Speyer [1]

Speyer [1]

Speyer (Speier), 1) sonst Bisthum, 28 QM., 55,000 Ew., 300,000 Gulden Cinkünfte. Durch den Revolutionskrieg kamen 121/2 QM. auf dem linken Rheinufer an Frankreich, später an Baiern,[532] der Rest auf dem rechten, mit der Residenz Bruchsel, 1802 an Baden. Wappen: im ersten u. vierten Quartier ein silbernes Kreuz in Blau, im zweiten u. dritten ein silbernes dreithürmiges Castell mit schwarzen Mauerstrichen, schräg liegendem Prälatenstabe u. goldner Krone darüber; 2) Verwaltungsdistrict im baierschen Kreise Pfalz, 6,16 QM., 50,700 Ew.; zwei Landgerichte; 3) Landgericht hier, 2,75 QM., 24,000 Ew.; 4) Hauptstadt darin, am Einfluß des Speyerbachs in den Rhein, u. durch eine Zweigbahn nach Schifferstadt mit der Pfälzischen Ludwigsbahn (Ludwigshafen-Bexbach) verbunden; Sitz der Kreisregierung, eines katholischen Bisthums u. Domcapitels, eines protestantischen Consistoriums, des Bezirksamtes, der Verwaltung der Berg- u. Hüttenwerke, eines Hauptzoll- u. Hallamtes etc.; hat drei katholische (darunter den Dom) u. zwei lutherische Kirchen, Frauenkloster, Priester- u. Schullehrerseminar, Gymnasium, Bergwerksschule, Waisenhaus, Hospital, historischen Verein für Rheinbaiern (s.u. Alterthumsvereine D) h). Merkwürdig ist der Dom, 1030 gegründet, im Rundbogenstyl von rothen Sandsteinquadern aufgeführt, mit vier Thürmen, 1061 zum Gottesdienst eingeweiht, vollendet 1697, dessen Königschor die Grabstätte von acht Kaisern (Konrad II, Heinrich III, IV. u. V., Rudolf I., Adolf von Nassau, Albrecht von Österreich u. Philipp von Schwaben) u. drei Kaiserinnen war; er wurde 1689 von den Franzosen größtentheils zerstört, erst 1772–81 wieder aufgebaut, aber 1794 abermals verwüstet u. in ein Heumagazin verwandelt, dann 1821 u. 22 wieder hergestellt, auch die beiden vorderen Thürme u. ein Portal neuerdings aufgebaut; das Innere ließ König Ludwig 1846–53 mit Fresken u. Ornamenten von Schraudolph, Koch u. Schwarzmann u. 1844 mit dem Sarkophag Rudolfs von Habsburg (von Schwanthaler), so wie Herzog Wilhelm I. von Nassau 1824 mit dem Sarkophag des Kaisers Adolf (von Ohmacht) ausschmücken: auch zieren hier seit 1858 die Standbilder der acht Kaiser (von Fernkorn u. Dietrich), Geschenk des österreichischen Kaisers Franz Joseph, die sogenannte Kaiserhalle; die unterirdische Kirche stützen massive niedrige Säulen. Aus ältester Zeit stammen noch: das Altpörtel (Alta porta), bereits 1246 erwähnt, nun Stadtthurm, u. Überreste des Retscher, des alten Kaiserpalastes, worin die Evangelischen Stände 1529 die Protestation übergaben; die Antikenhalle in den Anlagen um den Dom enthält die in der Rheinpfalz gefundenen römischen Alterthümer. S. hat eine große Baumschule mit Botanischem Garten, Buntpapier- u. Cigarrenfabriken, Gerbereien u. Essigsiedereien, Handel u. Schifffahrt; 10,000 Ew., darunter 3700 Katholiken. – S. hieß in der gallischen Zeit Noviomagus, in der römischen Augusta Nemetum od. Nemetae, seit dem 7. Jahrh. Spira Um 30 v. Chr. eroberten es die Römer u. befestigten es. Ihnen entrissen es 406 n. Chr. die Alemannen, unter welchen es 450 von den Hunnen schrecklich heimgesucht wurde. Unter den fränkischen Königen, bes. aber unter den Salischen u. Hohenstaufischen Kaisern hob sich die Stadt ungemein, welche Letztere hier einen Palast hatten u. die Stadt häufig zum Hauptaufenthalt wählten. Konrad II. gründete 1030 den Dom (s. oben). Die von Heinrich V. 1111 ihr verliehenen Freiheiten erweiterte Friedrich Barbarossa; S. wurde freie Reichsstadt. 1129 wurde es durch Kaiser Lothar II. belagert. 1330 suchte der benachbarte Landadel, mit den Patriciern der Stadt verbunden, die Stadt zu überrumpeln, was jedoch vereitelt wurde. Eben so wurde später der Verrath der Bischöfe Adolf u. Hrabanus vereitelt. Als Sitz des Reichskammergerichts, welches 1495 von Maximilian I. gegründet, 1513 nach S. verlegt wurde u. seitdem, obwohl es mehrmals temporär von da wegging, bis 1689, wo S. verbrannt u. das Reichskammergericht verlegt wurde (1693 für immer nach Wetzlar), seinen Sitz in S. hatte, erhielt es großen Ruf. Viele Reichstage wurden hier gehalten, so im Juni 1526, wo die evangelischen Fürsten u. Stände zuerst mit Entschiedenheit als Bekenner ihres Glaubens auftraten; bes. berühmt ist der im März 1529, auf welchem der Name Protestanten entstand (s. Reformation S. 913); dann im Febr. 1542, wo dem Kaiser die Türkenhülfe bewilligt u. von diesem der Fortbestand des Nürnberger Friedens bis zur Abhaltung eines Geneneralconcils zugesagt wurde; 1601 Zusammenkunft der protestantischen Stände (s.u. Deutschland, S. 54). 1632 wurde S. durch die Schweden besetzt. 1688 wurde S. durch Capitulation an die Franzosen übergeben, 31. Mai 1589 aber mußten sie S. beim Anrücken der Alliirten wieder räumen. Zuvor wurden die Werke geschleist, die Stadt verbrannt, der Archive u. Depositen beraubt, den Einwohnern jedoch gestattet sich auf französischem Gebiet anzusiedeln, wo sie das erste Jahr Unterhalt, die nächsten 10 Jahre aber Freiheit von Abgaben erhalten sollten. Hierbei wurde der Dom zerstört u. die Gräber beraubt, die Gebeine unter einander geworfen u. mit den Kaiserköpfen Kegel geschoben. Die Stadt, in welcher nur das Altpörtel verschont blieb, wurde zwar wieder aufgebaut, konnte sich aber zu dem alten Wohlstand nie wieder erheben. 1793 wurde S. von den Franzosen wiederbesetzt, gehörte 1801–14 zu Frankreich u. wurde Hauptstadt des Departements Donnersberg, kam aber 1815 an Baiern. Vgl. Remling, Geschichte der Bischöfe zu S., Mainz 1852 ff., 2 Bde; Urkundenbuch dazu, ebd. 1852 ff., 2 Bde.; Geschichte u. Beschreibung von S., Heidelb. 1817; Zeuß, Die freie Reichsstadt S. vor ihrer Zerstörung, Speyer 1843; A. Jung, Geschichte des Reichstags zu S. im Jahre 1529, Strasb. 1830; Geissel, Der Kaiserdom zu S., Mainz 1826–28, 2 Bde.; König, Geschichte der Domkirche zu S. vom Jahre 1030- 1834, Manh. 1835; Der Kaiserdom in S. u. seine Gemälde, Speyer 1859; Blaul, Der Kaiserdom zu S., Neustadt a. d.h. 1860; Remling, Der Speyerer Dom, Mainz 1861; Derselbe, Der Retscher in S., urkundlich erläutert, Speyer 1858.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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