Perücke

Perücke

Perücke (v. fr. Peruque), eine Kopfbedeckung von Haaren, welche dem natürlichen Haupthaar mehr od. weniger ähnlich ist, u. welche man sonst zur Zierde trug, jetzt nur noch bei ganzem od. theilweisem Mangel des Haupthaares trägt. Die zu verschiedenen Zeiten gewöhnliche Art das Haupthaar zu ordnen od. zu verzieren hat auch auf die Einrichtung u. Gestalt der P-n Einfluß gehabt. So hatte man sonst die großen Allongeperücken, welche in Frankreich zur Zeit Ludwigs XIV. aufkamen; sie hatten viele lange, reich gekräuselte Locken, welche über beide Theile der Brust u. den Rücken hinabfielen, aber die Schultern frei ließen; die Beutel- (Sack-) P-n, gewöhnliche P-n, an deren Hintertheil aber die Haare einfach zusammengebunden waren, an diese wurde dann beim Gebrauch der Haarbeutel gebunden; die Zopfperücken, welche hinten in einem offenen od. zusammengeflochtenen Zopf endigten; die Stutzperücken, welche nur bis in den Nacken reichten; Abbéperücken Stutzperücken mit aufwärts gebogenen Locken hinten; Fuchsperücken hinten mit einigen Reihen Locken übereinander; bei den Knotenperücken war das Hinterhaar derselben in zwei Knoten geknüpft u. hing ziemlich lang herab. In neuerer Zeit hat man ausschließlich P-n, welche dem kurzverschnittenen Haupthaar ähnlich sind. Halbe P-n (Touren, Atzeln, Haartouren) bedecken nur die Glatze u. werden mit Quittenschleim u. Hausenblase od. Wachs auf dem Kopfe befestigt. Das Festsitzen der P. auf dem Kopfe wird jetzt meist mit Druckfedern (Puttalliques) bewirkt. Ehemals, wo man den Puder gebrauchte, nahm man zu den P-n auch Ziegen- u. Pferdehaare, auch wohl Seide, Wolle, Baumwolle u. Flachs. Die Haare, welche den Hinterkopf bedecken, heißen Hinterhaar (Placke); endigen dieselben sich in Locken, so heißen diese Plackbuckel (v. franz. blaque u. boucle); es gehört dazu das Mittel- u. Unterhaar, welches sonst zu Locken (Hinterlocken) gebildet wurde. Zur Verfertigung einer P. müssen die Haare erst durch Kochen mit Kleien, Seife od. Puder von Schmutz u. Fett befreit werden; hierauf wird das Haar mit einer Bürste zwischen eine Hechel eingeschlagen u. durch eine zweite Hechel gezogen (Haar abziehen); dann werden sie sortirt, die zu hellblonden P-n nöthigen Haare gebleicht, indem man sie der Sonnenhitze aussetzt u. mit Lauge begießt; hierauf werden sie gekräuselt, das Haar wird hierzu naß über runde, 3 Zoll lange, 1/4–1 Zoll dicke Kräuselhölzer gewickelt, mit Bindfaden befestigt, 2–3 Stunden gekocht u. getrocknet, in doppeltes Papier u. Wachstuch eingeschlagen, damit die Feuchtigkeit nicht wieder zum Haar. eindringe, in Brodteig geschlagen (Haarpastete) u. dann ganz braun gebacken. Ist die Haarpastete erkaltet, so öffnet man sie u. trocknet die Haare abermals auf einem heißen Ofen, löst sie von den Hölzern ab, reinigt u. ordnet (präparirt) sie, pudert sie u. spielt sie d.h. zieht sie dann durch Hecheln. Darauf folgte sonst allgemein, jetzt aber nur bei billigen u. ordinären P-n, das Treffiren, d.h. die Verfertigung der Treffen, wobei die Haare wie Fransen regelmäßig an schmales Band geknüpft wurden. Die Tressirmaschine besteht aus einem kleinen hölzernen Gestelle, auf welchem zwischen zwei aufrechten Stöcken drei Seidenfäden horizontal u. dicht neben einander straff ausgespannt sind. Aus der Hechel, in welche ein Päckchen Haare geschlagen ist, zieht der Arbeiter 7–8 Haare (Gang) mit einander heraus, faßt dieselben mit der linken Hand an den Spitzen u. flicht das andere Ende mit der rechten Hand mehrmals zwischen die Seidenfäden ein. Ist die gehörige Menge Treffen vorhanden, so wird die Unterlage (Perückenfutter, Perückennetz, Haube, Montur) gebildet (Montiren). Um einen hölzernen Kopf (Montirungskopf, Formkopf, Perückenkopf, Perückenstock), wird nämlich ein seidenes od. halbseidenes Band gelegt, mit kleinen Stiften befestigt, über den Kopf ein Netz gezogen, an dem Bande befestigt, hier u. da Leinwandstreifen (Futter) zur Aussteifung angenähet u. endlich die Haartressen in Reihen (Etagen) auf der Unterlage aufgenäht; das Aufnähen heißt Etagiren, ein mit Parallellinien versehenes Papier, nach welchem man sich bei Verfertigung der Tressen richtet, Etagenmaß,[885] u. ein Lineal, an welchem die Länge der Haare gemessen wird, Etagirmaß od. Etagirlineal. Bei den besseren P-n pflegt man jetzt die Haare unmittelbar in ein seines Seidengewebe einzuknüpfen, indem man das Haar in der Mitte zusammenlegt, die beiden Enden durch das Gewebe durchsteckt, an einer anderen Stelle wieder zurückführt u. durch die Schlinge hindurchzieht, welche die Mitte des Haares bildet. An der Stelle, wo das Haar gescheitelt wird, wird jedes Haar einzeln in das der Kopfhaut ähnlich gefärbte Seidengewebe eingeknüpft, an den anderen Stellen mehre zusammen. Die Kunst der ganzen Arbeit besteht darin, die natürliche Lage, Dichtheit u. verhältnißmäßige Länge der Haare so täuschend als möglich nachzuahmen. Die zünftigen Perückenmacher fertigen P-n, Haartouren, Locken, Haarflechten; außerdem frisiren sie u. schneiden die Haare. Obgleich sie ein Meisterstück, welches aus einer P. etc. besteht, machen, so heißen sie doch nicht Meister, sondern Herren. Schon die Hebräer, Meder, Griechen (bei denen die P. Perithetos, Phenake, Penike od. Peneke hieß), Carthager u. vorzüglich die Römer trugen falsches Haar (vgl. Haarverzierung); so trug der Kaiser Otho wegen dünnen Haares eine P. (Galericulum); die gewöhnlichen P-n wurden zur Zeit Ludwigs XIII. erfunden, als langes Haar Mode wurde, u. wer kein solches hatte, zu P-n seine Zuflucht nahm; unter Ludwig XIV. wurden sie immer mehr Mode, auch bei den anderen Völkern; Nürnberg hatte schon 1518 Perückenmacher; 1716 kamen die Beutelperücken auf. Zu Ende des 18. Jahrh. kamen die P-n ganz, zunächst durch den Zopf wieder aus der Mode, u. nur kahlköpfige od. am Kopfe sehr empfindliche Personen bedienen sich noch derselben. Vgl. Über den Ursprung der P-n, Frankf. u. Lpz. 1780; Über den Gebrauch der langen Haare u. P-n, Berl. 1801.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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