen mit berathender Stimme, ein hoher Rath aus, auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern, ein Deputirtenrath aus Gewählten (1 auf je 30,000 Seelen) bestehend; das active Wahlrecht für alle 25jährige mit Steuerbeitrag von wenigstens 12 Scudi, passives Wahlrecht für 30jährige zugesagt war. Diese Verfassung, welche neben ein öffentliches u. verantwortliches Ministerium noch ein geheimes u. unverantwortliches Cardinalcollegium stellte, u. in welcher sich der Papst ausdrücklich die volle Ausübung seiner unbeschränkten Souveränetät in allen Punkten vorbehielt, wurde aber als zu wenig freisinnig ziemlich kalt u. gleichgültig aufgenommen u. zwar umsomehr, als durch die sogleich darauf eintreffenden Nachrichten von dem Ausbruche der Revolution in Wien u. Mailand alles Interesse für politische Reform eines speciellen italienischen Landes in den Hintergrund trat, um dem allgemeinen italienischen Losungsworte: nationale Unabhängkeit, Krieg gegen Österreich! volle Geltung zu verschaffen. Sardinien stand an der Spitze der kriegerischen Bewegung, u. der Papst mußte es geschehen lassen, daß zahlreiche Freiwillige, vereint mit römischen Truppen unter Durando u. Ferrari, an den Po rückten. Am 30. März wurde die Festung Comacchio den päpstlichen Truppen von den Österreichen übergeben. Aber zu einer Kriegserklärung gegen Österreich war der Papst nicht zu bewegen, u. als in Folge davon am 1 Mai eine Bewegung erfolgte, nahm das Ministerium am 3. Mai seine Entlassung, u. es wurde ein Ministerium errichtet, in welchem die auswärtigen weltlichen Angelegenheiten von den geistlichen getrennt wurden u. Graf Mamiani das Innere übernahm. Am 5. Mai verlangte der österreichische Botschafter, Graf v. Lützow, nachdem bereits am 21. März das österreichische Wappen in Rom von dem Pöbel abgerissen worden war, seine Pässe u. am 8. Mai löste sich die österreichische Gesandtschaft in Rom auf. Der Krieg endete sehr bald zu Gunsten Österreichs (s. Italien Gesch. VII)

Inzwischen waren am 6. Juni die Kammern im Namen des Papstes durch Card. Altieri eröffnet worden; der Minister Mamiani hatte in der ersten Sitzung am 9. Juni erklärt, der Papst bleibe als Vater der Gläubigen in dem hohen Kreise seines göttlichen Ansehens u. lebe im Frieden der Dogmen, als Souverän überlasse er die Bestimmung über die meisten weltlichen Dinge der Weisheit der Kammern. Nachdem am 10. Juli die Commission der Deputirtenkammer bei der Überbringung der Antwort auf die Thronrede den Entschluß ausgesprochen hatte, den Krieg mit Österreich wieder zu beginnen, so rückten, obgleich der Papst dies mißfällig aufgenommen hatte, doch wieder römische Truppen an den Po, u. in Folge davon ging Fürst Liechtenstein am 14. Juli über diesen Fluß u. besetzte Ferrara, welches sich auf Gnade u. Ungnade ergeben hatte. Obgleich nun auch der Card. Soglia in einer Circularnote vom 18. Juli an das, diplomatische Corps gegen diese Maßregel Österreichs protestirte, weil sich der Papst stets gegen den Krieg erklärt habe, blieben die österreichischen Truppen dennoch Die Erklärung des Papstes gegen den Krieg mit Österreich hatte den Bruch zwischen ihm u. seinem Volke vollständig gemacht;[523] die Minister nahmen ihre Entlassung. Gleichzeitig gingen aus den Provinzen die beunruhigendsten Nachrichten von öffentlichen Ruhestörungen, von Meuchelmorden u. Raubanfällen ein, u. von der Schweiz her suchte Mazzini mit seinem Anhang durch Absendung revolutionärer Emissäre u. durch allerhand Aufreizungen die Volksmassen zur offenen Empörung anzufeuern. Unterdeß war am 8. Aug. das neue Ministerium zusammengetreten, in welchem Card. Soglia das Präsidium nebst dem Auswärtigen (u. zwar wieder Geistliches u. Weltliches vereinigt), Fabbri das Innere u. Pelegr. de Rossi die Gnaden u. Gerechtigkeit übernahm, nachdem Tags vorher die Deputirtenkammer einstimmig den Beschluß zur Aufrechthaltung u. Vertheidigung der Unabhängigkeit Italiens die Intervention der französischen Nation anzurufen, angenommen u. Deputirte zur Absendung an die Parlamente von Neapel, Turin, Florenz u. Sicilien gewählt hatte. Die Regierung ließ es sich nun angelegen sein, die österreichischen Truppen aus dem K. zu entfernen, u. erneuerte am 16. Aug. durch eine Note des päpstlichen Nuntius in Wien an das österreichische Ministerium den Protest gegen die Besetzung von Ferrara, worauf das österreichische Ministerium in einer Antwort vom 24. Aug. sich über das doppelte Spiel beschwerte, welches in Rom gespielt werde, indem der Papst zwischen sich u. seinen Unterthanen einen Unterschied mache; die Besetzung der Citadelle in Ferrara sei nöthig gewesen zum Schutz der Garnison in jener Stadt. Wenige Tage darauf, am 26. August, wurden die Kammern vertagt, u. an die Stelle des am 14. September abgetretenen Ministeriums trat ein neues Ministerium, in welchem Soglia Präsident blieb u. Rossi das Innere u. die Polizei übernahm.

Als am 15. Nov. Rossi bei der Wiedereröffnung der Kammern beim Eintritt ins Ständehaus (Palazzo della Cancellaria) ermordet wurde, ward dies gleichsam das Signal zum endlichen Ausbruch der längst gefürchteten Revolution. Mit Ungestüm forderten die sich in den Straßen Roms zusammenrottenden Volksmassen unter Anführung der Mitglieder des Volksclubs (Circolo popolare) in einer Adresse an die Kammer der Abgeordneten, welche sie derselben selbst überbrachten, Promulgation des Princips der italienischen Nationalität, Berufung der Constituente u. Unabhängigkeitskrieg. Zugleich erließ der Circolo popolare einen Aufruf an das römische Volk, worin er bis zur Errichtung einer Regierung den Schutz des Lebens, der Ehre u. des Gutes der Römer zu übernehmen verhieß u. von allen Bürgern Achtung seiner Anordnungen verlangte. Ferner wurde der Papst genöthigt, am 17. Nov. wieder ein neues Ministerium zu ernennen, in welchem Mamiani (welcher inzwischen im Oct. mit Gioberti u. andern Römern zu Turin die Vereinigung Italiens beschlossen hatte), das Äußere, Galetti das Innere u. die Polizei u. Sterbini den Handel übernahmen. Der Sieg der Radicalen war hiermit entschieden, u. schon am 20. Nov. verkündigte das neue Ministerium in seinem Programme, in Übereinstimmung mit dem demokratischen Gouvernement in Florenz (s.d., Gesch.), daß es eine constituirende Versammlung zu berufen u. eine italienische Bundesacte zu entwerfen beabsichtige. Da der Papst, in seinem Palaste streng bewacht, in seiner Umgebung nirgends mehr Rettung fand u. das reguläre Militär mit dem aufständischen Volke fraternisiren sah, floh er am 24. Nov. in Priesterkleidung aus Rom nach Gaëta, wohin ihm die meisten Cardinäle u. Prälaten u. das ganze diplomatische Corps folgten. Nach der Flucht des Papstes erklärte sich die Deputirtenkammer für permanent; dagegen erließ der Papst am 27. Nov eine Proclamation, worin er gegen alle Handlungen des Ministeriums Galetti protestirte u. eine Regierungscommission, bestehend aus dem Card. Castracane, Roberti, Fürst v. Roviano, Fürst Barberini, Marchese Bevilaqua von Bologna, Marchese Ricci von Macerata u. Baron Zucchi, ernannte. Aber während von allen diesen auch nicht Einer den Auftrag des Papstes annahm, erklärte die Deputirtenkammer (welche die meisten gemäßigten Mitglieder bereits verlassen hatten) am 2. Dec. dieses päpstliche Decret für ungesetzlich, ernannte ihrerseits am 11. Dec. eine Regierungsjunta, welche aus Fürst Corsini, Galetti u. Graf Camerata bestand u. die vollziehende Gewalt repräsentiren sollte, bis der Papst zurückkehrte od. einen gehörig beglaubigten Stellvertreter schickte. Gegen diese Junta protestirte der Papst unter dem 17. Dec. von Neuem, wogegen dieselbe darauf am 28. Dec. das Parlament auflöste u. am 29. die Constitnente Romana auf den 5. Febr. 1849 einberief. Diese sollte aus 200 aus dem ganzen K. mit directer Wahl gewählten Repräsentanten bestehen u. die innere Verfassung berathen u. feststellen. Am 1. Jan. 1849 erschien eine neue Protestation des Papstes gegen die Berufung der Constituente, zugleich eine Androhung der Excommunication gegen Alle, welche sich bei der Constituente betheiligten. Da traten, nachdem Corsini dies schon am 28. Dec. gethan hatte, am 2. Jan. auch die beiden andern Mitglieder der Regierungsjunta zurück. Ohne daß man indeß weiter auf den Papst achtete, gingen die Wahlen rasch vor sich, u. nachdem noch am 18. Jan. die Provisorische Regierung alle Völker Italiens aufgerufen hatte, die Constituente zu beschicken, erfolgte bereits am 5. Febr. 1849 die Eröffnung der Constituente (Assemblea), deren Präsident Galetti wurde, u. welche schon am 9. Febr. den Papst seiner weltlichen Macht für entsetzt erklärte u. die Römische Republik proclamirte. Zugleich erfolgte die Auflösung der Schweizerregimenter im päpstlichen Dienste zu Bologna. Zur weiteren Befestigung der neugegründeten Staatsform ernannte nunmehr die Constituente am 12. Febr. ein für die Dauer des provisorischen Zustandes unabsetzbares Executivcomite aus 3 Personen, dem Advocat Carlo Armellini, Adv. Aurelio Salieeti u. Mattia Montecchi, welches dann bereits am 13. Febr. die geistlichen Güter des Landes für Nationalgut erklärte u. zur Wahl eines Ministeriums schritt, das aus Muzzarelli (Präsident u. für den öffentlichen Unterricht), Rusconi (Äußeres), Saffi (Inneres), Lazzarini (Justiz), Guiccioli (Finanzen), Sterbini (Handel) u. Campello (Krieg u. Marine) zusammengesetzt war.

Auf die Nachricht von diesen Vorgängen legte der Papst am 14. Februar wieder gegen die Beschlüsse der Constituente Protest ein u. richtete gleichzeitig an alle europäischen Regierungen die Bitte um bewaffnetes Einschreiten. Hierzu erklärten sich auch alsbald Österreich, Spanien, Neapel u. selbst Frankreich bereit. Österreich hatte schon durch eine Note vom 17. Jan. der Provisorischen [524] Regierung zu Paris den Vorschlag gemacht, in Grafschaft Verein mit Neapel u. nach Berathung mit dem Papste, diesem ihren moralischen u. materiellen Beistand zu leihen u. ihn wieder in die vollen Souveränetätsrechte einzusetzen. Während es noch gelang, zum Behuf gegenseitigen Schutzes sowie zur weiteren Begründung nationaler Unabhängigkeit zwischen Rom, Toscana, Sicilien u. Venedig einen politischen Bund zu Stande zu bringen, erlitt die gesammte italienische Insurrection fast gleichzeitig auf allen Punkten so große Niederlagen, daß schon jetzt an irgend einen weiteren günstigen Erfolg derselben kaum noch gedacht werden konnte; u. da sehr bald über die übrigen revolutionären italienischen Staaten, bes. Toscana u. Sardinien, entschieden war, so wurde der K. mit seiner Insurrection auf sich allein beschränkt. Der erste Schlag, welcher die junge Republik traf, kam von den Asterreichern, die unter Haynau in den K. eindrangen u. am 18. Febr. Ferrara besetzten, weil österreichisches Militär angegriffen worden war. Die römische Regierung forderte die Stadt u. Provinz Ferrara auf, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, u. sandte Truppen ab, welche den Bewohnern von Ferrara Hülfe leisten sollten. Aber noch ehe dieselben dort anlangten, räumte Haynau Ferrara wieder. Wenige Wochen später, als Sardinien am 12. März 1849 den mit Österreich abgeschlossenen Waffenstillstand aufkündigte, faßte die römische Regierung, welche am 8. März an Campellos Stelle Calandrelli als Kriegs-Minister gewählt hatte, den Beschluß, sich an dem nunmehr von Neuem beginnenden Kampfe mit einem Contingente von 10,000 M. zu betheiligen. Aber noch hatten die römischen Truppen nicht die Grenze überschritten, als die für die Österreicher glückliche Schlacht bei Novara am 23. März dem kurzen Kriege ein Ende machte.

Die römische Regierung schritt nun zu außerordentlichen Maßregeln, ordnete umfassende Rüstungen an, löste das bisherige Executionscomité auf u. ernannte dafür 29. März ein dictatorisches Triumvirat, bestehend aus Mazzini, Saffi u. Armelini, welches sich sofort mit einem neuen Ministerum umgab, in welchem Rusconi das Äußere, Pichat (dem bald Mayr folgte) das Innere, Sturbinetti den Unterricht, Manzoni die Finanzen, Lazzarini die Justiz, Montecchi den Handel u. (am 19. Apr.) Avezzano den Krieg übernahm. Aber welche Anstrengungen die Triumvirn gegen die drohenden Gefahren auch machten, sie konnten gegenüber der Übermach, die sich jetzt gegen Rom in Bewegung setzte, den Untergang der Republik zwar verzögern, nickt aber verhindern. Unter den Staaten, die sich auf den Hülferuf des Papstes vom 20. April zu einer Intervention im K. bereit erklärt hatten, beeilte sich Frankreich am meisten, diesen Plan in Ausführung zu bringen. Die römischen Triumvirn trafen zwar sofort Anstalten, um eine Landung der Franzosen zu erhindern, aber bereits am Morgen des 24. Apr. 1849 erschien vor Civita Vecchia eine französische Flotte, bestehend aus 6 Dampffregatten, 2 Dampffregatten u. 2 leichten Dampfbooten, u. am 25. April landeten die französischen Truppen unter Oudinot, welcher eine Proklamation an die Bewohner des K-es erließ, daß Frankreich berufen sei, die Begründung des Regierungssystems zu erleichtern, welches von den Mißbräuchen, welche Pius IX. auf immer abgeschafft habe ebenso weit entfernt wäre, als von der Anarchie der letzten Zeit. In Rom würde die Nachricht von der Landung der Franzosen mit Erbitterung aufgenommen, die Konstituente protestirte sofort dagegen als gegen einen Einfall der Franzosen aus Römisches Gebiet, u. als der Oberst Leblanc als Abgesandter Oudinots in Rom erschien u. in einer Conferenz mit den Triumvirn die Erklärung abgab, der Zweck der französischen Expedition sei allerdings kein anderer, als den päpstlichen Thron zu resumiren, so eilte Alles, die Stadt in Verteidigungszustand zu setzen. Oudinot erschien, nachdem er Civita Vecchia in Belagerungszustand erklärt, die Garnison entwaffnen u. die Festung hatte besetzen lassen, mit seinen Truppen am 30. April vor Rom, das aber so tapfer vertheidigt wurde, daß die Franzosen vor der Hand von weiteren Feindseligkeiten abstehen mußten, bis Truppenverstärkungen aus Frankreich ankamen. Dagegen rückten die Österreicher unter Wimpffen zunächst vor Bologna, das sich am 15. Mai ergab u. am folgenden Tage besetzt wurde, besetzten am 17. Mai Imola u. schlossen dann mit 11,000 M. Ancona ein, welches bereits vom Viceadmiral Dalrup von der Seeseite blockirt u. beschossen wurde u. sich am 18. Juni ergab. Inzwischen war Perugia von den Österreichern unter Liechtenstein am 31. Mai, Ferrara bereits am 7. Mai unter General Graf Thurn-Hohenstein besetzt worden. Während so der K. im Norden dem Papste wieder unterworfen worden war, versuchten Gleiches im Süden von Rom die Neapolitaner u. Spanier. Jene etwa 6000 M. unter Winspeare mit einem kleinen päpstlichen Corps unter Zucchi besetzten bereits am 29. April Terracina, nachdem die spanische Escadre den Ort zur Übergabe u. Aufpflanzung der Päpstlichen Flagge vermocht hatte. Gegen diese zog ein republikanisches Heer unter Garibaldi, der sie am 8. bei Palestrina besiegte, indeß am 10. bei Valmontone eine Niederlage erlitt, aber am 19. Mai, unterstützt von Rosetti, bei Velletri die Neapolitaner schlug, welche Stadt die Neapolitaner am folgenden Tage räumten u. sich über Cisterina auf ihr Gebiet zurückzogen. Die Spanier, deren stattliches Geschwader am 29. April in Terracina u. am 7. Mai in dem Hafen von Fiumicino vor der Tibermündung die päpstliche Flagge wieder aufziehen ließ, landeten verstärkt durch 6000 Mann unter Cordova am 29. Mai bei Gaeta u. agirten mit den Neapolitanern, rückten mit denselben im Juni wieder in das Römische ein u. wurden nach der Einnahme Roms mit zur Verfolgung der Garibaldischen Schaar verwendet, besetzten auch im August, 2000 Mann stark, Spoleto u. verließen im December d. I. Italien.

Inzwischen hatte die französische Regierung Ferdinand Lesseps als außerordentlichen Gesandten nach Rom geschickt, welcher am 18. Mai einen achttägigen Waffenstillstand mit den Römern abschloß. Indessen im Fortgange der Verhandlungen erhoben sich Schwierigkeiten u. die römische Nationalversammlung wies die französischen Vorschläge (der Römische Staat sucht Frankreichs Hülfe nach; das römische Volt soll seine Wünsche über die Regierungsform frei aussprechen; Rom nimmt die Franzosen als Freunde auf) als unannehmbar zurück, du dieselben keine förmliche Anerkennung der Römischen Republik enthielten. Lesseps verließ deshalb am 24. Mai Rom u. ging eine französische Hauptquartier nach Palo. Der Waffenstillstand wurde nochmals auf acht Tage[525] verlängert, während der Zeit aber immer mehr Geschütz von den Franzosen vor Rom aufgefahren. Endlich wurde am 31. Mai zwischen Lesseps u. dem römischen Triumvirate eine Convention abgeschlossen, wonach die Franzosen als Freunde der Römischen Republik u. Gehülfen in ihrer Vertheidigung nach Außen erscheinen sollten. Aber Oudinot kehrte sich, da in dieser Convention von einer Aufnahme der französischen Armee in der Stadt nichts stipulirt war, nicht an dieselbe, u. nachdem Lesseps 1. Juni nach Paris abgereist war, begannen die französischen Truppen am 3. Juni den Angriff auf Rom u. setzten sich in Besitz der Villa Pamfili u. des Schlosses Corsini, wodurch sie die wichtigsten Vertheidigungspunkte in die Hände bekamen. Sofort entspann sich ein Kampf, welcher unentschieden erst bei einbrechender Nacht sein Ende fand. Die römischen Truppen, etwa 20,000 Mann, aus Polen, Deutschen, Lombarden, Ungarn, Schweizern, Franzosen, Niederländern etc. zusammengesetzt, wurden von Garibaldi u. Roselli commandirt; die französische Streitmacht bestand in den letzten Tagen aus 25,000 Mann, 48 Feldgeschützen, 8 Batterien Zwölfpfünder u. 2 sechzehnpfündigen Haubitzen, 20 Stück Positionsgeschütz, 13 Mörsern, einigen dreißigpfündigen Paixhans. Am 4. Juni begann der Kampf von Neuem: der Montenero wurde gestürmt u. die Porta del Popolo angegriffen; am 5. Juni war der Hauptkampf am Thor S. Pancrazio, welches die Franzosen dreimal im Sturm nahmen, aber dreimal von den Römischen zurückgeworfen wurden. Jetzt ruhte der Kampf, auf beiden Seiten war großer Verlust gewesen. Die Franzosen arbeiteten fleißig an den Belagerungswerken; ein Ausfall Garibaldi's suchte vergebens diese zu zerstören. Nachdem diese vollendet waren u. Oudinot die Römer am 12. Juni durch eine Proclamation zum Aufgeben des Widerstandes ohne Erfolg aufgefordert hatte; begannen die Franzosen am 13. Juni das Bombardement Roms u. drangen am 22. Juni im Sturm durch die Bresche am Thor S. Pancrazio in die Stadt. Endlich am 30. Juni verlangte die Constituente Einstellung der Feindseligkeiten, weil sie eine fernere Vertheidigung für unmöglich hielt, u. während das Municipium diesen Beschluß der Constituente zur Kenntniß der römischen u. französischen Armee brachte, traten am 2. Juli die Triumvirn Mazzini, Saffi, Armellini zurück u. übergaben die Regierungsgewalt an Salicetti, Mariani u. Calendrelli. Die Übergabe Roms an die Franzosen erfolgte auf Gnade u. Ungnade; am 2. Juli wurden ihnen die Thore S. Paolo, Portese u. S. Pancrazio geöffnet u. am 3. Juli hielten sie ihren Einzug. Sofort löste sich die Assemblea auf, u. noch am 3. Juli erließ Oudinot eine Proclamation, nach welcher alle Staatsgewalten vorläufig in den Händen der französischen Militärautorität concentrirt wurden. Als römische Armee wurde nur die vor dem 17. Novbr. 1848 bestandene anerkannt u. die Freicorps aufgelöst. Die Schlüssel der Stadt wurden dem Papste nach Gaëta geschickt. General Rostolan wurde zum Gouverneur von Rom ernannt; am 5. Juli sprach derselbe den Belagerungszustand über Rom aus. Darauf erfolgte die Auflösung der Civica, u. da gleich in den ersten Tagen der Anwesenheit der Franzosen viele Meuchelmorde vorgekommen waren, eine allgemeine Entwaffnung.

Die Wiedereinführung der Regierung des Papstes (welcher persönlich seinen Sitz fortwährend in Gaëta behielt), folgte in den einzelnen Landestheilen nach den Siegen der einzelnen Corps der Hülfstruppen. Zuerst nach der Besetzung von Bologna durch die Österreicher am 24. Mai durch den Civil- u. Militärgouverneur Gorzkowski u. den außerordentlichen päpstlichen Commissär Bedini in den Legationen von Bologna, Ferrara, Forli u. Ravenna; nach der Übergabe von Ancona am 27. Juni durch den Commissar Savelli für die Legationen Urbino u. Pesaro, desgleichen für die Delegationen Ancona, Macerata, Camerino, Fermo u. Ascoli. Die darauf bezüglichen Proclamationen enthielten vorzüglich die Wiedereinführung der Censur, Annullirung aller Ernennungen u. Beförderungen seit dem 16. Novbr 1848, wogegen alle in Folge jenes Ereignisses abgesetzte Beamte wieder in ihre Stellen zurücktreten sollten. In Rom selbst geschah die Proclamation der Wiedereinführung der päpstlichen Regierung am 15. Juli. Mit diesem Tage trat die von Oudinot am 9. Juli ernannte außerordentliche Commission ihre Ämter an. Am 1. August trat die päpstliche Regierung selbst ein, u. im Namen des Papstes ergriff nun eine von ihm gewählte außerordentliche Commission, welche aus den Cardinälen della Genga, Vannicelli u. Altieri gebildet u. durch eine Ansprache des Papstes vom 17. Juli der Bewohnerschaft des K-es angekündigt worden war, die Regierung, welche am 9. Aug. folgendes Ministerium bildete: Savelli für das Innere, Giasanti für die Justiz, Galli u. Cavalieri behielten die Finanzen u. den Handel, doch trat bereits am 13. August Jacobini an die Stelle des Letzteren. Amtsentsetzungen zahlreicher Ober- u. Unterbeamteten, Verhaftungen, Verurtheilungen zu langjähriger Gefängniß- od. Galeerenstrafe, sowie zahlreiche Hinrichtungen kamen jetzt im ganzen K. an die Tagesordnung, während die geheime Polizei eine ungemeine Thätigkeit entwickelte u. sämmtliche Staatsreformen, die früher: vom Papste selbst od. nachher von den Häuptern der Republik ins Leben gerufen worden waren, wieder beseitigt wurden. Am 4. Septbr. siedelte der Papst von Gaëta nach Portici bei Neapel über, um dort den Herbst u. Winter zuzubringen. Auch dahin begleitete ihn das diplomatische Corps. Von hier aus e. ließ er am 12. Sept. 1849 ein Motu proprio, worin die Einsetzung eines Staatsrathes zur Begutachtung aller Gesetzentwürfe, einer Staatsconsulta für die Finanzen, die Einsetzung von Provinzialräthen, welche der Papst aus den, von den Gemeinden Vorgeschlagenen wählen sollte, zur Besorgung provinzieller Angelegenheiten, Municipalvertretungen u. Reformen der Gerichtsordnung verheißen wurden. Diesem Motu proprio folgte dann am 18. Septbr. ein Amnestiedecret, welches jedoch die Mitglieder der Provisorischen Regierung, der Assemblea, des Triumvirats u. der republikanischen Regierung, sowie die Anführer der Militärcorps u. Alle, welche nebenbei gemeine Verbrechen begangen hatten, von der Wohlthat ausschloß. Durch die Anwesenheit der französischen Occupationstruppen von der Rückkehr nach Rom zurückgehalten, suchte der Papst, als am 7. Decbr. die Einschiffung der spanischen Truppen erfolgen sollte, dies durch ein eigenhändiges Schreiben an die Königin Isabella zu verhindern, indem er auf den Abzug der Franzosen hoffte, um Rom von den Spaniern besetzen zu lassen. Indeß die Franzosen[526] blieben u. die Spanier zogen ab, gestatteten jedoch dem Papste zur Bildung einer Leibwache die Anwerbung Freiwilliger in Spanien. Endlich verließ am 4. April 1850 Pius IX. Portici u. kehrte am 12. April nach Rom zurück. Die provisorische Commission legte an diesem Tage ihre Verwaltung nieder. Die Stimmung des Volkes gegen den Papst aber blieb eine kühle. Denn ob auch zur endlichen Verwirklichung des Motu proprio vom 12. Septbr. 1849 eine Reihe organischer Gesetze in Aussicht gestellt wurde, verstrich doch ein Monat nach dem andern, ohne daß diese Gesetze erschienen.) Währenddem dauerte dagegen die polizeiliche u. militärische Strenge fort, nahm die Zahl der Verhaftungen zu, lenkte man bes. in kirchlicher Beziehung immer mehr wieder in die alte Bahn ein, rehabilitirte die Jesuiten, daher auch bereits Ende 1850 der Jesuitengeneral Roothan aus Sicilien nach Rom zurückkehrte etc. Die bewegten Gemüther waren auch unzufrieden damit, daß der Papst wegen der Siccardischen Gesetze in Zwist mit Sardinien gerieth (s. Sardinien). Der schlimmste Punkt blieben indeß die Finanzen; das Silberagio stieg zu einer unerhörten Höhe, die Regierung mußte Ende April die ohnehin schon drückende Grundsteuer um 1/6 des jährlichen Betrags erhöhen, ja der Papst sah sich genöthigt, Anfangs Juli eine Besteuerung des Clerus von jährlich 100,000 Scudi zu sanctioniren; es wurde die Gründung einer neuen Bank am 1. Mai, die Creirung von Schatzscheinen etc. versucht. Aber das öffentliche Vertrauen zu den römischen Finanzen konnte dadurch nicht gekräftigt werden. Am 12. Juni wurde die Reorganisation der Armee verfügt, womit es jedoch auch keinen recht günstigen Fortgang nehmen wollte. Die französischen Interventionstruppen verblieben in ihrer bisherigen Stellung, wurden jedoch Anfang Mai bis auf eine Division vermindert, deren Commando dem General Gemeau übertragen wurde.

Endlich am 11. September 1850 erschienen die ersten in dem Motu proprio vom 12. September 1849 versprochenen organischen Gesetze, nämlich die über die Ministerien u. den Staatsrath, welche die Gliederung des Geschäftsbezirks des Ministeriums enthielten, die Constitution aber nicht erwähnten. Das Edict über die Organisation der Ministerien theilte die gesammten Zweige der öffentlichen Verwaltung in fünf Departements, nämlich: Inneres, Justiz, Finanzen, Handel u. öffentliche Arbeiten, Krieg; das Personal des Ministerraths war Präsident Cardinal Antonelli, zugleich mit dem Äußeren beauftragt, Savelli für das Innere, Glausentini für die Justiz, Jacobini für den Handel, Kalbermatten für den Krieg, Galli für die Finanzen. Bei dieser Organisation wurde freilich der Staatssecretär, das Organ des Papstes bei Veröffentlichung legislativer Acte, nicht blos der oberste, sondern der einzige Chef des eigentlich politischen Staatswesens, u. seine Macht überragte, wie früher, weit die der übrigen Minister, welche von nun an wesentlich nur als erste Verwaltungsbeamte angesehen werden konnten. Der Staatsrath war eine rein berathende Behörde, bestehend aus einem Präsidenten in der Person des Cardinalstaatssecretärs (Antonelli) u. einem Prälaten (Consolini) als Vicepräsident, sowie aus neun ordentlichen u. sechs außerordentlichen Räthen, die sämmtlich vom Papste ernannt wurden.

Fast gleichzeitig mit dem Erscheinen dieser beiden Edicte ließ der Papst mittelst Rundschreibens (vom 16. Septbr.) allen Kanzlern den Befehl zufertigen, die nun schon seit fast zwei Jahren geschlossenen Universitäten am 1. Novbr. wieder zu eröffnen. Die erste weitere Ergänzung war das Edict vom 30. Octbr. über die Organisation einer Finanzconsulta für die Prüfung u. Revision der Ein- u. Ausgaben des Staates; die Publication des Edictes fiel in dieselbe Zeit, in welcher der Tarif der neuen Gewerbsteuer bekannt wurde, welche wieder neue Mißstimmung unter der Bevölkerung hervorbrachte. Die nächste Folge davon war eine Ministerkrisis, wobei der Finanzminister Galli u. dann auch der Kriegsminister Kalbermatten die Entlassung von ihren Posten gab, für welchen Letzteren kurz darauf Fürst Orsini eintrat. Ein weiteres Stück der organischen Gesetze vom 22. Novbr. betraf die Provinzialregierung u. Verwaltung mit der neuen Eintheilung des K-es. Der Eindruck, welchen der Erlaß dieses Gesetzes auf die Bevölkerung u. bes. auf den intelligenteren Theil derselben hervorbrachte, war im Ganzen ein günstiger, wenn auch der Wahlmodus ziemlich beschränkt war u. sonach die letzte Entscheidung immer wieder von den Regierungsbehörden abhängig gemacht wurde. Als Schlußstein der organischen Gesetze erfolgte am 26. Novbr. ein Municipalgesetz für die Provinzen u. 1851 das für die Stadt Rom. Die Einführung, der einzelnen Gesetze ins Leben erfolgte nicht sogleich, u. die Stimmung der Bevölkerung blieb im Allgemeinen düster u. gedrückt, jede freiere Regung wurde mit polizeilicher Strenge niedergehalten, die Hälfte des Staates blieb von fremden Truppen, von denen bes. die französischen oft mit den päpstlichen Raufereien hatten nach wie vor besetzt, ja sogar von Seiten Frankreichs wurde eine Verstärkung der Besatzungstruppen angeordnet; im ganzen Umfange des K-s nahm das Räuber- u. Banditenwesen so furchtbar über Hand, daß ganze Räuberbanden selbst bis in die nächste Nähe Roms ungescheut vordrangen. Endlich am 12. März wurde der Staatsrath von dessen Präsidenten Cardinalstaatssecretär Antonelli im Quirinal in seine Functionen eingesetzt. Die neue Municipalität in Rom, mit dem Fürsten del Drago als Senator an der Spitze, trat darauf am 1. April ins Leben. Nur vorübergehend besserte sich die öffentliche Stimmung bei Veröffentlichung zweier damals abgeschlossenen Verträge, welche für die Zukunft allerdings von Wichtigkeit waren, nämlich der am 5. April 1851 mit Toscana auf Grundlage völliger Gegenseitigkeit abgeschlossene Schifffahrtsvertrag u. der Vertrag Österreichs, Toscanas u. des K-es vom 22. April 1851 bezüglich des Eisenbahnbaues von Mantua über Bologna nach Florenz. Am 17. Juni 1851, erließ Pius IX. eine neue Amnestie. Darauf erfolgte ein Erlaß vom 7. Juli 1851, wonach der oberste geistliche Revisionsgerichtshof, die Sagra Visità Apostolica, wieder in Thätigkeit trat, u. zwar mit erweiterten Gerechtsamen. Bei Veröffentlichung des Staatsbudgets für 1851 ergab sich abermals ein Deficit von 1, 756, 745 römischen Scudi. In Folge davon mußte sofort wieder zu außerordentlichen Maßregeln geschritten werden. Ernste Verlegenheiten bereitete der päpstlichen Regierung die Gemeinschaft der demokratischen Flüchtlinge, welche in London ihren Hauptsitz hatten, von wo aus im August 1851 ein Mazzinisches [527] Manifest die Italiener zum Umsturz der päpstlichen Regierung u. zur Einsetzung einer Dictatur während des Kampfes aufrief. So bedroht, mußte die Regierung unter dem Schutze österreichischer u. französischer Truppen bleiben. Eine österreichische Brigade stand zu Bologna, eine zweite zu Ancona; eine Division Franzosen unter General Gemeau in Rom, Civita Vecchia u. der Umgegend. Der Staatsstreich vom 2. Decbr 1851 zu Paris, worüber der Papst öffentlich seine Befriedigung aussprach, befreite ihn von einem großen Theile der Besorgnisse wegen Mazzinistischer Unternehmungen, obwohl Mazzini (2. März 1852) einen neuen Aufruf zur Revolutionirung, zunächst Italiens, ergeben ließ, um von da aus ganz Europa eine neue Gestaltung zu geben. Die Finanzen waren auch im Jahre 1851 eine sehr schwache Seite des K-es; das republikanische Triumvirat hatte eine Last von 4,651,000 Scudi Schulden in Papiergeld zurückgelassen, nachdem es das päpstliche Papiergeld in republikanisches umgeschaffen hatte; die päpstliche Negierung verwandelte das letztere wieder in päpstliches, was aber nicht vollständig gelang. Die Bemühungen der Regierung, die Verwaltung zu verbessern u. ein neues Heer zu schaffen, stellten neue Ausgaben in Aussicht, ohne daß die Einnahmen sich hätten bessern können. Um fremde Truppen zu bekommen, Deutsche u. Schweizer anzuwerben, beschloß die Regierung ein gutes Handgeld u. hohen Sold zu geben u. auf diese Weise zwei Fremdenregimenter zu bilden, aber im Juni 1852 hatte man erst 12,000 Mann zusammengebracht. Was die eigentliche Verwaltung betraf, so stießen ihre Verbesserungspläne bes. aus zwei Hindernisse: die Unredlichkeit der Beamten u. die Abneigung gegen die politische Macht der Geistlichen.

Die Erscheinung, daß die päpstliche Macht im Jahre 1851 aus dem politischen Gebiete immer tiefer sank, während sie auf dem kirchlichen einen kräftigen Aufschwung nahm, wiederholte sich auch im Jahre 1852. Die Spannung mit Sardinien dauerte fort. Nach der dort erfolgten Aufhebung des privilegirten Gerichtsstandes der römischkatholischen Geistlichkeit handelte es sich um Lösung der Fragen in Betreff der Kirchengüter u. der Einführung der Civilehe, wogegen sich der Papst mit Entschiedenheit erklärte. Auch in Toscana wollte man mit Aufhebung der Leopoldinischen Gesetzgebung nicht weiter gehen, als es nach dem Concordat von 1851 geboten war, u. der Großherzog von Toskana entließ sogar den Minister, welcher im Sinne des Papstes die religiöse Reaction fortführen wollte. Mit der englischen Regierung waren Verhandlungen im Gange wegen Begründung einer englischen Gesandtschaft in Rom selbst; die englische Regierung versprach, der Katholischen Kirche in Irland besondere Sorgfalt zuzuwenden, wenn der Papst sich dazu verstände, der politischen Thätigkeit dieser Kirche eine den Wünschen der englischen Negierung entsprechende Richtung zu geben. Am 20. Octbr. 1852 hatte sich zum ersten Male die Finanzconsulta versammelt, eine Art Notabeln-Versammlung u. Landesvertretung, welche die Interessen des Landes berathen sollte u. eben so viel Männer von hoher Geburt als von großen Fähigkeiten enthielt. Es wurde ihnen das Budget für 1853 mitgetheilt, u. Marquese Baldini trug darauf an, daß die Berichte über Einnahme u. Ausgabe der Vorjahre veröffentlicht werden sollten, um darauf ein Urtheil über das Budget gründen zu können, was auch geschah. Im Budget von 1852 waren von der päpstlichen Regierung festgesetzt worden: die Einnahmen zu 11,110,569 Scudi, die Ausgaben zu 12,906,119 Scudi; es hatte sich demnach ein Ausfall von 1,795,949 Scudi ergeben, so daß bei einer Bevölkerung von 3 Million Seelen ungefähr 3 römische Thaler (4 Thlr. 14 Sgr. preuß.) Steuern auf den Kopf kamen. Auf Antrag der Finanzconsulta wurde zunächst die Einlösung des Papiergeldes beschlossen; der Ausfall im Budget, welcher für 1853 mit 1,500,000 Scudi berechnet war, sollte durch Ersparnisse in verschiedenen Verwaltungszweigen u. durch eine Anleihe von 800,000 Scudi gedeckt werden. Auch dies genehmigte der Papst, jedoch wurden die Abgaben um 1/6 ihres Betrages erhöht u. die Anleihe mit dem Hause Rothschild abgeschlossen. Sehr günstig auf die öffentliche Meinung wirkte auch, daß der Papst eine Commission niedersetzte mit der Aufgabe, alle politischen Processe aus den letzten Revolutionsjahren zu prüfen u. zu beendigen. Eine sehr große Menge derselben wurde auf diese Weise niedergeschlagen. Auf dem Gebiete der öffentlichen Bauten zeigte sich im Jahre 1853 eine größere Thätigkeit: zum Bau der kleinen Eisenbahn von Rom nach Frascati, u. zu dem der Eisenbahn von Rom nach Civita Vecchia wurde die Erlaubniß gegeben; man kaufte neue Dampfboote an u. endlich wurden im October in Gegenwart des Papstes die ersten Versuche mit dem elektrischen Telegraphen zwischen Rom u. Terracina gemacht, welcher sich in Bologna mit der Telegraphenlinie von Norditalien, Deutschland u. Frankreich in Verbindung setzen sollte. Vor der Eröffnung der zweiten Versammlung der Finanzconsulta im Novbr. 1853 hatte der Finanzminister eine Zusammenstellung der Schulden des K-es vollendet. Es ergab sich daraus, daß von 1814–30 eine Mehreinnahme stattgefunden, u. daß die Mehrausgaben erst seit 1831 begonnen hatten. Die Gesammtsumme der Staatsschulden betrug im Jahre 1853 100 Mill. franz. Franken, die Verzinsung forderte demnach ungefähr 5 Mill. Fr. jährlich od. 1/10 der Staatseinnahme. In Bezug auf die Errichtung zweier Fremdenregimenter war es endlich gelungen, ein Schweizerregiment zusammen zu bringen; indessen herrschte überall Ruhe, so daß die französischen Besatzungstruppen von 10,000 auf 8000 Mann heruntergesetzt u. auf die beiden Punkte Rom u. Civita Vecchia beschränkt wurden, während die österreichische Regierung sich von Anfang an mit den Besatzungen von Bologna u. Ancona begnügt hatte.

Es ließ sich nicht verkennen, daß die römische Verwaltung sich, obwohl langsam, verbesserte, u. daß die Regierung den Willen hatte, ohne politische Reformen in Aussicht zu stellen, alle staatswirthschaftlichen Verbesserungen ins Leben zu rufen, deren Mangel man dem Kirchenregiment zum Vorwurf gemacht hatte. Eine der wichtigsten Maßregeln auf diesem Wege war die Öffentlichkeit aller volkswirthschaftlichen Thatsachen, in Folge deren im Jahre 1852 zum ersten Male amtlich Nachrichten über den Umfang des Handels zwischen dem K-e u. dem Auslande bekannt geworden sind. Im Jahre 1851 hatte danach der Werth der Einfuhrwaren betragen: 10,598,261 Scudi, die Ausfuhr 9,733,465 Scudi; darunter waren aber freilich 5,592,618 Scudi für eingeführte Fabrikate[528] u. nur 2, 506, 699 für ausgeführte. Der Werth der Lebensmittelausfuhr (Getreide, Reis, Vieh u.a.) betrug 5, 441, 701 Scudi, die Einfuhr 2, 224, 127. In den beiden Haupthäfen (Ancona u. Civita-Vecchia) waren 5821 Schiffe mit einem Gehalt von 524, 229 Tonnen ein- u. ausgelaufen. Mit Sardinien blieb der Papst in Disharmonie. Die sardinische Regierung verlangte vor allen Dingen, daß der Papst mit ihr in Verhandlung über kirchliche Angelegenheiten eingehen sollte, u. wenn dieser schon an sich dies nicht bewilligen wollte, so glaubte er außerdem auch nicht an die Aufrichtigkeit der verschiedenen Eröffnungen u. Vorschläge, welche ihm von Turin aus gemacht wurden. Er wies dieselben zurück u. wollte keine Opfer bringen, die gegen die Lehre seiner Kirche wären. In die Rechtsverwahrung, welche jährlich einmal am St. Petersfest in Rom von der Apostolischen Kammer öffentlich gegen alle die ausgesprochen wird, welche ihre weltlichen Pflichten gegen die päpstliche Regierung verabsäumen, namentlich gegen Neapel u. Parma, wurde nun auch Sardinien eingeschlossen, wegen verweigerter Entrichtung eines goldenen Kelches, welchen der päpstliche Schatz im Werth von 2000 römischen Thalern jährlich seit Benedict XIV. als Ablösungssumme von Sardinien zu erhalten hat, a. als am 28. Nov. 1854 der sardinische Gesetzentwurf über Aufhebung der Klöster, Verkauf von deren Gütern u. Benutzung des Ertrages zu Staatszwecken erschien, der später von beiden Kammern angenommen wurde, erklärte der Papst am 22. Jan. 1855 jenen in einem geheimen Consistorium für null u. nichtig u. sprach am 26. Juli über alle, welche diese Anträge eingebracht, gebilligt u. genehmigt hätten, die kirchliche Excommunication aus. Das der wieder zusammentretenden Finanzconsulta vorgelegte Budget wies eine Mehrausgabe vom Jahr 1854 nach, dieselbe wurde durch Erhöhung der Abgaben durch 1/6 gedeckt, was die Grundsteuerpflichtigen bes. traf; sie betrug nach den eingeführten Ersparnissen immer noch 1, 800,000 Scudi. Um die Einnahmen zu vermehren, wurde für 1856 außerdem eine neue Tranksteuer, eine Wiedereinführung der. Patentsteuer u. eine Erhöhung der Eingangszölle beschlossen. Für das Jahr 1856 u. die folgenden hoffte die Regierung durch die Verwaltung des Salz- u. Tabaksmonopols so viel zu erübrigen, daß Einnahme u. Ausgabe völlig ins Gleichgewicht gebracht werden könnten. Nach dem Budget für 1855 waren die ordentlichen Ausgaben mit 13, 137, 612 Sc. u. die außergewöhnlichen mit 563, 162 Sc., für das Heer 1, 801, 122 Sc. angesetzt; allein außerdem hatte die Regierung noch die österreichische u. französische Besatzung zu erhalten. Die. Mehrausgabe wurde für 1855 mit 1, 101, 497 Sc. berechnet. Eine finanzielle Verlegenheit erwuchs der Regierung auch aus dem Kupfergelde geringeren Gehaltes, welches sie seit 1851 in großen Massen hatte prägen lassen, u. welches, um große Verluste zu vermeiden, wieder eingelöst werden mußte. Die im Jahre 1851 angeordneten außerordentlichen Gewerbesteuern wurden im November 1855 wieder aufgehoben, weil sie nicht eingetrieben werden konnten; die Regierung verfügte sogar die Zurückzahlung der Beträge, welche eingezahlt worden waren. Cholera u. Theuerung hatten im Jahre 1855 Trauer u. Noth über die Bevölkerung gebracht, was die Mazzinisten von Neuem auszubeuten suchten, jedoch ohne Aussicht auf Erfolg, denn die französische Besatzung in Rom betrug zwar nur noch 5000 Mann, aber ein neugebildetes zweites Fremdenregiment stand in der Nähe. Von den Eisenbahnen, von denen seit 1852 so viel die Rede gewesen war, hatte noch keine vollendet werden können; denn Gesellschaften, welche den Bau übernehmen wollten, stießen bei der Ausführung auf Hindernisse, welche ihr Unternehmen rückgängig machten. Dagegen hatte der Bau der elektrischen Telegraphen seinen Fortgang; im Jahre 1855 wurde die Zweiglinie von Bologna über Ferrara nach Venedig dem Betriebe übergeben. Aus Madrid wurde in Folge einer Verletzung des Concordates der päpstliche Gesandte abberufen, so wie auch der spanische Rom verließ. Den Glanzpunkt der päpstlichen Politik bildete im Jahre 1855 das am 18 August mit Österreich abgeschlossene Concordat (s.d. N). Die Nahrungsverhältnisse hatten sich in Folge der im K. im Sommer 1855 günstiger ausgefallenen Ernte so gebessert, daß die Regierung sogar die Ausfuhr von Reis, Mais u. Hülsenfrüchten bis zum 1. Juli 1856 wieder freigab; allein die Räubereien u. unruhigen Bewegungen dauerten fort.

Der Zustand der politischen Verhältnisse des europäischen Staatensystemes, wie er sich durch den Orientalischen Krieg u., für Italien, durch das Bündniß Sardiniens mit England u. Frankreich entwickelt hatte, wirkte aufregend, während die Verschiedenartigkeit der französischen u. österreichischen Interessen in Italien Jahrhunderte lang mit den Waffen sich bekämpfend u. nur scheinbar bei der Bevormundung der päpstlichen Regierung denselben Zweck verfolgend, kaum für diese förderlich sein konnte. Hierin trat nun durch die Pariser Friedensconferenzen eine Wendung zum Besseren ein. Dort hatten die sardinischen Bevollmächtigten die Verwaltung in einzelnen italienischen Staaten als Besorgniß erregend für die Ruhe von ganz Italien dargestellt, bes. trugen sie in Betreff des K-es darauf an, sich mit dem Papst zu verständigen u. denselben zu bitten, sein ganzes Regierungssystem zu ändern, die österreichische Besatzung möchte sofort den K. räumen, wogegen die Franzosen noch bis zur Vollendung nothwendiger Reformen bleiben sollten. Als Ergebniß der aus den am 8. April in der Conferenz darüber gepflogenen Verhandlungen wurde ins Protokoll aufgenommen, daß Österreich u. Frankreich den Wunsch hegten, den K. durch ihre Truppen geräumt zu sehen, sobald sich dieses ohne Nachtheil für die Ruhe des Landes u. für die Befestigung der Autorität des Papstes thun ließe. In Folge davon machte die päpstliche Regierung neue Anstrengungen, den Bestand der Truppen, der sich zu Anfang des Jahres 1856 auf 14,000 belief, auf 18,000 zu erhöhen u. das noch schwache zweite Fremdenregiment zu verstärken; erklärte aber zugleich, daß sie zur Ausführung dieses Entschlusses 3–4 Jahre brauchen werde. Zugleich ließ der Papst durch seine diplomatischen Agenten den beiden katholischen Großmächten mittheilen, daß er nichts sehnlicher wünsche, als alle jene Reformen, welche Frankreich u. Österreich unter den obwaltenden Umständen im K-e für nothwendig u. ausführbar hielten, ins Leben zu rufen, worauf diese glaubten, darauf verzichten zu müssen, irgend einen Schritt in dieser Beziehung zu thun, um dem Papste nicht in den Augen seines Volkes den Schein aufzuladen, daß die Reformen nicht ihm, sondern dem Auslande[529] zu danken seien. Auch die englische Regierung erklärte sich mit dem Verfahren des Papstes befriedigt, u. als nach Abschluß des Pariser Friedens im Juni mehre österreichische, französische, englische, sardinische u.a. Staatsmänner in Rom zusammentrafen, handelte es sich wohl darum, der italienischen revolutionären Partei jede Hoffnung auf einen ihr förderlichen Zwiespalt zwischen den europäischen Großmächten zu benehmen. Am 7. Juli fand endlich die Eröffnung der ersten römischen Eisenbahn statt, von Rom nach Frascati, ungefähr fünf deutsche Wegstunden lang. Der Austausch von Freundschaftsbezeugungen, welcher bei einer vom Papste in Porta d'Anzio veranstalteten Zusammenkunft zwischen diesem u. dem Könige von Neapel stattfand, zeigte, daß die Zumuthungen, welche dem König von Neapel von Seiten Frankreichs u. Englands gemacht worden waren, vom Papste nichtgebilligt wurden. Die Verhältnisse zwischen Rußland u. der päpstlichen Regierung gestalteten sich, seitdem Kaiser Alexander II. den Thron bestiegen hatte, freundlicher, aber des Papstes Wunsch, mit Neapel u. dem Großherzogthum Toscana ein Concordat nach dem Muster des österreichischen abzuschließen, ging nicht in Erfüllung. Dagegen kam am 3. Juni 1857 ein Concordat mit Württemberg zu Stande. Am 16. Juni 1856 ernannte der Papst sechs neue Cardinäle, so daß im Ganzen 66 waren; 30 davon im K., 21 in Rom selbst, nur der dritte Theil davon Nichtitaliener. Die inneren Zustände besserten sich nicht wesentlich, wenn auch die Mehrausgabe jährlich abnahm. Die Wünsche u. Vorstellungen, welche die Finanzconsulta am Schlusse jeder ihrer Versammlungen der Regierung auszusprechen hatte, wurden nie beantwortet, u. die Klagen waren allgemein, daß die in dem Verfassungsentwurfe vom 12. Sept. 1849 versprochenen Verbesserungen nicht genügend zur Ausführung kämen. Lord Palmerston nannte die Regierung des Kirchenstaates im Hause der Gemeinen eine willkürliche u. tyrannische, auch die französische Regierung gab deutlich genug ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen zu verstehen. Am 18. Oct. 1856 wurde der bisherige Commandant der französischen Besatzungstruppen durch General Goyon ersetzt, worauf in den Marken u. in der Romagna der Belagerungszustand aufhörte (Dec. 1856), während in Ancona u. Bologna die österreichische Besatzung die Wirksamkeit der eingesetzten Kriegsgerichte auf die Verbrechen des Hochverraths u. Raubes einschränkte.

Die patriotisch-italienische Partei, überall gemeinsam handelnd, befolgte die Politik, die Franzosen unbeachtet zu lassen u. nur gegen die Österreicher ihre Angriffe zu richten, so daß diese beim besten Willen ihre Kriegsgerichte fortbestehen lassen mußten, während die Franzosen als milde Beschützer erschienen. Die politische Wühlerei trat immer offener auf, so daß der Papst selbst am 4. Mai 1857 Rom verließ, um sich längere Zeit mit einigen Ministern in Bologna aufzuhalten u. die Gemüther in den Legationen mit der päpstlichen Regierung auszusöhnen. Indeß war der von Sardinien bei den Pariser Conferenzen ausgesprochene Gedanke einer Trennung der Legationen von Rom mit selbständiger Verwaltung bereits um so mehr der herrschende geworden, als er schon bei dem Wiener Congreß 1815 Fürsprecher u. einflußreiche Anhänger gehabt hatte. Von fast allen Städten der Legationen, Bologna an der Spitze, wurden Adressen verfaßt, die auf politische u. administrative Verbesserungen drangen, u., wenn sie auch nicht amtlich überreicht werden durften, doch zur Kenntniß des Papstes gelangten. In Folge dessen kehrte derselbe schon am 5. Sept. 1857 nach Rom zurück, ohne seinen Zweck erreicht zu, haben. Nur das Eine wurde erlangt, daß die Österreicher ihrer Seits in Ancona u. Bologna den Belagerungszustand ebenfalls aufhoben u. die Kosten für ihre Hülfsleistung ermäßigten, während die päpstliche Regierung die Fortdauer der Besetzung des K-s durch die Österreicher nöthig hielt. Auf dem Gebiete der nationalökonomischen Unternehmungen hatte sich hie päpstliche Regierung durch Übereinkunft mit Österreich am 4. Sept. 1856 u. Errichtung von Telegraphen auf ihrem Gebiete dem österreichischen Telegraphenverbande angeschlossen; auch ertheilte sie Concession zum Bau von vier Eisenbahnen: von Rom nach Civita Vecchia, 80 Kilometer lang, von Rom nach Ancona, 280 Kilom., von Ancona nach Bologna, 206 Kilom., von Bologna nach Ferrara, 53 Kilom., wobei den Actionären 6 Proc. jährliche Zinsen gewährleistet wurden; ein Stück der Bahn von Rom nach Civita Vecchia wurde schon im Januar 1857 dem Betrieb übergeben. Um die Sache zu fördern ertheilte der Papst den religiösen Gemeinschaften die Erlaubniß, auf die Eisenbahnactien der Centralbahn zu unterzeichnen, was auch geschah. Dagegen verrieth sich die Neigung zu einem zähen Widerstand gegen alles Neue in der Haltung der päpstlichen Politik den beiden Schutzmächten gegenüber, von denen Frankreich im K. das Programm festgehalten wissen wollte, welches Ludwig Bonaparte als Präsident der Französischen Republik in einem Briefe an den Papst aufgestellt hatte. Als die französische Regierung ihren bisherigen Gesandten, v. Rayneval, der eine Schutzschrift für das Bestehende im K. geschrieben hatte, nach Petersburg versetzte u. an dessen Stelle der Herzog v. Gramont, bisherigen französischen Gesandten in Turin, nach Rom sandte, unterließ die amtliche römische Zeitung (Giornale di Roma) die übliche Anzeige, u. als die französische Regierung wiederholt die Nothwendigkeit politischer Reformen vorstellte, antwortete die päpstliche Regierung damit, daß sie den Director der römischen Leihbank, welcher von der französischen Regierung den Orden der Ehrenlegion bekommen hatte, wegen Unterschleifs in Untersuchung nehmen ließ. Erschreckt wurde die päpstliche Regierung durch den Mordversuch gegen den Kaiser Napoleon III. vom 14. Jan. 1858, welcher von drei Eingebornen des K-s (Graf Orsini, Pieri, Pianori) ausgeführt worden war. Ihr Schrecken war so groß, daß sie nicht nur die mit den Cabineten von Wien u. Paris gepflogenen Verhandlungen wegen Abzug der französischen u. österreichischen Truppen abbrach, sondern der französischen Regierung selbst zu verstehen gab, daß eine Vermehrung der französischen Besatzung im K. dem Papst sehr angenehm sein würde. Die zu derselben Zeit versammelte Finanzconsulta erklärte die von Pius VI. begonnene, sogenannte Austrocknung der Pontinischen Sümpfe, welche dem Staate jährlich 35,000 Scudi kostete, für vollendet, was die Regierung genehmigte. Die Voranschläge des Budgets für 1858 berechnete im Vergleiche zu dem Vorjahre eine Mehreinnahme von 331, 300 Scudi, u. eine Minderausgabe von 202, 425 Scudi u. überhaupt einen Überschuß der Einnahme von 1429 Scudi. Die Truppen, 12, 600 Mann, worunter 5000 Gendarmen,[530] kosteten jährlich 2, 323, 567 Scudi. In sämmtlichen Ministerien zu Rom waren 98 Geistliche u. 5059 Laien angestellt. Großes Aufsehen in ganz Europa erregte ein im Sommer 1858 begangener Knabenraub. Es wurde der junge, sieben Jahre alte Edgard Mortara am 24. Juni 1858 in Bologna heimlich seinen israelitischen Eltern ohne Angabe des Grundes auf Anordnung der päpstlichen Regierung genommen u. nach Rom in eine päpstliche Erziehungsanstalt gebracht. Eine Magd, die im Montara'schen Hause gedient hatte, erklärte, daß sie den Knaben, als er ein Jahr alt erkrankte, getauft habe. Mehr als 1000 Einwohner von Bologna unterzeichneten eine Adresse an die päpstliche Regierung, worin sie die Bitte der Eltern um Rückgabe des Knaben unterstützten. Der Papst verwies auf die Gesetze der Römisch-katholischen Kirche, die dies nicht zuließen.

Vielfache Reibungen zwischen der Bevölkerung der Stadt Rom u. den französischen Soldaten veranlaßten den französischen Befehlshaber, einen Tagesbefehl zu veröffentlichen, worin er die Bestrafung der Beleidiger einem französischen Kriegsgerichte zuwies u. verlangte, daß ihm dieselben Ehren erwiesen werden sollten, wie dem regierenden Papste, worauf zwischen dem Premierminister Antonelli u. General Goyon ein ernster Zwiespalt ausbrach u. Goyon seinen Tagesbefehl zurücknahm. Im Sept. 1858 wurde plötzlich die französische Besatzung vermehrt u. der Papst zu dem Entschlusse gedrängt, in die Befestigung des Hafens u. der Stadt Civita Vecchia durch die Franzosen zu willigen, worauf die Befestigungsarbeiten mit Hast von den Franzosen betrieben wurden, ohne daß man damals den Grund dazu kannte. Die päpstliche Regierung begann neue Verhandlungen, um zu erreichen, daß die französische u. österreichische Besatzung des K-s mit Ausnahme von Ancona u. Civita Vecchia im Jahre 1860 aufhören sollte, während die öffentlichen Verhältnisse immer mehr in einen Zustand der Auflösung geriethen, wobei die Behörden keine Macht mehr hatten. An einigen Orten (Rimini, Forli, Ravenna) war es bereits zu Anfang des Jahres 1859 dahin gekommen, daß der bessere Theil der Bevölkerung die Polizei selbst in die Hände nahm, während die nationale Partei den Anschluß an Sardinien vorbereitete. Schon mehre Wochen vor Ausbruch des Krieges war in Rom selbst eine geheime Sammlung von Geldern für die nach Piemont abgehenden Freiwilligen im Gange, welche nun Pässe erhielten, wenn sie auf das Recht zur Rückkehr verzichteten. Graf Cavour u. Massimo d'Azeglio kamen nach Rom, um den Papst für eine Umgestaltung Italiens zu gewinnen, während dessen Regierung beschäftigt war, das zweite Fremdenregiment vollzählig zu machen, außerdem aber ein drittes Fremdenregiment im Auslande anwerben zu lassen u. ein neues Jägerbataillon aus Inländern von 1000 Mann zu errichten. Als die französischen Truppen angeblich zur Befreiung Italiens herbeigeeilt waren, fanden einige öffentliche Kundgebungen zu Ehren der Franzosen in Rom statt, welche sich jedoch der französische Befehlshaber verbat. Der plötzliche Umschlag der Dinge in Toscana verbreitete auch in Rom Schrecken u. ließ die Wiederkehr von 1848 u. 1849 befürchten. In den Legationen war auch die Wirksamkeit der päpstlichen Behörden unterbrochen, in der Romagna herrschte vollkommene Anarchie. Inmitten dieser Unruhen wurde die Bahn von Romnach Civita Vecchia vollständig dem Betriebe übergeben. Ende April erhielten die Österreicher in Ancona u. die Franzosen in Civita Vecchia Verstärkungen, obwohl der Papst dagegen Verwahrung einlegte, seine Staaten zum Schlachtfelde gemacht zu sehen. Die französische Besatzung in Rom wurde bis zur Stärke einer Division vermehrt. Die inländischen Werbungen für das päpstliche Militär machten nur mittelmäßige Fortschritte, denn die durch die allgemeine nationale Aufregung entzündete Jugend des K-s zog in immer größere Anzahl auf der Eisenbahn nach Civita Vecchia übers Meer nach Piemont, u. die päpstliche Regierung mußte jede Art von Widerstand aufgeben. Eine nationale Erhebung bereitete sich langsam, doch sicher vor. Zugleich befestigten sich die Franzosen in der Engelsburg, auf dem Monte Mario u. auf S. Pietro in Montorio am Janiculus, so daß sie die Stadt Rom vollständig beherrschten. Die päpstliche Regierung erklärte amtlich (3. Mai) ihre Parteilosigkeit bei dem ausgebrochenen Kampfe (die auch von Österreich anerkannt wurde, von Frankreich u. Piemont aber nur in einer Weise, wodurch die Verpflichtungen, welche allein die Neutralität sicherten, verletzt wurden), während in Rom zwei Vereine zur Unterstützung des Zuzuges von Freiwilligen für Piemont bestanden, u. selbst von den päpstlichen Truppen kleine Abtheilungen in voller Ausrüstung ihre Fahne verließen, um sich der Piemonts anzuschließen. Zu Anfang Juni verließen die Österreicher Bologna, Ferrara u. Ancona, u. sofort verkündete die städtische Behörde zu Bologna, daß sie sich dem Könige Victor Emanuel als Dictator unterwerfe (12. Juni); Forli, Faenza, Imola u.a. schlossen sich dieser Erklärung an, u. bald hatten sämmtliche Legationen (Ferrara, Bologna, Ravenna Forli) ihren Abfall von der päpstlichen Regierung vollzogen. Auch Perugia nahm an dem Aufstande Theil, wurde aber von den Schweizertruppen am 20. Juni der päpstlichen Gewalt wieder unterworfen. Victor Emanuel ernannte wirklich einen außerordentlichen Commissar für die aufgestandenen Provinzen des K-s, obwohl er die angebotene Dictatur ablehnen mußte; die päpstliche Regierung protestirte gegen die Maßnahmen Piemonts in einer den Mächten mitgetheilten Note. In. Folge der Übereinkunft zwischen den Kaisern von Österreich u. Frankreich von Villafranca, wonach die italienischen Staaten zu einem Bunde zusammentreten sollten, theilte der französische Kaiser in Form eines Wunsches vier zu Grunde zu legende Artikel mit: Ehrenpräsidentschaft des Papstes im Italienischen Bunde, Amnestie, vollständige Ausführung des Statuts von 1848 mit Modificationen u. Entfernung der Geistlichen aus der Landesregierung. Unterdessen war die Partei, welche die Vereinigung Italiens unter Victor Emanuel verlangte, im Einverständniß mit ihren Anhängern in Parma, Modena u. Toscana äußerst thätig, um in den Legationen gegen die päpstliche Regierung eine bewaffnete Macht aufzustellen, setzte eine Provisorische Regierung ein, ernannte einen Dictator, den General Garibaldi zum Befehlshaber der Truppen der Romagna, nahm ein Anlehen von sechs Millionen Francs auf, führte den Code Napoleon als bürgerliches Gesetzbuch ein u. schrieb Wahlen aus, um eine Nationalversammlung einzuberufen. Zugleich wurde zwischen Toscana, Parma, Modena u. der Provisorischen Regierung zu Bologna ein Schutz- u. Trutzbündniß zu ihrer gemeinschaftlichen Vertheidigung gegen Wiederherstellungsversuche[531] geschlossen. Dieser Mittelitalienische Bund bot dem General Fanti den Oberbefehl über ihre Truppen an, welchen derselbe übernahm. Am 1. September trat die revolutionäre Nationalversammlung der vier Legationen, die sich Romagna nannten, zusammen u. beschloß einstimmig, daß sie, von ihrem Rechte Gebrauch machend, die zeitliche Regierung des Papstes nicht mehr anerkenne u. die Vereinigung der Romagna middem Königreich Sardinien wolle. Am 26. September wurde zu Rom zwischen Spanien u. der päpstlichen Regierung ein Vertrag abgeschlossen, dem zu Folge die spanische Regierung dem Papste Truppen für alle Möglichkeiten zur Verfügung stellt; indeß wurden auf Befehl der Regierung alle Truppenbewegungen gegen die aufständischen Legationen eingestellt, da die französische Regierung in Übereinstimmung mit den auf den Pariser Conferenzen 1856 aufgetauchten Vorschlägen die Trennung der Legationen vom Kirchenstaate bis auf die Leitung der auswärtigen u. geistlichen Angelegenheiten befürwortete. In Bologna rückte zum Schutz gegen päpstliche Truppen toscanisches Militär ein. Alle öffentlichen Acte wurden im Namen Victor Emanuels ausgefertigt, die bisher bestandenen Binnenzölle zwischen Modena, der Romagna u. Toscana abgeschafft u. an den übrigen Grenzen der sardinische Zolltarif eingeführt, die Güter der Jesuiten eingezogen, das Inquisitionstribunal abgeschafft, der Zeitungsstempel aufgehoben. Die päpstliche Regierung sandte nunmehr dem sardinischen Gesandten zu Rom seinen Paß, nachdem der päpstliche schon längst von Turin abberufen war. Am 7. November erwählte die Nationalversammlung der Romagna einstimmig den Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan zum Regenten; dasselbe geschah von Seiten Parmas, Mobenas u. Toscanas. Zugleich wurde die sardinische Constitution proclamirt. Victor Emanuel verweigerte zwar dem Prinzen von Carignan, in Folge sehr dringender Vorstellungen von Seiten Frankreichs, die Einwilligung zur Annahme der Regentschaft über Mittelitalien, bes. auch, weil die päpstliche Regierung im Falle der Annahme erklärte, neapolitanische Hülfstruppen zur Aufrechthaltung u. Wiederbelebung ihrer Rechte herbeirufen zu wollen; der Prinz Carignan bestimmte aber den Comthur Bononcompagni, der an dem Umsturz in Mittelitalien thätigsten Antheil genommen hatte, zur Übernahme der ihm zugedachten Regentschaft, bis ein Congreß der europäischen Mächte ihre politischen Verhältnisse festgestellt haben werde. Die französische Regierung sah sich veranlaßt, in dieses Auskunftsmittel zu willigen; darauf legte Garibaldi seine Stelle als Befehlshaber der Truppen der Romagna nieder.

Vgl. Biener, De donatione a Constantino M. in Silvestrum pontificem collata; Marini, Nuove esame dell' autentica de' diplomi di Ludovico Pio, Ottone I. e Arrigo II. sul dominio temporale dei Romani pontifici, Rom 1822; Münch, Über die erdichtete Schenkung Constantins des Großen, Freib. 1824; L. Ranke, Die römischen Päpste, ihre Kirche u. ihr Staat im 16. u. 17. Jahrh., Berl. 1834–36, 4. Aufl. 1854–1856; Helffxich, Römische Zustände, Lpz. 1850; H. G. Hasse, Über die Vereinigung der geistlichen u. weltlichen Obergewalt im Römischen Kirchenstaat, Haarlem 1852 (Preisschrift); Sugenheim, Geschichte der Entstehung u. Ausbildung des K-s, Lpz. 1854 (Preisschrift); Gosselin, Die Macht des Papstes im Mittelalter (historische Untersuchungen über den Ursprung der zeitlichen Herrschaft des Heiligen Stuhles), deutsch nach der 2. Aufl., Münster 1859, 2 Bde.; Th. Mundt, Rom u. Pius IX., Berl. 1859; E. About, La question Romaine, Brüssel 1859.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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