Wiclef

Wiclef

Wiclef (Wiclif, Wickliffe, Wicliffe, Wyclif Wycliffe), Johann, geb. angeblich 1324 zu Spraswell od. zu Hipswell od. zu Wiclif bei Richmond in Yorkshire; er soll seit 1340 in Oxford studirt haben u. Fellow von Merton College gewesen sein; 1361 war er Vorstand von Balliol College, nachdem er 1360 seinen Kampf gegen die Bettelmönche wegen deren Eingriffe in die Rechte der Universität Oxford begonnen hatte. Nach 1361 wurde er Pfarrer zu Chillingham in Lincolnshire, ohne sein Verhältniß zu Oxford zu lösen, wo er als Doctor der Theologie (welche Würde er wahrscheinlich schon 1363 erhielt) das Recht hatte theologische Vorlesungen zu halten u. 1365 Vorstand des Stiftes Canterbury Hall wurde; 1368 erhielt er die Pfarrei Ludgershall in Buckinghamshire u. 1374 die zu Lutterworth in Leicester. 1374 war er bei der Gesandtschaft, welche die Regierung nach Brügge schickte, um dort mit dem päpstlichen Nuntius wegen der Beschwerden zu unterhandeln, welche gegen den Päpstlichen Stuhl rücksichtlich der von der Curie von Besetzung kirchlicher Ämter in England bezogenen Provisionen erhoben worden waren. Wegen der Ansichten, welche er seit 1365 in seinen Vorträgen gegen die Oberherrlichkeit des Papstes über England u. für die Besteuerung der seit 1292 in Todter Hand befindlichen Ländereien, in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Parlaments, ausgesprochen hatte, kam er mit den Mönchen u. dem Clerus in Conflict, welche ihn bei dem Papst als Irrlehrer denuncirten. Der Papst Gregor XI verlangte nun 1377 von dem Erzbischof, dem Bischof von London, der Universität Oxford u. dem Könige, daß es W. untersagt werden sollte 19 namhaft gemachte u. kirchlich verurtheilte Sätze ferner zu lehren, od. in öffentlichen Disputationen zu vertheidigen, W. selbst aber verhaftet u. dem Erzbischof u. dem Bischof von London zu Maßregelung überantwortet werden sollte. Aber die Regierung nahm sich W-s an, u. als er sich zu Anfang des Jahres 1378 selbst vor den Prälaten in London stellte, so vertraten ihn die Regierung u. das Volk bei der Verhandlung so, daß er entlassen u. zu schriftlicher Verantwortung aufgefordert wurde. Nun wurde er kühner in seinen Angriffen auf Papst u. Kirche: er begann die Übersetzung der [162] Bibel u. erklärte sich 1381 gegen die Transsubstantiation beim Abendmahl. Aber jetzt verdammte der Kanzler der Universität zu Oxford seine auf das Abendmahl bezüglichen Sätze u. auch sein Gönner, der Herzog von Lancaster, erkannte den Ausspruch der Universität an. Und da W. fortfuhr seine Sätze schriftlich zu vertheidigen, so nahm der Primas des Reichs, Erzbischof Courtenay, die Sache in die Hand, brachte 1382 mehre einflußreiche Anhänger W-s zum Widerruf u. hielt dann 18. Nov. 1382 eine Synode, vor welche W. geladen wurde u. widerrufen sollte. Indeß er vertheidigte seine Lehre unerschrocken, u. da das Haus der Gemeinen die Inquisition gegen W. gemißbilligt hatte, so beschloß die Synode blos seine Ausstoßung aus der Universität, während er sein Pfarramt behielt. Dort predigte er reformatorisch fort, u. als zuletzt sogar der Papst Urban VI. ihn zur Verantwortung deshalb nach Rom beschied, lehnte er die Reise dorthin ab u. starb im Besitz seines Amtes u. seiner Würden 31. Dec. 1384 zu Lutterworth. Am 4. Mai 1415 erklärte das Concil zu Constanz W. für einen Ketzer, verdammte 45 Artikel von ihm u. befahl seine Schr isten zu verbrennen u. seine Gebeine auszugraben u. zu zerstreuen. Dieser Befehl wurde erst 1428 vollzogen, indem der Bischof von Lincoln W-s Gebeine aus der Marienkirche zu Lutterworth nehmen u. verbrennen u. die Asche in einen Fluß werfen ließ. Dagegen wurde ihm 1837 ein Denkmal, von Westmacots gefertigt, in der Kirche von Lutterworth gesetzt. Durch Predigt, Lehre u. Schrift gehört W. zu den Vorläufern der Kirchenreformation, u. zwar ist er unter allen der bedeutendste, indem er gegen die Oberherrlichkeit des Papstes über die Staaten u. überhaupt gegen den politischen Einfluß des Clerus, sowie gegen das Klosterwesen eiferte, auf die Unnatürlichkeit des Cölibats hinwieß, die Verfälschung u. Trübung der Kirchenlehre durch menschliche Zusätze u. die Nothwendigkeit der Reinigung derselben aus der Bibel behauptete, namentlich die Wandelung im Abendmahl u., beim Vorhandensein wirklicher Reue, die Nothwendigkeit der Beichte bestritt. Von seinen Schriften sind nur erst wenige herausgegeben, z.B. De simonia clericorum, De otio et mendacitate (gegen die Bettelmönche), sein Hauptwerk Trialogus s. Dialogorum libri IV, ein Gespräch zwischen der Wahrheit (ein besonnener Theolog), der Lüge (ein Ungläubiger) u. der Besonnenheit (ein gründlicher Theolog, welcher die Entscheidung gibt), zuerst (Basel) 1525, von Wirth, Frankf. 1753; De officio pastorali, herausgegen von Lechler, Lpz. 1863; die andern sind noch in Bibliotheken Englands, Irlands u. Böhmens handschriftlich vorhanden. Was die Übersetzung der Bibel anlangt, so hat W. wahrscheinlich selbst nur das N. T. übersetzt, während das A. T. wohl von seinem Mitarbeiter Nik. von Hereford herrührt; eine Verbesserung wurde nach W-s Tode (wahrscheinlich von John Purvey) um 1400 gemacht, welche dann eine ungemeine Verbreitung in England fand, aber erst später gedruckt wurde, so das N. T. herausgegeben von Lewis, Lond. 1731, von Baber, ebd. 1810, von Bagster in der English Hexapla 1841; von W-s eigner Übersetzung gab Ad. Clarke in dem Bibelcommentar, 1810–25, das Hohe Lied u. Lea Wilson 1848 das N. T. heraus; beide Bearbeitungen aber erschienen als The holy Bible in the earliest English versions made from the Latin vulgata by John W. and his followers, von Jos. Forshall u. Fred. Madden, Oxf. 1850, 4 Bde.

Die Anhänger Wiclefs (Wiclefiten), welche in England u. darnach überhaupt in der Kirchengeschichte mit dem verketzernden Namen Lollarden (s.d.) genannt wurden, waren schon zu seinen Lebzeiten u. kurz darnach ziemlich zahlreich, namentlich unter den höheren Ständen u. unter den Gelehrten in Oxford, aber auch unter dem Volke, welchem die wiclefschen Lehren bes. durch Reiseprediger, wie Nik. von Hereford, John Aston, John Purney, Dav. Gottrey, Will. Torpe u. A. beigebracht wurden. Ihr Hauptgrundsatz war, daß die Bibel die alleinige Quelle u. Auctorität in Sachen des Glaubens sei; sie verwarfen daher die Verehrung der Heiligen u. Bilder, die Wallfahrten, die Transsubstantiation, die Ohrenbeichte, die Seelenmessen, die Klostergelübde u. den Cölibat. Ein nicht lange nach W-s Tode verfaßtes Buch, The lantern of light, enthielt die Grundsätze ihrer Lehre. Der Clerus sah die Ausbreitung derselben mit scheelen Augen an u. beschuldigte die Lollardenprediger des Ungehorsams gegen die Kirchengesetze u. die kirchlichen Oberen, der Anstiftung von Uneinigkeit u. Feindschaft zwischen den Ständen des Reiches, der Irrlehren u. Ketzereien. Nachdem der Erzbischof von Canterbury im Mai 1382 im Parlamente auf staatsgewaltliches Einschreiten gegen die Lollardenprediger vergebens angetragen hatte, da wohl das Oberhaus dasselbe beschloß, das Haus der Gemeinen aber ablehnte, so erwirkte er vom König Richard II. eine Verordnung, nach welcher die Bischöfe bevollmächtigt wurden durch ihre geistlichen Untergebenen jene Prediger verhaften zu lassen. Zugleich verlangte der Erzbischof von W-s Anhängern an der Universität Oxford Widerruf ihrer Lehren, welchen endlich im Oct. u. Nov. auch Aston, Bedeman u. Reppington leisteten. Nach W-s Tode standen bes. Hereford, Purney, John Parker, Will. Smith u. A. an der Spitze der Lollarden, welche sich namentlich in den Kirchsprengeln von Lincoln, Salisbury, Worcester u. in der Grafschaft Leicester ausgebreitet u. bereits in ihr Glaubensbekenntniß die Lehre gegen Luxus u. Krieg aufgenommen hatten u. somit auch auf das politische Gebiet getreten waren. Im Jahre 1394 reichten sie bei dem Parlament eine Schrift ein, in welcher sie eine ihren Grundsätzen entsprechende Reform verlangten. Das Parlament verwarf diesen Antrag, u. von nun an vereinigten sich mit dem Clerus auch die Conservativen gegen die Wiclefiten u. es begannen, namentlich seitdem König Heinrich IV. den englischen Thron bestiegen hatte, welcher sich zur Befestigung auf demselben mit dem Clerus verband, nun die Verfolgungen gegen die Wiclefiten. 1400 wurde durch das Parlament die Acte über die Verbrennung der Ketzer gegeben, u. bereits am 14 Febr. d. J. wurde diese Strafe an dem Kaplan Will. Sawtre vollzogen. Es erfolgten nun Einkerkerungen, Nöthigung zum Widerruf, Hinrichtungen, u. nicht nur gegen die Lollardenprediger wurde mit solchen Proceduren vorgegangen, sondern seit 1408 die Wiclefiten auf der Universität Oxford ausgestoßen u. auch zu den Wiclefiten gehörige Barone des Reichs hingerichtet, wie 1417 John Oldcastle Lord Cobham. Jetzt hörte die politische Bedeutung der Lollarden auf u. sie waren nur noch wieder eine religiöse Gemeinschaft, deren Mitglieder sich in Häusern, entlegenen Hütten,[163] selbst Höhlen versammelten u. von den Reisepredigern erbaut u. zur Ausdauer in ihrem Glauben ermuthigt wurden. Die Verfolgungen der Prediger dauerte fort, die Hinrichtungen endigten mit dem Jahre 1430 od. 1431. Seitdem galten die Lollarden für ausgerottet; aber sie waren nur zurückgedrängt u. lebten als die Stillen im Lande mit ihrer Liebe zur Bibel u. ihrer Treue gegen ihre Grundsätze fort, bis sie sich im 16. Jahrh. mit den Anhängern der von Deutschland nach England verbreiteten Reformation verschmolzen. Die wiclefitischen Grundsätze verbreiteten sich von England aus theils durch Schriften, theils durch vom Festland in Oxford Studirende auch hierher u. bes. nach Böhmen, wo Huß u. Hieronymus von Prag Anhänger Wiclefs waren. Geringere Bedeutung für die Reformation wollten Luther u. Melanchthon dem W. beilegen. Von den mehrfachen Streitschriften gegen die Lollarden aus dem 14. u. 15. Jahrh., so von dem Cistercienser Heinrich Grumpe, dem Franciscaner Will. Woodford, Reg. Pecock, ist bes. der Fasciculus Zizaniorum, uns dem 15. Jahrh., neu herausgegeben worden von Schirley, Lond. 1858; vgl. außerdem Writings and examinations of Brute, Thorpe, Cobham etc., in British Reformers; Lechler, W. u. die Lollarden, in der Zeitschrift für historische Theologie, 1853 u. 1854. Lebensbeschreibungen von W. schrieben Lewis, Lond. 1720, 2. A. 1820; Zitle, Prag 1786; Tischer, Lpz. 1801; R. Vaughan, Lond. 1829, 2. A. 1831, 2 Bde.; Lebors, 1846; Lechler, W. als Vorläufer der Reformation, Lpz. 1858. Über die theologische Disciplin W-s schrieb Lewald in Niedners Zeitschrift für Historische Theologie, 1846; vgl. Huber, England in the days of W., Thetford 1849.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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