Psyche [1]

Psyche [1]

Psyche (gr.), 1) Hauch, Athem; 2) nach den Vorstellungen der Alten lebendige Kraft des Menschen, ein Inneres, zwar Körperliches, aber Feineres, als der äußere Körper (so bes. auch in den homerischen Dichtungen); dann 3) der reelle Träger des geistigen Lebens, also die Seele, bisweilen im Unterschiede vom Nus, als dem Träger der höheren von dem Körper unabhängigen geistigen Thätigkeiten (s. Psychologie); 4) in den Systemen der Neuplatoniker u. Gnostiker eine Emanation des Urwesens, welche eins der dieses mit der Körperwelt verbindenden u. vermittelnden Glieder bildet. 5) (Myth.), bei griechischen Dichtern Personification der menschlichen Seele, Tochter des Helios u. der Endelechia, dargestellt als Schmetterling od. als Jungfrau mit Schmetterling. Bekannt ist bes. der Mythus von Amor (Eros) u. P. als eine Allegorie des Verhältnisses der menschlichen Seele zur göttlichen Liebe, welcher auf verschiedene Weise (u.a. von Appulejus, Metamorph. 4 ff. u. Fulgentius) erzählt ist. Darnach war P. die Tochter eines Königs u. vor ihren zwei Schwestern durch Liebreiz so ausgezeichnet, daß sie für Aphrodite selbst gehalten u. als Göttin verehrt wurde. Aphrodite dadurch eifersüchtig gemacht, gebot dem Amor der P. Liebe zu dem verächtlichsten Menschen einzuflößen. Amor aber verliebte sich selbst in sie. Der Vater betrübt, daß sie keinen Gatten fand, erhielt von dem Orakel den Befehl, seine Tochter im Trauergewand auf einen einsamen Felsen zu führen, wo sie einem Drachen vermählt werden sollte. Der Vater gehorchte dem Befehl; allein kaum war P. allein, so entführte sie Zephyros in einen Palast Amors. Allnächtlich nahte er sich ihr ungesehen u. verließ sie am Morgen wieder. Er wollte, daß sie ihn nicht näher kennen lernte u. allein bliebe; aber sie ließ nicht nur ihre Schwestern zu sich kommen, sondern, von Neugierde gepeinigt, ließ sie sich auch von dieser verleiten, den Geliebten von Angesicht zu Angesicht sehen zu wollen.[667] Einst als dieser eingeschlafen war, stand sie still vom Lager auf u. trat mit einer Lampe an das Lager. Freudig erschrocken in ihm den schönsten Gott zu erkennen, ließ sie einen Tropfen heißes Öl auf seine Schulter fallen. Er erwachte, tadelte sie wegen ihres Mißtrauens u. verließ sie. Vergebens suchte sie ihn in allen Tempeln, zuletzt kam sie in den der Aphrodite; diese behielt sie als Sklavin u. legte ihr allerhand schwere Arbeiten auf, welche ihr aber Amor, der sie immer noch liebte, unsichtbar erleichterte. Die Göttin sendete sie sogar zu Persephone in die Unterwelt, um eine Büchse Schönheitssalbe zu holen. Unterwegs öffnete sie dieselbe neugierig, ein furchtbarer Qualm drang daraus hervor u. warf sie zu Boden. Da erschien Amor u. gab ihr das Leben wieder. Aphrodite war nun versöhnt u. vereinigte die P. unter großen Feierlichkeiten mit ihrem Sohne auf ewig, während ihre Schwestern aus Neid sich von einem Felsen herabstürzten. Berühmt ist Canovas Marmorgruppe, die Überraschung derselben durch Amor auf dem einsamen Felsen. 6) Planetoid, am 17. März 1852 von de Gasparis in Neapel entdeckt; hat nach dem Gouldschen System das Zeichen Psyche [1], die Zeit seines Umlaufs um die Sonne beträgt 4 Jahr 365,0 Tage, seine mittlere Entfernung von der Sonne 60,400,000 Meilen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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