Thierische Wärme

Thierische Wärme

Thierische Wärme, die jedem lebenden thierischen Körper eigenthümliche durch die vitalen Vorgänge selbst erzeugte Wärme im Innern desselben. Jeder lebende Organismus hat in sich selbst eine Wärmequelle, aber der dabei resultirende Wärmegrad ist verschieden nach der Größe u. Natur der im Organismus stattfindenden chemischen Veränderungen. Selbst in mikroskopischen Thierformen besteht eine solche Wärmeentwickelung; man kann dies leicht beobachten, wenn man unter dem Mikroskop Wasser nach u. nach zum Gefrieren bringt; man sieht, daß die Tropfen, welche zuletzt fest werden, diejenigen sind, welche die Thierchen umgeben. Auch Pflanzen entwickeln Wärme, aber, mit Ausnahme der Periode des Keimens, so langsam u. geben dieselbe so leicht ab, daß ihre Temperatur die des umgebenden Mittels nicht od. nur wenig übersteigt; in dieser Beziehung gleichen sie den kaltblütigen Thieren. Der Unterschied der warmblütigen u. kaltblütigen Thiere beruht nur darin, daß erstere das Vermögen besitzen durch schnelle Wärmeerzeugung der Kälte zu widerstehen, d.h. den durch die Ausstrahlung verursachten Verlust an Wärme wieder zu ersetzen, während letzteren dieses Vermögen abgeht. Die Temperatur der warmblütigen Thiere ist daher unabhängig od. nur wenig abhängig von der des umgebenden Mittels, die der kaltblütigen ist stets wenig höher, oft sogar etwas niedriger als die äußere Temperatur. Die mittlere Temperatur des Menschen ist 36,5° C., u. zwar überall, wie groß od. gering auch die Wärme der umgebenden Luft sein mag; unter den Tropen u. in den Polargegenden schwankt sie nur sehr wenig; nach Garravet beträgt die Größe der Schwankung nur einen Grad. Selbst in sehr hohen Temperaturen, denen z.B. die Arbeiter in Eisengießereien, Gasanstalten u. ähnlichen Fabriken ausgesetzt sind, steigt die Körperwärme nicht merklich; geringe Schwankungen in der Blutwärme treten je nach Alter, Geschlecht, Nahrung u.a. Umständen ein; in der Kindheit ist im Allgemeinen die Temperatur höher als im Alter. Fische sind nur 1 od. 2° wärmer als das Wasser; ebenso ist die Wärme der Amphibien wenig höher als die des umgebenden Mittels. Vögel haben eine T. W. von 40–42°, Hunde ungefähr 38°, der Narwall 35,5° C. Interessant ist die von Edwards ermittelte Thatsache, daß manche junge Thiere von den erwachsenen weniger durch den Wärmegrad, welchen sie erreichen, unterschieden sind, als durch den Mangel des Vermögens der Kälte durch schnelle Wärmeerzeugung zu widerstehen; Edwards beobachtete z.B., daß ein neugeborenes Hündchen von seiner Mutter entfernt schnell kalt wurde, bis es nur 1–11/2° wärmer als die umgebende Luft war; dasselbe fand sich bei jungen Kaninchen u. Katzen, ein junges Meerschweinchen zeigte diese Eigenthümlichkeit nicht. Manche warmblütigen Thiere kommen sonach kaltblütig auf die Welt u. zwar findet man, daß diese sämmtlich mit geschlossenen Augen geboren werden; nach etwa 14 Tagen hat ihr Vermögen Wärme zu erzeugen so zugenommen, daß sie der äußeren Kälte widerstehen können; sie sind dann unabhängig von der Temperatur der umgebenden Luft u. dann öffnen sich auch die Augen. Diese Verschiedenheit hat ihren Grund in dem verschiedenen Entwickelungsgrad, welchen die Thiere bei ihrer Geburt erreicht haben; das Meerschweinchen ist bei seiner Geburt hinreichend entwickelt, um seine Augen zu gebrauchen u.[523] seine Eigenwärme zu erhalten, der junge Hund nicht. Junge Sperlinge aus dem Nest genommen wurden ebenfalls schnell kalt, während junge Hühner ihre Eigenwärme behielten. Von der Entstehung der T-n W. glaubte man früher, daß sie eine directe Wirkung der Respiration sei; während derselben werde Sauerstoff absorbirt, welcher den Kohlenstoff u. Wasserstoff der Nahrung zu Kohlensäure u. Wasser verbrenne u. bei diesem Oxydationsproceß werde Wärme erzeugt; man nahm an, daß die von einem Thiere in einer gewissen Zeit producirte Wärme genau derjenigen gleich sei, welche erzeugt werden würde, wenn die in der ausgeathmeten Menge Kohlensäure u. Wasser enthaltene Menge Kohlenstoff u. Wasserstoff in Sauerstoff verbrannt würde. Zahlreiche Beobachtungen beweisen, daß keine unwandelbar constante Beziehung zwischen Respiration u. T-r W. nachgewiesen werden kann, u. wenn es auch wahrscheinlich ist, daß die T. W. durch die chemischen Vorgänge im Innern des Organismus erzeugt wird, so ist die Erscheinung doch zu complicirt u. diese Vorgänge selbst noch zu wenig bekannt, als daß die Menge des verbrauchten Sauerstoffes den Maßstab für die Größe des im Thierkörper erzeugten Wärmequantums abgeben könnte. Eine hinreichende Erklärung für die Art der Entstehung der T-n W. ist daher bis jetzt nicht möglich. Vgl. Garravet, De la chaleur produite par les êtres vivants, 1855.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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