Skandinavien

Skandinavien

Skandinavien, Gesammtname der drei nordischen Reiche Dänemark, Schweden u. Norwegen nebst Island (s.d. a.). Dem Namen nach war S. schon den Alten bekannt, doch hielten sie die damit bezeichneten Ländereien für mehre große, von germanischen Völkerschaften bewohnte Inseln, u. namentlich Ptolemäos für vier Inseln, Skandiä, drei kleinere u. eine größere, welche letztere er insbesondere Skandia (bei Jornandes Scanzia) nennt; bei Mela beißt sie Codanonia, nach dem Codanischen Meerbusen; Plinius kennt neben dem Namen Skandia schon den volleren Scandinavia od. Scandinovia, u. führt auch die große Insel Nerigos an, worunter Norwegen, so wie unter Scandia gewiß das südliche Schweden (Skåne) zu verstehen ist. Dan, der Däne, findet sich erst im 6. Jahrh.; von Island, wenn es nicht Thule war, weiß man aber gar nichts.

Die Bewohner S-s, deren ältere Namen unter Schweden S. 548 aufgeführt sind, gehören demselben Stamme an, redeten ursprünglich dieselbe Sprache (s.u. Germanische Sprachen I.), von welcher das jetzige Dänische, Schwedische u. Norwegische blos Dialekte sind, hatten dieselbe Dichtkunst (s. Altnordische Literatur) u. Religion (s. Nordische Mythologie) u. zeigen in ihren Sitten u. Gebräuchen eine merkwürdige Ähnlichkeit. Obgleich mit dem Ackerbau bekannt, blieben sie doch noch lange vorwiegend ein Hirten volk. Wie sie sich selbst in drei Stände schieden, Knechte, freie Landbauer (Bonden) u. Edle (Jarle), welche sämmtlich an dem Riesen Rigr od. dem Gott Heimdall einen gemeinschaftlichen Stammvater hatten, so schieden[155] sie auch ihr Vieh in drei Stände: Schweine u. Ziegen gehörten dem Armen, Gemeinen, Knechte; Rinder u. Schafe dem freien Bauer, Pferde dem Edeln. Das wichtigste unter dem Vieh war das Rind, namentlich die Kuh, wonach der Werth aller Dinge bestimmt wurde. Der Herr hatte zum Weiden seines Viehes Knechte od. freie Dienstleute, er selbst führte blos die Oberaufsicht. Auf fernen Weiden wurden auch Sennhütten (Selden, Säter) errichtet, wohin der Bauer mit Weib, Kindern u. Gesinde im Sommer zog u. Butter u. Käse für den Winter sammelte u. wo er bei der Rückkehr in seinen Hof nach der Heuernte wohl auch einen Hirten mit einem Theil der Schafheerde über Winters zurückließ. Unter dem Hausgeflügel wurden bes. Gänse u. Hühner gezüchtet; die Bienenzucht wurde in Stöcken betrieben. Ein wesentliches Hausthier war dem Skandinavier der Hund, welchen er nicht allein zur Weide u. zur Jagd, sondern auch in den Einöden als Finder des Wegs u. zum Kampf mit Menschen (Vighundar, Schlachthunde) brauchte. Neben der Viehzucht wurde bes. die Jagd auf Vierfüßler u. Vögel betrieben; sie gab Nahrung u. Kleidung u. war eine Luftbeschäftigung für die Edeln; die Bauern hielten sich unter ihren Leuten einen besonderen Jäger u. viele Arme lebten ausschließlich von der Jagd, indem sie von ihrer Beute das Pelzwerk auch als einträgliche Handelsartikel benutzten. Betrieben wurde die Jagd mit Pfeil u. Bogen, Spiesen, Netzen, Hunden, Gruben; auf Vögel blos mit Habichten u. Falken. Die an Fischen reichen Küsten gaben auch früh Veranlassung zur Fischerei; weiter hinaus in die See zur Jagd auf große Fische verbanden sich meist Gesellschaften, welche den Gewinn dann ehrlich u. friedlich theilten. Die gewöhnliche Fischerei wurde mit Netz, Angel u. Köder betrieben; zum Fang der Großfische bewaffneten sie sich mit Wurfgabel, Leine u. Fischmesser. Der Ackerbau spielte in S. immer nur eine untergeordnete Rolle, da Lage, Boden u. Klima denselben in dem größten Theile des Landes nicht begünstigten; selbst im Süden, wo der Boden besser u. das Klima milder war, gab es noch oft genug Mißwachs. Gebaut wurde bes. Gerste u. Hafer, Muß u. Brod von letzterem machte sonst die einzige Nahrung der Gebirgs- u. Nordvölker aus dem Pflanzenreiche aus; selten war der Bau des Roggens, noch seltener der des Weizens, den Bedarf an letzterem bekam man aus England. Dann gewann man noch Rüben, Erbsen, Bohnen, Flachs, Hanf, Kohl; von Obst bes. Äpfel u. Haselnüsse. Wie die Gärten, so waren auch die Äcker in ganz S. umzäunt. Zur Bearbeitung des Ackers brauchte man Pflug u. Egge. Die Wälder gaben bes. in den südlichen Theilen des Landes prächtige Buchen u. Eichen u. eine Fülle von Beeren. Gewerbtreibende gab es eigentlich im Norden nicht, da für die Bedürfnisse des Hauses u. Hofes jeder selbst sorgte, Edle ihre Leute dieselben verfertigen ließen; die Weiber webten u. machten die Kleider, das kunstlose Schuhwerk konnte jeder aus Leder selbst schneiden; ebenso war die Salzbereitung aus Meerwasser u. das Kohlenbrennen keine besondere Kunst u. nur das Schnitzen von Holzgeräthen, das Bilden von Thongefäßen u. das Schmieden von Eisengeräth, bes. von Waffen, erforderte eine anhaltende Beschäftigung damit, u. wahrscheinlich arbeiteten darin Geübte schon früh für Andere, aber gewiß auch bei ihnen u. nicht in eignen Werkstätten. Im 13. Jahrh. findet man zwar in den Küstenstädten allerlei Gewerbe, aber theils waren diese von Deutschen eingeführt u. wurden fast ausschließlich von denselben betrieben, theils darf man von diesen Städten nicht auf das Innere des Landes schließen. Der Bergbau, namentlich in dem an Eisen u. Kupfer so reichen Schweden, kommt erst im christlichen Mittelalter vor; im 13. Jahrh. waren Eisenhütten in Gothland u. die Kupferbergwerke in Falun im Gange; im 14. Jahrh. wurden dieselben zum Theil von Deutschen besessen u. betrieben. Vor jener Zeit scheint das mühsam aus Eisensteinen, Sumpfeisen u. Eisenthon in Schweden u. auf Island gewonnene, außerdem aber auch fremdes, wahrscheinlich aus England gekommenes Eisen bearbeitet worden zu sein. Dagegen war der Handel schon in sehr alter Zeit für S. von großer Bedeutung. Bes. der Bernstein u. das Pelzwerk lockten Käufer aus Südeuropa, Asien u. Afrika an, daher sich die Funde römischer u. arabischer Münzen schreiben, welche dem 1. bis zum 10. Jahrh. angehören. Der Hauptmarkt des Pelzhandels war Norwegen, wohin die Isländer ihr auf ihrer Insel, sowie an den nordamerikanischen Küsten gewonnenes Rauchwerk brachten, während die norwegischen Könige Fahrten nach Finn- u. Lappland machen ließen, um die dortigen Eingeborenen zu unterjochen u. zur Lieferung von Pelzwerk zu nöthigen. Außerdem lieferte S. viel getrocknete Fische, Fischbein, Thran, Butter, Wolle von seiner umfangreichen Schafzucht, Federn, Pferde (bes. Schweden), Sklaven, sowohl kräftige Männer zur Arbeit, als auch schöne Frauen zur Luft (erst das Christenthum machte dem Menschenhandel in S. ein Ende). Für den Südosten war der Zwischenhandelsplatz Garderike u. Holmgard in Rußland. Eine eigene Art von Handelszügen der Skandinavier waren die im 8. Jahrh. nach Westen u. Süden beginnenden Raubzüge, wo sie sich mittelst des Schwertes Gegenstände der Lebens- u. Luxusbedürfnisse, auch Waaren zum Verhandeln holten (vgl. Normannen, Wäringer u. Wikinger). Durch die Handelslust der Skandinavier bildeten sich auch Handelsplätze (Kaupstadir) im Lande, so Tunsberg, Oslo, Bergen, Lund, Viborg, Schleswig, Birka, Kalmar, Wisby, Upsala (wo ein großer Frühlingsmarkt gehalten wurde). Auf Veranlassung der starken Einfuhr von Wein durch die Deutschen, wodurch die Trunksucht befördert wurde, versuchten die norwegischen Könige im 14. Jahrh. durch Handelsgesetze den freien Handel in Ein- u. Ausfuhr zu hindern, aber die deutschen Hansestädte erzwangen in der letzten Hälfte des 14. Jahrh. ihre früheren Handelsvorrechte wieder. Der Stand der Händler war übrigens in S. ein geachteter, bes. da er Reichthum einbrachte, auch Weltkenntniß u. Bildung verschaffte, daher sogar Könige sich als Geschäftsgenossen mit Kaufleuten. verbanden u. ein Mann, welcher aus eigenen Mitteln drei Handelsreisen über See gemacht hatte, ein Freier (Þegn) wurde. Der Handel wurde in ältester Zeit durch Tausch betrieben u. der Werth nach Vieh berechnet; sodann wurden Schmuckgegenstände, bes. Ringe, u. Stücke edeln Metalles, Goldes u. Silbers, als Zahlmittel gebraucht; die letztern wurden gewogen nach Mark (Pfund), Ören (Unzen), Örtungen (Loth), woraus endlich die einheimischen Münzen entstanden, welche aber in S. kaum vor dem 14. Jahrh. vorkommen dürften. Gewicht u. Maß wurde bei der größeren Betreibung des Handels[156] im Lande unter obrigkeitliche Aufsicht gestellt. Der Handel förderte in S. die Seefahrt, wozu die Leute schon durch die Lage u. Gestaltung des Landes früh eingeladen worden waren; zu den Handelsflotten gesellten sich bald auch Kriegsflotten. Die gewöhnlichen Schiffe waren dreißigruderig u. führten meist 200 Mann; sie fuhren zugleich mit Segeln u. die nordischen Schiffe waren als Schnellsegler berühmt. Die größeren Schiffe hatten Namen; Schiff u. Segel waren möglich verziert; als Anker dienten große Steine, das Tauwerk war aus Leder; der Steuermann richtete sich nach den Sternen u. nach den Zügen der Vögel, bes. der Raben.

Die Nahrung der Skandinavier, aus Jagd u. Fischerei, Viehzucht u. Ackerbau gewonnen, wurde ohne Kochkunst u. Leckerei verzehrt; sie bestand in Milch, Butter aus Kuh- u. Schafmilch bereitet, Käse in Broden geformt u. in Kisten aufbewahrt, Fleisch von gezüchteten Thieren (hauptsächlich Rind-, dann Kalb- u. Ziegenfleisch, Pferdefleisch nur bei Opfermahlzeiten, Gänsefleisch), aus der Jagdbeute (von Bären, Eleun- u. Rennthieren, Hirschen, Wildschweinen, Rebhühnern, Seevögeln) u. vom Fischfang (Fische sowohl frisch als getrocknet); das Fleisch wurde gebraten od., wie in gewöhnlichen Haushaltungen, im Kessel gesotten. Aus dem Pflanzenreich genoß man Beeren, Wurzeln, Kräuter, bes. Zuckertang, die obengenannten Gemüse; Brod buk man dick aus Gerste u. Roggen, dünn aus Weizen, in ärmeren u. nördlichen Gegenden auch aus Hafer, Kräutern, Flechten, bes. Isländischem Moos, doch wurde Mehlbrei öfter als Brod gegessen. Der Mahlzeiten wurden zwei gehalten, Morgens in der Mitte des Vormittags u. Abends nach dem Anzünden des Feuers. Dabei wurde Fleisch u. Brod in gewöhnlichen Häusern auf den bloßen Tisch gelegt u. mit den Fingern (daher vor u. nach der Mahlzeit die Hände gewaschen), nachmals auch mit Messern gegessen, flüssige Speisen in kleinen Holztrögen (Trogr, Trygill) aufgetragen u. mit Spänen od. Löffeln (Sponn, Sleif), genommen; man hatte auch irdene Schüsseln u. Teller u. durch Handel u. Beute kamen auf den Tisch der Vornehmen selbst Eßgeräthe aus Erz u. edelm Metall. Getrunken wurde außer Milch noch Molken, Aufguß über Mehl u. Beeren, Bier (Öl), Meth, importirter Wein aus Büffelhörnern, hölzernen, gläsernen u. metallenen Schalen u. Bechern; in diese Gefäße wurde das Getränk aus Krügen u. Kannen (Kar, Askr, Verpill, Kanna) eingegossen. Die Kleidung wurde Anfangs aus Leder u. Linnen gemacht, dann aus Tuch, welches deutsche Kaufleute auf die skandinavischen Märkte brachten, am spätestens aus Baumwolle (Fustan) u. Seide, durch Zwischenhandel aus dem Orient gekommen; sie bestand aus Schurz (Skyrta, Serkr, als Hemd auf dem Leibe getragen), Beinkleid (Brokr, von der Hüfte bis zum Knie, durch einen einfachen Gürtel festgehalten, u. Hosa, vom Knie bis an den Fuß), Schuhen (Skuar) u. Handschuhen (Handskor) aus Leder; außerdem in Rock (Kyrtel) mit Ärmeln, Anfangs eng u. kurz, später bei Vornehmen weit u. lang, im Winter aus Pelz; der kurzen enganliegenden Jupe u. Troie, dem mehr od. weniger verzierten Gürtel (Belti, Lindi), woran Schwert u. Messer hing; dem über den Rock getragenen formlosen langen Überwurf (Feldr) u. dem mehr geformten, vornehmen kurzen Mantel (Möttull, Skickja) von theuern Stoffen, mit Pelz gefüttert u. mit Borten besetzt, beide wurden auf der Schulter mit Spangen zusammengehalten; ein Reisekleid war die lange Kappa; den Kopf bedeckte entweder ein Theil des Mantels u. der Kappe od. ein besonderer breitkrämpiger Hut (Höttr). Die Kleider der Frauen waren im Wesentlichen die der Männer, nur blieben sie lang, als die Mode die der Männer verkürzte; ein besonderer Frauenüberwurf war der Kast; am Gürtel trugen sie Messer, Schere u. Tasche (Sod, Pung, Pus, Poki); auf dem Kopfe ein Linnentuch (Skupla), vornehmere einen Aufsatz von Tüchern (Faldr); war das Tuch turbanartig gewunden, so hieß es Motr; eine Haube (Huva) trugen (in Ostgothland) die verheiratheten Frauen; als Schmuck, gleich den Männern, ein kostbares Kopf- od. Stirnband (Höfudband, Skarband, Gullband). Das Haar wurde von Männern u. Weibern lang, aber schlicht getragen (nur Knechte u. Ehebrecherinnen wurden geschoren) u. sorgsam durch Kämmen, Waschen, Salben gepflegt; die Männer trugen Bärte (Skegg), namentlich einen tüchtigen Kinnbart. Der vornehmste Schmuck waren Ringe (Baugr) um Hals, Arm, Hand, Finger u. Fuß, Halsbänder (Men, Sveigr, Festi), Brustgeschmeide (Nisti, Briostbunađ), Spangen (Nist, Stingi, Dalkr, Sylgja, Braz) an Mänteln u. Überwürfen. Als Waffen führten sie Spieß (Spiot, Geir), welchen sie auch im Hause, bei Gelagen, in der Volksversammlung trugen, Wurfspieße (Palstafir, Palstäbe), Schwert (Sverd), Dolch (Sviđa, Skalm, Gladiel), Hammer (Hamar), Beil (Öxi), über der linken Schulter hängend getragen, Keule (Kylfa), Bogen (Handbogi) u. Pfeil (Pila), Armbrust (Lasbogi); als Vertheidigungswaffen diente der Schild (Skiölldr), lang u. dicht, der Panzer (Brynja), vormals von Leder, dann von Eisen, der Helm (Hialmr) u. die tiefer in den Kopf hineingehende Stahlhaube (Stalhufa); unter Harnisch u. Helm zog man noch weiche Unterkleider u. Hauben. Auch Arme, Hände, Beine u. Hals wurden durch Pan. zerstücken geschützt. Spieß u. Schild waren die Hauptwaffen, mit ihnen wurden die Jünglinge wehrhaft gemacht. Am stattlichsten war das Gefolge (Hirđ) der Könige gewaffnet, die Hirdmannen trugen Spieß, Schwert, Bogen u. 3 Dutzend Pfeile, Waffenrock, Panzer, Stahlhaube u. Schild; die nicht zum eigentlichen Gefolge gehörenden Königsmannen, die Gäste (Gestir), hatten keinen Panzer u. nur 2 Dutzend Pfeile; die Knappen (Skutill. sveinar) hatten vollständige Eisenrüstung u. eine Armbrust statt des Bogens. Zwar gab es damals noch keine Festungen u. Belagerungen im Kriege, aber die Häuser waren gegen feindliche Überfälle mit Planken u. Steinlegungen umzogen; zur Zerstörung derselben führte der Angreifer eine Art Sturmbock (Hamall) bei sich.

Die Germanen hatten bei ihrer Einwanderung in S. sich gemeindeweise niedergelassen. Auf der besetzten Landstrecke wurde ein Platz für das Dorf (Þorp) von dem übrigen abgetrennt, welches letztere als Acker-, Weide- u. Waldfläche blieb. Im Dorfe erhielt jeder Dorfgenoß (Bolmađr) den Raum zu einer Hofstätte (Toft); die Höfe lagen in Form eines Kreuzes neben einander, so daß das Dorf aus zwei sich rechtwinkelig schneidenden Gassen bestand; hinter den Hofstätten lag der Theil, welchen jeder von dem Gesammtfeld bekommen hatte (Kampr). Wald- u. Weideplatz war Anfangs gemeinschaftlich, wurde[157] aber später auch unter die Dorfgenossen getheilt. So war es in den Ebenen; im Gebirg fanden sich auch Einzelhöfe, welche ihr Weide- u. Waldland um sich herum liegen hatten. Jeder Hof im Dorfe war mit einem Zaun od. einer Mauer ein- u. von den anderen abgeschlossen; im Inneren bestand er aus dem Hause (Hus, Bur) für die Menschen u. den Außengebäuden (Utihus), wozu Ställe u. Scheunen gehörten. Die Häuser waren aus Holz u. das Dach mit Schindeln od. Rinde, bei Ärmeren mit Zweigen, Schilf, Rasenstücken belegt; die Fenster lagen, wo das Dach nicht durch eine besondere Decke geschieden war, in dem Dache, sonst in der Wand; mit Glas waren die Fenster nicht bedeckt, dieses bekam man erst später aus Deutschland; die beiden Thüren (Hurđir) waren auf den Langseiten, vor jeder war eine Halle, worin das Feuermaterial u. das Getränke aufbewahrt wurde; größere Häuser waren innen durch die zwei Säulenreihen, welche das Dach trugen, in drei Theile getheilt. In der Hausflur (Golf) selbst brannte in der Mitte das Herdfeuer; in dem etwas niedriger als der Golf liegenden Saal (Salr) erhob sich in der Mitte der Sitz des Hausvaters (Hochsitz, Öndvegi), neben ihm in Königshäusern der der Königin; gegenüber etwas niedriger ein zweites Öndvegi; zu beiden Seiten des Öndvegi liefen Bänke für die Männer u. quer vor über die ganze Hausbreite, etwas erhöht u. durch ein Gitter abgeschlossen, die Weiberbank (Þverpallr, Qvinnabenkr). Die Seitenräume waren entweder verschlossen u. dienten als Schlafkammern od. es waren dort Sitze (Handrađar) angebracht, wo man die Unterhaltung pflog. Anbauten (Afhus, Klofar) zwischen der Weiberbank u. den Wandverschlägen dienten als Vorrathskammern. Auf Island war die Theilung der einzelnen Räumlichkeiten für besondere Zwecke in verschiedene kleine Gebäude gewöhnlich, so Stube, Frauengemach, Schlafgemach, Küche, Backhaus, Speisekammer, Zeughaus, Abtritt etc. Der Fußboden war mit Stroh od. Binsen bestreut, die Wände in alter Zeit mit Waffen geziert, nachmals bei festlichen Gelegenheiten mit Decken (Tiöld, Reftir) aus Holz, später aus kostbarem Stoff behängt, welche in den Häusern der Edeln mit Schildereien bestickt waren; Bänke u. Stühle wurden mit Fellen belegt, die Tische beim Essen mit Tüchern bedeckt; die Betten waren zweimännig, sie enthielten in dem Gestell erst Stroh, darüber ein Linnentuch, worauf erst die mit Federn gefüllten Polster u. die Oberdecke aus Pelzwerk od. Tüchern kam; vor dem Bett hing ein Vorhang u. stand eine Fußbank. Das andere Hausgeräth bestand in größeren Kisten (Örk, Kista, Stockr) zur Aufbewahrung von Kleidern u. Gewandstoffen u. kleinen Kisten (Kista, Kistill, Eski) zur Niederlegung von Geld u. Kostbarkeiten. Die Beleuchtung gab Anfangs zugleich das Herdfeuer u. bei Gelagen zwischen den Männerbänken angezündete Holzstöße; erst später hatte man Kerzen, welche aber nicht auf Leuchtern standen, sondern von besonderen Knechten (Kertisveinar) gehalten wurden.

Bei Schließung der Ehe wurde nicht auf Neigung, sondern vor allen auf Ebenbürtigkeit gesehen. Die Werbung eines Mannes um ein Mädchen geschah durch Fürsprache bei dem Vater od. nach dessen Tode bei dem ältesten Bruder, überhaupt bei dem Familienhaupt, welcher für die Zusage der Gefreieten den Brautkauf (Munđr, Festargafa) als Entgeld für die Entlassung aus dem Rechts- u. Schutzverhältniß zu ihm erhielt. Die Braut bekam von ihren Angehörigen außer der Mitgift an Kleidern u. Geräth (Heimanfylgja, Mala) noch Geld u. Gut; daran erhielt aber der Mann kein echtes Eigenthum, sondern nur die Nutznießung, daher bei kinderlosen Ehen die Mitgift nach dem Tode der Frau an deren Haus zurückfiel. Wo die alte Sitte des Brautkaufes nicht mehr festgehalten wurde, versprach der Bräutigam der Braut eine Zugabe (Tilgiöf) im Betrag eines Drittheiles der Mitgift, in Ostgothland Gegen- od. Mantelkauf (Viđarmunđr, Möttulkaup) genannt. Wenn die Vermögensverhältnisse festgestellt waren, so erfolgte die Verlobung in Gegenwart der beiderseitigen Verwandten; sie bestand nach der Frage des Familienhauptes an Bräutigam u. Braut, ob sie sich zur Ehe haben wollten, in der Übergabe der Braut an den Bräutigam durch denselben, dem Ringwechsel der Brautleute u. dem Brautkuß. Von nun an hieß die Braut Festarkona. Die Heimführung (Brudlaup [Brullup], Bruđkaup, Gifting, Qvonfang) folgte zuweilen wenig Tage nach der Verlobung, gewöhnlich nach längeren Zwischenräumen, längstens aber nach 12 Monaten, währenddem dem Brautpaar das Zusammenleben nicht gestattet war. Die Hochzeitfeier bestand in der Fahrt des Bräutigams (Bruđgumareid) mit seiner Genossenschaft in das Brauthaus; der Übergabe der in Linnen gekleideten, verschleierten u. mit den wirthlichen Schlüsseln geschmückten Braut an den Bräutigam durch den. Brautvater; dem Hochzeitsgelag (Bruđkaupsveitsla), wobei zuerst dem Thor, als Schützer der Ehe u. des Hauses, ein Becher geleert wurde; dem Abführen des Brautpaars in die Brautkammer (Bruđkaupssalr) u. Beschreiten des Ehebettes unter Zeugen, während außen Hochzeitslieder (Brullupsvisur) gesungen wurden; dem Tags darauf erfolgenden Zug des Bräutigams mit der Braut in seinen Hof u. die Einführung der Braut in denselben. Wollte der Bräutigam den Hochzeitsschmaus in seinem Hofe ausrichten, so mußte er von dem Brautvater sich dieses Recht abtreten lassen, u. in diesem Falle ließ der Bräutigam die Braut durch seine Freunde abholen. Am Morgen nach der Brautnacht machte der Mann seiner jungen Frau ein Geschenk (Linnengeld, Bankgabe), ursprünglich in Gewanden u. Hausrath, später auch in Länderei bestehend. Jeder Mann konnte mehre Frauen heirathen; auch mit Kebsweibern, welche meist Unfreie waren, leben, Letztere traten dann in ein festes Verhältniß zum Hause, ohne jedoch die Ehre desselben zu theilen, u. ihre Kinder erhielten nur einen Theil der väterlichen Verlassenschaft. Die Frau stand übrigens in voller Gewalt des Mannes; er konnte über ihren Leib u. ihr Leben verfügen, u. Tödtung folgte gewöhnlich auf Ehebruch; schenkte der Mann der Ehebrecherin das Leben, so erfolgte wenigstens die Scheidung, wobei der Manu die Frau in Gegenwart der Verwandten, vor denen die Vermählung geschehen war, nach Abscherung ihres Haares, mit Schlägen aus dem Hause trieb. In diesem Falle verlor sie auch das Recht an die Mitgift, welche der Mann als Buße behielt. Wie über die Frau so hatte der Mann auch über die Kinder volle Gewalt. Schon ob ein Kind nach der Geburt aufgehoben u. erhalten od. ausgesetzt od. getödtet werden sollte, hatte er zu bestimmen; aber diese alte Sitte kam schon in der letzten[158] Zeit des Heidenthums mehr u. mehr ab. Hatte der Vater das Kind angenommen, so begoß er dasselbe mit Wasser u. gab ihm einen Namen; gewöhnlich erhielt der erste Sohn den Namen des Vaters, des Großvaters, des Oheims. Wenn der Vater dies Vorrecht an einen Anderen abtrat, so gab derselbe dem Kinde zugleich mit dem Namen ein Geschenk; ein weiteres Geschenk erhielt das Kind, wenn es den ersten Zahn bekam, entweder vom Vater od. von dem Namengeber. In den ersten Lebensjahren standen die Kinder unter der Aufsicht der Mutter, wurden aber auch außer dem Hause von Freunden u. Verwandten erzogen, in letzterem Falle nahmen Erzieher zuweilen die Pfleglinge an Kindesstatt an. Die Beschäftigungen der Knaben waren Leibesübungen, Ball- u. Kugelspiel, Wurfübungen, Bogenschießen, Ringen, Wettlaufen, Schlittschuhfahren, Springen, Reiten, Schwimmen Als Genoß bei Spiel u. Lernen wurde dem reichen u. freien Knaben oft ein armer od. unfreier gegeben (Fostri); freie zusammen erzogene Knaben blieben gewöhnlich für das ganze Leben im engsten Freundschaftsbunde u. schlossen Blutbrüderschaften (s.d.). Die Mädchen lernten spinnen, weben, nähen, sticken. Das Gesinde bestand theils aus Unfreien, theils aus freien Dienstleuten. Die Unfreien, Knechte (Þrällir) u. Mägde (Þyjar), waren Geraubte, Kriegsgefangene, Kinder aus Ehen zwischen Freien u. Unfreien. zahlungsunfähige Schuldner, freiwillig in Hörigkeit Getretene; sie standen in unbedingter Gewalt des Herren, konnten verschenkt u. verkauft, geschlagen u. getödtet werden; doch war ihr Loos gewöhnlich ein mildes, die Knechte hatten zwar die niedrigsten Dienste im Hofe zu verrichten, konnten aber bei Geschicklichkeit u. guter Aufführung auch Jäger, Thürsteher, Schenken, Kammerdiener, Vögte etc. werden; bes. zuverlässige wurden bewaffnet u. bildeten die Hauswache (Husskarlar). Die Mägde verrichteten die Arbeiten in der Wirthschaft, geschicktere webten, näheten, stickten; am meisten Vertrauen genoß die Magd, welche mit der Herrin aufgezogen worden war (Fostra). Zu mancherlei unangenehmen Auftritten zwischen Herrin u. Mägden führten die nicht seltenen Gunstbezeugungen, welche die Hausherren den Mägden bewiesen. Die Freilassung geschah entweder durch Loskaufung des Knechtes durch sich selbst od. durch seine Verwandten, od. durch eine freiwillige Losgebung durch den Herrn. In letzterem Falle aber blieb immer noch ein gewisses Abhängigkeitsverhältniß des Freigelassenen zu dem Freilasser, denn dieser behielt die Verpflichtung im Nothfall den Freigelassenen, zu ernähren, woher auch die Sitte stammte, daß der Freigelassene, wenn er kinderlos starb, von seinem vorigen Herrn beerbt wurde.

In S. wurde auch die germanische Sitte der Gastfreundschaft in größter Ausdehnung geübt. Kein Fremder wurde abgewiesen; der Eingetretene wurde mit dem Willkommentrunk begrüßt; im Nothfall ihm statt nasser Kleider trockene gereicht; Bekannten der Hochsitz angewiesen, Bettler u. sonst Unscheinbare in großen Höfen in das besondere Gasthaus (Gestahus) geführt. Länger als drei Tage die Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen war gegen die Sitte. Am Morgen der Abreise erhielt der Gast noch ein Frühmahl u. ein Geschenk, wogegen er dem Wirthe Dank u. zuweilen Gegengeschenke brachte, u. wurde von dem Wirth auf den Weg begleitet. Manche, welche im Sommer irgendwo arbeiteten, fanden, wenn sie geschickt waren, den ganzen Winter über in einem Hof Unterkommen; so auch auf Island Seeleute, wenn sie wegen Überraschung durch den Winter bleiben mußten Auf dem Hochgebirge waren in den Einöden u. großen Wäldern für Reisende, Anfangs von menschenfreundlichen Privatleuten, nachher auf königlichen Befehl, eine Tagereise von einander entfernte Schutzhäuser (Säluhus, Salohus) erbaut, worin der Wanderer Obdach, ein Strohlager u. Holz zum Feuer fand. Wirthshäuser (Tafernishus), wo Fremde für Geld Speis u. Trank, so wie Futter für das Pferd erhielten, kommen erst seit Anfang des 14. Jahrh. in Norwegen vor. Den heimischen Freunden gaben die Skandinavier Gastmähler, welche gewöhnlich mit den großen Opferfesten zusammenhingen, unter denen das Ernteopfer u. das Julfest (s.d.) die höchsten waren, aber auch überhaupt den ganzen Winter hindurch gegeben wurden. Zu den zufälligen Festgelagen (nach dem dabei üblichen Getränk Öl genannt) gehörten die bei Verlobungen (Festaröl), bei Beglückwünschungen (Fagnađaröl), bei Übernahme des Erbes (Erfisöl), bei Aufnahme in ein Geschlecht (Ättleidingsöl), bei vollen Freilassungen (Frelsiöl); auch mußten die freien Bauern u. Edeln dem Könige Gelage (Veitslur) ausrichten, wenn derselbe Inspectionsreisen durch das Reich unternahm; die Genossenschaftsgelage (Gilđi, Ilvirfing) an den großen Opferfesten gaben in der christlichen Zeit zu den Bruderschaften u. Zünften Veranlassung. Die Hauptsache bei solchen Gelagen war das Trinken; am Tage geschah es mit Maß, aber am Abend trank jeder so viel er wollte. Es wurden dabei allerhand Trinkweisen beobachtet: die Gegenübersitzenden brachten sich den Trunk aus, dann kreiste das Horn od. der Becher, welchen entweder je Zwei, od. Einer allein leerte; auch um die Wette wurde getrunken. Das Schenkenamt verwalteten Männer od. Dirnen; das Horn credenzte die Wirthin od. ihre Tochter. Frauen tranken beim Gastmahl mit einem Manne u. an den Trinkgelagen nahmen sie erst als Zuschauerinnen, dann als Mittrinkerinnen Theil. Das Minnetrinken war der Weihetrank für die Asen. Auf den kreisenden Bragibecher (Bragafull, s.u. Bragi) wurden feierliche Gelübde abgelegt. Neben dem Trinken waren Unterhaltung bei Gast geboten das Patronerwählen (Fulltrua), wobei man Wesen u. Dinge nannte, auf welche man sein besonderes Vertrauen setzte; das Aufzählen von Fertigkeiten (IÞottir), wobei sie prahlend von ihren Leibeskräften erzählten; der Tanz zur Harfe u. mit Gesang, das Bretspiel, später auch Schach.

Das geistige Leben äußerte sich in S. bes. in der Liebe zur Poesie; außer einer reichen Spruchdichtung, welche das ganze Leben umfaßte u. Gemeingut Aller war (s.u. Sprüchwort), findet sich dort schon früher eine sehr ausgebildete Dichtkunst, welche von den Skalden (s.d.) geübt wurde u. welche in der Dichtung lyrischer, bes. aber Lob- u. historischer Lieder bestand (Skaldengesang). Wie Loblieder auf geehrte Personen gesungen wurden, so machte sich die Rachsucht auch Luft in Neid- u. Spottliedern auf verhaßte. Außerdem gab es wissenschaftliche Gedichte, historische Erzählungen (Sagas), Reisebeschreibungen etc., s.u. Altnordische Literatur. Ihre Schrift waren Runen (s.d.). Die Heilkunst gehörte eigentlich in das Gebiet der Religion, indem sie durch Gebet u. Beschwörungen,[159] durch Opfer u. sinnbildliche Handlungen, durch Anwendung geweihter Kräuter u. Steine geübt wurde; doch wurden gegen äußere Schäden auch äußerliche Mittel angewendet, u. schon im 10. Jahrh. kommen einzelne Wundärzte (Läknir) u. daneben im 18. Jahrb. auch Hebammen vor. Vorzüglich ausgebildet war im alten S. die Gesetzeskunde (s. Altnordische Literatur S. 374), mit deren Anwendung sich frühzeitig die Beredtsamkeit verband. Die Gesetze bestanden auch in Sprüchen, deren Kenntniß bei den Lagmännern (Lögmenn) war; sie hatten die höchste bürgerliche Würde u. waren bes. thätig bei den nachmaligen Sammlungen der Landschaftsgesetze. Neben ihnen gab es auch Privatleute, welche förmliche Schulen hielten, in welchen Eltern ihre Kinder im Rechte unterrichten ließen. Die Astronomie in ihren Anfängen war eine Wissenschaft, welche in manchen Geschlechtern forterbte; aus ihr ging zunächst die Zeiteintheilung hervor. Nach dem Mondwechsel faßten sie die Tage zu Wochen (Vikur) zusammen, die 7 Tage hießen: Sunnu-, Mana-, Tys-, Odins-, Þors-, Fria- u. Laugardagr; die Wochen zu Monaten, diese heißen vom October anfangend: Gormanudr (Schlachtmonat), Frermanudr (Frostmonat), Hrutmanudr (Widdermonat), Thorri (nach König Thorri von Goth- u. Finnland), Goi (nach Torri's Tochter), Sađtid (Saatzeit) od. Einmanuđr, Eggtid (Eierzeit), Solmanuđr (Sonnenmonat), Selmanuđr (Sommerhüttenbeziehungsmonat), Heyannir (Höant, Heumonat), Kornskurđarmanuđr (Schnittmonat), Haustmanuđr (Herbstmonat). Das Jahr theilten sie in Winter u. Sommer. Da aber jetzt nur 360 Tage herauskamen, so wurden 4 Schalttage od. Nächte (Ankanöttur) zugefügt, welche dem ritten Sommermonat beigegeben wurden; im 10. Jahrh. wurde endlich von dem Isländer Thorstein Surt in jedem siebenten Sommer noch eine Woche zuzufügen vorgeschlagen u. darnach endlich das Jahr auf 365 Tage festgesetzt mit Einfügung eines Tages in dem je vierten Jahre. Die Runenkalender sind erst in der christlichen Zeit angefertigt. Von den Künsten wurde die Baukunst am frühesten getrieben; der spitzige Giebel des germanischen Baues kommt auch in den Holzbauten des Nordens zuerst vor u. entwickelte sich an den hohen Hallen u. Göttertempeln; seit dem 11. Jahrh. führte man daneben größere Häuser in Stein u. im Rundbogenstyl aus; der Spitzbogenstyl bei steinernen Kirchen kommt seit Anfang des 14. Jahrh. vor. Neben der Baukunst wurde die Holzschnitzkunst geübt; solche Schnitzereien wurden an den Hochsitzsäulen, Thürpfosten u. Stühlen angebracht u. bestanden in Götter- u. Thierköpfen; an Decken- u. Wandgetäfel in ganzen Gruppen, welche auch bemalt waren; in den Tempelhöfen standen Götterbilder in ganzer Figur, in Lebensgröße od. kolossal, mit wirklichen Gewänden u. Gold u. Silber geschmückt, das Gesicht u. die andern nackten Theile bemalt; nachmals wurden auch die Kirchen mit solchen Schnitzereien geziert, namentlich die Thüren u. die Altarschreine. Außer dem Holz verwendete man Wallroßzähne zu Schnitzereien für Kästchen, Bretspielfiguren, kleine Götterbilder. Von Steinhauereien gibt es nur rohe Versuche in den Felsenbildern, welche indeß mehr geritzt als gehauen sind. Kunstarbeiten in Erz u. edeln Metallen zum Schmuck finden sich zwar in den germanischen Heidengräbern, sind aber keine einheimischen, sondern theils römische, theils byzantinische Erzeugnisse. Anfänge der Malerei finden sich hin u. wieder auf Schildern, auch die Färbung der geschnitzten Götterbilder gehört hierher; sonst aber ist dieser Theil der Kunst im Norden nicht zur Ausbildung gekommen.

Wer des Lebens Ende nicht in dem Kampfe fand, tödtete sich, um dem traurigen Alter zu entgehen, meist selbst; der Selbstmord galt für ehrenvoll, ihn wählten auch Männer u. Frauen nach dem Verlust geliebter Angehörigen od. um einem schmachvollen Zustande zu entgehen. Eine besondere Art des Selbstmordes war von einem Felsen hinab ins Meer zu springen. War Einer gestorben, so wurden ihm von den nächsten Anverwandten Augen, Nase u. Mund zugedrückt, der Kopf umhüllt u. der ganze Leib mit einem Tuche bedeckt. Gewöhnliche Leute wurden begraben, wo sie starben; Vornehme wurden mit Processionen bestattet. Zunächst durfte die Leiche dessen, welcher im Hause gestorben war, nicht durch die Thür getragen, sondern mußte durch eine besondere Öffnung in der Wand hinausgeschafft werden. Bei den Küstenbewohnern war es gewöhnlich die Leiche auf einen Nachen zu legen u. den Wogen zu übergeben. Bei andern wurden die Leichen verbrannt; auf den Scheiterhaufen wurden der vollständig bekleideten u. namentlich beschuheten Leiche die Waffen, allerhand Schmuck, Hausgeräth u. bes. Geld mitgegeben, dazu das Leibroß u. der Leibhund, wie auch die treue Gattin u. der Knecht sich mit verbrannten. Der Leichenbrand geschah entweder auf ebenem Platz, od. auf einem Wagen od. auf einem Schiff; in letzterem Falle sank die Asche in das Meer, in ersterem wurde sie in eine irdene Urne od. ein sonstiges Gefäß gesammelt u. entweder in die Erde vergraben od. ein Hügel darüber aufgeworfen, aus welchem in der Mitte ein od. mehre Steine (Bautasteinar) ragten; außerdem wurde der Hügel noch mit Steinen in verschiedenen Formen umlegt, nicht selten in der eines Schiffes. Es gab auch Grabstätten, wo mehre eines Geschlechts beigesetzt waren (Ätthaugar). Das Verbrennen der Leichen war bes. in Schweden u. Norwegen üblich, in Dänemark u. Island wurden die Leichen unverbrannt begraben; in Norwegen kam diese Bestattungsweise seit dem 9. Jahrh. auch auf, in Schweden geschah dies seltener. Dabei wurden die Leichen entweder unmittelbar mit Erde u. Stein bedeckt, od. ein kunstloser Steinbau über denselben aufgeführt u. dann überhügelt, od. eine förmliche Steinkammer erbaut; da letztere Art viel Zeit erforderte, die Bestattungen der Leichen aber bald nach dem erfolgten Tode stattfanden, so ließen sich Manche schon bei Lebzeiten ihre Grabkammern bauen. Solche Kammern finden sich bes. in Norwegen u. auf Island. Nach der Bestattung wurde von dem Erben ein feierliches Gelag (Erfisöl) gegeben, wobei der Hochsitz leer stand u. der Erbe am Fuße desselben auf einem Schemel saß; war der Erbe unmündig, so gab sein Vormund das Erfisöl; war Einer erschlagen worden, so wurde es erst, nachdem die Blutrache geübt worden war, ausgerichtet; wenn es, wie bei Königen, großer Vorbereitungen dazu bedurfte, so fand es zuweilen erst Jahre lang nach dem Todfalle statt. Vgl Weinhold, Skandinavisches Leben, Lpz. 1856.

Die Gemeinsamkeit der Sprache, der Religion u. des Lebens blieb lange ein Band, welches die Skandinavischen Germanen zusammenhielt. Sie machten[160] früher gemeinsame Heerzüge u. waren oft durch gemeinsame Herrscher verbunden (s.u. Normannen). Zu gleicher Zeit, u. zwar spät, erhielten sie in ihrer abgeschlossenen Lage die Civilisation, zu gleicher Zeit nahmen sie das Christenthum u. später die Reformation an. Nur mit den Deutschen in unmittelbarer Verbindung stehend, entwickelten die Skandinavier den germanischen Charakter in seiner Reinheit u. erhielten sich ohne alle Völkermischung. Sie besitzen daher alle Grundzüge des deutschen Charakters, unterscheiden sich aber von den Deutschen durch ihre Thatkraft, welche der stete Kampf mit der Natur erzeugte, während die geistige tiefdenkende Thätigkeit der Deutschen ihnen abgeht; der Norwege ist stolz u. freimüthig, der Schwede sanft, mittheilend u. gesellig, der. Däne, durch die Abstammung ein Skandinavier, durch die Bildung ein Deutscher, bildet den Übergang zwischen dem Deutschen u. Skandinavier. Der karge Boden trieb die schon früh durch die Lage ihres Landes auf die See hingewiesenen Bewohner zum Theil aus ihrem Vaterlande, u. so ergossen sich die Normannen über ganz Europa; allein sie gründeten keine Colonien, sondern suchten nur Ruhm u. Beute, blieben mit dem Vaterlande in keiner Verbindung, noch weniger wirkten sie darauf zurück u. verloren, da sie nur kleine Schaaren bildeten, in den eroberten Ländern gar bald ihre Sprache u. ihren Volkscharakter. Die günstigste Lage zur Schifffahrt hat Dänemark, u. zwar bes. auf der Ostsee; nur hier gelang es dauerndere Eroberungen zu machen, u. auf dieses Meer ist auch die Zukunft der skandinavischen Entwickelung gewiesen.

In ältester Zeit war S. in eine Menge kleinere Reiche getheilt. Unruhe, Luft an Abenteuern, Habsucht trieben die Fürsten in Kriege mit dem Ausland; sie fanden dazu unter den beschäftigungslosen Edeln des Landes leicht Genossen (s. oben) Das Christenthum hob das kriegerische Verhältniß S-s zu der übrigen Welt auf; allein das so lange nach Außen gerichtete Übel warf sich nach Innen u. erzeugte Bürgerkriege. Aus diesen gingen in den drei Ländern drei Königreiche hervor, u. von jetzt an entwickelte sich unter dem Einflusse der Kirche der Volkscharakter derselben immer entschiedener. Das ebene, im Innern wenig gegliederte, fruchtbare, durch die Nähe Deutschlands schneller civilisirte Dänemark gewann bald innere Einheit, feste Macht u. größere Bedeutung nach Außen. Allein das Lehnswesen kam bald auf u. es bildete sich die entschiedenste Adelsherrschaft aus; der Adel riß allen Grundbesitz an sich u. machte die Bauern zu Leibeigenen. Einen freien Bürgerstand gab es nicht. Der Adel herrschte übermüthig u. beraubte den Thron aller Mittel u. aller Kraft; der Volksaufstand von 1660 brach seine Macht, ohne die Volksfreiheit herstellen zu können; auf den Trümmern der Adelsherrschaft erhob sich die absolute Monarchie. Die Leibeigenschaft begann erst gegen Ende des 18. Jahrh. durch Bernstorff abgeschafft zu werden; ihre lange Dauer erklärt, warum Dänemark aus seinem fruchtbaren Boden u. der glücklichen commerziellen Lage so wenige Vortheile zog. Norwegen ist von Schweden durch Gebirge u. Wüsten getrennt, mit Dänemark durch das Meer verbunden; daher ist sein Geschick so lange mit dem des letztern verbunden gewesen. Im Innern zeigt es einen Gegensatz in der einsamen Stille der isolirten Thäler u. der stürmischen Wildheit der Klippenküsten; derselbe Gegensatz spiegelt sich in dem Charakter u. der Geschichte des Volkes: früher wilde Seeräuber, jetzt friedliche Bewohner, im Süden Hirten u. Bergleute, im Westen Fischer u. Seefahrer. Die große Zerstückelung in isolirte Thäler u. das dadurch bedingte Hofsystem machte das Land schwach u. ließ keinen Gemeingeist u. keine Widerstandsfähigkeit gedeihen, u. da alle das Bedürfniß mit der See verband, so kam Norwegen ebenfalls früh zur Einheit unter Einem Herrscher; allein dieselben Verhältnisse hinderten es an einem kräftigen Widerstande gegen fremde Eroberer, u. so büßte es bis in die neueste Zeit seine politische Unabhängigkeit ein. Die Volksfreiheit jedoch gedieh; das Lehnswesen fand keinen Eingang; großer Gutsbesitz u. Leibeigenschaft wurde schon durch die Natur des Landes unmöglich gemacht; der Adel verlor sich allmälig; es blieb nur ein freier unabhängiger Bauernstand. Schweden zeigt wie in der Bodengestaltung, so auch in der politischen Entwickelung eine Mittelstellung zwischen Dänemark u. Norwegen. Der Theil südlich von dem Dalelf ist altangebaut, derjenige nördlich von ihm neuangesiedelt; dort fand das Lehnswesen Eingang u. bildete sich ein Adel, welcher den ackerbauenden Bauer unterdrückte; hier war der Landmann, welcher nicht Hirte u. Bergmann war, frei u. erhielt auch im südlichen Theile das Recht des Landmannes gegen den Adel u. rettete die Volksfreiheit (Dalekarlier); Schweden hat einen Adel u. einen freien Bauernstand. Die ländliche Freiheit machte Schweden stark u. befestigte die politische Unabhängigkeit, so daß Schweden nach u. nach Dänemarks Macht im Norden verdrängte u. zuweilen selbst erobernd auftrat, wobei die Bauern die Heere bildeten. In geistiger Bildung steht der Schwede gegen den Dänen u. Norweger zurück; überhaupt ist die Theilnahme des Volkes an geistiger Bewegung gering.

Die nahen Beziehungen der drei Skandinavischen Reiche zu einander machten sich früh geltend u. zwar zuerst als kriegerische. Die erstarkte Kriegsgewalt strebte nach Unterjochung der schwächeren Völker. Hierbei war es namentlich Dänemark, welches gegen die anderen erobernd auftrat, Norwegen war stets eine leichte Beute. Schweden bewahrte seine Unabhängigkeit. 1397 vereinigte die Kalmarer Union die drei Reiche zu einem Ganzen, doch so, daß jedes seine besondere Verwaltung hatte. Allein selbst diese lose Form bestand nicht vor der alten Eifersucht der Völker u. vor der Größe u. Verschiedenheit der drei Reiche. Die Aristokratie Schwedens, welche in allen drei Reichen Besitzungen u. Familienverbindungen hatte, begünstigte sie, in der Hoffnung gegen den freien Bauer geschützt u. bevorrechtet zu werden; allein die verschiedenartige Lage des Landmanns in Dänemark u. Schweden hinderte deren Befestigung auf längere Dauer; sie ging vollends zu Grunde durch den Blutdurst u. die Zaghaftigkeit Christians II. (1523). Schweden sagte sich los; Schonen jedoch, welches seiner Natur nach ganz zu Dänemark gehört, verblieb bei diesem Reiche; erst unter Karl X. Gustav von Schweden, welcher den Plan hatte die Dänische Monarchie zu zerstören, verlor Dänemark durch den Frieden von Roeskilde (1658) alle seine Besitzungen jenseit des Sundes. Der Versuch, 1809 die Union wieder herzustellen, scheiterte an dem Widerwillen der freien schwedischen Nation[161] gegen das absolute Königthum Dänemarks; 1813 nahm der Kronprinz Karl Johann von Schweden selbst den Plan Karls X. wieder auf; 1814 sagte sich auch Norwegen von Dänemark los u. trat als ein selbständiges Königreich in Personalunion mit Schweden. Die Lostrennung Norwegens, bei welcher zwar Dänemark viel verlor, aber Schweden nichts gewann, entzündete den alten Volkshaß zwischen Dänemark u. Schweden von Neuem. Allein die gemeinsame Grundlage des skandinavischen Stammes näherte die Völker einander wieder. Der germanische Charakter des Volks, der germanische Geist der Kunst, Literatur u. Wissenschaften, die Sprach- u. Alterthumsforschungen erweckten zuerst die Idee der skandinavischen Einheit. Schweden ging voran. Hier wich zu Anfang des 19. Jahrh. die Nachahmung der Französischen Literatur dem Einflusse der deutschen. Die Koryphäen der Schwedischen Literatur (Geijer, Tegnér, Ling etc.) stifteten 1811 in Stockholm den Gothischen Bund, welcher durch Erforschung des Nordischen Alterthums u. der Nordischen Mythologie, durch Sammeln u. Herausgeben alter Volkslieder u. Behandlung vaterländischer Stoffe in Poesie u. Prosa den schwedischen Vaterlandssinn förderte (s.u. Schwedische Literatur S. 573). Auch in Dänemark gewann die Literatur diese Richtung (Öhlenschläger, Münter, Petersen etc.). Auch verfolgten die Gelehrten der drei Reiche den Plan eine sprachliche u. damit eine literarische Einheit zu schaffen: es wurden Wörter aus dem Schwedischen in das Dänische, aus dem Norwegischen in das Schwedische übertragen; in der Altnordischen Sprache (s.u. Germanische Sprachen I. u. Altnordische Literatur), der Mutter der Sprachen in den drei Reichen, suchte man Stoff zu neuen gemeinsamen Bildungen. Selbst die Orthographie suchte man zu ändern u. in Einklang zu bringen, u. in Dänemark begann man, wie schon früher in Schweden, statt mit den allen deutschen, mit lateinischen Lettern zu drucken. Die Bestrebungen der Wissenschaft drangen bald in das Volk. Auf diese Weise wurden die Völker der nahen Stammverwandtschaft sich bewußt, u. wenn auch die ältere Generation, welche in den Zeiten des Hasses gelebt u. gewirkt hatte, die Idee der Einheit nur zum Theil aufnahm, so that dies in um so höherem Grade die Jugend. Die Zeitschrift Brage og Idun (herausgeg. von Barfod, s.d.) wurde die Trägerin dieser Idee, Professoren u. Studenten der drei Reiche kamen häufig zusammen, um die Idee der Einheit zu befördern, so zuerst 1843 in Upsala, dann 1845 in Kopenhagen, wo das Fest eine politische Bedeutung erhielt. Denn es lagen dem Skandinaventhum (Skandinavismus) auch politische Tendenzen zu Grunde, bes. gegen das Ausland Zunächst war dasselbe gegen Rußland gerichtet. Dieses hatte alten schwedischen Grund u. Boden (Esthland, Livland u. Finnland) erobert, auf schwedischem Lande seine Hauptstadt erbaut u. seine Macht aufgerichtet. Schweden verlor, bes. durch Finnland, mehr als es durch Norwegen gewann, nämlich das Holz für seine Eisenwerke u. Schiffe, die Weiden für Schlachtvieh u. Pferde, noch mehr aber verlor es an seiner militärischen Stärke. Durch diese Erwerbungen hatte Rußland eine ungeheuere Macht an der Ostsee gewonnen, es machte dieselbe auch immer mehr geltend, u. um verschiedener persönlichen Interessen willen schlossen sich die Höfe von Schweden u. Dänemark eng an Rußland an, so daß man in jenen Ländern um die politische Unabhängigkeit besorgt wurde. Dies u. die Erinnerung an Finnland stimmte das Skandinaventhum feindselig gegen Rußland, u. man brachte häufig selbst die Wiedereroberungen Finnlands, dessen Bewohner stets zu Schweden gehalten hatte u. dessen Jugend sich zum Theil an der skandinavischen Bewegung betheiligte, in Anregung. Aber auch gegen Deutschland richtete sich das Skandinaventhum, u. hier war es bes. Dänemark, welches in seinem Verhältnisse Schleswig u. Holstein die Veranlassung gab u. die Idee ausbeutete.

Schleswig u. Holstein ragen als deutsche Halbinsel in das Meer hinaus u. trennen die beiden deutschen Küstenstrecken an der Nord- u. Ostsee, welche beide an u. für sich schwach u. unbedeutend sind, aber in Verbindung mit Schleswig u. Holstein ein großes u. starkes Ganzes bilden, welches Deutschland einen Anspruch auf das Meer sichert. Allein Schleswig u. Holstein schließen nicht blos Deutschland ab, sie bilden vielmehr mit der Fortsetzung der Halbinsel den Übergang von Deutschland zu S. Daher standen sie seit den ältesten Zeiten in vielfacher Wechselbeziehung mit S., bes. mit Dänemark u. sind seit 1460 mit dem letztern durch Personalunion aus freier Wahl vereint; rechtlich haben sie eine von Dänemark gesonderte gemeinsame Verwaltung u. vererben im Mannsstamme, so daß sie selbständig werden, sobald die weibliche Linie den dänischen Thron besteigt. Dänemark ist nun, da es Seestaat ist u. als solcher große materielle Hülfsquellen bedarf, nicht im Stande ohne die Herzogthümer sich zu erhalten. Da nun Dänemark den Sund, den Schlüssel zur Ostsee, inne hat, aber nicht so viel Macht besitzt diese seine günstige Lage zum Nachtheile der übrigen Völker u. zur gewaltsamen Störung des Handels auszubeuten, so liegt es auch im Interesse aller großen Mächte Dänemark in seinem jetzigen Bestande zu erhalten. Denn bei noch größerer Schwächung würde es keiner Macht widerstehen können, sondern der ersten besten anheimfallen u. dieser damit ein mächtiges Übergewicht verschaffen. Auf diese Weise würde der Besitz Dänemarks ein steter Zankapfel sein, wie der Kampf um den Einfluß auf dasselbe schon bisher zu allen Zeiten die Diplomatie beschäftigte. Noch mehr aber: Schleswig u. Holstein überragen Dänemark an Schifffahrt u. Handel, an Energie u. Reichthum der Bewohner; bes. aber durch seine Lage. Schleswig u. Holstein bieten nicht nur die Möglichkeit eines Kanals dar, welcher den Sund umgehen u. Dänemark eine bedeutende Einnahmequelle abschneiden würde, sondern sie beherrschen auch, wenn sie frei u. im Besitze einer Flotte sind, die Verbindung zwischen den Inseln u. Jütland u. macht es sehr schwer die Macht des Königreichs auf einem Punkte zu concentriren, wodurch bei einem Kriege Jütland einem Augriffe der Herzogthümer erliegen müßte. Dänemarks Macht u. Bedeutung würde daher bei einer Lostrennung Schleswigs u. Holsteins an diese u. mit diesen an Deutschland fallen. Diese so eigenthümliche Lage war die Ursache eines langen erbitterten Streites. Schon lange suchte die dänische Politik die Herzogthümer dem Dänischen Reiche einzuverleiben, so 1721, 1773, 1806 etc. Als diese Versuche mißlangen, wurden Danisirungsmaßregeln ergriffen (s.u. Schleswig S. 258). Die Bewegung von 1830 rief in Dänemark eine liberale Opposition,[162] das sogenannte Junge Dänemark (Hage, David, Tscherning, Orla Lehmann u. And.) hervor; dieselbe wirkte vornehmlich in dem Preßfreiheitsverein u. bildete darin 1836 unter der Führung von Orla Lehmann, indem sie das vereinte S. zu ihrem Wahlspruche machte, eine neue Partei. Ohne die Herzogthümer wäre nun Dänemark dem vereinten S. nur eine Last gewesen. Das Princip der Nationalität verbot dem Jungen Dänemark die absolute Einheit Holsteins mit Dänemark zu fordern, um so mehr glaubte es aber Anspruch auf das gemischte, aber überwiegend deutsche Schleswig, in welchem die Dänen noch dazu nur die unfruchtbare Haide bewohnen, zu haben. Dieses von Holstein zu trennen u. dem Skandinavischen Bunde zuzubringen war der Zweck der Dänisch-skandinavischen Partei, deren Grundsatz war, daß Dänemark bis zur Eider reiche (Eiderdänen), denen gegenüber die Partei des Gesammtstaates, welche das Dänische Reich bis zur Elbe ausdehnt, auch Holstein der dänischen Dynastie erhalten will u. deshalb bis zu einem gewissen Grade die Verbindung zwischen Schleswig u. Holstein anerkennt. Die Regierung machte die Bestrebungen der Eiderdänen hinsichtlich Schleswigs bis zu einem gewissen Grade zu der ihrigen u. erneuerte seit 1840 ihre Danisirungsmaßregeln. Die Eiderdänen stifteten 1843 die Skandinavische Gesellschaft (Monrad, Clausen, Schouw, Orla Lehmann u.a.), welche das Skandinaventhum u. mit demselben die Danisirung Schleswigs sich zum Ziel setzte. Im October 1844 nahm die Ständeversammlung in Roeskilde den Antrag von Algreen-Ussing, daß Dänemark nebst den Herzogthümern ein einziger untheilbarer Staat sei, einstimmig an; am 8. Juli 1846 erschien der Offene Brief, welcher Schleswig u. einen Theil von Holstein für untrennbar mit Dänemark verbunden erklärte. Mit dem Regierungsantritt Friedrichs VII. 1848 erhob sich rasch die radicale Eiderdänenpartei, deren Pläne durch den Ausbruch der Französischen u. Deutschen Revolution noch gefördert wurden, u. kam aus Ruder (Casinoministerium). Das Erste, was die neue Regierung unternahm, waren die Rüstungen zur Eroberung Schleswigs, wodurch sie Schleswig u. Holstein zum Widerstande trieb u. den Krieg während der Jahre 1848–1850 hervorrief (s. Schleswig, Holstein u. Lauenburg S. 258). Die für sie günstige Darstellung des Sachverhaltes von Seiten der Dänen u. die Bemühungen Rußlands, so sehr letzteres auch dem Skandinavismus feind ist, trieben in diesem Kriege auch Schweden zu einer feindseligen Haltung gegen Deutschland. Der Deutsche Bund schloß mit Dänemark Frieden auf Grund der sogenannten Unabhängigkeit Schleswigs, u. das Londoner Protokoll endlich gab die Erbfolge der Augustenburger Preis u. garantirte den Gesammtstaat, s.u. Schleswig u. Holstein. Der Plan der Eiderdänen war somit vereitelt. Die dänische Partei hat dem Skandinavismus den schlimmsten Dienst geleistet; sie schloß sich an die Mächte an, welche eine Vereinigung der drei Reiche um jeden Preis hindern müssen, gegen Deutschland, welches dessen natürlicher Bundesgenosse ist. S. u. Deutschland im Bunde können Herren der Ostsee werden u., indem sie sich als See- u. Landmächte ergänzen, Rußlands Einfluß u. Macht verdrängen. Allein, wie jetzt die Sachen stehen, ist an einen solchen Bund nicht zu denken; aber es ist auch noch kein Schritt geschehen, die skandinavische Idee, die Einigung der drei Reiche hinsichtlich der Gesetzgebung u. Rechtsverfassung, des Handels etc. ins Leben zu führen, obgleich die skandinavischen Studenten ihre Versammlungen immer noch jährlich in einem der drei Reiche halten (die letzte war 1862 in Dänemark) u. die Idee des Skandinavismus nun auch in dem Hause Bernadotte Eingang gefunden hat.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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