Zinn [1]

Zinn [1]

Zinn (Stannum). I. (Chem.), chemisches Zeichen Sn, Äquivalent 58 (H = 1) od. 725 (O = 100). Metall, ist fast silberweiß, mit einem Stich ins Bläuliche, etwas härter als Blei, geschmeidig, läßt sich zu dünnen Blechen auswalzen u. zu Draht ausziehen, welcher sehr weich u. biegsam, aber sehr wenig fest ist. Beim Reiben ertheilt es den Fingern einen eigenthümlichen lange anhaftenden Geruch. Biegt man eine gegossene Stange Z., so zeigt sich[635] ein eigenthümliches knirschendes Geräusch (das Schreien des Z-s), eine Eigenschaft, welche es durch Vermischen mit andern Metallen verliert, so daß man aus der Stärke des Schreiens auf die Reinheit des Z-s schließen kann. Bei 200° ist das Z. spröde, so daß es mit dem Hammer zerschlagen werden kann; sein specifisches Gewicht ist 7,29, durch Hämmern u. Walzen kann es auf 7,47 erhöht werden. Es schmilzt bei ungefähr 230° C. u. erstarrt krystallinisch. Die Krystalle des Z-s gehören dem regulären System an; scheidet man dagegen das Z. aus einer Auflösung mittelst metallischem Z. od. durch den elektrischen Strom ab, so erhält man es in quadratischen Säulen. Das krystallinische Gehäge des Z-s ist der Grund des Schreiens beim Biegen; die Krystalle reiben sich an einander u. geben jenes eigenthümliche Geräusch; dabei erhitzt sich das Metall an der betreffenden Stelle, wenn man das Biegen einigemal rasch wiederholt. Bei gewöhnlicher Temperatur verändert sich die reine metallische Oberfläche des Z-s nur sehr wenig; auf geschmolzenem Metall bildet sich eine weiße Haut von Zinkoxyd (Zinnkrätze), in starker Weißglühhitze beginnt das Z. zu sieden u. sich langsam zu verflüchtigen, bei Luftzutritt verbrennt es mit leuchtender Flamme zu weißem Zinnoxyd (Zinnasche). In Salzsäure löst sich das Z. unter Bildung von Zinnchlorür auf; verdünnte Schwefelsäure greift es nur wenig an, concentrirte Schwefelsäure verwandelt es in der Wärme in schwefelsaures Zinnoxydul, wobei schweflige Säure entweicht. Verdünnte kalte Salpetersäure löst das Z. ebenfalls auf, dabei wird Wasser u. Säure theilweis zerlegt, so daß Ammoniak gebildet wird, die Lösung enthält daher neben salpetersaurem Zinnoxydul salpetersaures Ammoniak; concentrirte Salpetersäure verwandelt das Z. unter heftiger Einwirkung in Zinnoxyd, welches sich in der Säure nicht löst. Königswasser löst das Z. zu Zinnchlorid auf. Behandelt man die Oberfläche von gegossenem Z. od. von verzinntem Eisenblech mit verdünnten Säuren, so tritt das krystallinische Gefüge des Z-s als perlmutterartig glänzende Zeichnungen, den Eisblumen an den Fenstern ähnlich, hervor; man stellt auf diese Weise durch Ätzen mit einem Gemenge von 2 Theilen Salzsäure, 1 Thl. Salpetersäure u. 3 Thln. Wasser die sogen. Moiré metallique auf Weißblech (gemortes od. geflammtes Blech) dar. Weil das Zinnoxyd den Alkalien gegenüber als Säure fungirt, so oxydiren auch Alkalien das metallische Zinn; erhitzt man Z. in concentrirter Natronlösung, so entsteht unter Entwickelung von Wasserstoff zinnsaures Natron. Das Z. findet sich in der Natur nicht sehr häufig; im metallischen Zustande kommt es nirgends vor; das Mineral, aus welchem es ausschließlich gewonnen wird, ist der Zinnstein (s.d.)

Zinn (gr. Kassiteros) kommt unter den Griechen schon bei Homer vor u. diente zur Verzierung von Panzern, Schilden, Wagen etc. Bei der Bearbeitung wurde es im Feuer flüssig gemacht u. dann über die untern Metalllagen gegossen, vielleicht auch mit dem Hammer getrieben u. als Platten über das andere Metall gezogen. Den Namen sollen die Griechen diesem Metall gegeben haben von dem Berge Cassius im südlichen Lusitanien, welche Gegend von den Alten als reich an Z. angegeben wird. Bei den Römern wird. Z. Stannum u. Plumbum album genannt, doch ist nach Ein. der Unterschied, daß jenes das Werkblei, dieses das Z. bezeichnet. Schweigger hat nachzuweisen gesucht, daß der homerische Kassiteros, eben so wie das Plumbum candidum des Plinius nicht das Z., sondern unser Platin (s.d.) bedeuten. Die Römer brauchten das hibernische od. britannische Z. Den Handel mit Z. trieben die celtischen Völker (daher auch Celtisches Z.), welche dasselbe aus den südwestlichen Theilen von Albion u. der Insel Wight holten u. bis an die Ufer der Loire u. Garonne brachten, auch weiter nach Massilia u. später nach Narbo verführten. Neben den Celten waren noch die Gaditauer in Besitz des Zinnhandels (daher auch die Sage, in Lusitanien gebe es Z. u. der Bätisfluß führe dessen mit sich), welches sie theils von den Zinninseln (s. Kassiteriden unter Kassiteros), theils wohl auch aus dem nördlichen Spanien holten. Das britannische Z. behielt aber den Vorzug, wiewohl man über die Gewinnung desselben nichts Näheres wußte; in Britannien sollte schon die Oberfläche des Landes das Metall liefern. Es diente bes. zum Überziehen kupferner Gefäße; auch machte man aus Z. Spiegel, ehe die silbernen Mode wurden; zu diesem Zwecke mischte man auch Erz zu dem Z. Auch diente es, um gemischte Metalle zu scheiden, z.B. Gold u. Silber vom Blei, Eisen u. Erz gegen das Schmelzen zu sichern, endlich wurde Bleiweiß zum Malen u. Schminken daraus bereitet. Die Deutschen brauchten das Z. selten allein, sondern gewöhnlich mit Kupfer zu Bronce vermischt. Die Anwendung des Z-s ist sehr mannichfach. Man gießt daraus, gewöhnlich unter Zusatz von Blei, Gefäße aller Art, Leuchter, Verzierungen, Spielzeug; es dient ferner zum Überziehen (Verzinnen, s.d.) von Eisen u. Kupfer; dünn geschlagenes Z. (Zinnfolie, Stanniol) wird zum Belegen der Spiegel, zum Einpacken von Gewürz, Chokolade, Seife etc., für physikalische u.a. Zwecke benutzt. Mit anderen Metallen bildet es wichtige Legirungen, wie Bronce, Kanonenmetall, Glockenspeise, Britanniametall, Compositionsmetall etc. Das unechte Blattsilber (Silberschaum) ist Z. mit Zink versetzt; aus derselben Zusammensetzung besteht die weiße Broncefarbe (Staubbronce), welche im Wachstuch- u. Tapetendruck, so wie zum Bronciren von Gyps u. Holz benutzt wird. Ferner bereitet man aus dem Z. das Mussivgold zum unechten Vergolden von Holz, Pappe, Gyps etc., Zinnsalz u.a. Präparate, welche in der Färberei Anwendung finden. Die durch Verbrennen des Z-s an der Luft erhaltene Zinnmasse dient zum Poliren von Glas u. Metall u. zum Weißfärben des Email.

Verbindungen des Z-s. A) Mit Sauerstoff. a) Zinnoxydul Sn O; wird erhalten, wenn man metallisches Z. in warmer concentrirter Salzsäure auflöst u. die Lösung mit kohlensauren Alkalien fällt; der erhaltene weiße Niederschlag ist Zinnoxydulhydrat, welches beim Erhitzen in dunkelbraunes krystallisirtes wasserfreies Oxydul übergeht; eben so erhält man das wasserfreie Oxydul in Krystallen, wenn man das Hydrat in Kalilauge löst u. vorsichtig abdampft, od. man kocht das aus dem Chlorür dargestellte Hydrat mit sehr verdünnter Kalilauge, welche den Niederschlag nicht aufzulösen vermag; so bilden sich kleine glänzende schwarze Krystalle von wasserfreiem Oxydul. Beim Erhitzen zerknistern diese Krystalle u. zerfallen in ein olivenfarbiges blättriges Pulver, ohne daß ein Gewichtsverlust zu bemerken ist; man unterscheidet daher eine braune u. eine olivenfarbene Modification des[636] Zinnoxyduls. Eine dritte Modification von rother Farbe erhält man nach Fremy, wenn man eine Auflösung von Zinnchlorür mit viel Ammoniak versetzt u. diese Flüssigkeit in kleinen Portionen verdunstet. Mit Säuren bildet das Zinnoxydul meist farblose od. gelbliche, herb metallisch schmeckende Salze, welche im hohen Grade desoxydirend wirken, edle Metalle aus ihren Lösungen abscheiden u. Eisenoxydlösungen zu Oxydullösungen reduciren. Fixe ätzende Alkalien fällen aus ihren Lösungen Oxydulhydrat, welches im Überschuß löslich ist; kohlensaure Alkalien geben ebenfalls einen Niederschlag von Oxydulhydrat. Schwefelwasserstoff fällt selbst in saurer Lösung schwarzes Schwefelzinn, welches nicht in Einfachschwefelammonium, dagegen in Supersulfuret löslich ist. Gelbes Blutlaugensalz gibt einen weißen gallertartigen Niederschlag von Ferrocyanzinn, Jodkalium einen gelblichen Niederschlag von Zinnjodür, welcher sich nach einiger Zeit roth färbt. Stellt man eine Stange metallisches Zink in die Auflösung eines Zinnoxydulsalzes, so scheidet sich metallisches Z. in baumförmigen Gruppirungen aus (Zinnbraun). b) Zinnsesquioxydul Sn2O3, wird als Hydrat erhalten, wenn man in einer Lösung von Zinnchlorür, welche keine freie Salzsäure enthält, frisch gefälltes feuchtes Eisenoxydhydrat einträgt u. bis zum Sieden erhitzt; es ist eine schleimige graue, meist von Eisenoxyd gelblich gefärbte Masse, welche zu durchscheinenden Körnern eintrocknet u. beim Erhitzen in Kohlensäuregas in schwarzbraunes wasserfreies Zinnsesquioxydul übergeht. Das Hydrat löst sich leicht im ätzenden Ammoniak. c) Zinnoxyd, Zinnsäure, Sn O2, findet sich in der Natur krystallisirt als Zinnstein. Künstlich gewinnt man es in Krystallen, indem man Zinnchloriddampf u. Wasserdampf gemeinschaftlich durch eine rothglühende Porzellanröhre leitet; so dargestellt bildet es farblose diamantglänzende sehr harte Krystalle von 6,72 specifischem Gewicht u. der Form der Titansäure. Beim Schmelzen des Z-s an der Luft verbrennt dasselbe an der Oberfläche zu Zinnoxyd (Zinnasche). Als sehr zartes Pulver erhält man das Oxyd beim Erhitzen von oxalsaurem Zinnoxydul. Zinnoxydhydrat entsteht beim Auflösen von metallischem Z. in Salpetersäure als weißes Pulver; beim Fällen von Zinnchloridlösung mit kohlensaurem Baryt erhält man es als gallertartigen Niederschlag, welcher zu einer glasartigen durchscheinenden Masse eintrocknet. Diese beiden Zinnoxydhydrate zeigen ein so auffallendes chemisches Verhalten, daß man sie als isomere Modificationen betrachtet u. das durch Fällen einer Zinnchloridlösung gewonnene als Zinnoxydhydrat schlechthin, von dem durch Salpetersäure gewonnenen Metazinnoxydhydrat unterscheidet; man bezeichnet das Oxyd des ersteren Hydrats als gewöhnliches Zinnoxyd (Zinnsäure, od. a Zinnsäure), a Sn O2, das des letzteren als Metazinnoxyd (Metazinnsäure, b Zinnsäure) b Sn O2. Basen gegenüber vertritt das Zinnoxyd die Stelle einer Säure u. bildet mit ihnen die zinnsauren Salze (Stannate), unter denen sich die der gewöhnlichen Zinnsäure wesentlich von denen der Metazinnsäure unterscheiden. B) Mit Chlor. a) Zinnchlorür (Einfach-Chlorzinn, Zinnsalz), Sn Cl, wird wasserfrei erhalten durch Erhitzen von Z. in Salzsäuregas od. Destilliren des entwässerten wasserhaltigen Chlorürs od. endlich durch Erhitzen von gleichen Theilen Zinnspähnen u. Quecksilberchlorid. Es schmilzt in der Hitze u. kann destillirt werden, wobei indeß ein Theil zersetzt wird. Eine Auflösung des Chlorürs entsteht beim Behandeln von metallischem Z. mit concentrirter Salzsäure, wobei die Gegenwart von Platin sehr fördernd wirkt. Im Großen stellt man das wasserhaltige Salz (Zinnsalz) für die Färbereien dar, indem man Zinnspähne in warmer Salzsäure löst u. die Flüssigkeit zur Krystallisation abdampft; um der Bildung von Chlorid vorzubeugen, muß immer Z. im Überschuß vorhanden sein. Das Zinnsalz krystallisirt in farblosen Nadeln od. Prismen von unangenehmem, herbem metallischem Geschmack; es löst sich in wenig Wasser, wird von viel Wasser zersetzt, indem sich ein basisches Salz ausscheidet, ebenso verändern sich die Krystalle u. die Lösung an der Luft, indem sie Sauerstoff absorbiren. Das Zinnsalz findet ausgedehnte Anwendung in der Färberei; man benutzt es zum Desoxydiren von Indigo, Eisenoxyd u. Manganoxyd, so wie als Beizmittel bes. für rothe Farben. In der analytischen Chemie dient es zur quantitativen Bestimmung des Quecksilbers. b) Zinnsesquichlorür, Sn2 Cl3, durch Auflösen von Zinnsesquioxydul in Salzsäure erhalten; ist eine farblose Flüssigkeit, welche aus Goldlösungen den sogen. Goldpurpur sehr schön fällt. c) Zinnchlorid, Sn Cl2, das wasserfreie Chlorid wird gewonnen durch Destillation aus einem innigen Gemenge von 1 Thl. Zinnspähnen u. 4 bis 5 Thln. Quecksilberchlorid, od. indem man trocknes Chlorgas über erhitztes Zinnchlorür od. schmelzendes Z. leitet. Es ist eine sehr dünnflüssige, farblose, flüchtige, an der Luft rauchende Flüssigkeit (Libavs rauchender Liquor, Liquor fumans Libavis); sein specifisches Gewicht ist bei 0° C. 2,267; es erstarrt bei – 20° C. noch nicht u. siedet bei 115° C. Mit Wasser vermischt erstarrt es zu einer krystallinischen Masse (Zinnbutter) von wasserhaltigem Chlorid, welches in einem Überschuß von Wasser löslich ist; auch an der Luft zieht es Wasser an u. bildet wasserhaltige Krystalle von der Zusammensetzung Sn Cl2 + 3HO. In Auflösung erhält man das Zinnchlorid durch Behandeln von metallischem Z. mit Königswasser. Man benutzt es, wie das Chlorür in der Färberei als Beize, zum Aviviren etc. Das sogen salpetersaure Z. (Composition, Rosirsalz, Physik) der Färber wird durch Auflösen von gekörntem Zinn in Königswasser erhalten; es ist ein Gemisch von Zinnchlorid u. Zinnchlorür. Das Zinnchlorid vereinigt sich mit verschiedenen anderen Körpern zu eigenthümlichen Verbindungen. Leitet man Ammoniakgas in wasserfreies Zinnchlorid, so entsteht ein weißer pulverförmiger Körper von der Zusammensetzung SnCl2 + H3N od. H3SnNCl2, welcher ohne Zersetzung destillirt werden kann u. in Wasser vollkommen löslich ist. Phosphorwasserstoffgas wird von Zinnchlorid absorbirt, indem sich eine gelbe an der Luft rauchende Verbindung 3 SnCl2 + H3P bildet. Mit Schwefelsäure verbindet sich das Zinnchlorid zu einer festen wasserhellen Masse, wenn man wasserfreie Schwefelsäure in Dampfform darauf einwirken läßt. Mit den Chloriden der Alkalimetalle u. Erdalkalimetalle vereinigt sich das Zinnchlorid direct zu krystallisirten Doppelsalzen (Chlorostannaten), von denen namentlich das Ammonium-Zinnchlorid in der Kattundruckerei unter dem Namen Pinksalz als Beize angewendet wird; es scheidet sich als weißes krystallinisches Pulver ab, wenn man die Lösungen[637] von Zinnchlorid u. Salmiak vermischt; löst sich bei gewöhnlicher Temperatur in 3 Thln. Wasser; beim Erhitzen der verdünnten Lösung scheidet sich das Z. als Oxydhydrat aus. Auch mit Ätherarten, Alkohol u. ähnlichen Flüssigkeiten verbindet sich das Zinnchlorid; die meisten dieser Verbindungen sind krystallisirbar u. leicht zersetzbar. C) Mit Brom. a) Zinnbromür, Sn Br, durch Erhitzen von Z. mit Quecksilberbromid od. Bromwasserstoffsäuregas erhalten; ist krystallinisch, graulichweiß; gibt, an der Luft erhitzt, Zinnbromid, SnBr2, eine krystallinische weiße Masse, welche an der Luft Nebel ausstößt u. ohne Zersetzung sublimirt werden kann. D) Mit Jod. a) Zinniodür, Sn I, wird in schönen gelbrothen nadelförmigen Krystallen erhalten, wenn man zu einer warmen concentrirten Lösung von Zinnchlorür eine concentrirte Lösung von Jodkalium gibt; bei directer Vereinigung von Z. u. Jod bildet es eine tiefrothe krystallinische Masse. Erhitzt man das Jodür an der Luft, so sublimirt Zinniodid Sn I2 in orangerothen Krystallen, im Rückstand bleibt Oxyjodür. E) Mit Fluor. Löst man Zinnoxydul in Fluorwasserstoffsäure auf u. dampft die Lösung im luftleeren Raum ab, so krystallisirt Fluorzinn in kleinen glänzenden Krystallen, welche an der Luft Sauerstoff aufnehmen u. in Oxyfluorid übergehen. F) Mit Schwefel. a) Zinnsulfuret, Sn S, entsteht bei der directen Vereinigung von Z. mit Schwefel in höherer Temperatur u. bildet eine bleigraue blättrig krystallinische Masse, welche sich in Salzsäure unter Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas vollständig auflöst. Lösungen von Zinnoxydulsalzen geben mit Schwefelwasserstoff einen braunschwarzen Niederschlag, welcher ebenfalls das Sulfuret ist. b) Zinnsesquisulfuret, Sn2S3, durch Erhitzen von Zinnsulfuret mit dem dritten Theil des Gewichts Schwefel erhalten; ist eine graugelbe glänzende Masse, welche bei der Behandlung mit concentrirter Salzsäure in c) Zinnbisulfid, Sn S2, übergeht; dasselbe kann auf trockenem Wege durch Zusammenschmelzen von Z. u. Schwefel nicht erhalten werden, wohl aber beim Erhitzen von Z., Zinnoxyd od. Zinnsulfuret mit Schwefel u. einem verdampfbaren Körper, bes. Salmiak, welcher die Wärme bindet; man gewinnt es so in Gestalt goldglänzender Blättchen; in diesem Zustande beißt es Musivgold (s.d.) Beim Fällen einer Zinnchloridlösung mit Schwefelwasserstoff erhält man das Sulfid als einen gelblichen Niederschlag, welcher zu einer gelbbraunen wasserhaltigen Masse eintrocknet. Das Zinnsulfid wird in höherer Temperatur zersetzt, indem Schwefel sublimirt u. niedere Schwefelungsstufen im Rückstand bleiben. G) Mit Selen verbindet sich das Z. direct zu einer grauen metallglänzenden Masse; der Niederschlag, den Selenwasserstoff in einer Lösung von Zinnchlorid hervorbringt, ist Zinnselenid, SnSe2. H) Mit Phosphor schmilzt Z. zu einer silberweißen, blättrig krystallinischen Masse von der Zusammensetzung Sn2 P; eine dem Sesquioxyd entsprechende Verbindung Sn2P3 von gelber Farbe wird gewonnen, wenn man die oben unter B) c) erwähnte Verbindung von Zinnchlorid mit Phosphorwasserstoff mit Wasser behandelt. I) Mit anderen Metallen. Von den Legirungen des Z-s sind bes. die mit Kupfer u. Blei die wichtigsten. Mit Kupfer allein od. mit Kupfer u. anderen Metallen setzt das Z. die meisten der technisch angewendeten Legirungen zusammen, so die Bronce u. die bronceähnlichen Legirungen, Kanonenmetall, Glockengut, Spiegelmetall, Weißguß u. Rothguß zu allerhand Maschinentheilen u.a. Mit Blei wird das Z. bes. für die Zinngeschirre legirt u. zwar theils wegen des geringeren Preises des Bleies, theils weil solche Legirungen sich zum Gießen besser eignen u. nicht so spröde wie reines Z. sind, dagegen sind sie nicht so weiß u. laufen an der Luft leichter an als Z. Bleihaltige Zinngeschirre können leicht der Gesundheit nachtheilig werden, indem bei einem zu großen Bleigehalt saure Flüssigkeiten Blei auflösen. Aus einer Legirung aber, welche nur ein Drittel vom Gewicht Blei enthält, nehmen verdünnte Säuren kein Blei auf. Daher bestehen in den meisten Ländern gesetzliche Bestimmungen über das Verhältniß, in welchem das Z. mit Blei zu legiren ist; niemals darf die Menge des Bleis mehr als ein Drittel vom Gewicht der Legirung betragen, s.u. Zinngießer A). Ein Gemisch von gleichen Theilen Blei u. Z. od. von 2 Thln. Z. u. 1 Thl. Blei ist das Schnellloth der Klempner. Mit Zink legirtes Z. ist härter als reines Z., aber weicher als Zink u. gibt, in dünne Blättchen ausgeschlagen, das unechte Blattsilber. Z. u. Antimon, zuweilen mit wenig Kupfer od. Zink, geben Legirungen, welche unter dem Namen Britanniametall, Plate pewter, Métal argentin, Ashberrymetall, Queensmetall etc. zu Löffeln, Gabeln, Messergriffen, Theekannen, Kaffeekannen u. vielen anderen Geräthen häufig verarbeitet werden. Mit Quecksilber bildet das Z. in der Kälte leicht den Amalgam; dasselbe wird zum Belegen der Spiegel gebraucht.

II. (Berg- u. Hüttenwesen). Der Zinnstein, das für die Gewinnung des Z-s allein wichtige Erz, findet sich theils auf Lagern, Gängen u. Stockwerken im Granit, Syenit, Porphyr u. Thonschiefer, theils auf secundärer Lagerstätte in Ablagerungen von verschiedenartigen Geröllen, in sogenannten Seifenwerken od. Zinnseifen u. im aufgeschwemmten Land, s. Zinnstein. Während das im Gestein eingewachsene Zinnerz (Bergzinn) Schwefelkies, Arsenkies, Molybdänglanz u.a. Beimengungen enthält, ist der Zinnstein der Seifenwerke, das sogenannte Stromzinn, von jenen Beimengungen fast ganz frei u. liefert daher leicht ein sehr reines Z. Der Gehalt der in Stockwerken eingesprengten Zinnerze beträgt häufig nur 1/3 Procent (armer Zwitter) u. es liefern dann 20 Fuhren zu 16 Ctnr. nur etwa einen Centner Schlich, selten sind reiche Zwitter von 18 Proc., von denen eine Fuhre drei Centner Schlich gibt. Die Verarbeitung dieser Zinnerze geschieht so, daß man dieselben zerkleinert u. die leichteren Theile durch Schlämmen (Zinnwäsche) entfernt; darauf röstet man das Erz, um Schwefelkies u. Arsenikkies zu zersetzen, u. schlämmt wieder; durch wiederholtes Rösten u. Schlämmen gewinnt man den sogenannten Schlich, welcher etwa 50 Proc. Zinn enthält. Der beim Rösten entweichende Arsenik wird in Giftfängen gesammelt. Das Ausschmelzen des Z-s aus dem Schlich geschieht in Sachsen in einem etwa 10 Fuß hohen Schachtofen. Der Schlich wird in abwechselnden Lagen mit Schlacken u. Abfallproducten in den Ofen gebracht, aus welchem das Z. mit den Schlacken in einen vor den Ofen befindlichen, aus Granitplatten gebildeten Tiegel abfließt; ist dieser mit Metall gefüllt, so läßt man dasselbe in einen zweiten Tiegel abfließen. In England mischt man das[638] aufbereitete Erz mit Kohlenklein u. Kalk u. bedient sich eines Flammenofens. Um das so gewonnene Z. von den es begleitenden Unreinigkeiten zu befreien unterwirft man es noch einem Saigerproceß; man erhitzt die Zinnblöcke zwischen Kohlen auf sogenannten Pauschhorden od. in Flammenöfen, wobei das reine Z. nach u. nach ausschmilzt, während eine schwer schmelzbare Legirung des Z-s mit den dasselbe begleitenden Metallen (die Saigerdörner) erst später ausfließt u. durch wiederholtes Saigern gereinigt wird. In England wird das gesaigerte Z. noch raffinirt; man schmilzt es nämlich in Kesseln u. taucht in dasselbe grünes Holz od. Reißbündel; durch das dabei entstehende Aufwallen werden Zinnoxyd u.a. Unreinigkeiten an die Oberfläche gebracht u. abgezogen; man läßt das Metall bis zu einem gewissen Grad erkalten u. schöpft es dann in granitnen Formen ab (Blockzinn); die unterste Schicht ist ziemlich unrein u. wird nochmals gesaigert. Die Darstellung des Z-s aus Seifenzinn besteht aus einem einfachen Reductionsproceß mittelst Kohle; man wendet hierzu Schachtöfen von der vorhin beschriebenen Form an u. schöpft das flüssige Metall aus dem zweiten Tiegel in den Raffinirkessel. Erhitzt man Blöcke von reinem Z. bis zu einer gewissen Temperatur u. läßt sie dann auf einem harten Boden fallen, so zersplittern sie in unregelmäßige säulenförmige Stücken, welche als Kornzinn in den Handel kommen. Da unreines Z. beim Erhitzen diese Sprödigkeit nicht erhält, so kann man zur Gewinnung von Kornzinn nur sehr reines Z. benutzen. Das reinste Z. ist das Banka-, Malakka- od. englische Z., welches aus dem Zinnstein des aufgeschwemmten Landes bes. in Hinterindien gewonnen wird. Sachsen producirt jährlich ungefähr 3000 Ctnr., Böhmen 1000 Ctnr. Zinn; Cornwall u. Devonshire in 156 Gruben 104,900 Ctnr.; Ostindien liefert wohl doppelt so viel als die Production des gesammten Europa beträgt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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