Stange [2]

Stange [2]

Stange (Gebißstange, Kanthare), ein Pferdezaum, durch welchen mit wenig Kraftaufwand eine große Kraftwirkung hervorgebracht werden kann, u. zwar um so mehr, je schiefer das Mundstück an sich, je länger der Hebel u. je reizender die Eindrücke der Kinnkette sind. Die Bestandtheile der S. sind: a) das Obergestell, der obere Theil der S., zu beiden Seiten des Mundstückes; in die länglichen Öffnungen desselben (Augen) werden die Strippen des Hauptgestelles eingeschnallt; auf der rechten Seite des Obergestelles befindet sich die Kinnkette an einem starken, fest zugebogenen Haken (Langglied), sie wird an der anderen Seite in den Kinnkettenhaken eingehängt; beide gehen durch eine Öffnung des Obergestelles (Seitenloch); b) das Mundstück, das Stück Eisen, welches in dem Maul des Pferdes wirklich liegt. Das Mundstück der S. ist nach dem verschiedenen Baue des Pferdemaules auf die verschiedenste Weise geformt. Pferde, welche einen flachen Kanal, eine dicke Zunge, niedere, fleischige Laden u. starke Lefzen haben, sind im Maul unempfindlicher u. bedürfen daher schärfere Mundstücke. Ein Mundstück ist aber scharf, wenn es dünn von Eisen u. eckig ist, in der Mitte kein Gelenk, sondern einen großen Bogen (Galgenbug) hat; gelind, wenn es dick von Eisen u. abgerundet ist, in der Mitte ein od. zwei Gelenke, auch Ringe hat u. wenn der Bogen flach ist. Je größer der Bogen in der Mitte des Mundstückes od. die Zungenfreiheit ist, um so mehr wirkt das Mundstück auf die Laden, sonst aber nur auf die fleischigen Theile. Nach der verschiedenen Form nennt man die [684] Mundstücke ein gekröpptes Mundstück, Galgenmundstück (Galgengebiß), Münchener (geschlossenes) Mundstück, gedrehtes Mundstück, Walzenmundstück, Posthorn- u. halbes Posthornmundstück etc. c) Das Untertheil od. die Bäume, welche entweder halbmondförmig, gerade od. gebogen sind; sie sind die Fortsetzung des Obertheiles der S., bilden mit demselben ein Eisenstück u. haben unten einen drehbaren Kloben, an welchem ein Ring befestigt ist, in welchen die Zügel eingeschnallt werden. Je länger der Untertheil u. je mehr er nach vorwärts gerichtet ist, um so mehr vermehrt er die Schärfe der S. S-n aber, welche vermöge ihres fehlerhaften Baues, od. weil das Obergestell ein zu großes Augenloch hat, od. sonst wegen Versehen an der Zäumung mehr nach hinten od. nach dem Pferde zu liegen, fallen durch (Durchfallen der S.), indem bei ihnen die Hebelkraft, da die Arme zu hoch in die Höhe kommen u. folglich nicht mehr so viel wirken, sich bedeutend vermindert u. daher die Wirkung der S. sich großentheils aufhebt. Zu weit nach vorn gerichtete S-n, vermehren die Hebelkraft zu sehr u. verletzen die Pferde leicht im Maul. In dem Umbug des Untertheiles befindet sich das Klobenloch, worin der Kloben des Zügelringes steckt. d) Die Kinnkette (s.d.) wird in dem Langgliede befestigt u. in die Kinnkettenhaken eingehakt. Das Lederwerk der S. muß mit Kehl- u. Nasenriemen versehen u. von gutem u. festem Leder gearbeitet sein Durch das Anziehen der Zügel wird nun, wenn die S. gehörig in den Zaum u. dieser in das Maul eingeschnallt ist, die Maschine in Bewegung gesetzt, u. die S. wirkt durch die Kraft des Hebels, welchen die Bäume bilden, u. durch die Länge u. Richtung derselben kann die Gewalt, welche auf das Pferdemaul ausgeübt wird, bis zu hohem Schmerz gesteigert werden. Man hat viele Arten S-n, so die polnische, ungarische, türkische, englische (Belbit od. Bridet zur Campagnereiterei sehr tauglich), die schwedische u. deutsche S. etc. Bei letzter unterscheidet man wieder mehre Unterarten, wie die Dessauer, Galgenstange etc. Der spanische Rittmeister I. Segundo erfand S-n, bei welchen statt der Trensen nur ein Trensenzügel in einem unmittelbar an dem eigentlichen Mundstück, nicht an den Bäumen, angebrachten Ring eingeschnallt wird, um im Nothfall, wenn ein Zügel reißt, noch den anderen anwenden zu können.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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