Mühlhausen

Mühlhausen

Mühlhausen, 1) Stadt, einer Prämonstratenserabtei zu Prag gehörig, im böhmischen Kreise Budweis; Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, Schloß, Rathhaus, Runkelsyrupfabrik, Töpferei, Tuchmacherei, Mühlen; 2300 Ew.; 2) Kreis des Regierungsbezirks Erfurt in der preußischen Provinz Sachsen, 81/4 QM.; 47,000 Ew.; ist ziemlich gebirgig, darin das Eichsfeld, wird von der Werra, Unstrut, Lahne etc. bewässert u. hat Viehzucht, Landwirthschaft, Kalk- u. Mühlsteinbrüche u. Gewerbe; 3) Kreisstadt darin, an der Unstrut, besteht aus der Ober- u. Unterstadt u. 5 Vorstädten; von den ehemaligen 15 Kirchen sind noch 8 im Gebrauch (Marienkirche mit 5 Schiffen). M. ist von Mauern, Graben u. Wällen umgeben, hat Gymnasium, Seminar, Waisen-, Kranken- u. Arbeitshaus, Hospital, Sparkasse, Leihhaus, Kleinkinderschule u. Anstalt für verwahrloste Mädchen, Gewerbverein, Verein für Land- u. Gartenbau, Kamm- u. Streichgarnmaschinenspinnerei, Flanell- u. Baumwollenweberei, Tuchfabrikation, Golgasdruckerei, Loh- u. Saffiangerberei, Leimsiederei, Fabriken von Krappfarben, Fabrikation beweglicher Sparherde, Schuhmacherei, Steindruckerei, Instrumentenmacherei, Tabakfabriken, Getreidehandel, Bierbrauerei, Brennerei; Freimaurerloge: Hermann zur deutschen Treue; Stadtwappen: ein schwarzer Adler mit silbernen Mühlhauen in den Flügeln; 14,600 Ew. – M. war ehemals freie Reichsstadt; es entstand im 10. Jahrh. aus einer regalischen Mühlenanlage, welche das unbebaute Eichsfeld zu versorgen hatte (daher der Name). Kaiser Otto II. schenkte seiner Gemahlin Theophania neben andern Kammergütern auch M.; Heinrich der Löwe, im Streit mit Friedrich I., verbrannte die Stadt; Philipp von Schwaben wurde[511] hier zum König ausgerufen. Erst in der Mitte des 13 Jahrh. geschieht eines hoch (mit Münzrecht u. Zoll) privilegirten Stadtraths Erwähnung, doch hatte derselbe noch nicht das unbeschränkte Stadtregiment, sondern die Burg, ein Ganerbenschloß vornehmer Geschlechter, u. das Reichsschultheißenamt war in der Hand des Kaisers; im 13. Jahrh. zerstörten die Mühlhäuser die kaiserliche Burg, u. Kaiser Rudolf von Habsburg verhängte deshalb die Acht über die Stadt: darauf vertrieb M. den Kaiser Adolf mit seinem Kriegsvolke aus der Stadt. Das Reichsgericht, das Recht der Gesetzgebung u. das Jus de non appellando wurde im 14. Jahrh. unter Kaiser Ludwig dem Baier erworben; der Adel wurde aus den Freihöfen u. Dörfern vertrieben u. die Klöster mußten sich der Vormundschaft des Raths unterwerfen. Im Bauernkriege, wo Sachsen u. Hessen Stadt u. Gebiet besetzten, wurde der Rath bedeutend beschränkt; im Dreißigjährigen Kriege litt M. sehr, u. die Reichsgerichte, bes. der Reichshofrath, beschränkten aus Anlaß der langen Zwiste zwischen Rath u. Bürgerschaft die Privilegien immer mehr, bis zuletzt nur ein dem Namen nach freies, in der That sehr abhängiges Stadtregiment mit alterthümlichen Formen übrig blieb. Die Stadt wurde, sehr verschuldet, noch ehe die Abtretung vom Reiche förmlich beschlossen war, 1802 von Preußen in Besitz genommen, kam dann 1807 an Westfalen u. fiel 1813 an Preußen zurück. Vgl. Graßhof, Comment. de origine Mulhus., Lpz. 1749; Frantz, Geschichten u. Zustände aus der Vorzeit M-s, Mühlh. 1856; 4) Stadt im Kreise Preußisch-Holland des Regierungsbezirks Königsberg (preußische Provinz Preußen), an der Donne u. der Berlin-Königsberger Eisenbahn; Bierbrauerei, Töpferei; 1800 Ew.; 5) Pfarrdorf am Neckar im Oberamte Canstatt des württembergischen Neckarkreises; Weinbau (Musterweinberg), Ackerbau; 860 Ew.; 6) Pfarrdorf an der Enz im Oberamte Vaihingen des württembergischen Neckarkreises; Schloß, Wein- u. Feldbau; Viehzucht; Mühlen, Steinbruch, Flößerei; 1010 Ew.; 7) (Mülhausen, franz. Mulhouse), Stadt u. Cantonshauptort im Arrondissement Altkirch des französischen Departements Haut-Rhin, an der Ill, am Rhone-Rhein Kanal u. der Strasburg-Baseler Eisenbahn, die hier nach Thann u. über Belfort nach Paris, Dijon u. Lyon abzweigt; Hospital, Waisenhaus, Fabriken in Siamoisin, Tuch, Indiennes, allerhand Baumwollenwaaren, Leder, Eisen, Metallwaaren, Chemicalien, mehre Maschinenbauereien, Bleichen, Färbereien, Engelmann'sches Etablissement in Steindruckerei u. dgl., überhaupt der Mittelpunkt der Industrie des Elsaß; 28,000 Ew. – M. war in den Streitigkeiten zwischen Kaisern u. Päpsten den erstern immer treu u. mußte daher von Adel u. Geistlichkeit viel leiden, wurde 1246 vom Bischof Berthold von Strasburg genommen, u. erst 1262 wurden von Rudolf von Habsburg die Bischöflichen wieder vertrieben u. ihre daselbst errichtete Burg zerstört. Als Rudolf 1273 Kaiser geworden war, machte er M. zur Reichsstadt. 1347 gab ihr Kaiser Karl IV. das Recht sich selbst ihre Bürgermeister zu wählen. Gegen den umwohnenden Adel verband sich M. 1466 mit Bern u. Solothurn u. 1506 mit Basel. 1523 wurde die Reformation eingeführt Kraft ihres Bundes mit den Schweizern blieb M. in den Kriegen zwischen den deutschen Kaisern u. Frankreich neutral; 1798 kam es an Frankreich.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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