Windgeschwulst

Windgeschwulst

Windgeschwulst (Trommelsucht, Pneumatosis), krankhafter Zustand, wo eine ungewöhnlich große Menge von atmosphärischer Luft od. von andern Gasarten u. elastischen Flüssigkeiten im Zellgewebe od. in andern Theilen des Körpers vorhanden ist. Die Luftarten sind aus den thierischen Flüssigkeiten, aus dem Blute, der Lymphe etc. ausgeschieden, od. es ist atmosphärische Luft, welche von außen durch Wunden in äußern Theilen nach Innen, od. bei Verletzung der Luftwege, z.B. der Lungen, in das Zellgewebe der äußern Haut gedrungen ist, z.B. bei Pneumatothorax; od. blähenden Nahrungsmitteln u. Getränken, od. von schwacher Verdauung, Kolik, Magenkrampf, Hysterie u. Hypochondrie in dem Magen u. Darmkanale; selbst Faulfieber od. alle mit Colliquationen verbundene Leiden können in Folge von Zersetzung W. erregen. Am häufigsten ist die die W. bildende Luft atmosphärische, bes. in Folge von Lungenverwundungen, zuweilen kohlensaures Gas, od. auch freier Stickstoff, freies Kohlenschwefel- od. Phosphorwasserstoffgas. Man unterscheidet A) Allgemeine W. (Trommelsucht, Pneumatosis universalis, Emphysema cutaneum universale, Tympanitis). Ihre Symptome sind die des Emphysems (s.d.); ihre Ursachen sind Krankheiten mit Schwäche u. Entmischung der Säfte, Nerven- u. Faulfieber, Scorbut, bösartige Blattern, Schwindsucht, narkotische Gifte, Viperngift, heftige Erkältung, hoher Grad von Entkräftung, Eindringen atmosphärischer Luft in das Zellgewebe, eine besondere Anlage. B) Partielle W. (Pneumatosis partialis), kommt vor als a) W. des Unterleibes, ist entweder Austreibung durch Blähungen, Flatulenz (Tympanitis spuria, Darmwindsucht), wo die Luft sich in dem Darmkanale befindet (s.u. Blähungen), od. Meteorismus u. eigentliche Bauchwindsucht, wo die Luft theils in dem Darmkanale, theils in der Bauchhöhle sich befindet, bes. in acuten Krankheiten, wo sie oft in so hohem Grade statt findet, daß der Unterleib eine gleichmäßige Geschwulst bildet u. überall trommelt, wo er[256] angeschlagen wird. Meist begleiten denselben sehr böse Krankheitserscheinungen. Windsucht ist die Gasanhäufung, wenn sie als chronische Krankheit Auftreibung des Unterleibes, heftigere u. andauernde Symptome, als Blähungen, veranlaßt. Meist ist Stuhlverhaltung zugegen, dabei Neigung zum Aufstoßen u. zu Blähungen, Kurzathmigkeit u. Erstickungsanfälle, Ohnmachten, Erbrechen, Schluchzen, Angst u. Mattigkeit. Meist erfolgt der Tod unter Abmagerung u. Erschöpfung, od. unter Lungenblutungen, Blut- u. Kothbrechen, Entzündung u. Brand. Heilung erfolgt zuweilen unter dem Abgange von einem schwarzen, stinkenden Kothe, unter Rückkehr der Hämorrhoiden, der Katamenien, od. eines Hautausschlags, welche unterdrückt waren, u. endlich unter Abscessen an äußern Theilen. Die Prädisposition zu diesem Übel geben Hypochondrie, Hysterie u. Schwäche des Speisekanals; Gelegenheitsursachen sind Faulfieber, Gelbsucht, Vereiterungen, chronische Kachexien, chronische Ruhren, unvorsichtig gestopfte Durchfälle, schlecht behandelte, veraltete Wechselfieber, starke Blutungen, unterdrückte kritische u. habituelle Blutflüsse, unterdrückte Hautausschläge, Druck durch Geschwülste im Unterleibe etc. Die Behandlung richtet sich nach den zu Grunde liegenden Krankheiten, u. besteht dann in Anwendung von Mitteln, durch welche die Resorption der angesammelten Luft befördert u. die Aushauchung derselben verhindert wird. In schlimmen Fällen muß der Bauchstich gemacht u. die Luft entleert werden. b) W. des Kopfes (Physocephalus), verbreitet sich über die allgemeinen Kopfbedeckungen, sie entsteht am häufigsten durch Verletzungen. c) W. des Halses (Emphysema colli). d) W. der weiblichen Brüste (Emphysema mammarum). e) W. der Füße, kommt vorzüglich an den Schienbeinen Hysterischer vor. f) W. des männlichen Gliedes, nach Wunden u. Quetschungen dieses Theils. g) W. des Hodensacks (Pneumatocele, Windbruch), ist entweder ein Darmbruch od. eine Art Wasserbruch mit Luftanfüllung; wird oft künstlich hervorgebracht von Militärpflichtigen, indem sie durch eine seine Öffnung ins Zellgewebe des Hodensacks Luft einblasen u. dann die Öffnung schnell heilen lassen. h) W. der Gebärmutter (Physometra, Tympanitis uterina, Windsucht der Gebärmutter), Luftanhäufung in der Gebärmutter stellt sich als eine von außen fühlbare, leichte, elastische Geschwulst im Unterleibe, in der Gegend der Gebärmutter, von kugeliger Gestalt dar; von Zeit zu Zeit geht die Luft ab, was man Mutterblähungen nennt. i) W. der Scheide, ist elastisch u. schmerzhaft, man läßt die Luft durch einen Einstich ausströmen. k) W. des Mastdarms, hier tritt die innere Haut des Mastdarms, welche von Luft ausgedehnt ist, zum After heraus u. bildet eine elastische Geschwulst, die Luft wird durch Einstiche entfernt. l) W. der Harnblase, hier geht der Harn mit Luft ab; meist ist Durchbohrung des Mastdarms u. der Blase Veranlassung.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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