Säuferdyscrasie

Säuferdyscrasie

Säuferdyscrasie (Säuferkrankheit, Alkoholismus), Verunreinigung des Blutes mit Alkohol, welche bei höheren Graden der Trunkenheit nach Art der narkotischen Vergiftungen die Hirnfunctionen lähmt u. bei anhaltendem u. zur Gewohnheit gewordenem Genuß eines Übermaßes geistiger Getränke, der Trunkfälligkeit (Ebriositas), die sogar zu einer periodisch in Anfällen wiederkehrenden krankhaften Trunksucht (Dipsomania, Methymania) ausarten kann, die Blutbereitung dergestalt untergräbt, daß mit dauerndem Verderbniß des Blutes selbst eine Verkümmerung der wichtigeren Eingeweide (Hirn, Leber, Magen, Lunge, Herz) einhergeht. Die S. zeigt sich bes. bei Mißbrauch fuselhaltiger Branntweine neben weniger od. schlechter Nahrung u. Strapazen. Die S. äußert sich zuerst durch Appetitmangel, belegte Zunge u. Schleimbrechen, saures Aufstoßen; die Hautfarbe wird gelb u. schmutzigfahl, die Augenlider geröthet, Wangen u. Nase bläulich (später mit Kupferausschlag), der Gesichtsausdruck verstört, schläfrig od. mürrisch od. ganz verwildert, Nach u. nach treten Zeichen chronischer Entzündungen, Verhärtungen u. Entartungen bes. im Magen (mit Sodbrennen, Magenschmerzen, Blutbrechen u. dergl.), in der Leber, chronische Lungenkatarrhe, Entzündungen der Harnwerkzeuge, der Gelenke (Gicht), der Haut (Rose, Ausschläge), der Augen (Triefaugen) etc. ein. Endlich zeigen sich Erscheinungen des Ergriffenseins des Nervensystems, Zittern (Säuferzittern, Tremor potatorum), Muskelschwäche, blödsinniges Wesen, od. es stellen sich die periodischen Anfälle des Säuferwahnsinns (Zitterwahnsinn, Delirium potatorum, D. tremens) ein. Der Säuferwahnsinn kündigt sich gewöhnlich an durch Schlaflosigkeit, durch Sinnestäuschungen bei wachen Augen (Hallucinationes ebriosorum), bes. glaubt der Kranke von kleinen Thieren, Mäusen, Katzen, Schlangen, Spinnen etc. heimgesucht zu sein od. allerlei Lärm zu hören, es zeigt sich Irrereden, Geschwätzigkeit mit lallender, zitternder Zunge, Unruhe des ganzen Körpers, zuweilen auch tobsüchtige [957] Neigung zum Zertrümmern nebst Unempfindlichkeit gegen Schmerz u. Kälte. Bisweilen wird der Zustand von Fieberbewegung begleitet. Die Dauer des Säuferwahnsinns ist kurz, er endet nach 3–4 Tagen in einem tiefen ruhigen Schlaf, worauf dem Kranken keine Erinnerung an die Vorfälle bleibt, od. sie führt durch Gehirnerweichung, Schlagfluß od. Lungenödem zum Tode, od. es bleiben Geisteskrankheiten u. Lähmungen zurück. Häufig kehren derartige Anfälle wieder, u. da der unwiderstehlich gewordene Hang zum Sausen nicht leicht zu bewältigen ist, so ist bei der Wiederkehr die Aussicht auf einen weniger ungünstigen Ausgang benommen. Krankheiten aller Art verlaufen bei der S. schwerer, u. oft ist ein einfaches Wund- od. Schnupfenfieber hinreichende Todesursache, u. bei Cpidemien (Typhus, Cholera, Ruhr) sind Säufer am meisten gefährdet. Zur Heilung der S., wenn sie den Organismus noch nicht zu tief untergraben hat, reicht Entwöhnung des Branntweins meistentheils hin, wobei die Verdauung durch andere Mittel, durch Wein od. Bitterbier zu unterstützen ist. Um den Branntweingenuß zu verleiden, hat man denselben mit ekelerregenden Stoffen versetzt, od. verabreicht keine Speise u. kein Getränk, welchem nicht Schnaps zugesetzt wäre, u. erzeugt somit eine Übersättigung. Beim Säuferwahnsinn ist die Aufgabe, die Aufregung zu beschwichtigen u. Schlaf hervorzubringen, u. dazu dient Opium u. Morphium oft in sehr starken Gaben. Vgl. Barehausen, Beobachtungen über den Säuferwahnsinn, Brem. 1828; Leveillé, Hist. de la folie des ivronges, Par. 1831; Wiese, Das Delirium tremens, Quedlinb. 1835; Hoëgh-Guldberg, Comment de delirio tremente, Kop. 1836; C. Rösch, Mißbrauch der geistigen Getränke, Tüb. 1839; Prohaska, De morbis potatorum, Prag 1842; Blake, A pract. essay on the disease of delirium tremens, Lond. 1840; Roof, The horrors of delirium tremens, Lond. 1843; Römisch, De insania potatorum, Leipz. 1843; Werneyer, De delir. trem., Berl. 1845.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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