Mazărin

Mazărin

Mazărin (spr. Masaräng, eigentlich Mazarini), Julius, einer römischen, aus Sicilien stammenden Familie angehörig, wurde 14. Juli 1602 in Piscina in den Abruzzen geboren, studirte in Rom u. auf spanischen Universitäten Philosophie, Theologie u. Canonisches Recht, trat nach seiner Rückkehr in päpstlichen Militärdienst u. stand 1625 als Infanteriehauptmann im Veltlin; 1630 dem Legaten Pancirolo als Gehülfe beigegeben, bewirkte er zwischen Franzosen u. Spaniern am 4. Sept. einen Waffenstillstand, dem am 16. April 1631 der Friede von Cherasco folgte; 1632 in den geistlichen Stand übergetreten, wurde er zum päpstlichen Nuntius in Avignon u. außerordentlichen Nuntius am französischen Hofe ernannt, von da jedoch als parteiisch für das französische Interesse 1636 zurückgerufen; 1639 trat er, von Richelieu gewonnen, offen in französische Dienste, erhielt durch dessen Vermittelung 1641 den Cardinalshut u. wurde von ihm bei seinem Tode dem König Ludwig XIII. als derjenige bezeichnet, welcher ihn zu ersetzen am meisten befähigt sei. Ludwig ernannte ihn zum Staatsrath u. Mitgliede der Regentschaft, die nach seinem Tode während der Minderjährigkeit Ludwigs XIV. das Reich verwalten sollte. Als der König 14. Mai 1643 gestorben war u. die verwittwete Königin Anna von Österreich die Regentschaft allein in die Hand genommen hatte, ernannte sie M., obgleich ihm früher abgeneigt, zum Minister u. Chef des Rathes, erweckte ihmjedoch dadurch den Haß der Prinzen u. anderer Großen, welcher, durch M-s Schlauheit u. Nachgiebigkeit zwar von Zeit zu Zeit besänftigt, doch immer wieder von Neuem aufflammte. Als dieser nun auch die Rechte des Parlaments in Paris antastete u. 26. Aug. 1648 selbst einige Mitglieder desselben verhaften ließ, gerieth Paris in Aufruhr, welcher von den Prinzen genährt u. begünstigt wurde u. Veranlassung zur Fronde (s.d.) gab. Obgleich 8. Jan. 1649 vom Parlamente geächtet, behielt M. nicht nur seine Stellung bei, sondern wagte sogar 18. Jan. 1650 die Prinzen Condé u. Conti u. den Herzog von Longueville verhaften zu lassen. Da er, nachdem der Aufstand der Provinzen unterdrückt war, mit deren Freilassung zögerte, brach die Wuth seiner Gegner so heftig los, daß er 6. Febr. 1651 nach St. Germain entweichen mußte, wo er vergeblich die vom Volke zurückgehaltene Königin erwartete. In Havre de Grace suchte er erfolglos sich mit den gefangenen Prinzen zu versöhnen u. rettete sich nach Köln. Vom Parlamente 9. Febr. aufs Neue geächtet u. außerdem noch von seinen Gegnern durch eine Fluth von Schmähschriften (Mazarinades, s. unten) angegriffen, gelang es ihm nach wiederholten vergeblichen Versuchen erst am 3. Febr. 1653 in die Hauptstadt zurückzukehren, wo ihm der junge König die Führung der Staatsangelegenheiten gänzlich überließ. M. führte das Werk seines Vorgängers Richelieu, die Befestigung des Despotismus fort, obwohl er demselben an [38] Energie durchaus nicht gleich kam, sondern, sanft u. selbst feig von Charakter, mehr durch Schlauheit u. Ausdauer als durch Gewalt sein Ziel zu erreichen strebte u. selten zu durchgreifenden Maßregeln seine Zuflucht nahm. Die Verschwendung des Hofes nicht hemmend u. mit unersättlicher Habgier für sich selbst Schätze sammelnd, ließ er Handel u. Gewerbe zu Grunde gehen u. das Volk in Elend u. Noth verfallen, wenn auch durch ihn das Ansehen Frankreichs nach Außen nicht unbedeutend gehoben wurde. Sein letztes Werk war die Zustandebringung des Pyrenäischen Friedens mit Spanien, welcher 7. Nov. 1659 auf der Fasaneninsel im Grenzflusse Bidassoa von ihm u. dem spanischen Minister Haro unterzeichnet u. dabei die Vermählung Ludwigs XIV. mit der Infantin Maria Theresia festgesetzt wurde. M. starb 9. März 1661. Kurz vor seinem Tode hatte er eine seiner, theilweise durch ihre Galanterien berühmten Nichten, Hortensia Mancini, an Armand de la Porte Marquis von Mailleraie vermählt, welcher als Haupterbe seines ungeheuern Vermögens den Titel eines Herzogs von M. annahm. Ihr Bruder, Philipp Mancini, erhielt das Herzogthum Nevers, während ihre Schwester Laura den Herzog von Mercoeur, Olympia den Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan, Grafen von Soissons, Marie den Connetable Colonna u. Marie Anna den Herzog von Bouillon heiratheten. Von den Töchtern einer zweiten Schwester M-s wurde Anna Marie Martinozzi Herzogin von Conti u. Laura Martinozzi regierende Herzogin von Modena. M-s Bruder Michael wurde durch seine Vermittelung Erzbischof von Aix u. dann Cardinal. Die ziemlich verbreitete Sage von einer Vermählung M-s mit der Regentin, Anna von Österreich, ist grundlos, da er wirklich geweihter Priester gewesen sein u. priesterliche Functionen ausgeübt haben soll. Nach seinem Tode erschienen von ihm: Lettres, où l'on voit les négociations pour la paix des Pyrénées, Par. 1745, 2 Bde. Vgl. Bazin, Histoire de France sous le ministère du Cardinal M., Par. 1842, 2 Bde. Die Mazarinaden wurden in neuester Zeit gesammelt u. veröffentlicht von Moreau als Bibliographie des Mazarinades, Par. 1853 f. u. Choix des Mazarinades, ebd. 1853.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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