Mund [1]

Mund [1]

Mund (Os), 1) der durch die beiden Lippen gebildete Gesichtstheil, nebst der bei Schluß der Lippen sich darstellenden Querspalte (Mundspalte), welche bei Auseinanderweichen der Lippen zur äußeren Öffnung der Mundhöhle wird. Die Lippen selbst sind eigentlich als die vorderen unteren Theile der Backen zu betrachten u. als die Ränder, durch welche die äußeren Backenflächen in die inneren übergehen, obgleich die beiden Backen in ihrem Zusammentreten vorwärts ihre Bezeichnung als Backen verlieren. Charakteristisch für die Lippenbildung ist, daß diese Ränder aufgeschwollen u. in der Art umgeworfen sich darstellen, daß von der inneren Haut auch bei geschlossenem M. ein Theil (als Vorlippen) sichtbar ist, wodurch also der M. die ihm eigene Röthe erhält. Man unterscheidet eine Ober- u. eine Unterlippe. Die Oberlippe steigt in der Mitte vom unteren Theile der Nase, seitwärts von den Backen, vor den Zahnfächerfortsätzen des Oberkiefers u. den Schneidezähnen abwärts, ist länger u. springt gewöhnlich mehr hervor, als die Unterlippe. Von der Nasenscheidewand aus zeigt sich äußerlich in ihr eine mehr od. minder deutliche Furche, mit zwei etwas wulstigen Rändern, welche, senkrecht herabgehend u. zugleich breiter werdend, die Oberlippe in zwei gleiche Theile theilt. Auf der inneren Fläche wird sie durch eine häutige Falie der Mundhaut (oberes Lippenbändchen), ebenfalls in der Mitte über den mittleren Schneidezähnen, an den oberen Rand des oberen Zahnfleisches befestigt. Die Unterlippe steigt vom Kinn aus, von dem sie äußerlich durch eine leichte quere Vertiefung geschieden wird, vor den Zahnfächerfortsätzen des Unterkiefers u. den unteren Schneidezähnen aufwärts. Seitwärts tritt sie auf beiden Seiten mit der Oberlippe in spitzigen Winkeln (Mundwinkeln) zusammen, in deren Nähe die innere Mundhaut auf beiden Lippen weniger vorspringt. Unter den unteren mittleren Schneidezähnen geht auch nach innen eine senkrechte Falte der Mundhaut (als unteres Lippenbändchen) auf die Mitte des Randes des unteren Zahnfleisches über. Beide Lippenbändchen dienen zur Befestigung der Lippen, die außerdem ganz freie Beweglichkeit haben u. (wie die Backen) aus zwei Hautlagen, einer äußeren, als Fortsetzung der Hautbedeckung, nur seiner gebildet, u. einer inneren, der Mundhaut, welche aber wegen Gefäßreichthums hier ausgezeichnet geröthet erscheint, nebst einer mittleren Muskellage bestehen, welche als Mundschließer (Musculus orbicularis oris) für einen eigenen Muskel gilt (vgl. Gesichtsmuskeln u. Kopfmuskeln) u. in ihrer besonderen Wirkung den M. nicht sowohl schließt, als die Mundwinkel einander näher bringt u. den M. rundet od. spitzt, obgleich bei Thätigkeit anderer Gesichtsmuskeln der M. in der Mitte dabei geöffnet bleiben kann, wie unter anderen beim Pfeifen. Von den Gesichtsmuskeln wirken nun die meisten, namentlich auf jeder Seite der der Oberlippe u. dem Nasenflügel gemeinschaftliche u. der der Oberlippe u. dem Mundwinkel eigene Aufhebemuskel, der kleine u. große Jochbeinmuskel, der Niederzieher des Mundwinkels u. der der Unterlippe, so wie die Schneidezahnmuskeln direct auf Bewegung der Lippen; aber auch die benachbarten Gesichtsmuskeln, die ohnehin alle unter sich im innigsten Zusammenhang stehen, tragen zu dieser Bewegung bei; daher die Mannigfaltigkeit der Lippenbewegung, die selbst ein Haupttheil des eigenen Gesichtsausdrucks in den verschiedenen, durch Gefühle bedingten Lebenszuständen ist (vgl. auch Miene). Es ist daher auch nicht blos die Mundbildung, sondern auch die Mundbewegung für gefälligere od. mißfälligere Darstellung des Gesichtes, od. auch als Ausdruck der wechselnden Gefühle im Gemüthsleben charakteristisch. Es gehört daher auch die Lippenbildung zu den Eigenheiten der humanistischen Bildung überhaupt. Zwar haben auch Säugthiere Lippen als unterscheidbare Gesichtstheile, aber keins derselben, auch die Affen nicht ausgenommen, hat den Reichthum an die Lippen bewegenden Muskeln u. überhaupt eine so seine Organisation derselben, wodurch sie sich insbesondere auch bei Menschen zum Reden u. Hervorbringen musikalischer Töne, zum Blasen u. zu so manchen anderen Zwecken im humanistischen Leben darbieten; 2) die ganze Mundhöhle, in welcher Hinsicht man dann die Lippen, mit deren Zwischenraum, als äußeren M. od. Mundöffnung bezeichnet; 3) auch bei Thieren in beiderlei Bedeutungen, obgleich hier Maul gebräuchlicher ist, wo nicht eigene Benennungen, wie Schnauze, Rüssel, Schnabel etc. eintreten; 4) auch von anderen Höhlungen des menschlichen u. thierischen Körpers die Öffnung, jedoch mit Zusätzen, wie Muttermund.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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