Union [2]

Union [2]

Union (v. lat.), die Vereinigung der verschiedenen christlichen Kirchen u. Religionsparteien zu Einer Kirche od. Gemeinde. I. Über die U. u. ihr Wesen überhaupt. Das Christenthum hat im Allgemeinen einen unirenden Charakter, Christus selbst verheißt Eine Heerde unter Einem Hirten, die Apostel reden von dem einigen Grunde, Christus, auf welchem sich die Gemeinde erbauen solle, u. von der Einigkeit des Geistes durch das Band des Friedens, u. man bezeichnete in der Dogmatik die Evangelische Kirche als die wesentlich eine (una), um damit jener unirenden Richtung Ausdruck zu geben, während die Katholische Kirche durch die ihr beigelegten Attribute der Einheit u. Katholicität in Verbindung mit den Attributen der Heiligkeit u. Untrüglichkeit die unirende Tendenz zurückstellt u. an deren Stelle das Aufgehen in ihrer Gemeinschaft setzt. Die Evangelische Kirche bietet demgemäß eine größere Freiheit in den gottesdienstlichen Einrichtungen, in der kirchlichen Verfassung u. in der Auffassung der Lehre, u. obschon sie dadurch die Absonderung größerer od. kleinerer Kirchenparteien nicht hindern kann, so gestattet sie doch eine Wiedervereinigung, ohne das vollständige Aufgeben von allen abweichenden religiösen u. kirchlichen Anschauungen als unabweisliche Bedingung zu fordern, wenn sie auch andererseits wieder dafür gewisse Schranken zieht, daß bei einer Bereinigung ihr eigenes Bekenntniß in seinen Hauptartikeln in keiner Weise beeinträchtiget wird, u. dadurch die U. bedingt. Wenn es sich nun weiter fragt, worin das einigende Band besteht, durch welches getrennte Kirchen- u. Religionsparteien zu einer kirchlichen Gemeinschaft verbunden werden sollen, so kann das Wesen einer U. nicht blos in der Conformität der Cultuseinrichtungen bestehen, weil dieselben mehr dem Gebiet des Äußerlichen angehören u. weil sie auf der Voraussetzung einer bereits vollzogenen inneren Einheit beruhen, deren Ausdruck sie sind. Eben so wenig kann es ausschließlich auf die Einheit des Kirchenregimentes ankommen, weil dieselbe ihrem eigentlichen Wesen nach von dem Glaubensbekenntniß unabhängig erscheint, u. weil eine Kirchengemeinschaft auch ohne einen kirchenregimentlichen Organismus gedacht werden kann. Vielmehr hat die U. der verschiedenen Gemeinschaften vor Allem das Bekenntniß des Glaubens u. die Einheit im Glauben ins Auge zu fassen, demgemäß die Glaubensbekenntnisse der getrennten Gemeinden genau aufzustellen u. danach zu untersuchen, ob die Gegensätze in den[227] wichtigsten Lehren (Dissensus) od. den sogenannten Fundamentalartikeln (s.d.) so bedeutend sind, daß eine Vereinigung der verschiedenen Kirchengemeinschaften unausführbar wird, vielmehr eine weitere Fortdauer der Trennung nothwendig ist; od. ob die Übereinstimmung in den wichtigsten Lehren (Consensus) so bedeutend erscheint, daß die U. als berechtigt sich darstellt u. wenigstens durch die nichtfundamentalen Lehren, worin sich die getrennten Kirchengemeinschaften unterscheiden, nicht gehindert wird. Es folgt daraus, daß die U. nicht durch eine absolute Übereinstimmung in allen Glaubenssätzen bedingt ist, daß man aber auch die nichtfundamentalen Glaubenssätze keineswegs für gleichgültig od. geradezu für entbehrlich anzusehen hat, vielmehr läßt sich der Fortbestand der letzteren innerhalb einer unirten Kirchengemeinschaft deshalb denken, weil das Gemeinschaftliche im Glauben, sofern es überwiegend ist, in seinem Grunde durch jene Abweichungen in keiner Weise gefährdet wird. Allerdings wird die Anwendung dieser Grundsätze bei Einführung einer U. immer mit Schwierigkeiten verbunden u. dem subjectiven Ermessen eine gewisse Entscheidung zuzugestehen sein, indem das Ausscheiden des Nichtfundamentalen von dem Fundamentalen bei den Berührungspunkten, welche beide mit einander haben, auf sehr verschiedene Auffassungen stoßen u. bei scharfer Betonung einzelner streitiger Sätze die Vereinigung selbst zeitweilig hindern wird, u. es kann diesen Schwierigkeiten auch nicht durch Berufung auf die Heilige Schrift, als der alleinigen Norm des Glaubens, mit sicherem Erfolg begegnet werden, weil bei der Entwickelung des Glaubensinhaltes aus derselben erhebliche Meinungsverschiedenheiten sich erwarten lassen. Dagegen wird auf den Grund der Heiligen Schrift immer wieder zu erwägen sein, ob gewisse Glaubenssätze, welche in einer bestimmten Zeitperiode eine bedeutende Geltung hatten, welche aber bei veränderten Zeitverhältnissen od. bei tieferem Eindringen in den biblischen Lehrbegriff od. bei Milderung der Gegensätze ihre Bedeutung verloren u. als veraltet u. indifferent erschienen, bei der U. als nichtfundamental u. deshalb als kein Hinderniß derselben anzusehen sind. Die Frage, ob die in den verschiedenen Confessionen enthaltenen Glaubenssätze, in denen die getrennten Kirchengemeinschaften übereinstimmen, bei der U. aufs Neue zu formuliren u. als das wirklich Gemeinschaftliche (Consensus) zusammenzustellen sind; od. ob es in dieser Beziehung bei den bestehenden Bekenntnißschriften zu belassen ist, ist verschieden beantwortet worden, indem man auf der einen Seite in einer neuen Formulirung den Keim zu Differenzen u. Zerwürfnissen u. den Schein eines neuen Bekenntnisses zu erblicken glaubte, auf der anderen Seite aber, um die U. mit voller Klarheit u. Bestimmtheit vollziehen zu können, einer solchen Zusammenstellung der gemeinschaftlichen Glaubenssätze das Wort redete. Ist in dieser Weise die U. auf dem Gebiete der Lehre vollzogen, so ist weiter die gemeinschaftliche Form des Gottesdienstes ins Auge zu fassen, wobei einzelne Cultusformen wegzulassen, andere aber aufzunehmen sein werden, um der Gewohnheit u. kirchlichen Sitte der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften gebührend Rechnung zu tragen. Auch hier wird es theils bei der Verkündigung des göttlichen Wortes, theils aber u. bes. bei dem rituellen Theil des Gottesdienstes schwierig sein, etwas Gemeinsames, die unirten Kirchenmitglieder vollkommen Befriedigendes an die Stelle dessen zu setzen, was sich im Laufe der Jahrhunderte als gottesdienstlicher Gebrauch entwickelt u. festgestellt hat u. mit dem kirchlichen Leben der Gemeinden u. deren Glieder so eng verwachsen ist, daß man darauf ein nicht unbedeutendes Gewicht legt u. irgend eine wesentliche Abänderung mit einer gewissen Abneigung betrachtet, wenn auch die confessionelle Anschauung dadurch nicht berührt wird. Es wird sich deshalb die U. nach dieser Seite nur allmälig u. in verschiedenen Abstufungen vollziehen können, damit sie nicht überhaupt wieder in Frage gestellt werde. Um aber auch hierin ein allmäliges Fortschreiten zu fördern u. um dasselbe nicht der Willkür des Individuums od. dem Zufall zu überlassen, bedarf es einer kirchlichen Verfassung, durch welche die Gemeinde organisch zu einem Ganzen verbunden wird u. der kirchliche Gesammtwille sich geltend machen kann. Diese Sätze sind hauptsächlich bei der U. in Frage gekommen, obschon sie sich meist erst bei den Einführungen einer U. durch die Erfahrung selbst geltend machten.

II. Unionen, welche versucht u. wirklich vollzogen worden sind. A) Die U. zwischen den Juden- u. Heidenchristen in den ersten christlichen Jahrhunderten. Die Differenz zwischen denselben entstand schon in der frühesten apostolischen Zeit, als es sich um die Aufnahme der Heiden in das Christenthum u. um die Verpflichtung derselben zur Beobachtung des jüdischen Ceremonialgesetzes handelte. Gegen diese Verpflichtung erklärte sich Paulus, für dieselbe bes. Jakobus, u. es lag die Besorgniß einer Trennung der Christen nach diesen verschiedenen Seiten hin sehr nahe. Es trat jedoch auf der Apostelversammlung in Jerusalem (Apost. 15 u. Gal. 2, 1 ff.) eine U. ein, indem die Judenchristen den Eintritt der zum Christenthum übertretenden Heiden in die Judenkirche u. die damit zusammenhängende Beschneidung nicht mehr verlangten, die Heidenchristen aber bereitwillig waren gewisse Bestimmungen des jüdischen Gesetzes (vgl. Apost. 15, 29) zu beobachten. Diese U., welche später keine Bedeutung mehr hatte, weil die dabei getroffenen Verabredungen von den immer zahlreicher werdenden Heidenchristen nicht mehr allenthalben berücksichtigt wurden, war gleichwohl für die erste christliche Zeit sehr wichtig, weil sie eine bedenklich scheinende Spaltung verhinderte u. zugleich die unirende Richtung der Apostel thatsächlich an den Tag legte.

B) Die U. zwischen der Römischen u. Griechischen Kirche. a) Im Griechischen Reiche. Die im 9. Jahrh. eingetretene Kirchenspaltung zwischen der Morgen- u. Abendländischen Kirche, welche bes. seit der Synode zu Constantinopel im Jahr 867 zum Vollzug gebracht worden war, veranlaßte sehr bald Unionsversuche, denen das griechische Volk u. seine Geistlichkeit meist sehr abgeneigt waren, während sie von den griechischen Kaisern hauptsächlich aus politischen Rücksichten begünstigt wurden. Jedoch hatten sie Anfangs keinen Erfolg, vielmehr wurde durch die Stiftung des Lateinischen Kaiserthums in Constantinopel 1204 die Spaltung erweitert. Die Verhandlungen auf der Synode zu Lyon 1274 führten zwar zur Aufstellung eines Glaubenssymbols u. zur Anerkennung des Papstes Seitens der Griechen, die Beschlüsse kamen aber nicht zur Ausführung, u. erst[228] auf der Synode zu Florenz 1439 gelang die U., indem die Griechen zwar den Zusatz filioque nicht in ihr Symbol aufnahmen, aber sich in der Formel, daß der Heilige Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgehe, wie in den gottesdienstlichen Gebräuchen mit der Römischen Kirche vereinigten u. zugleich den päpstlichen Primat anerkannten. Jedoch hatte diese U., welcher das Volk im Allgemeinen abgeneigt blieb, wie ein späterer, in Folge der damaligen Bedrängnisse des Kaisers durch die Türken veranlaßter Versöhnungsversuch 1452, wo ein römischer Cardinallegat in der Sophienkirche zu Constantinopel die Messe hielt, keinen durchgreifenden Erfolg. b) Unionsversuche mit der Griechisch-Russischen Kirche. Über die, seit dem 10. u. 11. Jahrh. in der Ukraine, Podolien, Volhynien u. Lithauen eingeführte Confession, der Griechischen Kirche gewann die durch die lithauischen Großfürsten Wladislaw Jagello u. Vitold begünstigte römische Lehre seit dem Ende des 14. Jahrh. bes. durch den, auf dem Reichstage in Horodlo 1413 gegebenen Befehl der Ausrottung des griechischen Cultus, die Oberhand. Der U. in Florenz (s. oben) schloß sich Isidor, Metropolit von Kiew, an u. führte sie in Lithauen u. Reussen ein. Aber bald darauf wurden die Geistlichen lauer, u. Adel u. Volk wendeten sich, gewonnen von russischen Missionären, wieder der Griechischen Kirche zu. In Polen herrschte von Seiten Sigismund Augusts Gleichgültigkeit dagegen u. die Aufmerksamkeit der Geistlichen wurde ganz von der sich im Königreich ausbreitenden Reformation in Anspruch genommen. Erst die Jesuiten, welche zur Unterdrückung der Reformation nach Polen gekommen waren, machten, nachdem ihnen dieser ihr Zweck gelungen war, neue Unionsversuche. Zuerst erhielten sie bes. durch die Bemühungen des gewandten Jesuiten Possevino Hoffnung u. Versprechungen vom Großfürsten Iwan Wasiljewitsch, welchem sie 1582 einen Frieden mit König Bathori von Polen ausgewirkt hatten; obgleich von dem listigen Großfürsten getäuscht, setzten sie ihre Bemühungen durch Streitschriften gegen das griechische Dogma u. durch Einwirkung auf Volk u. Geistlichkeit fort, u. schon auf der Generalsynode zu Brzesc 1590 sprachen sich für die, von dem Metropoliten von Kiew, Michael Rochosa, vorgeschlagene U. mit der Römischen Kirche die Bischöfe von Luzk, Brzesc, Przemysl u. noch drei andere aus, u. auch die niedere Geistlichkeit war nicht dagegen, nur der Adel war nicht dazu zu bewegen. Auf der zweiten Synode zu Brzesc 1593 wurde aber die U., obgleich Mehre vom Adel dagegen waren, durch die Einstimmigkeit der ganzen Geistlichkeit bewerkstelligt u. die Bischöfe Poziej von Wladimir u. Terlezki von Luzk zur Ausführung nach Rom geschickt. Die Russische Kirche behielt Glaubensbekenntniß, Sacramente, Cultus u. nahm den Zusatz filioque beim Ausgang des Heiligen Geistes u. die Suprematie des Papstes an. Auf der dritten Synode zu Brzesc 1596 wurde die U. ausgesprochen; die der U. beigetreten waren, hießen Unirte Griechen, die der U. nicht beitraten, Desunirte. Zu den fortwährenden Gegnern der U. gehörte der Patriarch von Constantinopel, u. viele Schismatiker gab es in Orscha, Polozk, Witepsk, Mohilew etc., mit denen sich die griechischen Russen verbanden, u. die Versuche, welche die Päpste Gregor XIV. u. Clemens VIII. zu Ende des 16. u. Anfang des 17. Jahrh. durch Peter Arcudius zur U. der beiden Kirchen machten, war vergebens. Durch den Aufstand des Kosacken Chmielnicki (s.d.) wurden alle Unirten aus der Ukraine, Volhynien u. Podolien vertrieben. Zwar gelang es den Jesuiten die Unirten dorthin zurückzuführen, aber mit der U. nicht zufrieden, suchten sie die Unirten ganz zur Katholischen Kirche hinüberzuziehen, was ihnen mit Vielen dadurch gelang, daß sie den Cultus der Unirten, deren Geistliche sie vernachlässigten, durch die Benennung Chlopska wiara (Bauernglaube) beschimpften. In dem Tractat von 1686 zwischen Rußland u. Polen wurde zwar den Bisthümern Przemysl, Lemberg u. Luzk freie Religionsübung zugesichert, aber bis 1713 war die U. überall wieder mit Gewalt eingeführt; für Polen erfolgte die Bestätigung der U. auf der Synode zu Zamosc 1720. Die Versuche, welche Rußland seit 1772 machte, die Unirten von der Römischen Kirche abzuziehen u. der Griechischen zuzuführen, u. wie dies endlich dem Kaiser Nikolaus 1839 gelang, darüber s. Russische Kirche S. 473. Seitdem gibt es in Rußland selbst keine Unirten Griechen mehr, wohl aber in anderen slawischen Ländern u. in Ungarn. c) Mit den Jakobiten, s.u. Monophysiten. d) Mit der Armenischen od. Gregorianischen Kirche. Ein Plan der U. dieser Kirche mit der Römischen war von dem Patriarchen Gregor verworfen u. auf dem Concil zu Sis, 1307, wurden, mit Genehmigung der Könige Hayton u. Leo, mehre Punkte der U. angenommen, aber die U. selbst wegen des Widerstandes des Volkes nicht vollzogen. Auch die Unionsversuche der Päpste Benedict XII. 1341 u. Eugen VI. 1439, auf dem Concil zu Florenz, waren ohne Erfolg. Nur außer Landes gibt es Unirte Armenier, s.u. Armenische Kirche.

C) Die Unionsversuche zwischen der Katholischen u. anderen vom Papst abgefallenen Kirchen: a) mit der Evangelischen Kirche. Die Hoffnung des Papstes auf die Wiedergewinnung der durch die Reformation u. Lossagungen verlorenen Länder u. Seelen u. der Wunsch der Reformatoren nach gütlicher Beilegung des Streites erzeugten die Idee eines Unionsversuches in der Römischen u. Evangelischen Kirche. Dahin zweckten schon die, jedoch in Rom stets gemißbilligten Religionsgespräche zwischen den Katholischen u. Evangelischen ab, so 1530 in Augsburg u. 1540 in Worms; ja im Grunde waren die während der Verbreitung der Reformation gehaltenen Reichstage größtentheils irenische Versuche. So nahe indeß vorzüglich auf dem Religionsgespräch zu Regensburg (s. Religionsgespräche u. Interim) 1541 die beiden Parteien einander zu treten schienen, so wurde dennoch, weil Rom seine Ansprüche nur scheinbar aufgeben u. zwar Concessionen in Sachen des Glaubens, aber nicht in den für den Papst viel wichtigeren der Gebräuche u. der Kirchenverfassung machen wollte, die Absicht so wenig erreicht, daß vielmehr eine tiefere Erbitterung sich der Gemüther bemächtigte. Daher blieben auch die Unionsvorschläge, welche Erasmus (von der Eintracht der Kirche 1553) that, ohne allen Erfolg. Da die protestantischen Theologen von Fach bei der confessionellen Schärfe des 16. Jahrh. der U. meist abgeneigt waren, so wurden die Versuche dazu von Humanisten gemacht. 1564 übergab der Katholik Cassander seine an Maximilian II. gerichteten Articuli religionis inter Cathol. et Protest. controversi[229] (herausgegeben von H. Grotius 1642) dem Kaiser Ferdinand I. Seine Vorschläge gingen auf Abschaffung des Bilder- u. Reliquiendienstes u. ähnliche Mißbräuche, auf Freiheit in Kirchengebräuchen, Bewilligung des Laienkelches u. der Priesterehe u. Beibehaltung des Papstes, der Hierarchie, der Transsubstantiationslehre u. der objectiven Kraft der Sacramente ex opere operato. Hugo Grotius empfahl 1642 in seinem Votum pro pace ecclesiastica, man sollte von beiden Seiten mehr Gewicht auf die moralischen, als auf die dogmatischen Wahrheiten legen u. mehr auf die ökumenischen Symbole als den Consens der gesammten christlichen Kirche halten. Beide fanden keinen Beifall. Gleiches Schicksal hatte die 1644 von Rom, jedoch scheinbar ohne päpstliche Auctorität ausgegangene sogenannte Consultation, welche schlau eine Vereinigung der evangelischen Fürsten u. Städte ohne Beiwirkung evangelischer Theologen beabsichtigte. Ebenso hatten die Bemühungen des Königs Wladislaw IV. von Polen durch das Religionsgespräch von Thorn 1645, von Georg Calixtus, welcher auf Grund der ökumenischen Symbole u. der Satzungen der ersten fünf Jahrhunderte eine U. anstrebte, u. von Anderen keinen Erfolg. 1660 ließ der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp v. Schönborn, durch seinen Kanzler von Boyneburg mehren evangelischen Fürsten Unionsvorschläge eröffnen u. beantragte eine Synode von 24 Deputirten von beiden Confessionen, welche die Symbolischen Bücher beider Parteien prüfen u. eine Vereinigung ermitteln sollten. Indeß jene Vorschläge waren zu sehr auf eine allzu gelinde Accommodation der katholischen Unterscheidungslehren basirt, als daß man von Seiten der Evangelischen darauf hätte eingehen können. Die Sache zerschlug sich, ehe sie officiell wurde. Da nahm Rojas de Spinola (s.d. 4) den Faden von Neuem auf. Seit 1675 reiste er als Friedensvermittler zwischen der Katholischen u. Protestantischen Kirche in Deutschland umher, seit 1691 ging er auch nach Ungarn u. Siebenbürgen. Den Protestanten verhieß er bei der U. die Erhaltung aller errungenen Rechte u. verlangte nur die Anerkennung des Papstes als des ersten u. obersten Patriarchen der Christenheit, welchem der Primat, nicht hinsichtlich der Gerichtsbarkeit, sondern blos der Ordnung nach, u. zwar nur nach menschlich-kirchlichem Rechte zukomme. Das Nähere sollte auf einem allgemeinen Concil ausgemacht werden, bei welchem die Protestanten von dem Namen Ketzer durch eine Bulle befreit werden u. als Mitrichter, nicht als Angeklagte erscheinen sollten. Während er alle seine lockenden Vorschläge im Namen des Papstes Innocenz XI. that, so hatte er doch von demselben keine Vollmacht, sondern er war von ihm blos dazu ermuntert worden u. Kaiser Leopold I. gebrauchte ihn dazu. Weil er jedoch in Manchem zurückhaltend war, so schöpfte man Argwohn gegen ihn, u. die Höfe, bes. der kursächsische, gewarnt durch Spener, ließ sich nicht mit ihm in Unterhandlungen ein. Auf seine Anregung machte Molanus, protestantischer Abt in Loccum, einen Unionsversuch mit Bossuet durch die Schrift Regulae circa christianorum omnium ecclesiasticam reunionem. Auf Bossuets Äußerung (in Exposition de la doctrine de l'église catholique sur les matières de controverse, 1671), daß die Katholische Kirche zwar den Protestanten Zugeständnisse mache, nicht aber von ihrem einmal angenommenen Glaubensbekenntniß (welches aber Bossuet sehr mild darstellte) abgehen könne, gab Molanus (in den Cogitationes privatae de methodo reunionis ecclesiae protest. cum ecclesia rom. cathol. 1683) in einigen Punkten nach. In der That waren beide Parteien über Vieles einig u. nur die Anerkennung des Trienter Concils machte noch Schwierigkeiten: als Molanus Winke von seinem Hof erhielt, welcher sich sehr für die U. interessirte, jetzt aber die Aussicht auf den Thron von England durch beharrliche Fortführung dieser Einigung zu verlieren fürchtete, worauf Molanus einiges Frühere in einer eigenen neuen Schrift widerrief u. Leibnitzen (1691) die ganze Sache übergab. Mit großer Vorliebe faßte dieser die Idee einer U. auf, correspondirte darüber mit Pelisson-Fontarnier bis 1693 u. mit Bossuet bis 1694 u. entwarf auch ein Systema theolog. (gedruckt erst Paris 1819, deutsch von Räß u. Weis, Mainz 1820), welches beide Kirchen vereinigen sollte. Indeß Bossuets Sophistik, welche den Protestantismus zu vernichten trachtete u. für den Katholicismus mehr Concessionen verlangte, ließ Leibnitzen endlich erkalten, u. alle Plane gingen mit dem Ableben derer, welche sie betrieben hatten, zu Grabe. Selbst die Vorschläge des freisinnigen, der römischen Hierarchie abholden Weihbischofs Hontheim, welche er in dem, unter dem Namen Justin Febronius herausgegebenen Buche De statu ecclesiae zur U. beider Kirchen gemacht hatte, fand bei keiner von beiden, am wenigsten bei der Römischen, Anklang. Der Antrag des Erzbischofs della Lanza von Turin 1772, wurde in einem Gutachten des Abtes Jerusalem abgelehnt. Seitdem ist kein wesentlicher Unionsversuch zwischen der Römischen u. den Evangelischen Kirchen gemacht worden. In Deutschland war die confessionelle Schärfung, welche sich bei der Kölner Streitigkeit u. bei der Haltung der Erzbischöfe u. Bischöfe seit 1848 kund that, der U. nicht günstig u. die Hoffnungen, welche bei Entstehung der Deutschkatholiken wegen einer U. laut wurden, haben sich in keiner Weise erfüllt. b) Mit der Anglicanischen Kirche. Mit dieser u. der Katholischen unternahmen es der Erzbischof Wake in Canterbury u. der sorbonnische Theolog du Pin, eine U. zu vermitteln, allein der darüber gepflogene Schriftwechsel von 1717–20 wurde nicht einmal veröffentlicht, c) Mit der Gallicanischen Kirche. Der Vereinigungsplan, welchen 1806 der Rechtsgelehrte Beaufort, welcher die U. auf das Rechtsprincip gründen wollte, Napoleon vorlegte, hatte beide Kirchen zu Gegnern. Schon 1804 hatte Bonald empfohlen den Papst aufzugeben u., während man in der Hauptsache Einigkeit erstreben solle, in Nebendingen Freiheit zu lassen; Molines wollte nur eine Einigung über die Sittenlehre ohne Berührung der Dogmen, ähnlich auch Pres in Nismes (Reflexions sur la tolerance relig.), u. Lafevillade (im Projet de réunion des cultes, 1815) hielt es für um so nöthiger, sich über die Dogmen wegzusetzen, da in jeder positiven Religion Widersprüche wären. Später war in Frankreich um so weniger an eine U. zu denken, da der Clerus sich wieder mehr an den Papst anschloß u. dadurch zum guten Theil die Freiheit der Gallicanischen Kirche aufgab.

D) Union der evangelischen Confessionen (der Lutherischen u. Reformirten Kirche). a) Irenische Versuche überhaupt. Schon die Reformatoren suchten die immer weiter auseinandertretenden Parteien zu versöhnen, nametlich[230] geschah dies, wiewohl vergebens, 1529 auf dem Religionsgespräch zu Marburg. Luthers, Zwinglis u. Calvins Anhänger u. Nachfolger stritten sich immer tiefer in die Idee hinein, so daß man sich endlich einbildete, die Lehre der Reformirten u. Lutheraner sei in ihren Grundprincipien so verschieden, daß an eine Vereinigung gar nicht zu denken sei. Die von Melanchthon verfaßte Wittenberger Concordia von 1536 stellte Anfangs einen Schein von Frieden her, bis Luther den Streit erneuerte, wobei sich beide Parteien mit unversöhnlichem Hasse verfolgten. Je mehr die Richtung Melanchthons in den Streitigkeiten über das Abendmahl zurücktrat, desto weniger war auf eine U. zu rechnen. Der zwischen den in Polen lebenden Lutheranern, Calvinisten u. Böhmischen Brüdern 1570 abgeschlossene Sendomirsche Vergleich (s.u. Consensus 2) a) aa) wurde nach 30 Jahren von den Lutheranern, welche darin ihren Glauben verrathen fanden, wieder aufgegeben. David Pareus in Heidelberg, obgleich sehr für den reformirten Lehrbegriff eingenommen, rieth doch in seinem Irenicum (Heidelb. 1614, deutsch von Zonsius, Frankf. 1615) zur U., indem er den Unterschied zwischen der reformirten u. lutherischen Lehre als nicht fundamental bezeichnete, u. wenn gleich in der Abendmahlslehre ein Unterschied stattfände, so beträfe er doch die Lehre nur zum Theil u. alterire den Grund des Glaubens nicht. Am erwünschtesten aber hielt er die U. der protestantischen Kirchen gegenüber der Katholischen Kirche. Indeß die Leidenschaftlichkeit seiner lutherischen Gegner, J. G. Siegwart in Tübingen (Admonitio christ. de irenico Parei, Tüb. 1816), Leonh. Hutter (Irenicum vere christianum, 1618, Fol.) u. Albert Grauer (Pugnaculum anti-pareanum, 1621), verwarf seine Vorschläge. Die Drangsale des Dreißigjährigen Krieges führten zu erneuten Unionsversuchen, s.d. zu dem zwischen brandenburgischen, hessischen u. sächsischen Theologen gehaltenen Religionsgespräch zu Leipzig 1631; aber dasselbe verfehlte, wie das Thorner Gespräch (s.u. Thorn) 1645, wo auch Katholische waren, seinen Zweck. Auf dem Kasseler Religionsgespräch zwischen Marburger u. Rintler Theologen, 1661, wurde wenigstens ein Freundschaftsantrag bei dem nicht zu lösenden dogmatischen Dissens abgeschlossen. Die Bemühungen des schottischen Predigers John Dury, welcher fast alle protestantischen Länder Europas an 50 Jahre lang durchreiste, um die U. der sämmtlichen reformirten Kirchen zu Stande zu bringen, blieben, weil er des Synkretismus verdächtig war, ohne Erfolg. 1703 berief der König Friedrich I. von Preußen mehre lutherische u. reformirte Theologen nach Berlin, um unter dem Vorsitz des Benj. Ursinus die U. zu berathen, ließ die Unionskirche in Berlin u. Charlottenburg eröffnen, Kinder aus beiden Confessionen in denselben Waisenhäusern erziehen u. 1706 Entwürfe zur Einführung der englischen Liturgie promulgiren. Alle Versuche scheiterten jedoch an der Besorgniß der Lutheraner, daß den kaum 20,000 in Preußen lebenden Reformirten zu viel eingeräumt sei. In dem darüber bis 1719 geführten Streite (Irenischer Streit) schrieb Val. Löscher am heftigsten gegen u. Beckmann in Frankfurt a. O. am dringlichsten für die U. Auch fanden die später von den Tübingenschen Theologen Klemm u. Matth. Pfaff 1710–22 proponirten 15 Unionspunkte so wenig Beifall, daß die Consistorien in Dresden u. Gotha, das letztere bes. unter Cyprian bei dem Reichstage zu Regensburg nachdrücklich gegen die Annahme derselben protestirten. Cyprians Schrift darüber (Commonitorium od. Abgedrungener Unterricht von kirchlicher Vereinigung der Protestanten, Frankf. 1722, n. A. 1726) machte solches Aufsehen, daß von Seiten des Corpus evangelicorum ein Beschluß gegen dieselben erging, welcher jedoch nicht veröffentlicht wurde. Auf demselben Grunde, auf welchen Dan. Zwicker (s.d.) in der Mitte des 17. Jahrh. in seinem Irenicum irenicorum die U. aller Confessionen herzustellen gemeint war, nämlich auf dem des vollständigen Indifferentismus der Dogmatik, suchte auch Joh. Michael von Loen (s.d.) seit 1724 ein Vierteljahrhundert lang die protestantische Kirche zu uniren, indeß seine Absichten scheiterten an der Schärfe seiner Gegner, namentlich Baumgartens.

b) Die U. in Preußen. Schon der große Kurfürst Friedrich Wilhelm, welchem auch aus Gründen der Politik eine Annäherung der Lutheraner u. Reformirten am Herzen lag, suchte wenigstens eine gegenseitige Anerkennung der Fundamentallehren zu bewirken u. veranstaltete deshalb 1662 ein Religionsgespräch in Berlin, welches aber bei der mehr dogmatischen Richtung, die es nahm, erfolglos blieb. Friedrich Wilhelm I. von Preußen wollte die U. wenigstens in seinem Reiche, realisiren, indem er seinerseits der calvinischen Prädestinationslehre entsagte, aber Annahme des reformirten Cultus verlangte u. wirklich die Abschaffung der Lichter, Meßgewänder, Intonationsgesänge etc. befahl. Friedrich II. indeß gab 1740 seinem Lande die alte Freiheit wieder u. der alte Cultus trat wieder ein. Unter Friedrich Wilhelm III. trat man aber der U. wieder näher. Es erschienen nämlich zu Anfang des 19. Jahrh. einige Schriften, welche sich für dieselbe aussprachen, namentlich von Planck (Über die Trennung u. Wiedervereinigung der getrennten christlichen Parteien, Tüb. 1803), welcher indeß mit Herder daran erinnerte, daß von der Ausgleichung der Theologen noch nicht auf die Willfährigkeit der Gemeinden zur U. geschlossen werden könne; u. von Schleiermacher (Unvorgreifl. Gutachten, 1804), welcher die Nachtheile der Trennung sehr klar auseinandersetzte u. rieth, man solle nur die äußerliche Kirchengemeinschaft herstellen, die Meinungsverschiedenheit in der theologischen Wissenschaft aber immerhin lassen. Noch bedeutender war der Einfluß einer Schrift des Hofpredigers Sack (Über die Vereinigung der beiden protestantischen Kirchenparteien in der preußischen Monarchie, 1812), indem gerade damals durch die schweren politischen Drangsale die Sehnsucht nach kirchlicher Gemeinschaft wieder rege geworden war. Am 27. Sept. 1817 erließ der König einen Aufruf an die Consistorien, Synoden u. Superintendenten, worin er die Annahme der U. von Seiten seines Hauses aussprach u. dieselbe von Seiten der beiden evangelischen Kirchenparteien in der Weise wünschte, wonach keine von beiden Kirchen zu der anderen übergehen u. die Annahme der U. vom freien Entschlusse der Gemeinden abhängen sollte. Die weitere Ausführung wurde den Consistorien, Synoden u. Geistlichen überlassen. Dieser Aufruf wurde beifällig aufgenommen, die Synode der Berliner Geistlichen unter Schleiermacher erklärte am 29. Oct. 1817 ihren Beitritt u. am 31. Oct. feierte man in den unirten Kirchen gemeinschaftlich[231] das Abendmahl (auch der König mit den höchsten Behörden). Man ging hierbei auf den gemeinsamen Lehrinhalt der beiden Confessionen nicht näher ein, sondern sprach sich nur dahin aus, daß die Unterscheidungslehren kein Hinderniß wären in gottesdienstlicher Gemeinschaft u. in der Feier des Abendmahls, wo das Brod gebrochen wurde u. wo man die Einsetzungsworte nach der Schrift als referirend aussprach, zusammenzutreten u. sich unter Ein Kirchenregiment zu stellen. Zugleich wurde der Name Unirt-Evangelische Kirche angenommen. Die Bedenken, welche von Außen her in den Schriften von Ammon, Tittmann u. Harms gegen diese U. erhoben wurden, hinderten den Beitritt der Geistlichen u. Gemeinden nicht, vielmehr fand die U. immer größeren Anklang, bes. auch in der Rheinprovinz. Wichtig wirkte jedoch das Erscheinen der Agende 1821, indem durch dieselbe die zeither gestattete Mannigfaltigkeit im Cultus beschränkt u. der U. durch eine für die gesammte Landeskirche bestimmte gottesdienstliche Ordnung eine ausgeprägte Gestalt gegeben wurde. Dadurch entstanden heftige u. langandauernde Streitigkeiten (s.u. Agende), welche auch die U. wesentlich berührten. Man sah in der Agende ein Mittel die früher als Sache des freien Entschlusses bezeichnete U. nun als etwas Anbefohlenes od. durch die Agende indirect Einzuführendes anzusehen, man tadelte die in einzelnen Theilen hervortretende Bevorzugung entweder des lutherischen od. reformirten Typus, u. es traten namentlich seit 1830 die streng confessionellen Lutheraner, indem sie die Agende verwarfen, zugleich gegen die U. auf, wodurch es zu Absetzung der Geistlichen Seitens des Kirchenregiments u. anderen Maßregeln kam (s.u. Lutheraner). Die Cabinetsordre vom 28. Febr. 1834 suchte zu beruhigen, indem sie der Verbindung zwischen Agende u. U. widersprach, die Bekenntnißschriften der Lutherischen Kirche auch nach der U. als fortbestehend erklärte u. die Verwaltung der Sacramente nach altlutherischen Gebräuchen gestattete, sie genügte aber damit weder den Anhängern der U., welche darin einen Widerspruch mit dem Aufruf von 1817 u. in einer solchen U. mir eine äußerliche Verbindung, nicht eine Vereinigung von zwei getrennten Kirchengemeinschaften erblickten, noch die Gegner der U., welche sich durch das Verbot, neben der unirten, durch den Gebrauch der Agende verbundenen Landeskirche, religiöse Gemeinschaften auf Grund der lutherischen u. reformirten Bekenntnisse zu bilden, bedrückt fühlten u. einem unirten Kirchenregiment sich nicht unterordnen wollten. Um die Sache der U. einem Abschluß entgegenzuführen, wurde vom König Friedrich Wilhelm IV., welcher sich überhaupt gegen die strengen Lutheraner milder zeigte, 1846 eine Generalsynode in Berlin zusammenberufen, welche zur Förderung der U. den Vorschlag machte dem gemeinschaftlichen evangelisch-reformatorischen Glaubensgründe in einem Ordinationsformular Ausdruck zu geben; jedoch kam die Sache nicht zur Ausführung. Nach den Bewegungen 1848 wurde der Oberkirchenrath eingesetzt u. durch einen Erlaß von 1852 dessen Zusammensetzung aus lutherischen, reformirten u. unirten Mitgliedern, sowie der Modus der Entscheidung durch Separation der Mitglieder (Itio in partes) bei rein confessionellen Fragen festgestellt, jedoch, hauptsächlich zur Beruhigung derjenigen, welche durch diese Maßregel die U. als gefährdet ansahen, ein der U. günstiger Erlaß 1853 beigefügt u. darin jede Absicht eine Störung der U. herbeizuführen abgelehnt, zugleich aber angeordnet, daß nur auf gemeinschaftlichen Antrag des Geistlichen u. der Gemeinde der altlutherische Ritus beim Abendmahl gestattet sein u. den confessionellen Sonderbestrebungen von den Behörden entschieden entgegengetreten werden sollte. Der Oberkirchenrath ließ 1854 eine Änderung in der Verpflichtung der Geistlichen eintreten, indem er bei geschichtlich lutherischen u. reformirten Gemeinden eine Verpflichtung auf die Bekenntnißschriften anordnete, während bei wirklich unirten Gemeinden die zeitherige Verpflichtungsform beibehalten wurde. Eine 1856 auf Befehl des Königs zusammentretende, aus 40 Vertrauensmännern bestehende Conferenz, auf welcher die confessionelle Partei mit ihrem Wunsche auch ohne Zustimmung der Gemeinden die alten Formeln bei Verwaltung der Sacramente wieder herzustellen nicht durchdrang, sprach sich bei den liturgischen Verhandlungen gegen eine bekenntnißlose U. aus, aber auch gegen eine Landessynode. Durch einen Erlaß des Oberkirchenrathes von 1857 wurde der Gebrauch der älteren confessionellen Spendeformeln von der Genehmigung der Consistorien abhängig gemacht, die Herausgabe von Parallelformularen mit alterthümlichen lutherischen Formeln im Gegensatz zur unirten Agende bewirkt u. die Abendmahlsgemeinschaft als zum Wesen der U. gehörend bezeichnet. Bei diesen Kämpfen für u. wider die U. hielten es die Anhänger der positiven U. für nöthig in nähere Verbindung zu treten, u. es wurde 1857 ein Unionsverein in Halle gestiftet. Eine 1858 an den Oberkirchenrath gerichtete Eingabe von fünf Kirchenpatronen in Pommern, welche sich sehr entschieden gegen die U. u. deren Wirkungen aussprachen, wurde von dem Oberkirchenrath in mißbilligender Weise beantwortet. Seit dem Regierungsantritt des Königs Wilhelm 1861 u. den bei Übernahme der Regentschaft 1857 von ihm ausgesprochenen Ansichten über die Kirche glaubte man eine neue Sicherung der U. zu erblicken u. hoffte durch den Erlaß von 1860 über die Fortbildung der Kirchenverfassung in den östlichen Provinzen auf eine Förderung der U. Im Allgemeinen ist die U. innerlich u. äußerlich gewachsen, viele Geistliche u. Gemeinden haben sich immer mehr in sie hineingelebt u. die verschiedenen confessionellen Typen sind allmälig verschmolzen, jedoch waren die Reformirten seit dem Hervortreten der confessionellen Schärfen Seitens der strengen Lutheraner u. seit der Einführung der Agende der U. nicht mehr so zugeneigt, wie früher.

c) Die U. in den andern deutschen Ländern. In Rheinbaiern, wo die Zahl der Reformirten bei Weitem größer war, als die der Lutheraner, fand die U. sehr viel Anklang; bereits 1818 wurde dieselbe auf der Synode zu Kaiserslautern vollzogen u. auf Veranlassung des Oberconsistoriums in München, unter welchem die pfälzische Kirche stand u. welchem nach der Verfassungsurkunde von 1818 ein reformirter Geistlicher zugehörte, in der Unionsurkunde von 1822 bestimmt, daß nur die Heilige Schrift als Glaubensgrund u. Lehrnorm, jedoch unter gebührender Achtung der Bekenntnißschriften beider Kirchen, anerkannt werden solle; auf der Generalsynode 1823 wurde ein neuer Katechismus u. ein neues Gesangbuch angenommen. Die später erwachende confessionelle[232] Richtung suchte die U. auf positiver Grundlage fortzubauen, auf der Generalsynode 1853 wurde die veränderte Augsburger Confession von 1540 als der historische Ausdruck der Übereinstimmung beider Confessionen angenommen u. auf den folgenden Generalsynoden die Einführung eines neuen Katechismus u. eines neuen Gesangbuches beschlossen. Bei den heftigen Streitigkeiten, welche darüber entstanden (s.u. Protestantische Kirche) hielt die liberale Partei an der Gründung der U. von 1818, die confessionelle Geistlichkeit aber mit dem Kirchenregiment an der Abänderung von 1853 fest, während die königlichen Rescripte von 1861 durch weise Mäßigung die Versöhnung anbahnten. Im diesseitigen Königreich Baiern, wo nur 3000 Reformirte leben, war die U. kirchenregimentlich dadurch vollzogen, daß die Reformirten in der Verfassungsurkunde als ein integrirender Theil der protestantischen Gesammtkirche des Königreichs bezeichnet wurden, u. ihnen da, wo sie keinen Geistlichen hatten, gestattet war die Amtsfunctionen von Geistlichen einer anderen Confession zu beanspruchen, so daß namentlich Abendmahlsgemeinschaft stattfand. Auch hier trat durch die allmälig bemerkbare streng confessionelle Richtung eine Veränderung ein u. es widersetzte sich dieselbe dieser äußeren kirchlichen Gemeinschaft. Gleichwohl bestand die kirchenregimentliche Verbindung fort, obschon die Vertretung der Reformirten Kirche im Oberconsistorium durch einen reformirten Geistlichen (s. oben), seitdem die Kirche in Rheinbaiern nicht mehr unter dem Oberconsistorium stand, 1849 aufhörte u. die reformirte Synode, wie überhaupt der ganze reformirte Kirchenorganismus, dem lutherischen Kirchenregiment untergeordnet wurde. Die durch diesen abnormen Zustand erregte Unzufriedenheit steigerte sich, als man seit 1851 lutherischer Seits die Abendmahlsgemeinschaft an mehren Orten verweigerte u. dieselbe nur nach Aufgeben des reformirten Bekenntnisses gestatten wollte. Auf der Generalsynode 1861 wurde ein Antrag des Pfarrers Löhe die Abendmahlsgemeinschaft zu verbieten abgelehnt, dieselbe aber als ein Nothstand beklagt. Dagegen suchten auch die Reformirten den lutherischen Angriffen gegenüber ihr Bekenntniß zu vertheidigen. In Nassau bestätigte der Herzog am 11. Aug. 1817 die U. u. verordnete, daß vom Reformationsjubiläum an beide Confessionen unter dem Namen Evangelische Kirche nur Eine Kirche ausmachen, daß in allen gemischten Gemeinden bis zur Abfassung eines neuen Rituals die gottesdienstlichen Handlungen nach der alten pfälzischen-Agende verrichtet, erwachsene Christen aber nicht gehindert werden sollten das Abendmahl nach ihrem Religionsritus zu begehen. In Baden wurde 1821 auf einer aus beiden Kirchen berufenen Synode, wobei Geistliche u. Weltliche waren, die U. beider Kirchen zu einer Evangelisch-protestantischen vollzogen, welche der Augsburgischen Confession u. dem Lutherischen u. Heidelberger Katechismus symbolisches Ansehen ließ, aber freie Schriftforschung gestattete. Seit 1824 gaben sich zwar einzelne Unzufriedenheiten gegen die U. kund, doch störten diese das Unionswerk so wenig, daß 1834 ein Landeskatechismus u. 1836 eine Landesagende für die Unirte Kirche erschien. Allein die Einführung eines neuen Kirchenbuches an die Stelle der Agende erregten heftige Streitigkeiten (s.u. Protestantische Kirche), welche erst durch die 1862 erschienene Verfassung für die vereinigte Kirche erledigt wurden. In Kurhessen kam die U., nachdem schon 1820 Hanau damit vorangegangen war, 1823 für Schulen, Consistorien u. Universität zu Stande. In Anhalt-Dessau u. Bernburg vereinigte man sich 1828 zu gemeinschaftlicher Abendmahlsfeier; nur in letzterem Lande widersetzten sich einige Gemeinden. In Waldeck geschah dies 1821. Im Großherzogthum Hessen wurde 1833 in Darmstadt, da alle Geistliche damit einverstanden waren, die U. ausgesprochen u. mehre Gemeinden folgten stillschweigend. Auch in Frankfurt a. M. geschah es 1817, daß die lutherischen u. reformirten Pfarrer wechselsweise in den anderen Kirchen predigten u. die Gemeindeglieder eben so gegenseitig das Abendmahl genossen, welches nach dem Ritus jeder Confession von den Geistlichen beider ausgetheilt wurde.

E) Sonstige Unionsversuche. Bei der unirenden Richtung, welche sich, wie aus anderen Gebieten, so auch auf dem Gebiete der Kirche geltend machten, suchte man nicht blos innerhalb bestimmter Landeskirchen, sondern auch auf anderen Wegen U-en zu Stande zu bringen u. namentlich auch zwischen den verschiedenen Landeskirchen eine Vereinigung herzustellen. Dahin gehören: die Vereinigung der Deutsch-Protestantischen u. Anglicanischen Kirche durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, zu welcher durch die Gründung des Bisthums in Jerusalem (s.d.) 1842 der erste Schritt gethan wurde, für welche aber, da sie in Deutschland keine Sympathie fand, nichts weiter geschehen ist; ferner die Evangelische Kirchenconferenz (s.d.), deren Beschlüsse indeß nur selten zur Ausführung kamen; die Evangelischen Kirchentage, der Evangelische Bund (s. b.), der Allgemeine Protestantenverein (1863) u.a. Vgl. Hering, Geschichte der kirchlichen Unionsversuche, Lpz. 1836–38, 2 Bde.; Wangemann, Sieben Bücher preußischer Kirchengeschichte, 1859 u. 1860; J. Müller, Die evangelische U., 1854; Stahl, Die lutherische Kirche u. die U., 1859; dagegen: Sack, Die evangelische Kirche u. die U., 1861.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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