Musenalmanach

Musenalmanach

Musenalmanach. Mit dem Aufblühen der Deutschen Literatur um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden auch periodische Schriften, wie die Poesien der Niedersachsen, die Belustigungen[573] des Verstandes u. des Witzes, die Bremischen Beiträge, welche dazu bestimmt waren, die Erzeugnisse der Lyrischen Poesie möglich rasch in Umlauf zu setzen. Ein solches Unternehmen begründeten 1769 Gotter u. Boie in Göttingen, wobei sie sich in Bezug auf äußere Erscheinung, wie auf die innere Anordnung, den seit 1765 herauskommenden Almanac des Muses zum Vorbild nahmen; ihre Poetische Blumenlese erschien 1770 zum ersten Male unter dem Titel M. Nach Gotters Weggang von Göttingen wurde derselbe von Boie allein bis 1775 fortgesetzt, u. in ihm legten die Mitglieder des Hainbundes ihre Gaben nieder. Nachdem somit sechs Jahrgänge des ersten Deutschen M-s erschienen waren u. Voß, der die Leitung desselben übernommen, den Verlagsort geändert hatte, gab der Göttinger Verleger doch die Fortsetzung des Unternehmens nicht auf; er wurde unter dem bisherigen Titel redigirt von Bürger u. Göckingk 1776–78, von Bürger allein 1779–94, von K. von Reinhard 1795–1801, worauf noch vier Jahrgänge, aber an andern Verlagsorten, herauskamen, von denen die beiden letzten (1804 u. 1805) wiederum von Reinhard redigirt worden waren. Der erwähnte, von Voß übernommene M. kam im ersten Jahre (1776) in Lauenburg, von 1777–99 in Hamburg (daher gewöhnlich Hamburger M. genannt) u. als letzter M. für das Jahr 1800 in Neustrelitz heraus; von 1776–78, u. von 1787–1800 hatte ihn Voß allein, von 1779–86 in Verbindung mit Göckingk redigirt. Der glückliche Erfolg des Göttinger Unternehmens zog bald andere nach sich. Die wichtgsten darunter waren der Almanach der deutschen Musen, welcher 1770–75 in Leipzig (von H. Schmid) herausgegeben wurde, aber in ganz anderer Art angelegt war u. anfänglich in ganz entschieden feindseliger Tendenz gegen den Göttinger auftrat, u. der Wienerische M. (seit 1777), welcher sich eine Reihe von Jahren durch die Beiträge seiner Leiter Radschky u. Blumauer (1781–88) Theilnahme erwarb, ohne jedoch wesentlich in den Gang der Literatur einzugreifen, u. auch von 1790–96, sowie noch 1802 u. 1803 erschien. Von noch geringerer Bedeutung blieben die andern M-e, bis endlich mit dem von Schiller herausgegebenen M. (1796–1801) eine neue Epoche für derartige Unternehmungen einzutreten schien; derselbe enthielt nicht nur Beiträge von Schiller u. Goethe, sondern von vielen andern bedeutenden Dichtern jener Zeit, auch machten sogleich im zweiten Jahrgange (1797) die darin enthaltenen Xenien allgemeines Aufsehen. Unter den verschiedenen neuen M-en, welche in Nachahmung des Schillerschen hervorgerufen wurden, sich aber sämmtlich nicht den gleichen Beifall zu erwerben vermochten, sind hervorzuheben: der von A. W. Schlegel u. Tieck (Tüb. 1802) u. von Vermehren (Jena 1802–1803), das Poetische Taschenbuch von Fr. Schlegel (Berl. 1805–6) u. der M. von Leo von Seckendorf (1807–8). Mit dem Emporkommen der unterhaltenden Taschenbücherliteratur verloren die M-e die Gunst der Lesewelt, u. erst als letztere das Metrische immer mehr ausschlossen, stellte sich wiederum das Bedürfniß von Sammlungen heraus, das Neue auf lyrischem u. lyrisch-epischem Gebiete in sorgfältiger Auswahl mitzutheilen. Eine dritte Epoche für diesen Literaturzweig begann um 1830, in welchem Jahre gleich zwei M-e auf einmal erschienen, von denen der eine, der Berliner M., herausgeg. von Mor. Veit, schon 1831 wieder einging, während der andere, von Am. Wendt (Leipzig) begründete, seit 1832 von G. Schwab u. Ad. Chamisso unter dem Titel Deutscher M. herausgegebene u. von den bessern Dichtern ausgestattete M. sich zehn Jahre (bis 1839) erhielt. Seitdem sind sehr viele Unternehmungen dieser Art begonnen worden, von denen jedoch nur wenige der Hervorhebung verdienen. Dahin gehören der Deutsche M. mit Beiträgen von Rückert, Lenau, Bechstein u.a. (Lpz. 1840), ferner ein solcher von Echtermeyer u. Ruge (Berl. 1840–41), von O. Gruppe (ebd. 1851–53) u. vor allen der von Schad (Würzb. 1850–60).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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