Reichenbach-Goschütz

Reichenbach-Goschütz

Reichenbach-Goschütz, ein der Lutherischen Confession folgendes, gegenwärtig in Schlesien mit der 1727 erworbenen freien Standesherrschaft Goschütz (4,50 QM. mit 10,000 Ew.), der Herrschaft Schönwald im Kreise Wartenburg u. den Brustawer Gütern begütertes Geschlecht, welches 1678 den Reichsfreiherrn-, 1730 den Reichsgrafenstand, 1741 die Würde als freier Standesherr zu Goschütz, 1752 das Erblandpostmeisteramt des Herzogthums Schlesien u. 1824 eine Curiatstimme im Stande der Fürsten u. Herrn auf dem schlesischen Provinziallandtage erhielt; der Chef der ersten Linie ist jetzt erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses. Der Name R. wird von dem ältestbekannten Stammvater des Geschlechts, dem fränkischen Ritter Friedrich von Funckenstein, abgeleitet, der unter Kaiser Heinrich I. auf einem Zuge gegen die Ungarn um 933 einen, vom fliehenden Feinde in einem Bache verborgenen reichen Schatz aufgefunden haben u. vom Kaiser daher den Namen R. erhalten haben soll. Melchior von R. war um 1287 Geheimer Rath u. Oberster Reichskanzler des Kaisers Rudolf. Die 3 Söhne des Grafen Leopold (geb. 1705, st. 9. April 1775) gründeten drei Linien: A) Erste Linie, gegründet von dem Grafen Heinrich (geb. 1731, st. 11. März 1790); jetziger Chef: 1) Graf Heinrich, Enkel des Stifters u. Sohn des 20. Mai 1816 verstorbenen Grafen Gottlob, geb. 24. Sept. 1801, ist freier Standesherr zu Goschütz, Generalerblandpostmeister im Herzogthum Schlesien u. erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses, vermählt seit 1824 mit Adelheid geb. Gräfin Schlippenbach; sein Sohn Bogdan ist 1827 geboren. B) Zweite Linie, gegründet vom Grafen Leopold (geb. 1733, st. 23. Febr. 1803); Chef: 2) Graf Leopold, Enkel des Stifters u. Sohn des 15. Juni 1834 verstorbenen Grafen Leopold, geb. 7. Oct. 1808, ist preußischer Hauptmann a. D. u. seit 1837 mit Bertha geb. Freiin von Schlichten vermählt; sein ältester Sohn Harry ist 1840 geboren. C) Dritte Linie, gegründet vom Grafen [945] Karl (geb 1746, st. 24. April 1828); jetziger Chef: 3) Graf Eduard, Enkel des Stifters u. Sohn des 1817 verstorbenen Grafen Heinrich geb. 22. Nov. 1812 u. seit 1835 vermählt mit Bertha geb. Gräfin Pfeil u. Klein-Ellguth; sein älterer Sohn Eduard ist 1837 geboren; 4) Oskar, Bruder des Vor., geb. 17. Jan. 1815, war 1848 Mitglied des Vorparlaments, dann der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt u. des Centralausschusses der Demokraten Deutschlands, wurde wegen seiner Theilnahme an dem Rumpfparlament in Stuttgart in Anklagestand versetzt, aber das Oppelner Kreisgericht weigerte sich die Untersuchung einzuleiten u. wurde darin durch den Spruch des Appellationsgerichts bestärkt. Auf Befehl des Obertribunals wurde Graf R. am 2. Jan. 1850 verhaftet, aber auf Anweisung des Criminalsenates zu Ratibor am 15. Jan. freigegeben. Vom Obertribunal wurde nun das Stadtgericht zu Breslau mit der Untersuchung beauftragt, u. der Graf im April wieder in Oppeln verhaftet. Das Schwurgericht zu Breslau hielt sich für incompetent u. verwies die Sache an das Kreisgericht zu Oppeln, u. da dasselbe seine frühere Meinung nicht geändert hatte, so ließ es im Juni den Grafen frei. Dieser durch mehrfache Competenzstreitigkeiten u. Disciplinaruntersuchungen gegen die Oppelner Richter ausgezeichnete Proceß wurde inzwischen in Breslau fortgesetzt, der dasige Schwurgerichtshof sprach im Sept. 1851 über den Grafen das Schuldig des Hochverraths aus u. der Gerichtshof verurtheilte ihn abwesend zum Verlust der Nationalcocarde, zehnjähriger Zuchthausstrafe u. zehnjähriger Stellung unter polizeiliche Aufsicht. Der Graf war inzwischen nach seiner zweiten Haftentlassung nach Brüssel, u. im Oct. 1850 von da ausgewiesen, nach London gegangen u. lebte nachher in Amerika.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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