Religion

Religion

Religion (v. lat. Religio, u. zwar dies abgeleitet nach Ein. [zuerst von Cicero] von legere, lesen, sammeln, also eigentlich im römischen Sinne ein stets wiederholtes, aus Furcht hervorgehendes Durchnehmen gottesdienstlicher Satzungen; nach And. [zuerst von Lactantius] von ligare od. vielmehr von dem dazu gehörigen starken Verbum ligere, binden [womit auch das althochdeutsche Wort für R., ehafti, ehaftida, übereinstimmt], das subjective Gebundensein, Gewissenhaftigkeit) bezeichnet 1) im subjectiven Sinne die Art u. Weise, wie der Mensch sich das Göttliche od. Gott u. dessen Verhältniß zu der Welt u. dem Menschen vorstellt u. demgemäß sich in seinem Denken, Fühlen u. Handeln in einem bestimmten Verhältniß zu ihm auffaßt. Die Voraussetzung u. der Inhalt aller R. ist zunächst dieser Glaube an das Göttliche, u. wenn dieses irgendwie als Person gedacht wird, an Götter ed. Gott. Historisch u. psychologisch betrachtet ist die verschiedenartige Gestaltung des religiösen Glaubens wesentlich abhängig von der Art, wie der Mensch sich selbst u. die ihn umgebende Welt auffaßt; die niedrigsten Formen desselben hängen häufiger mit den Eindrücken der Übermacht zusammen, welche die Naturgewalten über den Menschen haben, also mit den Gefühlen der Furcht, als mit der Auffassung der Natur als einer Wohlthäterin, also mit den Gefühlen der Dankbarkeit. Selbst auf diesen niederen Stufen gibt sich aber der religiöse Glaube durch die Verehrung des Göttlichen, durch Opfer, Gaben, Gebete zu erkennen; u. diese Verehrung höherer göttlicher Wesen wird eigentlicher Cultus, wo die R. ein gesellschaftliches Band wird u. bestimmte Formen ihrer äußeren Bethätigung annimmt. Auf höhern Culturstufen tritt neben der Verehrung u. Personification äußerer Naturdinge u. allgemeiner Naturkräfte die sittlicher Eigenschaften u. Kräfte auf; auf noch höheren Stufen streift der religiöse Glaube die Vielheit der geglaubten Götterwelt ab u. concentrirt sich in dem Glauben an Einen Gott. Dabei besteht eins seiner wesentlichen Merkmale darin, daß er den Menschen nicht blos als Erdenwesen, sondern in seiner Beziehung zum Weltganzen auffaßt; dies gibt sich darin zu erkennen, daß er die Fragen nach der Fortdauer der Seele nach dem Tode u. den Einfluß des irdischen Handelns auf ihren zukünftigen Zustand sich zu beantworten sucht u. darin für das irdische Leben Trost, Ermuthigung, Antriebe zu einer bestimmten Art des Handelns, Genießens u. Entbehrens findet. Der religiöse Glaube, wie er sich durch Überlieferung von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzt u. über große Völkergruppen ausbreitet, beruft sich dabei einestheils sehr häufig auf unmittelbar göttliche Mittheilung seines Inhalts, also auf Offenbarung; anderntheils wird er im Zusammenhange der menschlichen Gedankenentwickelung vielfach Gegenstand der Kritik, Gegenstand einer denkenden Untersuchung, s. Religionsphilosophie. 2) R. im objectiven Sinne ist ein bestimmter Inbegriff von religiösen Glaubenssätzen u. Vorschriften; in diesem Sinn unterscheidet man nach der Quelle u. dem Ursprunge dieser Glaubenssätze geoffenbarte u. natürliche od. Vernunftreligion, je nachdem die Quelle der Glaubenssätze in göttlicher Mittheilung od. im Gebrauche der eigenen Geisteskräfte des Menschen liegt; eine R. heißt positiv od. statutarisch, wenn ihr Inhalt in bestimmt formulirten, ein für allemal festgestellten Satzungen u. Vorschriften zu erkennen ist. Die Verschiedenheit des Inhalts der Glaubenslehren begründet den Unterschied der jüdischen, christlichen, muhammedanischen u. heidnischen Religionen. Über die Bedeutung der Ausdrücke, durch welche man einzelne Religionsformen bezeichnet, wie Fetischismus, Thierdienst, Sabäismus, Monotheismus, Polytheismus etc., s.d. a. Die Geschichte der R. (Religionsgeschichte) ist einer der wichtigsten Gegenstände der Culturgeschichte des Menschengeschlechts, nicht nur deshalb, weil die individuellen Charaktere u. relativen Culturstufen der Völker u. größerer historischer Perioden sich in der Art ihres religiösen Glaubens zu erkennen geben u. bestimmte Lehren u. Formen der R. einen entweder hemmenden od. fördernden Einfluß auf den Entwickelungsgang der geistigen Cultur ausüben, sondern auch weil die R. als ein, große Menschenmassen in der Einheit des Glaubens u. der Lebensrichtung verknüpfendes Band zu den allerstärksten geistigen Mächten gehört, von deren Beschaffenheit u. Wirkungsart der Gang der großen historischen Ereignisse nicht selten wesentlich mitbedingt worden ist. Vgl. Delaunay, Hist. générale et particulière des religions et du culte de tous le peuples du monde, Par. 1791; Dupuis. Origine de tous les cultes, Par. 1791; I. G. Lindemann, Geschichte der Meinungen älterer u. neuerer Völker im Stande der Roheit u. Cultur von Gott, R. u. Priesterthum, Stendal 1784–95; Weiller, Ideen zur Geschichte der Entwickelung des religiösen Glaubens, München 1808–1815; Meiners, Versuch über die Religionsgeschichte der ältesten Völker, Gött. 1775; Derselbe, Grundriß der Geschichte aller R., Lemgo 1785; Derselbe, Allgemeine kritische Geschichte der R., Hann. 1806; Schlegel, Über den Geist der Religiosität aller Zeiten u. Völker, Hann. 1819; Creuzer, Symbolik u. Mythologie der alten Völker, Lpz. u. Darmst. 1810–12, 4 Bde., 3. Aufl. 1837–43, 3 Bde.; dazu als 5. u. 6. Bd.: Mone, Geschichte des nordischen Heidenthums, ebd. 1822 f.; Voß, Antisymbolik, Stuttg, 1824–26; Benj. Constant, De la religion etc., Par. 1824; Meiners, Allgemeine kritische Geschichte der Religionen, Hannover 1806–7, 2 Bde.; K. Rosenkranz, Die Naturreligion, 2. Aufl. Halle 1846; Stuhr, Allgemeine Geschichte der Religionsformen der heidnischen Völker, Berl. 1836–38, 2 Bde.; Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte u. Mythologie der verschiedenen) Völker des Alterthums, Halle 1845–48, 4 Bde. Über die Geschichte der christlichen R. s. Kirchengeschichte.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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