Magdeburg [2]

Magdeburg [2]

Magdeburg, 1) Regierungsbezirk der preußischen Provinz Sachsen, gebildet aus der Altmark, aus dem Herzogthum M. (ohne den Saalkreis), dem Fürstenthum Halberstadt (ohne den Kreis Ermsleben), dem Fürstenthum Quedlinburg, den Ämtern Barby, Gommern u. Walternienburg. dem (vormals hannöverschen) Amte Klötze, der Herrschaft Schauen u. der Grafschaft Wernigerode; grenzt an Hannover, den Regierungsbezirk Potsdam, Anhalt, den Regierungsbezirk Merseburg u. an Braunschweig; 2101/8 QM. u. 728,000 Ew., größtentheils Evangelische; Gebirge: der Harz u. seine westliche Abdachung; Vorberge: bes. der Petersberg; Flüsse: Elbe; in sie fallen rechts Havel, Ihle, Ehle, links Saale (mit Bode, Selke, Holzemme, Ohre, Tanger, Aland [mit Biese], Jeetze) u. Ilse, die in die Ocker fällt; Seen: der Arendsee: Brüche: Drömling u. Ascherlebener See (beide jetzt urbar). Producte: Erze, Braunkohle u.a. Mineralien, Getreide, Flachs, Hopfen, Salz; Eintheilung in 15 Kreise: Aschersleben, Gardelegen, Halberstadt, 2 Kreise Jerichow, Calbe, M., Neuhaldensleben, Oschersleben, Osterburg, Salzwedel, Stendal, Wanzleben, Wernigerode u. Wolmirstädt; 2) K reis darin, 3/10 OM. groß (blos die Stadt M., mit der Vorstadt Friedrichsstadt, den unter eigenen Magistraten stehenden ehemaligen Vorjetzigen Landstädten Neustadt u. Sudenburg, 3 Dörfern u. 1 Vorwerk); 87,500 Ew.; 3) (neulat. Magdeburgum, griech. Parthenopolis), Hauptstadt der Provinz Sachsen u. des Regierungsbezirks Magdeburg, an der Elbe, mit hölzernen, zum Theil auf steinernen Pfeilern ruhenden Brücken über drei Arme der [692] Elbe; Kreisstadt, Sitz des Oberpräsidiums, Appellationsgerichts, Kreis- u. Stadtgerichts, der Regierung, eines Consistoriums, des Generalcommandos des 4. Armeecorps. M. ist eine der wichtigsten Festungen des preußischen Staats u. besteht eigentlich aus Hier von einander geschiedenen Festungen: a) die Altstadt zieht sich in Form eines unregelmäßigen, länglichen Vierecks am linken Ufer der Elbe hin u. ist durch einen hohen Hauptwall, mit drei angehängten u. acht abgerückten Bastionen u. durch zehn Kleine Ravelins u. acht Grabenscheeren nach alter Art befestigt. Vor zwei Fronten dieser innern Befestigung liegen Defensivkasernen. Einzelne Lünetten u. Contregarden liegen noch vor diesen Werken u. verbinden sie, bes. mit der äußeren Befestigung u. dem Wall. Die westliche, breiteste Seite schützt noch jenseit eines besonderen Glacis ein System von elf sehr unregelmäßig gebauten Bastionen. Nun folgt nochmals ein Hauptgraben u. jenseit desselben ein bedeckter Weg, mit geräumigen Waffenplätzen u. das äußerste Glacis. Auf dem bedeckten Wege erhebt sich vor vier Fronten eine Enveloppe u. in den Waffenplätzen der übrigen Fronten Lünetten. Letztere äußere Um Wallung ist unter Friedrich I. ü. Friedrich Wilhelm I. angelegt worden. b) Die Sternschanze (der Stern), südlich der Stadt, dicht an die Außenwerke der Altstadt stoßend, vom General Wallrave unter Friedrich dem Großen gebaut, ein tenaillirtes Viereck mit dreifacher Um Wallung, von denen die äußere auf drei Seiten in der Mitte nochmals ausspringende Winkel hat; sie hat gute Casematten u. auch ein gutes Minensystem. Zwischen der einen Ecke u. den Werken der Stadt lag sonst die Sudenburg, eine Vorstadt von etwa 2000 Ew., welche die Franzosen 1811 abbrachen u. an deren Stelle ein Werk (Fort Napoleon, jetzt Fort Scharnhorst genannt), in Form einer abgerückten weiten Bastion, in der Kehle mit einer bedeckten Caponière mit Schießscharten, setzten, welches die Sternschanze mit der Stadt verbindet. Eine Stunde oberhalb M. theilt sich die Elbe in zwei Arme, die Alte u. Neue Elbe, zwischen beiden fließt ein, durch eine Schleuse mit der Neuen Elbe in Verbindung stehender dritter Arm, die Zollelbe. Auf der westlichsten der durch diese Arme gebildeten Inseln, zu welcher die Strombrücke führt, liegt c) die Citadelle, ein casemattirtes, bastionirtes Fünfeck, ohne bedeutende Außenwerke, vom König Friedrich I. gebaut. Wieder jenseit zweier Elbarme, über welche die Zoll- u. Lange Brücke führen, liegt auf dem rechten Ufer der Elbe d) die Friedrichsstadt (Thurmschanze), Vorstadt. Sie ist regulär durch eine Umwallung mit drei ganzen u. zwei halben abgerundeten Thürmen befestigt; vor dieser liegen drei ganze u. zwei halbe Bastions, jene mit Abschnitten, vier Grabenscheeren, vier Ravelins u. ein bedeckter Weg.

Magdeburg hat wenig gerade u. breite Straßen, nur der Breite Weg, welcher die ganze Stadt der Länge nach von Süden nach Norden zu ziemlich gerade durchschneidet, u. der Fürstenwall (Promenade) zeichnen sich aus. Plätze: der Alte Markt mit dem Rathhaus (1691 erbaut) u. davor die 1859 renovirte, uralte, Reiterstatue des Kaisers Otto I., sowie die dem 1851 verstorbenen Oberbürgermeister Franke errichtete Broncestatue, u. der Neue Markt (Domplatz) mit Dom. Kirchen hat M. zehn, in welchen noch Gottesdienst gehalten wird: die Domkirche (von Otto dem Großen gestiftet, seit 1208 in jetziger Form erbaut u. 1826–34 restauriert, mit zwei Thürmen, deren südlichem die Krone fehlt, Denkmal des Erzbischofs Ernst, 1495 von Peter Vischer in Nürnberg gegossen, Grab Otto des Großen u. seiner ersten Gemahlin Editha, u. v. A. Denkmälern); dann die katholische (Marienkirche), die Johanniskirche, die Heilige Geist-, Petri-, Jacobi-, Katharinen- u. die drei reformirten (deutsche, wallonische u. französische) Kirchen. Die ehemalige Nicolaistiftskirche ist jetzt ein Arsenal; die vormalige Stiftskirche zu St. Sebastian ist jetzt ein städtisches Wöllmagazin u. die gegenwärtig im Besitz eines Handlungshauses befindliche Gangolphikirche wird als Waarenspeicher benutzt. Unterrichts- u. öffentliche Anstalten: Pädagogium U. L. Frauen, Domgymnasiüm, mit Bibliothek (über 300 Handschriften, einige 100 Incunabeln), Gewerb- u. Handelsschule, höhere Töchterschule, Hebammenlehranstalt, 17 Schulen für Knaben u. Mädchen aus den mittleren u. niederen Ständen, Provinzialkunstschule; ferner Zucht- u. Arbeitshaus, Krankenhaus, Bürgerrettungsinstitut, Sparkasse, 24 Innungen, Frauenverein zur Unterstützung verheiratheter Wöchnerinnen, 5 milde Stiftungen, 3 Waisenhäuser, Kleinkinderbewahranstalten, Feuerrettungsverein. Es gibt viele Fabriken, welche Wollen-, Baumwollen-, Strumpf- u. Seidenwaaren, Bänder, Leder, Pergament, Tabak, Cichorien, Gold – u. Silberwaaren, Steingut, Thonwaaren, Seife, Liqueure, Korke, Siegellack etc. liefern; Zuckerrafsinerien, Essigsiedereien, Bierbrauereien. Schifffahrt u. Handel (bes. in Colonialwaaren u. Wein, Transito- u. Speditionsgeschäften) blüht, letzter wird begünstigt durch ein Waarenlagerhaus (Packhof), Bankcomptoir der Berliner Bank, eine Privatbank, durch die vereinigte Magdeburg-Hamburger Dampfschifffahrt, so wie durch vier Eisenbahnen Mägdeburg-Leipziger nach Leipzig [auch auf einer bes. Bahn von Köthen nach Berlin], die Magdeburg-Halberstädter nach Braunschweig, mit Zweigbahn nach Halberstadt, die Berlin-Potsdam-Magdeburger u. die Magdeburg-Wittenberger, letztere nach Hamburg führend). Buchhandlungen gibt es 10, mehre Buchdruckereien u. Steindruckereien. M. hält jährlich eine Messe (den Indult) u. einen Wollmarkt; besitzt auch eine Lebensversicherungsanstalt, Versicherungsanstalten für Hagel- u. Feuerschäden, eine Gasbereitungsanstalt zur Beleuchtung der Straßen, desgleichen eine Brodfabrik u. vor den Thoren eine Menge von Windmühlen. Ehemalige Vorstädte von M., jetzt eigene Landstädte, sind: die Sudenburg ü. Neustadt, wovon die erstere, seit der Demolirung durch die Franzosen 1813, mit 5126 Ew., 1/2 Stunde südwestlich, u. die letztere, mit vielen Cichorienfabriken u. 12,300 Ew., 1000 Schritte nördlich von W. liegt, sie theilt sich in die alte u. neue Neustadt (letztere ganz von erster getrennt). Vergnügungen: Theater in der Stadt, Tivolitheater auf dem Werder, Singvereine, Liedertafeln, Vereinigung, Gesellschaft zur Freundschaft, Resource, Harmonie; Freimaurerlogen: Ferdinand zur Glückseligkeit u. Harpokrates. Einw.: 58,700 (mit Militär über 65,000). M. hat schöne Spaziergänge auf dem Glacis, mit denen der Friedrich Wilhelmsgarten, vor der Stadt mit einem Gesellschaftshause auf der Stelle des Klosters Bergen angelegt, u. der neue Kirchhof zusammenhängt.[693] Auch bei dem 3/4 Stunden abwärts der Stadt auf dem rechten Elbufer gelegenen Herrnkrug, so wie auf dem linken liegenden näheren Vogelgesang befinden sich schöne Anlagen. M. ist Geburtsort Otto's von Guericke.

Magdeburg war schon zu Karls des Großen Zeit ein Handelsort, in welchem der Handel mit den jenseit der Elbe wohnenden Wenden getrieben werden sollte, u. welchem schon Karl die Stapel- u. Niederlagsgerechtigkeit ertheilt haben soll. Später wurde ihm dieses Recht von mehren andern Orten, namentlich von Leipzig, jedoch ohne Erfolg, streitig gemacht. Zur Stadt scheint M. erst unter. Otto dem Großen geworden zu sein, der seinen Lieblingssitz daselbst hatte u. auch dort begraben wurde. Er hatte M. seiner Gemahlin Editha als Leibgedinge ausgesetzt, welche es mit Wällen u. Mauern versah. In der Folgezeit wuchs M. bedeutend durch die Elbschifffahrt u. das Stapelrecht an Macht u. war zu Ende des 15. Jahrh. fast unabhängig von den Erzbischöfen, die auch meist auswärts, erst auf dem Giebichenstein, dann in Halle, residirten. Seit 1524 wurde, bes. durch Amsdorf, die Reformation in M. verbreitet. Als M. aber die Annahme des Interims verweigerte, wurde es in die Acht erklärt u. verlorsein Stapelrecht u. den Schöppenstuhl nebst andern Gerechtsamen zu Gunsten Joachims II. von Brandenburg, welcher die Niederlage nach Tangermünde verlegte. Hierauf belagerte Kurfürst Moritz von Sachsen, welchem die Vollziehung der Acht übertragen worden war, die Stadt vom 16. Sept. 1550 bis zum 9. Nov. 1551, wo er sie durch Capitulation einnahm. Als 1554 Christian Wilhelm, Joachims II. Sohn, Administrator des Erzstifts wurde, erhielt die Stadt das Stapelrecht zurück. Im Dreißigjährigen Kriege wurde M. 1626 von Wallenstein kurze Zeit besetzt, dann von demselben 1629 28 Wochen lang blockirt, u. da es 1630 seinen geächteten Administrator, der sich an Schweden angeschlossen hatte, wieder aufnahm, von Tilly belagert u. am 10. Mai 1631 mit Sturm genommen; s.u. Dreißigjähriger Krieg V.; die Stadt wurde niedergebrannt, 30,000 Ew. ermordet u. die Überlebenden mußten Lösegeld zahlen. Nur 2 Kirchen u. etwa 130 Häuser blieben stehen. Tilly nannte diese Gräuel die Magdeburger Hochzeit. 1632 zogen die Kaiserlichen wieder ab u. Schweden besetzten die Stadt, welche 1636 von den Kaiserlichen u. Sachsen belagert u. erobert wurde. 11. Nov. 1806 übergab der Commandant von Kleist M. an die Franzosen unter Ney. Im Tilsiter Frieden 1807 wurde M. Frankreich überlassen u. zum Königreich Westsalen geschlagen, bis es durch den Pariser Frieden wieder an Preußen kam, nachdem es 1813 u. 1814 blos von einem Corps unter Tauenzien war eingeschlossen worden. Hier am 20. Decbr. 1853 Staatsvertrag zwischen Preußen, Sachsen, Hannover, Dänemark (für Lauenburg) u. Mecklenburg-Schwerin, das Revisionsverfahren auf der Elbe betreffend; Dauer zwölf Jahre. Vgl. Rathmann, Geschichte der Stadt M., Magdeb. 1600–17, 4 Bde.; Lehmann, Topographie der Stadt M., ebd. 1830, 2 Bde.; Hermes u. Weigelt, Der Regierungsbezirk M., ebd. 1842–43, 2 Bde.; Hoffmann, Chronik der Stadt M., ebd. 1843–50, 3 Bde.; Walter, Gesch. der Stadt M., ebd. 1845; Koch, Der Dom zu M., ebd. 1815; Clemens u. Rosenthal, Der Dom zu M., ebd. 1835, 3 Lief. Fol.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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