Muskel

Muskel

Muskel (Musculus, Mäuschen), Weichgebild des thierischen Körpers, dessen Substanz man allgemein unter dem Namen Fleisch kennt. Die M-n sind mehr od. weniger roth gefärbte, solide od. hohle, aus parallelen Fasern (Fleisch- od. Muskelfasern) zusammengesetzte Organe, mit der Hauptbestimmung vermöge der in ihnen während des Lebens in wohnenden u. von ihren Nerven u. der Wechselwirkung der lebenden Theile abhängigen Fähigkeit sich auf gewisse Reize in der Richtung ihrer Fasern verkürzen zu können (Muskelirritabilität), Bewegungen hervorzurufen, durch welche sich uns bald die Äußerungen des Willens in den Handlungen des Menschen. kundgeben (willkürliche, animale M-n), bald aber auch ohne Einfluß des Willens, vegetative Vorgänge im Körper vermittelt werden (unwillkürliche, vegetative, organische M-n). Zugleich helfen sie dem Körper die Form geben, Wände von Höhlen bilden u. Gefäße u. Nervenstämmen Schutz gewähren. Als Übergänge zwischen beiden Arten von M-n finden sich M-n mit gemischter Bewegung, welche unwillkürliche, zum organischen Leben nothwendige Bewegungen mache u. dennoch zu thierischen Verrichtungen dem Willen gehorchen, wie z.B. die Respirationsmuskeln. Das Muskelfleisch besteht aus einem eigenthümlichen Gewebe (Muskelgewebe, Tela muscularia), welches sich durch Fasern (Muskelfasern, Fibrae musculares, Primitivbündel) charakterisirt, die sich sowohl selbstthätig zusammenziehen, als auch durch äußere Einwirkungen (bes. durch Galvanismus) zu Zusammenziehungen (Muskelcontraction) veranlaßt werden können, u. zwischen denen sich Fett, Zellgewebe, Sehnenfasern, viele Nerven u. Gefäße befinden. Die Muskelfasern, von der Dicke eines Haares, verlaufen ihrer ganzen Länge nach ungetheilt, meist in unveränderter Stärke u. in paralleler Richtung, nur selten einander schräg durchkreuzend u. hören mit abgerundeten Enden auf. Diese Muskelfasern erkennt man unter dem Mikroskop als aus einer mehr od. minder großen (5 bis 500) Anzahl von feineren parallel u. in leicht geschlängelter Richtung neben[586] einander liegenden, unbekleideten, mit einander vereinigten Fäserchen (Elementarmuskelfasern, Muskelfibrillen, Fibrillae musculares) zusammengesetzt, welche durch eine äußerst zarte, helle, durchsichtige, textürlose, röhrenförmige Hülle (Muskelfaserscheide) zur Muskelfaser vereinigt werden. Muskelfasern werden durch Zellgewebe parallel an einander geheftet, mit einer zelligen Hülle umgeben u. bilden dann ein Muskelbündel (Fasciculus muscularis), deren mehre sich wieder von einer Zellscheide umgeben, zu einem größeren Bündel vereinigen; diese größeren Bündel wieder durch Zellgewebe verbunden, bilden zuletzt den M. u. dieser ist wieder in eine zellige, mehr od. minder fibröse Hülle (Muskelscheide, Vagina muscularis, Perimysium externum) eingeschlossen. Nach der Dicke der Bündel u. Fasern unterscheidet man grob- u. feinfaserige M-n. Diese Muskelscheiden hängen so mit den Hüllen der einzelnen Bündel u. Fasern zusammen, daß sie nach innen gleichsam Fortsätze machen, welche die großen Bündel überziehen u. diese wieder mittelst ihrer Fortsätze die kleineren Bündel bekleiden (Perimysium internum), so daß die ganze Zellscheidenumhüllung des M-s (Myolemma) wie ein System von in einander geschobenen kleineren u. größeren Röhren zu betrachten ist. In diesem Myolemma verbreiten sich die Muskelarterien, dringen von der Oberfläche in die Tiefe, baumförmig sich verzweigend burch die verschiedenen Hüllen hindurch u. theilen sich in immer feinere Zweige bis zu den einzelnen Fasern, zwischen denen sie etwas geschlängelt hinlaufen u. dieselben mit einem Gitter von langgestreckten Maschen umstricken. Die Muskelvenen u. Muskellymphgefäße fangen in der Tiefe des M-s an der Oberfläche der Fasern mit länglichen Netzen an, vereinigen sich zu größeren Stämmchen u. gelangen endlich auf die Oberfläche des M-s. Die Muskelnerven, von denen nur wenige Empfindungs-, sehr viele Bewegungsnerven sind, treten größtentheils am oberen Drittel des fleischigen Theiles in den M. ein u. vertheilen sich in der Längsrichtung den Muskelbündeln parallel, enden nicht in dem M., sondern bilden sich zu unregelmäßigen Geflechten, Schlingen u. Bogen u. schließen sich, nachdem sie den M. durchsetzt haben, wieder an ein benachbartes Stämmchen an. Die Farbe der Muskelfasern ist je nach Alter, Geschlecht, Constitution u. Gesundheitszustand etwas verschieden, bei den animalischen M-n lebhaft roth u. um so dunkler, je kräftiger ein M. ist, blaßroth dagegen bei den organischen M-n. Die Muskelfasern sind sehr weich, aber in ihrer Verbindung mit einander sehr schwer zerreißbar, durch Krankheiten jedoch kann sich diese Festigkeit sehr mindern. Ferner sind sie sehr elastisch. Während des Lebens befinden sich die M-n stets in einiger Spannung (Muskeltonus), denn quer durchgeschnitten ziehen sie sich zurück. Einige Zeit nach dem Tode erstarren die M-n (Todtenstarre). Die Muskelsubstanz enthält mehr als 3/4 ihres Gewichts Wasser u. gibt durch Kochen keinen Leim. Liebig hat mehre neue Substanzen aus den M-n dargestellt, nämlich Kreatin, Kreatinin, Sarkosin u. Inosinsäure. Außer den allgemeinen, allen thierischen Stoffen zukommenden Eigenschaften kommt den M-n noch eine nicht eben bedeutende Empfindlichkeit zu, obgleich sie ein sehr seines Gefühl (Gemeingefühl) für die Zustände haben. in welche sie durch die Contraction versetzt werden, so daß sie nicht nur Ermüdung u. Krampf deutlich empfinden, sondern auch durch die Kraft der Zusammenziehung die Schwere u. den Widerstand der Körper messen u. darum als der Sinn für Wahrnehmung der Schwere angesehen werden. Die wichtigste Eigenschaft der M. ist die Contractionskraft, eine lebende, den Muskelfasern eigenthümliche, aus ihrer Form u. Mischung hervorgehende, aber von den in ihnen verbreiteten Bewegungsnerven abhängige Fähigkeit (Muskelkraft, Muskelreizbarkeit, Irritabilitas Halleri), durch jedwede Art von Reizen sowohl psychische als mechanische, chemische u. elektrische zu Zusammenziehungen bestimmt zu werden, wobei sie sich in der Richtung ihrer Fasern verkürzen, um hinterher wieder zu erschlaffen. Diese Contractilität äußert sich selbst noch einige Zeit nach dem Tode, sobald die M-n od. ihre Bewegungsnerven gereizt werden. Während des Lebens sind die Hauptreize für die willkürlichen M-n die durch den Willen verstärkte Nerveneinwirkung, für die unwillkürlichen wahrscheinlich das Blut. Die Entwickelung des Muskelgewebes beim Embryo geschieht mit Ausnahme des Herzens erst spät, nach der Bildung des knorpeligen Skelets des Rumpfes, wie alle anderen Gewebeaus Zellen, die aber hier nicht selbständig bleiben, sondern zu Fasern verschmelzen.

Die M-n werden ihrer Structur nach eingetheilt in gestreifte u. glatte, od. nach der Form insolide u. hohle, od. nach der physiologischen Bedeutung in willkürliche od. animalischen. unwillkürliche od. organische, je nachdem sie vom Willen abhängig sind, wie die M-n der Gliedmaßen od. nicht wie z.B. das Herz u. die sämmtlichen M-n des Verdauungskanales. Von vielen M-n ist es ungewiß, ob sie zu den willkürlichen od. unwillkürlichen zu rechnen sind, wie z.B. die M-n der Speiseröhre u. des Rachens. Auch gibt es M-n, die zu beiden Klassen gehören können, wie z.B. Zwerchfell- u. die Bauchmuskeln. Bei der Muskelbewegung kommen die Grundsätze der Hebelbewegung sehr häufig in Anwendung, u. die M-n sind alsdann in der Art an die Knochen befestigt, daß ihre Bewegung nach Art eines Wurshebets erfolgt. Manche Thiere haben eine ungeheuere Muskelkraft, z.B. Frösche, Flöhe, womit sie im Stande sind, ihren Körper über einen Raum fortzuschnellen, welcher ihre Körperlänge vielmal übertrifft. Nach den Ursachen, durch welche Bewegungen hervorgerufen werden, unterscheidet man: a) heterogene Bewegungen, durch äußere od. innere Reize bedrängt, z.B. Darmbewegung in Folge des angesammelten Koths; b) automatische Bewegungen, von Seelenactionen unabhängig, entweder anhaltend (wie bei den sogen. Schließmuskeln) od. in einem regelmäßigen Rhythmus (Herz) erfolgend; c) antagonistische Bewegungen; die ruhige Lage verschiedener Theile des Körpers nämlich ist nicht Folge einer völligen Ruhe der M-n, vielmehr halten sich die verschiedenen Muskelgruppen durch Gegenwirkung das Gleichgewicht. d Reflexionsbewegungen, wozu alle (unwillkürlichen) Bewegungen gehören, welche auf ursprünglicher Erregung von Empfindungsnerven entstehen u. wo die Vermittelung der centripetalen u. centrifugalen Strömung durch das Gehirn u. das Rückenmark geschieht. e) Associirte Bewegungen (Mitbewegungen), wo der Anstoß zu einer willkürlichen Bewegung[587] zugleich eine unwillkürliche hervorruft; sie sind die Folge mangelnder Übung; f) Bewegungen, die von Zuständender Seeleabhängen, durch Vorstellungen, durch Leidenschaften, durch den Willen; g) Abnorme Bewegungen, theils vermehrt (Muskelkrampf), theils vermindert (Muskelschwäche) od. ganz aufgehoben (Muskellähmung). Die Muskelkrankheiten sind trotz des großen Nerven- u. Gefäßreichthums des Muskelgewebes doch nicht eben häufig. Die wichtigsten sind folgende: Muskelentzündung (Myosotis) zumeist rheumatischer Natur u. gewöhnlich einzelne M-n, am gefährlichsten das Herz (Myocarditis) befallend; die Muskelentzündung kann zur Vereiterung od. schwieligen Verdichtung bis zur Verknöcherung (Exercierknochen) führen. Muskelhypertrophie, krankhafte Volumszunahme des Muskelfleisches, bes. wichtig am Herzen (Herzhypertrophie) in Folge vermehrter Thätigkeit des M-s, welche bes. in mechanischen, von dem M. zu überwindenden Hindernissen od. auch in Erregung der Bewegungsnerven des M-s ihren Grund hat. Muskelatrophie, Schwund des Muskelgewebes in hohem Alter, bei Auszehrungskrankheiten, chronischen Vergiftungen etc.; die Muskelmasse nimmt nicht nur ab, sondern wird auch blutärmer, zerreißlicher u. schlaffer. Muskelsteatose (Fettentartung der M-n), entweder in wirklicher Umwandlung der Fasern in eine fettige Substanz od. in Verdrängung des Muskelgewebes durch Fett bestehend. Nicht selten finden sich in willkürlichen M-n parasitische Würmer, nämlich der Hülsenwurm, Finnenwurm u. der Rundwurm (Trichina spiralis), letzter zuweilen in solcher Masse, daß schmerzhafte Contracturen u. Muskellähmung entstehen kann. Vgl. Borelli, De motu animalium Rom 1680 f., u. Aufl. Haag 1743; Choulant, Über die willkürliche Bewegung des Menschen, Lpz. 1835.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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