Zeichnen [1]

Zeichnen [1]

Zeichnen, bestimmte Gegenstände nach ihren Formen u. Verhältnissen auf ebener Fläche im Umriß od. mit dem Schein der Abrundung durch Licht u. Schatten sinnlich wahrnehm bar darstellen. Es geschieht dies meist auf Holz, Tafeln von Schiefer od. anderm Stein, Pergament od. am häufigsten auf Papier (Zeichenpapier, s.u. Papier IV. D), u. zwar mit Silber-, Blei- od. Schieferstift, Kreide, Kohle, der Feder, dem Pinsel, der Nadel etc., sodann dem Wischer beim Schattiren etc. Das hierdurch Hervorgebrachte nennt man eine Zcichnung, die Fähigkeit, sie herzustellen, Zeichenkunst. Das Z. bildet, mit dem Colorit (s.d.) vereint, die Malerkunst (s. Malerei) u. ist noch wichtiger als das Colorit, indem ein Gemälde, in welchem die Figuren falsch od. nachlässig gezeichnet sind, auch bei dem besten Colorit nicht schön werden kann, während ein Gemälde, welches richtige Zeichnung u. gar kein Colorit hat, z.B. ganz in Braun ausgeführt ist, doch ästhetisch schön sein kann. Die Zeichnung bestimmt stets den Geist eines Kunstwerkes, während die Farbengebung ihn sinnlich faßlicher macht. Zu einer guten Zeichnung gehört Richtigkeit, Reinheit, Bestimmtheit u. Sicherheit, in höherer Beziehung Feinheit des Gefühls für die Schönheit u. für die Eigenthümlichkeit des darzustellenden od. des nachzubildenden Gegenstandes. Als die größten Meister im Z. werden in früherer Zeit Rafael, Mich. Angelo[553] u. A. Dürer, neuerer Zeit Cornelius u. Kaulbach genannt. Die Zeichnungen jeder Art theilt man in folgende fünf Klassen: a) Croquis (Skizzen, tocquirte Zeichnungen), sie haben blos den Zweck die erste Idee od. Anlage festzuhalten, machen keinen Anspruch auf strenge Richtigkeit od. Zartheit, erhalten aber Werth, wenn ein Meister sie mit Geist u. Kühnheit entwarf; b) ausgeführte Zeichnungen, welche mit Sorgsamkeit u. Andeutung aller Kleinigkeiten ausgeführt u. vollendet sind; c) Studien, Zeichnungen nach dem Leben, od. nach der Bosse, auch nach Thieren, Gegenden etc. zur Selbstbelehrung u. zur Vorbereitung größerer Gemälde gefertigt. d) Acte od. Akademien, mit den vorigen verwandte Zeichnungen, in Zeichenakademien nach lebenden, nackten Figuren, od. mit (oft nassen) Gewändern behangenen Mannequins (s.d. 2), vorzüglich geeignet, um die künstliche Gliederlage, Verkürzungen u. dgl. darnach zu studiren u. die Schüler in der Darstellung dieser zu unterrichten. e) Cartons, Zeichnungen auf Papier, in derselben Größe, als die Gemälde, welche nach ihnen ausgeführt werden. Solche Cartons von berühmten Meistern, wie überhaupt deren Handzeichnungen, werden sehr hoch geschätzt u. in Sammlungen von Handzeichnungen sorgfältig verwahrt. Die Erfindung des Z-s schrieben die Griechen der Kallirrhoe, Tochter des Dibutades, eines sikyonischen Töpfers, zu, welche den Schattenriß ihres scheidenden Geliebten an die Wand zeichnete u. somit die Skiagraphie erfunden haben soll. Zuerst war die Zeichenkunst ganz roh, man bezeichnete Anfangs in der sogenannten ersten Periode jeden Gegenstand mit einem bestimmten Zeichen; z.B. ein Oval war ein Kopf. In der zweiten Periode füllte man diesen Umriß mit Schwarz, od. einer andern Farbe aus u. zeichnete in diese mit Weiß Augen, Nase, Mund, Haare etc. hinein. In der dritten Periode ging man durch die einfarbigen Gemälde (Monochromen, s.d.) u. Camaïen's zum Illuminiren, also zur eigentlichen Malerei (s.d.) über; immer waren, wie noch jetzt bei den Chinesen, Zeichnungen u. Gemälde ganz ohne Schatten. In der vierten Periode gelangte man endlich bis zur festen Linearzeichnung u. deutete zugleich den Schatten durch Schraffirung an. In dieser Zeit war die Zeichenkunst schon zur hohen Vollkommenheit gediehen, die Griechen hielten viel auf strenge u. richtige Zeichnung, die Linearzeichnung war auf dem höchsten Gipfel der Kunst, u. man hielt viel auf eine feste Hand u. auf mit Zartheit u. Leichtigkeit hingeworfene Linien. In der fünften Periode, zur Zeit der späteren Griechen u. bei den Römern, sank die Zeichenkunst mit der Malerei allmälig wieder, bis sie in der sechsten Periode in das Harte, Ungefällige u. fast Rohe der byzantinischen Kunst verfiel. Dies trug sich auch auf die siebente Periode, die italienische Kunst im 12.–14. Jahrh. u. in die fast gleichzeitige altdeutsche Kunst über, wo Fehler u. Übertreibungen in der Zeichnung etwas sehr Gewöhnliches sind. Nur blickten dort edlere u. schönere Formen u. richtigere Verhältnisse als hier durch, während die altdeutsche Kunst einen größeren Tiefsinn zeigte, welcher sich mehr zur Poesie, als zur bildenden Kunst neigt. In der achten Periode kam die echte u. correcte Zeichenkunst, hauptsächlich durch Rafael, zur Reise u. entfaltete sich zu größter Vollkommenheit. Das Z. erstreckt sich auch über Ansichten von oben, wie sie dem Beschauer von einem Thurm (Cavalierperspective [s.d.], vgl. Perspective 1), od. wie sie einem Vogel, welcher über jeden gezeichneten Gegenstand gerade wegflöge (Vogelperspective, s.u. Perspective 1) erscheinen würden. Diese Art Zeichnungen nennt man Situationszeichnungen (s. Planzeichnen); aber diese Zeichnungen u. andere, wie Architektur-, Perspectiv-, Artillerie-, Maschinenzeichnungen etc., gehören weniger zur Kunst, sondern sind meist für technische Zwecke, u. es kommt bei denselben nur auf strenge Richtigkeit, weniger od. gar nicht auf Schattengeben u. dgl. an. Die ganze Lehre faßt man unter dem Namen technische Zeichnungslehre zusammen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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