Spirallinie

Spirallinie

Spirallinie (v. lat.), wenn sich eine gerade od. krumme Linie nach einerlei Richtung um einen festen Punkt bewegt, dabei aber jeden Augenblick gleichmäßig so ab- u. zunimmt, daß ihre Länge mit dem von ihr zurückgelegten Wege in einem gegebenen gesetzlichen Zusammenhange steht, so heißt der von ihrem veränderlichen Endpunkte zurückgelegte Weg eine Spirale, die bewegte Linie aber für jede Lage der Vector des ihr zugehörigen Punktes in der S. Da die Zahl der Umläufe der bewegten Linie unbegrenzt ist, so kann keine S. eine in sich selbst zurückkehrende Curve sein; auch muß sie stets zwei einander symmetrisch gleiche Zweige haben, weil die Bewegung der Linie nach zwei entgegengesetzten Richtungen Statt finden kann. Bewegt sich die Linie in derselben Ebene, so ist die S. eine ebene Curve. Bewegt sich aber eine gerade Linie im Raume, so daß sie mit einer durch ihren festen Anfangspunkt gehenden Achse immer den gleichen Winkel bildet, so beschreibt ihr veränderlicher Endpunkt, wenn die totale Länge endlich ist, eine S. auf der Oberfläche eines Kegels (konische S.); ist jedoch die ursprüngliche Länge der sich drehenden Linie unendlich groß, die Veränderungen ihrer Länge dagegen endlich, so beschreibt ihr Endpunkt eine S. auf der Oberfläche eines Cylinders (cylindrische[570] S.). Bewegt sich dagegen ein elliptischer von einer der Achsen begrenzter Bogen um diese Achse u. ändert dabei gesetzlich seine Länge, so liegt die S. auf der Oberfläche eines Sphäroids u. wird eine sphäroidische od., wenn die Ellipse ein Kreis ist, sphärische S. genannt. Auf der Oberfläche eines Konoids aber liegt die S., wenn die sich bewegende Linie eine Parabel od. Hyperbel ist u. die Drehungsachse zugleich die Achse dieser Kegelschnitte ist. Die Archimedische S. ist diejenige ebene S., in welcher jeder Vector (r) sich zu einergegebenen Linie (a) verhält, wie der Winkel (φ), welchen jener Vector mit einer festen Anfangslinie einschließt, zu vier rechten Winkeln. Gewöhnlich nimmt man als die Einheit, nach welcher der Winkel φ gemessen wird, 2 π an, so daß φ ausdrückt, wie. viele ganze Umdrehungen od. den wievielten Theil einer solchen der Vector gemacht hat. Dann ist die Gleichung der Archimedischen S. r = a φ. Sie wird von jeder durch den Drehungsmittelpunkt gehenden Geraden in unzählig vielen Punkten geschnitten, unter denen jeder vom nächstfolgenden im Abstand 2 a π steht. Diejenige S., worin sich die Vectoren wie die Quadratwurzeln ihrer Drehungsgrößen verhalten, heißt die Fermatsche S., weil Fermat diese naher untersucht hat. Ihre Gleichung ist r2 = a2 φ. Bes. merkwürdig u. am vielfältigsten betrachtet sind unter den ebenen Spiralen die logarithmischen, d.h. diejenigen, deren Vectoren eine geometrische Reihe bilden, wenn die ihnen zugehörigen Winkel in arithmetischer Progression stehen. Alle Winkel, welche die Berührenden an einer solchen S. mit den Vectoren ihrer Berührungspunkte umschließen, sind einander gleich. Ist dieser unveränderliche Winkel = 1/2 R, so heißt die S. eine natürliche od. Semirectangula. Die Gleichung irgend einer logarithmischen S. ist = r = a e φ/m od. φ = m log. nat. r/a, der natürlichen r = a eΦ od. φ = log. nat. r/a, wo a die Basis des natürlichen Logarithmensystems ist u. m. die trigonometrische Tangente des Winkels, welchen die Tangente an der S. mit dem Vector bildet. Die Subtangente der logarithmischen S. ist m φ, die Subnormale Φ/m; für die natürliche sind beide = φ. Wenn sich die Vectoren einer S. umgekehrt verhalten, wie die Winkel derselben, wenn also für φ = 3/4, r = 4/3 a, für φ = 1/2; r = 2 a etc. ist, so heißt die Curve eine hyperbolische od. reciproke S. Ihre Gleichung ist mit Beibehaltung der früheren Bezeichnungen: r φ = a. Auch wird sie die umgekehrte Archimedische genannt. Ihre Subtangente ist constant = a. Die parabolische S.: r3 = a φ. Lituus der Cotes ist eine Spirale, welche nach beiden Seiten hin unendlich ist u. deren Abscissenachse Asymptote wird; ihre Gleichung ist: r2 φ = a. Der Archimedischen S. bedienten sich die Alten, um Winkel od. Kreisbogen in einem gegebenen Verhältnisse geometrisch zu theilen, was aber auf diesem Wege nur unvollkommen erreicht wird, da die S. nicht durch eine stetige Bewegung erzeugt werden kann. Die logarithmische S. ist die stereographische Projection der loxodromischen Linie der Seefahrer auf die Ebene des Äquators, wenn man die Erde als eine Kugel betrachtet, wobei auch der loxodromische Winkel derjenige ist, unter welchem die Vectoren die S. schneiden. Deshalb heißt diese S. auch Loxodromica plana. Dieselbe Curve ist im leeren Raume die Bahn eines Körpers, welcher nach einem Mittelpunkte der Kraft getrieben wird, die sich umgekehrt wie der Cubus des Abstandes von jenem Mittelpunkte verhält. Sie mag auch zu den Rinnen (Hauschlägen) auf den Mühlsteinen, bes. dem untern, dienen. Endlich werden die Flügel (Schaufeln) eines Ankers zum Widerstande auf das vortheilhafteste nach einer logarithmischen S. gekrümmt. Die Schraubengänge bilden cylindrische S. Die Archimedische S. hat Konon, ein Zeitgenosse des Archimedes, erdacht; Letzter aber hat ihre Eigenschaften in einer besonderen Schrift erforscht. Vgl. Brendel, De analogia lineae spiralis et parabolae, Götting. 1741. Die logarithmische S. hat zuerst Descartes (Gartesii Epist. P. I. epist. 73. 74) betrachtet; am meisten hat sich damit S. Jacob Bernoulli beschäftigt; über die hyperbolische S. hat zuerst Johann Bernoulli u. über die sphärische S. schon Pappus (Collect. mathem. IV, 30) Untersuchungen angestellt; besondere Abhandlungen über die S-n von Varignon in den Mém. de l'Acad, des Sciences, 1704; von Clairant, 1240; von Hausmann, Lpz. 1799; von F. I. E. Schulz, Königsb. 1800.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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