Portugiesische Literatur

Portugiesische Literatur

Portugiesische Literatur. Obgleich die Spanier u. Portugiesen in ihrer literarischen wie politischen Geschichte scheinbar eine große Ähnlichkeit zeigen, so ist doch der Grundcharakter der beiden Nationen ein sehr verschiedener, welcher namentlich in der Literatur beider Völker scharf hervortritt. Die P. L. hat nie die Originalität der spanischen erreicht, ist stets mehr receptiv als productiv geblieden u. hat nach vielen Seiten hin bei ihrer Nachahmungssucht des Ausländischen ihre Volksthümlichkeit eingebüßt. Dabei ist die Geschichte der portugiesischen Poesie nur die einer kunstmäßigen; die Perioden ihrer Entwickelungsgeschichte werden daher auch vorzugsweise durch die sie bestimmenden fremden Einflüsse charakterisirt. In der ersten Periode bildete sich die portugiesische Poesie bis zu Anfang des 14. Jahrh. unter dem Einflusse der südfranzösischen Kunstpoesie; in der zweiten bis zu Anfang des 16. Jahrh. unter der spanischen; in der dritten bis zur Mitte des 18. Jahrh. nach klassisch-italienischen u. spanischen Mustern; in der vierten Periode, welche bis zur Gegenwart reicht, nach dem Vorbilde der klassisch-französischen, der englischen u. der modern-europäischen Literatur überhaupt. Wie der Charakter der Nation, so zeigt auch die Poesie süßliche Weichheit, melancholische Vagheit, elegische Sentimentalität.

Erste Periode. Auch in Portugal bestand vor dem Aufblühen der Kunstpoesie eine Volkspoesie. Jedoch sind keine Denkmäler aus der Zeit vor Anfang des 12. Jahrh. schriftlich auf uns gekommen; erhalten haben sich nur Umbildungen u. Nachklänge aus viel späterer Zeit, u. zwar in sehr geringer Anzahl. Zu letztern gehören die Trovas dos Figueiredos u. das Lied von Gonçalo Hermiguez u. Ouroana. Dagegen erhielten die Portugiesen durch Heinrich von Burgund (s. Portugal [Gesch.] S. 382) u. sein Gefolge südfranzösischer Ritter, welche die nationale Selbständigkeit Portugals begründeten, eine fertige höfische Kunstpoesie, die provençalische, welche von den Portugiesen bald so ausschließlich cultivirt wurde, daß die eigene volksthümliche Poesie ganzvergessen ward. Die ältesten Denkmäler dieser aus der Fremde stammenden Hofpoesie sind die Cancioneiros, d. i. Sammlungen höfischer Minnelieder, welche bis ins 13. Jahrh. hinausreichen u. in Bezug auf Ton u. Form genau sich den Mustern der Poesie der altprovençalischen Troubadours anschließen, nur daß sie in Galicischer od. Altportugiesischer Sprache abgefaßt sind. Der älteste Cancioneiro ist der des Königs Diniz (Dionys), 1279–1325, weshalb die Portugiesen denselben als ihren ersten Kunstdichter betrachten. Diese höfische Kunstlyrik in Galicischer Sprache verbreitete sich auch über einen großen Theil Spaniens, sodaß selbst König Alfons der Weise von Castilien sich zu seiner Dichtung dieser Gattung der Galicischen Mundart bediente.

Auch in der zweiten Periode während des 14. u. 15. Jahrh. behielt die portugiesische Poesie den Charakter einer höfischen Kunstlyrik; die in Galicischer Sprache dichtenden Spanier gewannen aber auf dieselbe einen wohlthätigen Einfluß, insofern dieselben einen sich immer reicher entwickelnden Schatz wirklicher Volkspoesie besaßen u. die künstlichen provençalischen Formen durch Einführung ihrer heimischen, volksmäßigen zu verdrängen suchten. Es wurden seitdem einerseits auch in der portugiesischen Poesie die nationalen trochäischen kürzern Rhythmen, die Redondilhas, sowie die leichtern volksthümlichen Formen der Cantigas, Vilhancincos etc. immer mehr vorherrschend, andererseits singen portugiesische Dichter an, neben ihrer eigenen Sprache sich auch der Castilischen zu bedienen. Dieser Gebrauch der Spanischen Sprache nahm in der Folge so überhand, daß die P. L. eine Zeit lang in vieler Beziehung nur ein farbloser Wiederabdruck der spanischen war. Der berühmteste unter den in beiden Mundarten dichtenden Hofdichtern ist Macias geworden (erste Hälfte des 15. Jahrh.). Wie in der vorigen Periode, so blieb auch in dieser der königliche Hof der Sitz des poetischen Lebens; die Glieder der königlichen Familie selbst standen in der Regel im Mittelpunkt des Dichterkreises. Neben der Lyrik wurde mitunter auch die Didaktik gepflegt; die nationale Epik konnte sich nicht im Entferntesten zu der Höhe erheben, welche sie bei den Spaniern erreichte. Zu nennen sind als Dichter Alfonso IV., Sohn des Königs Diniz; des Letztern Halbbruder Alfonso Sanchez, Graf von Albuquerque, u. Pedro, Graf von Barcellos, von denen der Zweite wahrscheinlich Verfasser des Cancionero do Real Collegio dos Nobres (herausgegeben mit Einleitung von Varnhagen, Madrid 1849); vom Könige Pedro, dem Gemahl der Ines de Castro, sind einige Lieder übrig; aus dem 15. Jahrh. sind die Söhne u. Enkel des Königs Johann I. als Dichter u. Gönner der Dichtkunst zu nennen, wie denn unter dieser zweiten burgundischen Dynastie die von der ersten nach Portugal mitgebrachte höfische Minnepoesie eine Nachblüthe feierte. König Duarte (Eduard, 1433–38) war Dichter u. verfaßte den Leal conselheiro (herausgeg. von Roquete, Par. 1843), eine Sammlung philosophischmoralischer Abhandlungen in Prosa; der Infant Dom Pedro dichtete in Portugiesischer u. Spanischer Sprache, ebenso sein Sohn, der Connétable Dom Pedro, u. seine Tochter Filipa de Lancaster. Die Glanzperiode der eigentlichen portugiesischen Hof-[397] u. Conversationspoesie fällt unter die Könige Johann II. (1481–95) u. Emanuel (1495–1521), welche einen reichen Dichterhof um sich versammelten. Ein vollständiges Bild von dem Zustande der portugiesischen Poesie aus der zweiten Hälfte des 15. u. den ersten Decennien des 16. Jahrh. stellte der Dichter Garcia de Resende in dem Cancioneiro geral (Lissab. 1516, herausgeg. von Kausler, Stuttg. 1846–52, 3 Bde.) auf. Besondere Hervorhebung unter den Dichtern dieser Zeit verdienen Bernardin Ribeiro, weil er Eklogen, welche noch ganz nationale Formen u. volksmäßige Färbung haben, u. Menina e moça, einen sentimentalen halb Schäfer-, halb Ritterroman, in Prosa verfaßte u. somit Begründer dieser beiden von den portugiesischen Dichtern vorzugsweise cultivirten Dichtgattungen wurde, u. Sa de Miranda, welcher den Übergang von der mittelalterlichen zu der modern-klassischen Kunstpoesie der Portugiesen bildet. Vgl. Bellermann, Die alten Liederbücher der Portugiesen, Berl. 1840; Wolf, Zur Geschichte der Spanischen u. P-n L., Lpz. 1859. In diese zweite Periode fällt auch der erste Anbau der portugiesischen Prosa Außer den bereits genannten Werken sind noch der in Portugal entstandene, aber nur in Spanischer Sprache auf uns gekommene Roman Amadis de Gaula (s.d.), sowie mehre chronistische Werke hervorzuheben. Von letztern sind auch in stylistischer Hinsicht am bedeutendsten die von Fernam Lopez, Gomez Eannez de Azurara u. Ruy de Pina (herausgeg. von Correa da Serra, Lissab. 1790). Die von Gomes de Santo-Estevao verfaßte Beschreibung der Reise des Infanten Pedro ist zum Volksbuche geworden.

Die dritte Periode der portugiesischen Nationalliteratur beginnt mit der Einführung u. Nachahmung des Klassisch-Italienischen Styls, welche jedoch in Portugal durch Vermittelung u. Rückwirkung der Spanischen Literatur erfolgte. An die Spitze dieser literarischen Bewegung trat Sa de Miranda, welcher mit Montemayor am meisten zur Verbreitung der Schäferpoesie beitrug. Die letztre, einmal durch die Klassisch Italienische Schule zur Mode geworden, wurde von den Portugiesen mit Vorliebe gepflegt u. erhielt bei den selben eine eigenthümliche Färbung. Auch gilt Sa de Miranda für den Begründer der portugiesischen Dramatik, obgleich er sich zu sklavisch an seine Vorbilder Plautus u. Terentius anschloß; ihm folgte Antonio Ferreira, welcher sich nur der Portugiesischen Sprache bediente u. vaterländische Stoffe wählte; seine Ines de Castro ist die erste portugiesische Tragödie in klassischem Geschmack. Sa de Miranda u. Ferreira wurden der Mittelpunkt einer Schule von gelehrt-höfischen Dichtern in Lissabon u. Coimbra, welche an den klassischen Vorbildern festhielten u. unter deren Anhängern Pedro d'Andrade Caminha, Diego Bernardes u. Jeronimo Cortereal die namhaftesten sind. Zu ihrer schönsten Blüthe u. ihrem eigenthümlichsten Leben entfaltete sich jedoch die portugiesische Poesie im Zeitalter der Könige Emanuel des Großen u. Johanns III., als das Volk den Gipfelpunkt seiner politischen Entwickelung erstiegen hatte. Neben jener höfisch-gelehrten Dichtung wurde Gil Vicente (s.d.) als Dramatiker der Repräsentant des Volksthums, Camoens (s.d.) mit seinen Lusiaden zum begeisterten Sänger des nationalen Heldenthums. Doch schon mit der Niederlage der Portugiesen bei Alcacar erblich der Glanz des Heroenthums, u. auch die vielen Heldengedichte nahmen entweder elegische Färbung an, wie die Elegiada des Luiz Pereira Brandam, od. sie entbehrten der epischen Begeisterung, zeigen höchstens in den elegischen Partien eigenthümliche nationale Färbung u. suchen die epische Einfachheit durch den auch immer mehr in die P. L. einreißenden Gongorismus zu ersetzen. Am höchsten wird noch der Alfonso Africano des Vasco Mouzinho de Quevedo e Castellobranco gestellt; dem Gongorismus verfallen Gabriel Pereira de Castro in der Ulyssea u. Francisco de Sa e Menezes in der Malaca conguistada. Unter der Herrschaft der spanischen Philippe in Portugal fiel die P. L. in vollständige Abhängigkeit von der spanischen, ja viele Portugiesen zogen es vor in Spanischer Sprache zu schreiben. Das reiche u. eigenthümliche Nationaltheater, welches die Spanier damals besaßen, vermochten sich die Portugiesen jedoch nicht zu schaffen. Nur in der Gattung der Schäferpoesie hat die P. L. einiges Eigenthümliche in Sprache, Ton u. Färbung aufzuweisen; dahin gehören die Schäferromane Lusitania transformada, ferner Primavera, Pastor peregrino, O desenganado von Francisco Rodriguez Lobo, welcher auch didaktische Eklogen von reizender Natürlichkeit dichtete, aber in dem Epos O condestabre sich nicht viel über die Reimchronik erhob u. sich in seinen moresken Romanzen der Spanischen Sprache bediente; endlich das Schäfergedicht Laura de Amphriso von Manoel da Veiga Tagarro. Aber auch nach der Thronbesteigung des Hauses Bragança blieb die P. L. unter dem Einflusse der spanischen u. zeigt alle Ausartungen des Manirismus u. Gongorismus; unter der großen Anzahl von Dichtern aus jener Zeit sind nur zu nennen: Manoel de Faria y Sousa, Antonio Barbosa Bacellar, welcher die Sandades (d. i. elegische Schilderungen verliebter Einsamkeit) erfand, u. die Nonne Violante do Ceo Während sich zahllose Dichter in Sonetten versuchten, hatte nur Jacinto Freire de Andrade hinreichend Muth, wie auch Geschmack u. Witz, um die portugiesischen Gongoristen in einigen parodischen Gedichten zu verspotten; hingegen herrschten auf der portugiesischen Bühne die großen spanischen Dramatiker jener Zeit, u. selbst Portugiesen, worunter Diamante, Matos Fragozo u. Melo nicht ohne Bedeutung sind, dichteten für das Theater in Spanischer Sprache. Nur die eigentlichen Volksschauspiele, die Autos, Entremeses u. Farsas wurden in Portugiesischer Sprache abgefaßt. Unter allen dramatischen Productionen des 17. Jahrh. ist nur die Sammlung der Entremeses von Manoel Coelho Robello nennenswerth. Nach Einführung der Italienischen Oper unter Johann V. bildete sich auch eine Art portugiesischer komischer Oper, für welche bes. der Jude Antonio José da Silva (verbrannt 1745) von 1733–41 thätig war.

Wie die Poesie dieses Zeitraums, so zeigte auch die Prosa Anfangs noch ritterlich höfische Formen. Dies zeigt sich zunächst in den Ritterromanen nach der Art der Amadis von Francisco de Moraes (Palmeirim de Inglaterra), von Jorge Ferreira de Vasconcellos (Triumfos de Sagramor u. Memorial dos Cavalleiros da segunda tavola rodonda), von Gaspar Pires Rebello (Constante Florinda), welcher auch Novellen schrieb; von Joao de Barros (Chronica do Imperador Claramundo); drei berühmt gewordene dramatische Novellen nach Art der Celestina verfaßte der genannte Vasconcellos[398] (Comedia Euphrozina, Comedia Olyssipo u. Comedia Aulegrafia). Die zum Theil in Prosa geschriebenen Schäferromane des Rodriguez Lobo Eloy de Sa Sotomayor wurden nachgeahmt von Ribeiras do Mondego. Die abenteuerlichheroischen Entdeckungszüge, welche in jene Zeit fallen, gaben der nationalen Geschichtsschreibung einen dankbaren Stoff; waren die Geschichtserzählungen auch noch halb im Styl der Chroniken gehalten, so sind sie doch von einem epischen Hauche durchweht. Vor allen zu nennen sind hier die Decades des Joao de Barros, welche in viel matterem Geiste von Diogo do Conto u. Antonio Boccaro fortgesetzt wurden; ferner die Commentarios des Alfonso de Albuquerque, in denen er die Großthaten seines Vaters schildert; die Chronica del rey Dom Manuel u. die Chronica do Principe Dom Joam von dem Reichshistoriographen Damiao de Goes (gest. 1560); die Historia do descobrimento da India pelos Portuguezes des Fernan Lopes de Castanheda (gest. 1559). Später hielten viele Portugiesen die Spanische Sprache für geeigneter zur Darstellung der vaterländischen Geschichte, weshalb die Historiker Faria e Sousa, Melo etc. mehr der Geschichte der Spanischen Literatur angehören. Gelehrte historische, antiquarische u. ethnographische Werke verfaßten Manuel Severim de Faria u. die Polyhistoren Macedo u. Duarte Nunez de Liao. Obgleich die Geschichtsschreibung aus den Händen der Krieger, Seefahrer u. Staatsmänner in die der Mönche u. Gelehrten übergegangen war, so sind doch als rühmliche Ausnahmen hervorzuheben Bernardo de Brito (gest. 1617), dessen Monarchia Lusitana (fortgesetzt von Brandam u. Raphael de Jesus) als musterhaft in Bezug auf vaterländische Gesinnung wie correcte Einfachheit des Styls gilt; Luis de Sousa (gest. 1632), welcher Biographien des St. Dominicus u. des Bartholomäus dos Martyres, Erzbischofs von Braga, verfaßte, welche zu den Mustern der portugiesischen Prosa gerechnet werden; vor allen gilt aber letztres von Jacinto Freire de Andrade's (gest. 1657) Lebensbeschreibung Joao de Castro's. Unter den Reiseberichten verdient noch der des Fernan Mendez Pinto (gest. 1581) besondere Erwähnung. Begründer u. Muster der rhetorischen Prosa in der P-n L. wurde der Dichter Francisco Rodriguez Lobo durch Corte na aldea e Noites de inverno, eine dialogisirte Abhandlung über höfische Bildung. Vollendete Muster der Beredtsamkeit sind die Sermoens des Jesuiten Antonio Vieira (1608–97), des größten Redners der Portugiesen.

Die vierte Periode wird auch in der P-n L. durch den Einfluß bezeichnet, welchen zu Anfang des 18. Jahrh. die Französisch-Klassische Schule auf alle Europäische Literatur mehr od. minder übte. Den Impuls zur Änderung des Geschmacks in Portugal gab der General Franz Xav. de Meneses, Graf von Ericeira, welcher nicht nur Boileau's Ars poétique in portugiesische Verse übertrug, sondern zu dessen Lehre in der Epopöe Henriqueida (1741) ein poesieloses Beispiel gab. Nach dem Muster der Französischen Akademie wurde 1714 auch eine Academia portugueza gestiftet; mehr als diese wirkte jedoch die Gesellschaft der Arcadier, nach der gleichnamigen römischen Dichtergesellschaft gebildet, welche bei klassisch-französischer Eleganz u. Correctheit auch in Bezug auf Sprache die einheimischen Muster des 16. Jahrh. nachzuahmen bemüht war. Zu den ausgezeichnetsten Mitgliedern derselben gehörten: Pedro Antonio Correa Garçao, der mit seinem Takte die Alten nachahmte (deshalb auch der Portugiesische Horaz genannt), gleichzeitig aber auch das Theater nach dem Muster des Terentius zu reformiren suchte; Antonio Diniz da Cruz e Silva, welcher für den besten Anakreontischen Dichter der Portugiesen gilt, u. im O hyssope, einer Nachahmung von. Boileau's Lutrin, das beste heroisch-komische Gedicht lieferte; Domingos dos Reis Quita, ein Friseur, welcher mehr vaterländische Vorbilder vor Augen hatte u. für den besten bukolischen Dichter unter den Neuern gilt, auch einige Tragödien nach französischen Mustern gedichtet hat. Neben diesen ist noch Francisco Diaz Gomez hervorzuheben, welcher zwar als Dichter sich kaum über die Mittelmäßigkeit erhebt, aber viel für das kritische Studium der portugiesischen Klassiker des 16. Jahrh. gethan hat. Um diese Zeit traten auch mehre Brasilianer als Dichter auf, wie Claudio Manuel da Costa, welcher Petrarca u. Metastasio glücklich nachahmte; die beiden Epiker José de Santa-Rita Durao (Caramura, 1781) u. José Bazilio de Gama (O Uruguay, 1769); Thomas Antonio Gonzaga da Costa, welcher seine unglückliche Liebe in elegischen Idyllen (Marilia de Dircen) besang. Indessen nahm die Gallomanie in Portugal immer mehr überhand u. sank bis zur sklavischen Nachahmung; dieselbe wurde noch gefördert durch eine Fluth von gewöhnlichen Übersetzungen, wenn in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrh. auch schon manche englische Werke übertragen wurden. Erst im Anfang des 19. Jahrh. traten zwei Dichter auf, welche der P-n L. einen eigenthümlichen Glanz verliehen, Francisco Manoel de Nascimento (1734–1819), welcher sich streng an die klassischen Muster hielt u. sich bes. in der Lyrik als talentvoller Dichter zu erkennen gibt; u. Manoel Maria Barbosa de Bocage, pseudonym Elmano (1766–1805), welcher unter allen neueren portugiesischen Dichtern der berühmteste u. volksthümlichste geblieben ist. Unter seinen Dichtungen sind die maritimen Idyllen, die Fabeln u. Epigramme, bes. seine Sonette die vorzüglichsten. Er fand viele Nachahmer, welche aber nicht seinen Geist besaßen, sondern nur seine Manier annahmen; diese Manier wurde nach seinem Dichternamen Elmanismo genannt. Die vorzüglichsten unter seinen Nachfolgern sind der Tragiker Joao Baptista Gomes u. I. M. da Costa, der Verfasser der anmuthigen O passeio, während zu den Anhängern der Klassischen Schule des Nascimento gehören: Domingos Maximiano Torres, welcher Idyllen u. Canzonen dichtete; Antonio Ribeiro dos Santos, welcher gute Oden verfaßte; der Satiriker Nic. Tolentino de Almeida, der philosophische Dichter José Anaft. da Cunha, der Brasilianer Antonio Pereira Souza Caldas, welcher biblische Stoffe nach Art Miltons u. Klopstocks behandelte; José Agostinho de Macedo, der Dichter des Epos O Oriente.

In neuester Zeit hat sich das Nationalgefühl der Portugiesen wiederum aufgeregt u. zu erstarken begonnen; es zeigt sich das Bestreben, den moderneuropäischen Zeitgeist mit altnationalen u. volksmäßigen Elementen zu verschmelzen. Viele der jüngeren Dichter haben sich von den fremden Fesseln mehr od. weniger losgemacht, so Mouzinbo de Albuquerque, welcher vorzüglich durch seine [399] Georgicas portuguezas bekannt geworden ist, u. die drei namhaftesten Dichter der jüngsten Zeit: Almeida-Garrett (Obras, 1854–55, 16 Bde.), Alexandro Herculano de Carvalho u. Antonio Feliciano de Castilho (Obras, 1855–59, 20 Bde.). Durch Garrett (Romancero, 1851, 3 Bde.) wurde die Aufmerksamkeit auf das alte einheimische Volkslied gerichtet; auch haben Garrett u. Herculano (Eurich Priester der Gothen) das Bedeutendste im neuern portugiesischen Roman geleistet, wenn sie auch die französische Romanliteratur nicht verdrängen konnten. Aus früherer Zeit ist noch der moralische Roman (O Feliz independente, 1786) des Paters Theodoro d'Almeida zu erwähnen. Weniger haben die Portugiesen das französischklassische Geleise im Drama zu verlassen gewagt; der Gräfin Vimieiro mit ihrer Tragödie Osmia (1785) sind nur Wenige gefolgt; zu Letztern gehören außer Gomes etwa Manoel Gaetano Pimenta de Aguiar, welcher viele Tragödien im klassisch-französischen Geschmack dichtete, Pedro Nolasco; selbst Garret konnte sich nicht ganz frei machen. Castilho u. Herculano suchten zwar das portugiesische Theater durch Übersetzungen aus dem Deutschen u. durch eigene Arbeiten zu reformiren, doch fehlt es noch immer an einer portugiesischen Nationalbühne. Gegenwärtig arbeiten Blas Martins u. Camillo Castelloblanco für das Theater. Andere Dichter u. Novellisten der Jetztzeit sind: Mendez Leal, Arnaldo Gama, Rabello da Silva, Barbosa y Silva, Novaes etc. Eine poetische Mustersammlung gab Almeida-Garrett im Parnaso lusitano (Par. 1826, 5 Bde., Supplem. 1834). Unter den verschiedenen Gattungen der Beredtsamkeit hat in den letzten Jahrzehnten auch die politische Beredtsamkeit einige Vertreter gefunden; eine Anleitung zur Beredtsamkeit gab Antonio Leite Ribeiro (1819) heraus. Unter den Geschichtschreibern der neuesten Zeit steht Herculano (Da origem et estabelecimento da inquisicao em Portugal, Lissab. 1854–55, 2 Bde.; Historia de Portugal, ebd. 1850 f., 1._– 5. Bd.) oben an; sonst sind zu nennen: Castilho, der Vicomte von Santarem, Cordoso Casado Giraldes, Ferreira de Freitas etc., u. der Geschichtschreiber Brasiliens Franc. Solano Constancio (Par. 1838). In neuerer Zeit sind auch zahlreiche geographisch-historische Schilderungen der portugiesischen Colonien, sowie Reiseberichte u. dergl. erschienen. Eine Sammlung von Quellenwerken zur Geschichte Portugals u. seiner Nebenländer gibt seit 1853 die Akademie in Lissabon heraus. Eine Übersicht über die historische Literatur Portugals gewährt Jorge Cesar de Figaniere (Bibliographia historica portugueza, Lissab. 1850). Die eigentliche Wissenschaft behielt bis auf die neuere Zeit herab einen scholastischen Zuschnitt u. nahm erst durch die Akademie der Wissenschaften (gestiftet 1779) einen neuen Aufschwung. Über die Grenzen ihres Vaterlandes hinaus bekannt wurde der Mathematiker Garçao-Stockler, die Naturforscher Correa de Serra u. Figueiredo, die Juristen Mello, Figueiredo, Ribeiro, Ferreira, Tellez, der Astronom Ferreira d'Arango, die Mediciner Jose Maria Soares u. Silveira Pinto u. m. And. In der Philosophie hat Portugal nie etwas Selbständiges geleistet, ebenso kann Portugal keinen berühmten Philologen aufweisen. Ein lateinisch-portugiesisches Lexikon hat Em. Jos. Ferreira (Par. 1845) geliefert. In neuerer Zeit sind doch einige Asiatische Sprachen bearbeitet worden, wie das Chinesische von I. A. Gonçalves, das Arabische von San-Ant. Moura (Herausgeber der Reisen des Ibn-Batuta, Lissab. 1840). Über die Bearbeitung der eigenen Sprache s. Portugiesische Sprache. Hauptwerk über die ältere portugiesische Gelehrtengeschichte ist Machado's Biblioteca Lusitana, Liss. 1841–52, 4 Bde.). Vgl. Denis, Résumé d'hist. littéraire de Portugal, Par. 1826; Jose Maria da Costa e Silva, Ensaio biographico-critico sobre os melhores poetas Portuguezes, Lissab. 1850–54, 7 Bde. Ein großes bibliographisches Werk über die P. L. hat 1859 begonnen.

Obgleich Brasilien in Bezug auf die Literatur noch immer von dem Mutterlande abhängt, so beginnt sich doch eine eigene Brasilianische Literatnr zu entwickeln. Von Dichtern aus dem zweiten Viertel dieses Jahrh. sind zu nennen: Osorio de Pina Leitao (Epos Alfonsiada), José Bonifacio d'Andrada, Visconde de Pedrabanca etc.; gegenwärtig sind Gonsalves Diaz u. José Goncales de Magelhaens am meisten geschätzt. Nächst diesen sind zu nennen: Porto Allegri (zugleich einer der besten brasilianischen Maler), Macedo, welcher auch Romane schreibt, u. Oderico Mendes, der u.a. die Äneide u. mehre Dichtungen Voltaire's übersetzte. Außer den schon oben erwähnten Geschichtsschreibern sind noch Sanza u. Caramara wegen ihrer Geschichtswerke über Brasilien, ferner Basilio da Gama, Caldas u. Lisboa (Letzter wegen seiner Annaes de Rio de Janeiro) zu erwähnen. Die Staatswissenschaft ist gut vertreten; unter den politischen Rednern sind Umgai, Metose da Camera, Ferraz u. der Marquis von Abrantes zu nennen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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